Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 K 5605/12
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 28. März bzw. 17. April 2012 auf Erteilung eines „Handwerkerparkausweises“ für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen W. -F. 770 beschränkt auf das Kreisgebiet von W1. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 26. Juli 2012 wird aufgehoben, soweit er sich auf das Kreisgebiet W1. erstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Erteilung eines sog. „Handwerkerparkausweises“, der im gesamten Regierungsbezirk E. gelten soll.
31. Der Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen „Ausnahmeregelung gemäß § 46 StVO für Gewerbebetriebe und soziale Dienste“ vom 15. Dezember 2004 sah für Handwerksbetriebe und ambulante soziale Dienste zur Erleichterung der Parkplatzsuche die Möglichkeit vor, eine Ausnahmeregelung gemäß § 46 StVO zu beantragen. Mit diesem Erlass wurde auch die Möglichkeit zur Erteilung gebietsübergreifender Ausnahmegenehmigungen eingeräumt. Um die Erteilung gebietsübergreifender Ausnahmegenehmigungen weiter zu fördern und die Ausnahmegenehmigung auch anderen Betrieben als Handwerksbetrieben zugänglich zu machen, wurde der Erlass vom 15. Dezember 2004 durch Erlass vom 16. April 2007 (Az. III B 3 -78-12/2) angepasst. Unter anderem heißt es dort:
4„1. Ausnahmegenehmigungen bei Reparatur und Montagearbeiten
5Handwerksbetrieben der Anlage A der Handwerksordnung und den in der Anlage B der Handwerksordnung verzeichneten Gewerken kann die Möglichkeit eingeräumt werden, für ihre Service- und Werkstattfahrzeuge pauschalierte oder ortsgebundene Einzelausnahmegenehmigungen zu beantragen. Darüber hinaus kann auch sonstigen Betrieben, die schweres oder umfangreiches Material bzw. Werkzeug transportieren müssen, die Möglichkeit eingeräumt werden, für ihre Service- und Werkstattfahrzeuge pauschalierte oder ortsgebundene Einzelausnahmegenehmigungen zu beantragen. Falls die Notwendigkeit einer solchen Ausnahmegenehmigung nicht offensichtlich ist, kann die Vorführung des entsprechenden Fahrzeuges geboten sein. Nach den bisherigen Erfahrungen empfiehlt es sich festzulegen, welche Berufe aus dem Bereich der Handwerkskammern grundsätzlich eine Ausnahmegenehmigung erhalten können. Bei der großen Zahl der Berufe und der erheblichen Unterschiede in den ausgeführten Tätigkeiten auch innerhalb von Berufsgruppen, ist eine solche vorherige Festlegung für den Bereich der Industrie- und Handelskammern nicht möglich.
6Fahrzeuge, die eine Ausnahmegenehmigung erhalten, müssen mit einer festen Firmenaufschrift versehen sein. Reine Ladetätigkeiten fallen nicht unter diesen Erlass.
7Die pauschalierte Einzelausnahmegenehmigung soll in den jeweils beantragten Einsatzgebieten dazu berechtigen,
8− im eingeschränkten Haltverbot / in Haltverbotzonen (Zeichen 286/290 StVO),
9− auf öffentlichen Parkplätzen mit Parkscheibenpflicht, an Parkuhren und im Bereich von Parkscheinautomaten gebührenfrei und ohne Beachtung der Höchstparkdauer,
10− auf Bewohnerparkplätzen
11zu parken, soweit und solange dies mangels anderer geeigneter Parkmöglichkeiten zur Durchführung der Arbeiten notwendig ist.
12Die ortsgebundene Einzelausnahmegenehmigung soll die besondere örtliche Verkehrssituation berücksichtigen. Gegebenenfalls ist eine Ortsbesichtigung durchzuführen.
