Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 17 K 5343/13
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 3. April 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein Unternehmen, das sich seit 2003 u.a. mit dem Erwerb, der Sortierung, dem Verkauf und Export von Alttextilien und gebrauchten Schuhen sowie der Herstellung und dem Vertrieb von Putzlappen befasst. Sie sammelt in Nord- und Mitteldeutschland mittels eigenen Containern Alttextilien und -schuhe und beabsichtigt, im Gebiet der Beklagten erstmalig eine gewerbliche Sammlung von Alttextilien und gebrauchten Schuhen aufzunehmen.
3Im Stadtgebiet der Beklagten unterhält die Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH X. (AWG), die für die Beklagte die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wahrnimmt, ein flächendeckendes System von derzeit 176 Containern für Alttextilien und -schuhe.
4Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 zeigte die Klägerin die von ihr im Stadtgebiet der Beklagten beabsichtigte gewerbliche Sammlung von Alttextilien und -schuhen nach § 18 Abs. 1 KrWG (Kreislaufwirtschaftsgesetz) an. Sie gab an, im Stadtgebiet der Beklagten mittels flächendeckend sowohl auf privaten als auch auf öffentlichen Grundstücken aufgestellten Sammelcontainern Alttextilien vorerst für fünf Jahre sammeln zu wollen. Es sei beabsichtigt mit 200 Containern jeweils ca. 150 kg Alttextilien pro Monat zu sammeln (Jahressammelmenge 360 t). Durch einen eigenen Fuhrpark (12 LKW´s) würden die Container in regelmäßigen Abständen – mindestens einmal in der Woche – geleert. Das Sammelgut werde nach I. (Sitz der Klägerin) in eine gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz angezeigte und genehmigte Anlage zur Annahme und Sortierung von gebrauchten Textilien und Schuhen transportiert und vor Ort auf der firmeneigenen Waage verwogen. Danach finde die Sortierung statt (tragbare und nicht tragbare Altkleider, Altschuhe und Fehlwürfe). Die Restmüllanteile (ca. 10 % der Sammelmenge) würden durch die Firma F. Trenntechnik GmbH – einen zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb – abgeholt und fachgerecht entsorgt. Nicht tragbare Kleidung (ca. 30 % der Sammelmenge) werde an die Firma E. Putzlappen GmbH verkauft und von dieser zu Putzlappen verarbeitet. Tragbare Kleidung (ca. 60 % der Sammelmenge) werde durch die Klägerin international weiterverkauft/vermarktet.
5Die Anzeige der Klägerin wurde von dem Team 106.22 (Gewässer- und Abfallüberwachung), deren Teamleiter Herr X1. ist, als Teil der unteren Abfallwirtschaftsbehörde bearbeitet. Die Koordination der Abfallwirtschaft erfolgt im Team 106.24 (Abfallwirtschaft). Leiterin dieses Teams ist Frau A. .
6Unter dem 13. Februar 2013 nahm die AWG zu der beabsichtigten Sammlung der Klägerin Stellung: Der klägerischen Sammlung stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Die angezeigte Sammlung verhindere bereits die Erfüllung der der Beklagten nach § 20 KrWG obliegenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen. Sie beziehe sich ausschließlich auf den rentablen Bereich der Alttextilerfassung mit der Folge, dass durch das Wegbrechen dieser rentablen Abfälle eine Quersubventionierung der unrentablen Bereiche der Hausmüllentsorgung für die AWG wesentlich erschwert werde. Dies gelte vor allem, wenn man die angezeigte Sammlung im Zusammenwirken anderer Sammlungen bewerte. Zudem beeinträchtige die angezeigte Sammlung auch die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der Beklagten, bzw. der AWG wesentlich. Dies ergebe sich bereits daraus, dass durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst würden, für die die AWG eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung von Abfällen durchführe. Diese sei grundsätzlich vor gewerblicher Konkurrenz zu schützen. Außerdem werde die Stabilität der Gebühren gefährdet. Die Stabilität der Abfallgebühren werde gerade dadurch erreicht, dass die Verluste aus unrentablen Bereichen der Entsorgung und Verwertung mit den Gewinnen einer Bewirtschaftung von rentablen Bereichen saldiert und somit ausgeglichen würden. Dadurch werde dem Bürger ein beständiges Niveau der örtlichen Abfallgebühren garantiert, welches nicht in Folge ständig schwankender privater Wettbewerber im Bereich lukrativer Sekundärrohstoffe regelmäßigen Gebührensprüngen ausgesetzt sei. Auswirkungen auf die Stabilität der örtlichen Abfallgebühren seien demnach zwingend. Dabei komme es auch nicht auf einen bestimmten Gefährdungsgrad an, sondern allein entscheidend sei, dass die Klägerin Erlöse mit der Verwertung von Alttextilien erziele, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in der Gebührenkalkulation fehlen und ansonsten zu einem höheren Kostendeckungsgrad führen würden. Im Übrigen sei die von der Klägerin angebotene Sammlung und Verwertung auch nicht wesentlich leistungsfähiger als die von der AWG angebotene Leistung. Schließlich habe die Klägerin bislang nicht nachgewiesen, dass die gesammelte Abfallfraktion einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werde. Die gemachten Ausführungen seien nicht ausreichend. Die Entsorgungsunternehmen, die die weitere Verwertung oder Beseitigung der vorsortierten Alttextilien übernähmen, seien lediglich benannt. Entsorgungsverträge, aus denen sich die dauerhafte Sicherstellung der Verwertungswege ergebe, lägen der Anzeige nicht bei. Bereits aus diesem Grund müsse die Sammlung untersagt werden.
