Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 13 L 526/14.A
Tenor
- 1.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus E. bewilligt.
- 2.
Die aufschiebende Wirkung der Klage (13 K 1577/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Februar 2014 (Az. 0000000-273) wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Prozesskostenhilfe ist zu bewilligen, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 166 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung der Klage (13 K 1577/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Februar 2014 (Az. 0000000-273) anzuordnen,
5ist zulässig und begründet.
6Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
7Der Antragsteller hat zudem die Wochenfrist zur Stellung des Antrages (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) eingehalten. Der Bescheid vom 19. Februar 2014 wurde ihm am 26. Februar 2014 entsprechend der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG persönlich zugestellt, weil der Asylantrag nach der Vorschrift des § 27a AsylVfG abgelehnt wurde. Der Antragsteller hat am 5. März 2014 und damit innerhalb einer Woche den Eilantrag bei Gericht gestellt.
8Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf , Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Gunsten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Anders als von der Antragsgegnerin angenommen ist voraussichtlich nicht Malta, sondern die Antragsgegnerin selbst der zuständige Staat zur Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO).
13Vgl. bereits VG Düsseldorf , Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
14Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 7. Juni 2013 gestellt. Das Übernahmeersuchen datiert vom 9. Dezember 2013.
15Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich voraussichtlich aus Art. 7 Dublin II-VO. Danach ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, der bereits einem Familienangehörigen des Asylbewerbers das Recht auf Aufenthalt in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt hat, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Die Antragsgegnerin hat ausweislich des dem Gericht in Kopie vorliegenden Flüchtlingsausweis Frau B1. B2. als Flüchtling anerkannt.
16Frau B1. B2. ist voraussichtlich auch Familienangehörige des Antragstellers. Nach seinen Angaben und den in Kopie vorgelegten Dokumenten haben beide am 20. November 2012 geheiratet. Familienangehöriger im Sinne der Dublin II-VO ist ausweislich Art. 2 Buchstabe i, i) Dublin II-VO der Ehegatte des Asylbewerbers. Es ist voraussichtlich auch unschädlich, dass die Eheschließung in Abwesenheit der beiden Ehegatten erfolgte; die Ehefrau war zu dieser Zeit bereits in Deutschland, der Antragsteller auf Malta. Die in Art. 2 Buchstabe i Dublin II-VO aufgeführte Einschränkung „sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat“ findet im Rahmen des Art. 7 Dublin II-VO keine Anwendung. Denn dort erfolgt die Zuständigkeit aufgrund eines als Flüchtling anerkannten Familienangehörigen „ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat“ (Art. 7 Dublin II-VO). Diese Regelung geht als Spezialregelung der allgemeineren Regelung des Art. 2 Buchstabe i Dublin II-VO vor.
17Die Frage, ob die Eheschließung rechtsgültig ist, richtet sich nach dem Recht des Staates der Eheschließung, hier also Somalia. Es ist bekannt, dass in manchen muslimisch geprägten Staaten auch Ferntrauungen zulässig sind, sodass die Rechtsgültigkeit der Eheschließung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die in Kopie vorgelegten Dokumente, die die Eheschließung belegen sollen, sind jedenfalls nicht offensichtlich falsch. Ob das somalische Recht wie von der Antragsgegnerin vorgetragen die Anwesenheit zumindest der Ehefrau bei der Eheschließung verlangt, kann als Einwand gegen die Rechtsgültigkeit der Eheschließung erst im Rahmen einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren ermittelt werden; bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein vorzunehmenden summarischen Prüfung ist zunächst jedenfalls von einer rechtsgültig geschlossenen Ehe auszugehen.
18Die weitere Voraussetzung, dass die betroffenen Personen, hier also der Antragsteller und seine voraussichtliche Ehefrau, die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland wünschen, muss im Hinblick auf Frau B1. B2. im Hauptsacheverfahren abschließend ermittelt werden. Allein der Umstand, dass der Antragsteller eine Kopie ihres Flüchtlingsausweises vorgelegt hat, spricht aber dafür, dass sie sein Anliegen unterstützt.
19Der Antragsteller kann sich auch auf Art. 7 Dublin II-VO berufen, obwohl Malta dem Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin zugestimmt hat. Die Dublin-Verordnungen sehen grundsätzlich ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind demnach nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander.
20Vgl.Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 58.
21Ausnahmen bestehen allerdings bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen. Hierzu gehört Art. 7 Dublin II-VO, welcher eine subjektiv-rechtliche Schutzvorschrift zugunsten von Familienangehörigen enthält. Das kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass die Vorschrift die Zuständigkeit vom Wunsch der betroffenen Personen abhängig macht.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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