13(…)
14Da viele Betriebe gemeinde- und kreisübergreifend tätig sind, empfehle ich Ausnahmegenehmigungen gemäß § 46 auch gebietsübergreifend zu erteilen. Dies beinhaltet die Freistellung von der örtlichen Zuständigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 8 StVO, die für die gebietsübergreifenden Vereinbarungen hiermit erteilt wird. Voraussetzung ist das Vorhandensein einer Vereinbarung zwischen den betroffenen Städten und Kreisen. Die Ausstellung der Ausweise erfolgt durch die Straßenverkehrsbehörde, in deren Zuständigkeitsgebiet der Betrieb seinen Sitz hat. Da ein Teil der Betriebe in ganz NRW tätig ist, empfehle ich sehr, dass die bereits bestehenden regionalen Parkausweisvereinbarungen gegenseitig anerkannt werden. Für die Nutzer sollten dabei keine zusätzlichen Gebühren entstehen.“
15Im Rahmen des Modellprojekts „Mittelstandfreundliche Verwaltung NRW“ schlossen alle kreisfreien Städte, Kreise sowie die Mittleren und Großen kreisangehörigen Städte im Regierungsbezirk E. im Juli, September und Oktober 2005 die „Vereinbarung über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Handwerksbetriebe gem. § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) im Regierungsbezirk E. “. Auch der Regierungspräsident E. unterzeichnete die Vereinbarung.
16§ 1 der Vereinbarung lautet:
17„Die jeweiligen Städte und Kreise des Regierungsbezirks E. erkennen die übergreifende örtliche Gültigkeit der nach dieser Vereinbarung in den jeweiligen Städten/Kreisen erteilten Dauerausnahmegenehmigungen für Handwerksbetriebe gem. § 46 StVO gegenseitig an.
18Die Bearbeitung der Anträge erfolgt nach Maßgabe des § 2 dieser Vereinbarung.
19Die pauschalierte Ausnahmegenehmigung soll ohne besondere Einzelfallprüfung im beantragten Gebiet dazu berechtigen,
20− im eingeschränkten Halteverbot zu parken; im Stadtgebiet X. nur in Zonen, die zusätzlich mit zeitlichen Beschränkungen versehen sind,
21− ohne Entrichtung von Gebühren und ohne Beachtung der Höchstparkdauer auf gebührenpflichtigen Parkplätzen zu parken,
22− auf Parkplätzen mit Parkscheibenpflicht ohne Beachtung der Höchstparkdauer zu parken,
23− auf reinen Bewohnerparkplätzen zu parken.
24Die Ausnahmegenehmigung wird als widerrufliche, auf ein Jahr befristete Genehmigung erteilt. Durch die Inanspruchnahme der Ausnahmegenehmigung darf die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt (keine Gefährdung) und der Verkehrsfluss nur unwesentlich eingeschränkt sein.“
252. Die Klägerin betreibt ein Lichtstudio und Elektrobauunternehmen in H. . Geschäftsführer der Klägerin ist Herr F1. F2. . Seine Ehefrau, Frau O. F2. , ist bei der Klägerin als Arbeitnehmerin angestellt. Auf ihren Namen ist der Personenkraftwagen mit Stufenheck der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen W. -F. 770 zugelassen. Das Fahrzeug trägt einen Firmenaufdruck der Klägerin und wird von ihr für Reparaturarbeiten und zum Ausliefern von Leuchten benutzt. Hierfür werden die hinteren Sitze heruntergeklappt. Nach ihrem Vortrag befinden sich sowohl Reparaturwerkzeuge als auch Messgeräte ständig im Fahrzeug. Daneben setzt die Klägerin noch zwei Lieferwagen in ihrem Betrieb ein.
26Im Jahr 2008 beantragte die Klägerin erstmals sowohl für den Personenkraftwagen als auch für die beiden Lieferwagen sogenannte Handwerkerparkausweise, die der Beklagte erteilte. In den Folgejahren wurden die Handwerkerparkausweise von dem Beklagten auf Antrag der Klägerin stets verlängert.