7Nach erfolgter Anhörung untersagte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 3. April 2013 – der Klägerin zugestellt am 24. Mai 2013 – im Stadtgebiet von X. entsprechend der Anzeige vom 10. Dezember 2012 gewerblich Altkleider, Alttextilien und Altschuhe zu sammeln. Außerdem drohte die Beklagte für den Fall, dass die Klägerin dieser Anordnung zuwider handelt ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 Euro an. Die Zwangsgeldandrohung gelte für jeden Fall der Zuwiderhandlung je Sammeltag. Die Beklagte setzte außerdem eine Gebühr für den Erlass der Verfügung in Höhe von 500,00 Euro fest.
8Die Beklagte stützte die Untersagung der klägerischen Sammlung auf § 18 Abs. 5 Satz 2 und auf § 62 KrWG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 2. Alt. KrWG. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Ausführungen der AWG und stellte im Ergebnis fest, der klägerischen Sammlung stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Hingegen führte sie nicht aus, die Klägerin habe die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung bislang nicht nachgewiesen.
9Die Klägerin hat am 24. Juni 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Beklagte sei – da sie gleichzeitig öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger sei – nicht die zuständige Behörde im Sinne des § 18 Abs. 5 KrWG, weil es an einer hinreichenden Trennung der Zuständigkeiten fehle. Zudem verstoße die als rechtliche Grundlage für die Untersagung angewendete Norm des § 17 Abs. 3 KrWG gegen Unionsrecht. Jedenfalls lägen die – unionsrechtskonform auszulegenden – Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG vor. Insbesondere stünden der Sammlung keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei nicht gefährdet. Es werde von der Beklagten nicht dargelegt, dass es durch die Sammlung tatsächlich zu einer Beeinträchtigung der Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des beauftragten Dritten komme. Die Beklagte führe lediglich pauschal aus, es gebe „weitere Anzeigen“ gewerblicher Sammlungen und dadurch würden Alttextilien der Sammlung des beauftragten Dritten entzogen. Konkrete Angaben zu den durch den beauftragten Dritten gesammelten Alttextilienmengen und zu den entzogenen Mengen fehlten. Auch konkrete Angaben bezüglich der Auswirkungen auf die Gebührenstabilität fehlten. Außerdem sei die Sammlung der Klägerin nicht nur aufgrund der geplanten flächendeckenden Aufstellung von Sammelcontainern wesentlich leistungsfähiger als die von der Beklagten angebotene Leistung. Schließlich sei die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft, da die Beklagte nicht erkannt habe, dass die Untersagung nur als ultima ratio zulässig sei. Sie habe nicht geprüft, ob dem Schutz des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch Bedingungen, Befristungen oder Auflagen hätte Rechnung getragen werden können.
10Die Klägerin beantragt,
11den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2013 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie führt im Wesentlichen aus: Sie sei für den Erlass des Bescheides zuständig. Sie habe für eine sachgerechte innere Trennung der Zuständigkeiten gesorgt. Die Aufgabenbereiche der unteren Abfallwirtschaftsbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers seien organisatorisch und personell voneinander getrennt. Rechtsgrundlage für die Untersagung sei (ausschließlich) § 18 Abs. 5 KrWG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Nr. 3, 4, Abs. 3 KrWG. § 17 Abs. 3 KrWG verstoße nicht gegen Unionsrecht. Auch bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 3 KrWG stünden der beabsichtigten Sammlung der Klägerin überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Durch das Wegbrechen der rentablen Abfälle für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werde die Quersubventionierung der unrentablen Bereiche erschwert und dadurch die Erfüllung der dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegenden Pflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert. Dies werde deutlich bei der Berücksichtigung der Tatsache, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger derzeit über 30 Anzeigen gewerblicher Alttextiliensammlungen vorlägen (Tendenz steigend). Aus den Anzeigen (Stand September 2013) ergebe sich eine Gesamtsammelmenge von Alttextilien in Höhe von 1265,11 t pro Jahr und von Altschuhen in Höhe von 46,9 t pro Jahr. 10 der angezeigten Sammlungen hätten keine Sammelmengen angegeben. Außerdem spiegelten die Mengen nur die angezeigten, nicht aber die illegal oder nicht angezeigten Sammlungen wieder. Dementsprechend sei tatsächlich von einer wesentlich höheren Gesamtsammelmenge auszugehen, die durchaus 2000 t pro Jahr betragen könne. Bei einem durchschnittlichen Betrag von 400,00 Euro Erlös pro Tonne mache dies einen jährlichen Verlust für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Höhe von 800.000,00 Euro aus. Bei einem noch höheren Erlös von z.B. 1000,00 Euro pro Tonne sei von Einbußen in Höhe von 2.000.000,00 Euro auszugehen. Demgemäß könnten Auswirkungen auf die Abfallgebühren nicht konkret dargelegt werden. Sie seien jedenfalls nicht unerheblich. Für die Annahme der wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers reiche es aus, dass sie durch die AWG ein eigenes hochwertiges Erfassungssystem für Alttextilien vorhalte. Die Sammlung der Klägerin sei nicht wesentlich leistungsfähiger.