27Am 28. März 2012 beantragte die Klägerin erneut die Verlängerung der Handwerkerparkausweise. Ihrem Antrag fügte sie aktuelle Lichtbilder der Fahrzeuge bei. Die Handwerkerparkausweise für die beiden Lieferwagen wurden am 17. April 2012 antragsgemäß verlängert. Bezüglich des Personenkraftwagens wies der Beklagte per Email vom 17. April 2012 darauf hin, dass eine Verlängerung nicht erfolgen könne, da der Handwerkerparkausweis nur für Service- und Werkstattfahrzeuge erteilt werde, deren Einrichtung und Ausstattung zur Verrichtung von Reparatur- und Montagearbeiten beim Kunden vor Ort geeignet und dazu bestimmt seien. Diese Voraussetzung sei bei den Lieferwagen wegen fester Einbauten beziehungsweise hoher Ladekapazität gegeben, bei dem Personenkraftwagen mit Stufenheck der Marke BMW hingegen nicht, da der Umfang des hierin transportierbaren Materials überschaubar sei.
28Die Klägerin hielt entgegen, der Personenkraftwagen sei ein reines Firmenfahrzeug. Es komme häufig vor, dass in einer Halte- oder Parkverbotszone geparkt werden müsse, um sperrige Leuchter zu entladen und zu einem Kunden in höhere Stockwerke zu bringen. Die Anschaffung eines weiteren Lieferwagens mit festen Einbauten sei aus finanziellen Gründen nicht möglich. Zudem sei die Ausnahmegenehmigung bislang stets auch für den Personenkraftwagen erteilt worden. Es müsse überdies den Unternehmen selbst überlassen werden, mit welchen Fahrzeugen sie ihre Arbeiten verrichten würden.
29Der Beklagte berief sich auf die steigende Anzahl von Anträgen auf Erteilung eines Handwerkerparkausweises für normale Personenkraftwagen. Das habe dazu geführt, dass er seine Genehmigungspraxis dahingehend überprüft habe, ob normale Personenkraftwagen überhaupt als Service- und Werkstattfahrzeuge nutzbar seien. Dies sei aufgrund des Fehlens fester Einbauten und der relativ geringen Ladekapazität verneint worden. Dementsprechend würden solche Anträge seit der Überprüfung abgelehnt.
30Mit Bescheid vom 26. Juli 2012 (Az. 32/6-36 30 17), zugestellt am 30. Juli 2012, lehnte der Beklagte den beantragten Handwerkerparkausweis für den Personenkraftwagen ab und erhob eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 140,00 Euro sowie Zustellauslagen i.H.v. 2,56 Euro. Zur Begründung führte er aus, dass die Erteilung eines Handwerkerparkausweises in seinem Ermessen stehe. Bei der Ausübung des Ermessens habe er sich an dem Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. April 2007, der Vereinbarung der Kommunen im Regierungsbezirk E. vom 7. Oktober 2005 sowie dem Merkblatt orientiert. Zwar sei der von der Klägerin geführte Betrieb ein berechtigter Handwerksbetrieb. Der Personenkraftwagen ohne feste Einbauten sei jedoch kein Service- und Werkstattwagen im Sinne dieser Vorgaben. Die geringe Transportkapazität des Wagens lasse eine Lagerung oder den Transport von schwerem Werkzeug oder umfangreichem Material nicht zu. Die von der Klägerin vorgebrachte Liefer- und Ladetätigkeit werde weder von dem Erlass noch von der Vereinbarung erfasst. Dem Bescheid war eine Begründung der Gebühren beigefügt.
31Die Klägerin hat am 9. August 2012 Klage erhoben.
32Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, dass der Personenkraftwagen ausschließlich für den klägerischen Betrieb eingesetzt werde, um Reparaturarbeiten auszuführen und Materialien, Leuchten usw. auszuliefern. Es handele sich damit um einen Service- und Werkstattwagen im Sinne des Modellprojekts „Mittelstandfreundliche Verwaltung NRW“. Dementsprechend sei der Klägerin auch in den Vorjahren stets ein Parkausweis für den Personenkraftwagen gewährt worden.
33Die Klägerin beantragt,
34den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung seines Versagungsbescheides vom 26. Juli 2012 (Az. 32/6-36 30 17) für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen W. -F. 770 eine Ausnahmegenehmigung „Parkausweis für Handwerksbetriebe im Regierungsbezirk E. “ zu erteilen.
35Der Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren.
38Die Kammer hat dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Gelegenheit gegeben, zur Frage der Zuständigkeit der einzelnen Kommunen für regierungsbezirksweit geltende Parkausweise Stellung zu nehmen. Hiervon hat das Ministerium Gebrauch gemacht. Insofern wird auf Bl. 37 und 38 der Gerichtsakte verwiesen.
39Entscheidungsgründe
40Die zulässige Klage ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
411. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Erlass des beantragten „Handwerkerparkausweises“, soweit sich dieser über den Kreis W1. hinaus auf das gesamte Gebiet des Regierungsbezirks erstrecken soll, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Insofern ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
42Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen sogenannten „Handwerkerparkausweis“ im Sinne der Vereinbarung über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Handwerksbetriebe gem. § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) im Regierungsbezirk E. (abgedruckt im Amtsblatt für den Regierungsbezirk E. vom 13. Oktober 2005, S. 374 f.), also auf eine Ausnahmegenehmigung, die nicht nur im Kreis W1. , sondern ‑ vorbehaltlich bestimmter Einschränkungen – im gesamten Regierungsbezirk E. gilt.
43Rechtsgrundlage für die beantragte Ausnahmegenehmigung kann nur § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a, 4 b, 11 StVO sein. Danach können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den Vorschriften der StVO genehmigen, und zwar unter anderem von bestimmten Vorschriften über das Halten und Parken.
44§ 47 Abs. 2 Nr. 7 StVO regelt im Einzelnen bundesrechtlich, welche Behörde für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO zuständig ist. Danach kann eine Straßenverkehrsbehörde ausschließlich für ihr Gebiet eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO erteilen. Nur wenn die Behörde zugunsten von schwerbehinderten Menschen handelt, ist sie ermächtigt, eine gebietsübergreifende Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Die Existenz der Ausnahmevorschrift für Schwerbehinderte zeigt, dass dem Verordnungsgeber die örtlich beschränkte Befugnis der Straßenverkehrsbehörden bei der Erteilung von Ausnahmen von der StVO bewusst war. Eine über diese Personengruppe hinausreichende, erweiternde Auslegung der allgemeinen Zuständigkeitsregelung ist daher – auch mit Blick auf den grundsätzlich privilegienfeindlichen Charakter der StVO – für Ausnahmen zugunsten von Handwerkern ausgeschlossen.
45Gleichermaßen ausgeschlossen ist eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift für Schwerbehinderte auf Handwerker. Grundsätzlich sind nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Ausnahmevorschriften eng auszulegen und dürfen nach ihrem Normzweck nicht erweitert werden („singularia non sunt extenda“), da vermieden werden muss, dass durch eine allzu weite Auslegung einer Ausnahmevorschrift die Regelungsabsicht des Gesetzgebers schließlich in ihr Gegenteil verkehrt wird (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage, S. 340).
46Vgl. zur fehlenden Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften: BVerwG, Beschluss vom 26. September 2013 – 4 VR 1/13, BauR 2014, 79.
47Es ist nicht ersichtlich, dass für § 47 Abs. 2 Nr. 7 StVO etwas anderes gelten könnte. Selbst wenn die Vorschrift analogiefähig wäre, fehlte es an der vergleichbaren Interessenlage, die eine entsprechende Anwendung voraussetzt. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass die Interessen von Schwerbehinderten, die wegen ihrer Behinderung besonders schutzbedürftig sind (vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), weitaus gewichtiger sind als die von Handwerkern, denen lediglich ein verkehrlich vereinfachter oder auch nur kostengünstigerer Zugang zu ihren Baustellen gewährt werden soll.