15Das Gericht hat mit Verfügung vom 2. Juni 2014 die Beklagte gebeten, u.a. mitzuteilen, welche Mengen (in Tonnen/pro Jahr) an Alttextilien in den Jahren 2012, 2013 durch die AWG gesammelt wurden und prognostisch im Jahr 2014 gesammelt werden, wie viele Anzeigen nach § 18 Abs. 1 KrWG es derzeit für ihr Stadtgebiet gibt und welche Gesamtsammelmenge von Alttextilien in Tonnen pro Jahr sich insgesamt aus den Anzeigen ergibt.
16Die Beklagte hat sich dahingehend eingelassen, die AWG habe im Jahr 2012 579 t und im Jahr 2013 612 t Alttextilien erfasst. Für das Jahr 2014 gehe die AWG von einer Steigerung der Sammelmenge von 10 % bedingt durch die Aufstellung weiterer Container aus (insgesamt 200 Container). Es lägen derzeit 34 Anzeigen gewerblicher und gemeinnütziger Alttextilsammlungen für das Stadtgebiet vor. Aus den Angaben in den Anzeigen ergebe sich eine jährliche Sammelmenge von 1.713,811 t Alttextilien im Stadtgebiet. Zu berücksichtigen sei indes, dass die Angaben in den Anzeigen der Sammler häufig unvollständig seien und im Stadtgebiet punktuell Straßensammlungen durchgeführt würden, deren Sammelmenge nur geschätzt werden könne. Hinzu kämen zahlreiche Sammlungen, die bei der Beklagten nicht angezeigt würden. Nach Schätzungen der AWG sei davon auszugehen, dass von den gewerblichen Sammlungen und den nicht angezeigten Sammlungen in etwa jeweils die gleiche Menge, die die AWG sammelt, erfasst werde.
17Darüber, wer und in welchem Umfang tatsächlich im Stadtgebiet Alttextilien sammele, gebe es keine gesicherte Erkenntnis. Insgesamt seien 128 Container ohne eine entsprechende Anzeige illegal im Stadtgebiet der Beklagten aufgestellt worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
21A. Die zulässige Klage ist begründet.
22Die angefochtene Verfügung der Beklagten vom 3. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23I. Die Beklagte hat die Untersagung der von der Klägerin angezeigten Sammlung von Alttextilien und -Schuhen auf dem Gebiet der Beklagten in der Verfügung vom 3. April 2013 nach ihrem ausdrücklichen Hinweis in der Klageerwiderung (ausschließlich) auf § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG gestützt, um die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen zu gewährleisten.
24Hinsichtlich der Wirksamkeit des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG als Ermächtigungsgrundlage bestehen weder unionsrechtliche (1.) noch verfassungsrechtliche (2.) Bedenken.
251. Bei unionsrechtskonformem Verständnis der §§ 18 Abs. 5, 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 KrWG bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen mit dem Unionsrecht. Zwar stellen gesetzliche Überlassungspflichten im Abfallrecht Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 f. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -) und der Wettbewerbsfreiheit (Art. 101 ff. AEUV) dar,
26vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 17 KrWG BT-Drucks. 17/6052, S. 85,
27diese sind jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt. Die Rechtfertigung von Überlassungspflichten insbesondere in Bezug auf getrennt gesammelte Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen ergibt sich aus Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV. Hiernach gelten die Vorschriften der Verträge nicht für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, soweit die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Abfallentsorgung aus privaten Haushalten ist als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu bewerten,
28vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 – 7 C 16/08 –, juris Rn. 40 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 10. November 1998 – C-360/96 –, juris.
29Dies zugrunde gelegt, ist unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung jeweils bezogen auf den Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Überlassungspflicht gerechtfertigt ist. Dafür gibt die Ausnahmeregelung in § 17 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 KrWG bei unionsrechtskonformen Verständnis genügend Raum,
30vgl. zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2013 – 10 S 1116/13 –, juris Rn. 11 ff. m.w.N..
312. Gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu der im wesentlichen gleichlautenden Vorgängerregelung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)) wurde höchstrichterlich geklärt, dass die Norm mit ihrem partiellen Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen eine verfassungsrechtlich zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) darstellt,
32vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 – 7 C 16/08 –, juris Rn. 36.
33Auch für das geltende Recht trifft diese Rechtsprechung zu,
34vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 109 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2013 – 10 S 1116/13 –, juris Rn. 10 m.w.N.,
35zumal sich gewerbliche Entsorgungsunternehmen um Aufträge nach § 22 KrWG bemühen können. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung (§ 20 KrWG) rechtfertigt grundsätzlich die gesetzliche Statuierung von Überlassungspflichten, von denen nur ausnahmsweise und unter Wahrung öffentlicher Interessen zu Gunsten gewerblicher Sammlungen abgesehen werden kann.
36II. Die Untersagungsverfügung ist formell rechtmäßig. Insbesondere von der Zuständigkeit der Beklagten – einer kreisfreien Stadt – als unterer Umweltschutzbehörde, § 38 Landesabfallgesetz NRW (LAbfG) i.V.m. § 1 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz, ist auszugehen.
37Zwar kann vor dem Hintergrund verfassungsrechtlich gebotener Distanz und Unabhängigkeit des Staates die darin geregelte Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte problematisch sein, da diese als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nach § 5 Abs. 1 LAbfG selbst Abfall sammeln (nur kreisfreie Städte, bei Kreisen ist die Sammlung und Beförderung hingegen grundsätzlich den kreisangehörigen Gemeinden übertragen, § 5 Abs. 6 Satz 1 LAbfG) oder zumindest für dessen Verwertung verantwortlich sind (§ 5 Abs. 2 LAbfG) und ggf. zugleich am Anzeigeverfahren betreffend gewerbliche/gemeinnützige Abfallsammlungen beteiligt werden, § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG.
38Ein derartiges „Neutralitätsgebot“ des Staates folgt zumindest aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, und zwar als Teil des Gebotes eines fairen Verfahrens,
39vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 – 9 A 39/07 –, juris Rn. 24.
40Insoweit mag eine vollständige Trennung der Zuständigkeiten (untere Umweltschutzbehörde und öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger) wünschenswert sein, sie bildet aber keine notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit. Eine Behörde mit Doppelzuständigkeit hat als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen, ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht. Angesichts dessen ist eine neutrale Aufgabenwahrnehmung durch sie jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 – 9 A 39/07 –, juris Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014 – 20 B 669/13 –, n.v. UA Seite 3; VG Düsseldorf, Urteil vom 8. April 2014 – 17 K 8550/12 –, n.v. UA Seite 12 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2013 – 17 L 260/13 –, juris Rn. 17.
42Dabei ist von einer solchen Trennung dann auszugehen, wenn behördenintern unterschiedliche Einheiten und Sachbearbeiter für die Erfüllung der Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger einerseits bzw. untere Umweltschutzbehörde andererseits zuständig sind und zumindest die unmittelbaren Vorgesetzten der Sachbearbeiter nicht personenidentisch sind. Das ist bei der Beklagten der Fall. Die Aufgaben der unteren Umweltschutzbehörde werden von dem Team 106.22 (Gewässer- und Abfallüberwachung) wahrgenommen. Teamleiter ist Herr X1. . Die Anzeigenbearbeitung, Anhörung und der Erlass von Verfügungen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 und 2 KrWG wurde bzw. wird im Wesentlichen durch Herrn X1. und Herrn N. (Fachreferent Umweltrecht) vorgenommen. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sind auf die AWG übertragen. Die Koordination erfolgt durch das Team 106.24 (Abfallwirtschaft), deren Leitung Frau A. obliegt.
43III. Die Untersagungsverfügung genügt jedoch nicht den materiell rechtlichen Anforderungen.
44Rechtsgrundlage für die Untersagung der klägerischen Sammlung ist § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Danach hat die zuständige Behörde die angezeigte Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Letztere Norm ist als Ausnahmeregelung zu den grundsätzlich bestehenden Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 KrWG) konzipiert. Die Überlassungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG für Abfälle aus privaten Haushaltungen besteht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen.
45Auch ohne die Untersagung der klägerischen Sammlung wird die Durchsetzung der Überlassungspflichten nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG nicht gefährdet. Die von der Klägerin gesammelten Alttextilien und -schuhe – die Abfälle aus privaten Haushaltungen im Sinne des § 3 KrWG darstellen (1.) – unterliegen nämlich gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht der Überlassungspflicht, weil sie durch die Klägerin einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden (2.) und überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung nicht entgegenstehen (3.).
461. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung -,
47vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014 – 20 B 331/13 –, juris Rn. 11 ff.,
48ist von der Abfalleigenschaft der von der Klägerin gesammelten Alttextilien und -schuhe auszugehen,
49vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 – 17 K 3013/13 –, juris Rn. 60 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2013 – 17 L 260/13 –, juris Rn. 35.
50Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Eine Entledigung in diesem Sinne ist gemäß § 3 Abs. 2 KrWG anzunehmen, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung im Sinne der Anlage 2 oder einer Beseitigung im Sinne der Anlage 1 zum KrWG zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt.
51Die Abfalleigenschaft der von der Klägerin gesammelten Alttextilien und -schuhe ergibt sich aufgrund einer Entledigung durch den Besitzer (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KrWG) in Gestalt der Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft (durch Einwurf in einen Sammelcontainer) unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung (§ 3 Abs. 2 Alt. 3 KrWG).
52Sobald die Vorbesitzer der Kleidung diese in den Sammelcontainer werfen, geben sie ihre diesbezügliche Sachherrschaft auf. Ein Rückschluss von der Höhe der Wiederverwendungsquote auf eine (konkludente) Zweckbestimmung des Besitzers im Sinne von § 3 Abs. 2 Alt. 3 KrWG ist nicht möglich. Dies gilt schon deshalb, weil weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich ist, dass der einzelne Besitzer Kenntnis von der Wiederverwendungsquote hat und hinsichtlich der Weg-/Abgabe von nicht mehr für eigene Zwecke benötigten Alttextilien oder -schuhen auf der Grundlage dieser Kenntnis zwischen potenziell in Betracht kommenden (Annahme-)Stellen entscheidet.