48Die Straßenverkehrsbehörden i.S.v. § 47 StVO sind für Nordrhein-Westfalen in der Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach der Straßenverkehrs-Ordnung (ZustVO StVO NRW) vom 9. Januar 1973 in der Fassung vom 5. April 2005 festgelegt. Im hier interessierenden Zusammenhang handelt es sich nach § 1 und § 7 Abs. 1, 1. Halbs. ZustVO StVO NRW um die Kreisordnungsbehörden sowie die Mittleren und Großen kreisangehörigen Städte. Diese können also (nur) für ihr Stadt- bzw. Kreisgebiet Ausnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO erteilen, wenn es sich nicht um Ausnahmegenehmigungen für Schwerbehinderte handelt.
49An der bundesgesetzlichen Beschränkung der Kompetenz bei der Erteilung von Ausnahmen durch die (unteren) Straßenverkehrsbehörden auf ihren Zuständigkeitsbereich vermag der Erlass des Landesverkehrsministeriums vom 16. April 2007 – III B 3 – 78-12/2, auf den bzw. auf dessen Vorgängererlass vom 15. Dezember 2004 die Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 2005 (unausgesprochen) Bezug nimmt, nichts zu ändern. In dem Erlass von 2007 heißt es zwar:
50„Da viele Betriebe gemeinde- und kreisübergreifend tätig sind, empfehle ich Ausnahmegenehmigungen gemäß § 46 auch gebietsübergreifend zu erteilen. Dies beinhaltet die Freistellung von der örtlichen Zuständigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 8 StVO [Anm. des Gerichts: gemeint sein dürfte § 47 Abs. 2 Nr. 8 StVO], die für die gebietsübergreifenden Vereinbarungen hiermit erteilt wird. Voraussetzung ist das Vorhandensein einer Vereinbarung zwischen den betroffenen Städten und Kreisen. Die Ausstellung der Ausweise erfolgt durch die Straßenverkehrsbehörde, in deren Zuständigkeitsgebiet der Betrieb seinen Sitz hat.“
51Eine gesetzliche Grundlage vermag das Gericht für die als „Freistellung“ bezeichnete Kompetenzerweiterung der Straßenverkehrsbehörden im Wege eines Ministererlasses weder in der bundesrechtlichen StVO noch in der landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnung StVO NRW zu erkennen. Eine solche hat auch das Landesverkehrsministerium NRW (Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) in seiner an die erkennende Kammer gerichteten Stellungnahme vom 31. Oktober 2013 nicht benennen können.
52Der Umstand, dass die Bezirksregierung E. , die ausschließlich für regierungsbezirksweit gültige Ausnahmegenehmigungen zuständig ist, die Verwaltungsvereinbarung mitunterzeichnet hat, kann die erforderliche gesetzliche Erlaubnis zur Zuständigkeitsdelegation nicht ersetzen. Es entspricht nämlich allgemeiner Auffassung, der sich die Kammer anschließt, dass eine Behörde ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung ihre Zuständigkeit nicht einseitig (generell) auf eine andere Behörde delegieren kann.
53Vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. (2013), § 3 Rdnr. 12 bis 12b; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. (2014), § 3 Rdnr. 13; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. (2013), § 3 Rdnr. 9.
54An der mangelnden Zuständigkeit der jeweiligen (unteren) Straßenverkehrsbehörde für gebietsübergreifende Ausnahmegenehmigungen änderte nichts, wenn diese die Ausnahmegenehmigung formal nur für ihr Gebiet erteilen würde, die übrigen Träger der (unteren) Straßenverkehrsbehörden diese Genehmigungen aber – wie in § 1 der Verwaltungsvereinbarung vorgesehen – „anerkennen“ würden. Abgesehen davon, dass eine gesetzliche Grundlage für eine solche „Anerkennung“ im Gegenseitigkeitsverhältnis fehlt, dient diese rechtsgrundlagenlose Vereinbarung lediglich dazu, die bindenden Zuständigkeitsvorschriften, die der Sache nach eine gesetzliche Kompetenzbeschränkung darstellen, zu umgehen. Im Hinblick darauf haben die Vertragschließenden sowohl gegen die aus § 62 Satz 1 i.V.m. § 3 VwVfG NRW folgende allgemeine Regelung, dass „öffentlich-rechtliche Verträge nur von den dafür örtlich, sachlich und instanziell zuständigen Behörden und innerhalb ihrer Kompetenzen geschlossen werden dürfen“ (Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. (2014), § 62 Rdnr. 8), verstoßen, als auch gegen die spezielle straßenverkehrsrechtliche Vorschrift des § 47 Abs. 2 Nr. 7 StVO. Solche schwerwiegenden und offensichtlichen Verstöße führen zur Nichtigkeit des Vertrags.