53Unabhängig von der Wiederverwendungsquote und unabhängig davon, ob mit der Übergabe von Alttextilien an einen „Second-Hand-Laden“ oder an eine Kleiderkammer eine Zweckbestimmung verbunden ist, lässt sich eine solche jedenfalls beim Einwurf von Alttextilien in einen öffentlich zugänglichen Sammelcontainer nicht feststellen. Es kann dahinstehen, ob tatsächlich ein Großteil der Abgebenden Alttextilien und -schuhe aus der Motivationslage heraus und mit der Hoffnung in einen Sammelcontainer werfen, Kleidung und Schuhe sollten wiederverwendet, also weitergetragen werden. Jedenfalls ist für eine darüber hinausgehende Zweckbestimmung im Sinne einer realistischen und verbindlichen Festlegung einer entsprechenden Funktion der einzelnen Sache nichts ersichtlich.
54Weiterhin steht der Annahme einer Zweckbestimmung entgegen, dass in aller Regel ein Interesse oder ein Wille des Abgebenden, die Einhaltung der (unterstellten) Zweckbestimmung zu verfolgen oder zu kontrollieren, nicht existieren dürfte und ihm unabhängig davon ohnehin entsprechende Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen dürften, weil er mit dem Einwurf der Alttextilien und -schuhe in den Sammelcontainer im Regelfall jede weitere Einflussmöglichkeit aufgibt. Angesichts dessen fehlt es bereits an einer tauglichen Grundlage für die Annahme, ein Alttextilien und -schuhe Abgebender wolle über das Bestehen einer bestimmten Motivationslage hinaus eine (verbindliche) Zweckbestimmung treffen. Im Übrigen machte die Annahme einer beim Einwurf von Alttextilien und -schuhen in einen Sammelcontainer abgegebenen Zweckbestimmung nur Sinn, wenn es einen Adressaten gäbe, der sich entsprechend der Bestimmung verhalten könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die (unterstellte) Zweckbestimmung bei der Abgabe (Einwurf in den Sammelcontainer) nicht erfasst oder aufgenommen wird und es im Nachhinein nicht möglich ist, allein aus der Art und/oder dem Erhaltungszustand eines einzelnen (Textil-)Stücks auf eine (unterstellte) Zweckbestimmung des Abgebenden beim Einwurf in den Sammelcontainer zurückzuschließen. Da es unterschiedliche Gründe oder Motive gibt, aus denen heraus Alttextilien zur „Kleidersammlung“ gegeben werden, gibt es mit Sicherheit auch Fälle, in denen ein zur Wiederverwendung geeignetes Kleidungsstück ohne entsprechende Zweckbestimmung abgegeben wird, etwa weil der Abgebende das Stück - zur Verminderung eines überschüssigen Bekleidungsbestands - schlicht „loswerden“ will und es beispielsweise aus Umweltschutz- oder Platzgründen nicht in den Restabfallbehälter wirft. Schließlich führte der Rückschluss von der Art oder dem Erhaltungszustand eines Textilstücks auf die (unterstellte) Zweckbestimmung dazu, dass von der Klägerin jedenfalls auch Abfall gesammelt wird. Denn im Hinblick auf deutlich verschlissene, offensichtlich nicht wieder oder weiter tragbare Kleidung und Schuhe sowie auf andere Textilien außerhalb von Bekleidung könnte von vornherein nicht von einer auf die Wiederverwendung als Kleidungsstück gerichteten Zweckbestimmung ausgegangen werden.
55Da die Abfalleigenschaft bereits aus der Entledigung gemäß § 3 Abs. 2 Alt. 3 KrWG folgt, kann dahinstehen, ob sie sich (auch) aus § 3 Abs. 3 KrWG aufgrund des Willens zur Entledigung ergibt.
56Schließlich handelt es sich bei den Alttextilien auch um Abfälle aus privaten Haushaltungen, die von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG erfasst werden. Unter Abfällen aus privaten Haushaltungen sind solche zu verstehen, die im Rahmen der privaten Lebensführung typischerweise und regelmäßig anfallen,
57vgl. Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Auflage 2012, § 17 Rn. 18.
58Dazu gehören ohne Weiteres Alttextilien.
592. Die Klägerin führt die Abfälle gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zu – wovon die Beklagte in der angefochtenen Verfügung anders als die AWG in ihrer Stellungnahme ausgegangen ist.
60Zur Ausfüllung des Begriffs der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung kann auf § 7 Abs. 3 KrWG zurückgegriffen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Verwertung der von der Klägerin eingesammelten Alttextilien und -schuhe die Schadlosigkeit im Sinne § 7 Abs. 3 Satz 3 KrWG fehlt, liegen von vornherein nicht vor. Weiterhin lässt sich nicht feststellen, dass die Verwertung nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 2 KrWG erfolgt. Die Verwertung erfolgt danach ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften des KrWG und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.
61Der von der AWG gemachte Vorwurf, es seien mit der Anzeige nach § 18 Abs. 1 KrWG keine Entsorgungsverträge vorgelegt worden, aus denen sich die dauerhafte Sicherstellung der Verwertungswege ergebe, stellt schon keinen Verstoß gegen Vorschriften des KrWG oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dar,
62vgl. zu dem Erfordernis des erforderlichen verwertungsspezifischen Bezugs der öffentlich-rechtlichen Vorschriften bzw. des Zusammenhangs mit Gesundheits- und Umweltschutz VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2014 – 17 K 2816/13 –, n.v. UA Seite 8 ff., auf das es hier mangels Verstoßes nicht ankam.
63Eine entsprechende Norm, die dies fordern würde, existiert nicht. Insbesondere die Pflicht zur Anzeige der Sammlung umfasst die Vorlage eines solchen Vertrages nicht. Die im Rahmen der Anzeige von der Klägerin erbrachte Darlegung - nur dies fordert das novellierte KrWG in § 18 Abs. 2 Nr. 5 - einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung durch die Benennung der einzelnen Vertragspartner und die Schilderung des Sortierungsprozess und anschließenden Verkaufes ist hinreichend, da diese nachvollziehbar und transparent sind sowie keine tatsachengestützten Bedenken im Hinblick auf etwaige Missstände der Verwertung bestehen. Insbesondere ist für Missstände bei den genannten Unternehmen weder etwas vorgetragen noch sonst Umstände hierfür ersichtlich. Soweit zum Teil gefordert wird bzw. wurde, der gewerbliche Sammler müsse stets einen Vertrag mit dem Verwerter vorlegen, in dem dieser unabhängig vom jeweiligen Erlös die Abnahme der Stoffe garantiere,
64vgl. VG Ansbach, Urteil vom 16. Januar 2013 - AN 11 K 12.00358 -, juris Rn. 34; noch zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG: VG Ansbach, Beschluss vom 30. März 2012 - AN 11 S 12.00357 -, juris Rn. 25,
65kann dem jedenfalls unter dem geltenden Kreislaufwirtschaftsgesetz im hier streitgegenständlichen Bereich der Alttextil- und Schuhsammlung aufgrund des Charakters des Abfalls als „klassischer“ und vor allem werthaltiger Abfall – ähnlich wie Altglas oder Altpapier –, für den etablierte Verwertungswege bestehen, nicht gefolgt werden,
66vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2014 – 17 K 2816/13 –.
67Dies gilt gerade auch angesichts des dauerhaft deutlich positiven Marktwertes von Alttextilien.
683. Der gewerblichen Sammlung der Klägerin stehen auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen, die die Untersagung rechtfertigen könnten.
69Gemäß § 17 Abs. 3 KrWG stehen überwiegende öffentliche Interessen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des von diesem beauftragten Dritten oder des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet (Satz 1). Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten ist anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert (Satz 2 Alt. 1) oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird (Satz 2 Alt. 2). Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (Nr. 1), die Stabilität der Gebühren gefährdet wird (Nr. 2.) oder die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird (Nr. 3).
70Hier sind der klägerischen Sammlung entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen in Form der Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des beauftragten Dritten durch die Sammlung der Klägerin nicht anzunehmen. Weder wird die Erfüllung der nach § 20 bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen durch die gewerbliche Sammlung verhindert (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) (a.) noch wird gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wesentlich durch die Sammlung beeinträchtigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte (durch das beauftragte Unternehmen AWG) eine hochwertige getrenne Erfassung und Verwertung der Alttextilien durchführt (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG) (b.). Zudem gefährdet die gewerbliche Sammlung der Klägerin nicht die Gebührenstabilität (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG) (c.).
71a. Die Sammlung verhindert nicht die Erfüllung der nach § 20 bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen, § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG. Dies gilt auch, wenn sie im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen betrachtet wird, § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG.
72Mit Hilfe des § 17 Abs. 3 KrWG sollen die einer gewerblichen Sammlung im Einzelfall entgegenstehenden öffentlichen Interessen bestimmt und im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes abgewogen werden, weshalb für die Auslegung von Absatz 3 primär die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 106 Abs. 2 AEUV heranzuziehen ist,
73vgl. BT-Drucks. 17/6052, S. 87 (rechte Spalte, zweiter Absatz).
74Art. 106 Abs. 2 AEUV erlaubt Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem betrauten Unternehmen die Erfüllung seiner im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen,
75vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2011 – C-162/06 –, juris Rn. 34; EuGH, Urteil vom 17. Mai 2001 – C-340/99 –, juris Rn. 54. Insoweit geht das Verständnis der Vorschrift über deren reinen Wortlaut hinaus.
76Der Schutz der Wirtschaftlichkeit ist nur Mittel zum Zweck der Gewährleistung eines nachhaltigen Funktionierens der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse,
77vgl. Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 140 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 15. November 2011 – C-162/06 –, juris Rn. 31,
78zu denen – wie bereits ausgeführt – auch die Abfallentsorgung aus privaten Haushalten gehört.