55Vgl. Spieth, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher-Online Kommentar VwVfG, § 59 Rdnr. 28; Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. (2010), § 59 Rdnr. 18.
56Lediglich abrundend weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die mangelnde Zuständigkeit der (unteren) Straßenverkehrsbehörden die Existenz der seit nunmehr fast zehn Jahren eingeführten „Handwerkerparkausweise“, die sich aus der Sicht des Landesverkehrsministeriums bewährt haben, nicht durchgreifend in Frage stellt. Ohne Weiteres ist nämlich die Bezirksregierung E. als höhere Verwaltungsbehörde nach § 7 Abs. 4 ZustVO StVO NRW befugt, die Handwerkerparkausweise in der bisher praktizierten Form, also mit regierungsbezirksweiter Geltung, auszustellen. Dabei erscheint eine einvernehmliche Einbindung der (unteren) Straßenverkehrsbehörden in die Verfahrensbearbeitung im Wege der Amtshilfe (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW) nicht von vornherein ausgeschlossen, solange die abschließende Entscheidung von der Bezirksregierung getroffen wird.
572. Soweit der ursprüngliche Antrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren unausgesprochen (als wesensgleiches Minus) auch den Antrag enthält, ihr eine Ausnahmegenehmigung nur für das Gebiet des Kreises W1. , in dem sich ihr Betriebssitz befindet, zu erteilen, steht der Klägerin ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aus § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Denn der Beklagte hat – auf der Grundlage der bisherigen, bezirksweit unbeanstandeten Verfahrensweise gut nachvollziehbar – über diesen Antragsinhalt nicht gesondert entschieden. Das ihm eröffnete Ermessen ist bzgl. seines Kreisgebiets schon deswegen nicht durch die Verwaltungsvereinbarung gebunden, weil diese nur gebietsübergreifende Ausnahmen regelt. Bezogen auf das Kreisgebiet von W1. ist der Versagungsbescheid zumindest wegen Ermessensnichtgebrauchs im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft und deswegen als rechtswidrig aufzuheben.
58Die nach § 22 Abs. 1 VwKostG – die Vorschrift ist nach § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG für diesen Altfall weiterhin anwendbar – ebenfalls mitangefochtene Kostenentscheidung ist als abhängige Ermessensentscheidung ebenfalls aufzuheben.
59Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die erneut zu treffende Entscheidung nicht durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO im Einzelnen vorgeordnet ist. Allerdings ist der Erlass des Landesverkehrsministeriums vom 16. April 2007 zu berücksichtigen, der nicht nur für gebietsübergreifende Ausnahmen gilt. Im Übrigen ist in die Kostenentscheidung eingeflossen, dass ein Handwerksbetrieb idealtypisch in besonderer Weise daran interessiert ist, die Ausnahme zumindest für sein „Heimatkreisgebiet“ zu erhalten. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zu befinden.
60Es liegen keine Gründe vor, die Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen.
61Beschluss
62Der Streitwert wird nach § 52 Abs. 2 und 3 GKG auf 5.142,56 Euro festgesetzt.
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Referenzen
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- VwVfG § 5 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe 1x
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- § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO 3x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 4 ZustVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 47 Abs. 2 Satz 8 StVO 2x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs. 1 VwKostG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 47 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 VR 1/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- VwVfG § 3 Örtliche Zuständigkeit 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 46 StVO 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 113 2x
- VwGO § 167 1x
- StVG § 6a Gebühren 1x
- § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a, 4 b, 11 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 114 1x