79An dieser Rechtsprechung hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung der „Wirtschaftlichkeitsklausel“ in § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG orientiert,
80vgl. Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 140; BT-Drucks. 17/6052, S. 85 (rechte Spalte, dritter Absatz) und S. 87 (rechte Spalte, letzter Absatz).
81Indes konkretisieren auch die in den Gesetzesmaterialien zitierten beiden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes,
82Urteile vom 15. November 2007 – C-162/06 –, juris und vom 17. Mai 2001 – C-340/99 –, juris,
83ebenso wenig wie andere Entscheidungen des Gerichtes hinreichend, was im Einzelnen unter „wirtschaftlich ausgewogenen bzw. annehmbaren Bedingungen“ zu verstehen ist,
84so auch OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 158.
85Soweit in den beiden zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes sinngemäß darauf hingewiesen wird, zu den wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen gehöre auch die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen, kann offen bleiben, ob sich diese Überlegung nur auf ein am Wirtschaftsverkehr teilnehmendes Unternehmen bezieht, das gerade aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen oder darauf angewiesen ist, diesen Ausgleich vornehmen zu können, und das deshalb im Bereich der rentablen Tätigkeitsbereiche vor Konkurrenz geschützt werden darf,
86vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 1993 – C-320/91 –, juris,
87oder auch auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als Teil der öffentlichen Hand. Auf letzteren träfe der Aspekt des Ausgleichs zwischen rentablen und unrentablen Tätigkeitsbereichen indes wohl „nur bedingt“,
88so OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 160,
89zu, weil dessen durch normative Pflichten ausgelöstes öffentlich-rechtliches Tätigwerden finanziell über die Möglichkeit der Gebührenerhebung abgesichert ist.
90Selbst wenn man den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aber wie ein im Bereich der Abfallentsorgung tätiges Wirtschaftsunternehmen ansähe, könnte aus dem Gesichtspunkt des aus wirtschaftlichen Gründen erforderlichen Ausgleichs zwischen rentablen und unrentablen Tätigkeitsbereichen nichts Substantielles für das Verständnis des Merkmals der „wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ abgeleitet werden. Denn auch dann bliebe es dabei, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht in der Lage wäre, die hohen Kosten der Entsorgung von Abfällen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG (unrentabler Tätigkeitsbereich) allein über die Einnahmen aus der Verwertung von getrennt gehaltenen und gesammelten werthaltigen Abfällen (rentabler Tätigkeitsbereich) zu refinanzieren, selbst wenn er in diesem rentablen Tätigkeitsbereich vollständigen Konkurrenzschutz genösse,
91vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 160.
92Wirtschaftlich ausgewogene Bedingungen ließen sich dementsprechend nicht ohne die Erhebung von Entgelten im unrentablen Tätigkeitsbereich herstellen. Wenn jedoch ohnehin diesbezügliche Entgelte erhoben werden müssten, ist davon auszugehen, dass diese auch in (wenigstens) kostendeckender Höhe erhoben würden, d. h. es würde - zur Herstellung wirtschaftlich ausgewogener Bedingungen - keine Mischkalkulation in der Weise angestellt, dass erst unter Einbeziehung ungewisser Einnahmen aus dem rentablen Tätigkeitsbereich (wenigstens) eine Gesamtkostendeckung erreicht würde,
93vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 160.
94Dies vorausgeschickt kann sich die Beklagte hinsichtlich des Merkmals der Verhinderung der Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen nicht mit Erfolg darauf berufen, sie bzw. die AWG seien darauf angewiesen, durch die Vermarktung werthaltiger Abfälle eine Quersubventionierung unrentabler Bereiche der Abfallentsorgung vornehmen zu können, ihnen diese Möglichkeit aber genommen werde, wenn etwa die gesamten Erlöse aus der Vermarktung aller Alttextilien nicht mehr in ausreichender Weise in den Abfallgebührenhaushalt flössen.
95Ob unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen darüber hinaus nicht auf gebührenrechtliche Aspekte abgestellt werden kann,
96so OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 162,
97und es der Beklagten im Hinblick auf § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG dementsprechend verwehrt wäre, sich darauf zu berufen, sie könne die ihr obliegende Verpflichtung nicht zu niedrigeren Gebühren erbringen, kann dahinstehen. Für die vorzitierte Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mag die Systematik des § 17 Abs. 3 KrWG Anhaltspunkte liefern, der entnommen werden kann, jedenfalls die Gebührenstabilität betreffende gebührenrechtliche Aspekte sollten bei der ersten Alternative des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG – Verhinderung der Erfüllung der Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen – primär keine Rolle spielen. Der Gesetzgeber habe, wie § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG zeige, gebührenrechtliche Aspekte durchaus gesehen, diese jedoch im Wege der Konkretisierung der zweiten Alternative des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG - wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung - zugeordnet.
98Selbst wenn man entgegen diesem Ansatz unter das Tatbestandmerkmal der „wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ auch gebührenrechtliche Aspekte fasste – wofür der ansonsten praktisch leerlaufende Anwendungsbereich der Norm sprechen mag – führte dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Dabei dürfte in Abgrenzung zu § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG, der die Stabilität der Gebühren zum Inhalt hat, der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG dann eröffnet sein, wenn diesbezüglich nicht die Stabilität der Gebühren als solche in Frage steht, sondern die Rechtmäßigkeit der Abfallgebühren selbst. Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip, wonach die Gebühr nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen darf, dürfte insoweit eine Grenze der wirtschaftlichen Entsorgungssicherheit darstellen,
99vgl. Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 17 Rn. 164 m.w.N.
100Für einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip bestehen hier indes keine Anhaltspunkte.
101b. Auch die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. beauftragten Dritten wird nicht durch die Sammlung der Klägerin im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2, Satz 3 Nr. 1 KrWG wesentlich beeinträchtigt.
102Die Beklagte beruft sich zutreffender Weise darauf, sie führe – durch die AWG, die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses über ca. 176 im Stadtgebiet verteilte Sammelbehälter für Alttextilien verfügte – im Stadtgebiet eine eigene hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung von Alttextilien durch. Damit sind Entsorgungssysteme gemeint, die nach ihrer räumlichen Ausgestaltung, ihrer Beschaffenheit und ihrem konkreten Betrieb die werthaltigen Abfälle aus den privaten Haushalten erfassen können,
103vgl. BT-Drucks. 17/7505, S. 44.
104Allein die Existenz eines vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder einem beauftragten Dritten durchgeführten haushaltsnahen bzw. sonstigen hochwertigen Entsorgungssystems begründet indes die Gefährdung der Funktionsfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG, von der gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG bei einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung auszugehen ist, nicht. Zwar ist dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG nach eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt. Ein rein formales Verständnis der Vorschrift führte im Ergebnis aber zu einem vom Unions- und Verfassungsrecht nicht gerechtfertigten absoluten Konkurrentenschutz, sofern ein öffentlich-rechtlich organisiertes Entsorgungssystem überhaupt besteht und zwar unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vorliegt,
105vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2014 – 20 B 577/13 –, n.v. UA Seite 3; OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2014 – 20 B 703/13 –, n.v. UA Seite 3; OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 122/13 –, juris Rn. 16; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2013 – 10 S 1116/13 –, juris Rn. 38; VG Würzburg, Urteil vom 12. November 2013 ‑ W 4 K 13.326 –, juris Rn. 24 ff.
106Die Folge wäre gleichsam eine Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, die mangels Aufgabenbezug die Anforderungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV verfehlen und gegen das darin enthaltene Gebot der Erforderlichkeit verstoßen würde. Denn Art. 106 Abs. 2 AEUV erlaubt nur den Schutz der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, nicht aber den Schutz der Aufgabenerfüllung gerade durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger,
107vgl. Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 147.
108Dieselbe Überlegung gilt hinsichtlich der nationalen Grundrechte, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, soweit durch dieses Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger stärker geschützt würde, als zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung erforderlich,
109vgl. Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 38.
110Ob dieser Problematik dadurch Rechnung zu tragen ist, dass man den Wortlaut von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG dahin versteht, auf der Tatbestandsseite seien wegen der Formulierung „insbesondere anzunehmen“ Regelbeispiele normiert, was nicht ausschließe, dass die dort zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vorstellung im Einzelfall möglicherweise unzutreffend sei,
111vgl. so VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2013 – 10 S 1116/13 –, juris Rn. 39,
112bedarf hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man der Ansicht folgte, im Falle einer haushaltsnahen oder sonstigen hochwertigen getrennten Erfassung und Verwertung des Abfalls durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger neben einer gewerblichen Sammlung sei nach dem formalen Wortlaut der Vorschrift stets eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen,
113vgl. Siederer/Wenzel/Schütze, Unzulässigkeit gewerblicher Sammlungen bei bestehenden Erfassungssystemen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, AbfallR 2014, S. 79 (81 f.); Dageförde/Thärichen, Die Untersagung gewerblicher Sammlungen von Alttextilien, AbfallR 2013, S. 125 (134 ff.),
114wäre der Wortlaut der Norm zumindest unionsrechts- bzw. verfassungskonform dergestalt zu reduzieren, die gewerbliche Sammlung sei trotz bestehenden hochwertigen Entsorgungssystems des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des beauftragten Dritten bei fehlender wesentlicher Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung zulässig,
115vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 122/13 –, juris Rn. 38; VG Würzburg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – W 4 S 12.1130 –, juris Rn. 41; VG Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013 ‑ AN 11 K 12.01588 –, juris Rn. 85.
116Ein rein formales Verständnis der Vorschrift wäre im Übrigen auch mit der Gesetzessystematik des § 17 Abs. 3 KrWG nicht vereinbar. § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG dient der Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG. Es liegt auf der Hand, dass die dort inmitten stehende Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des beauftragten Dritten oder der Rücknahmesysteme nicht bereits aufgrund des bloßen Nebeneinanders von gewerblicher und kommunaler Sammlung ohne inhaltliche Würdigung der konkurrierenden Entsorgungssysteme als „gefährdet“ angesehen werden kann.
117Die Annahme der „Gefährdung“ der Funktionsfähigkeit durch eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gebietet vielmehr eine zweistufige Prüfung.
118In einem ersten Schritt ist unter Auswertung konkreten Zahlenmaterials zu prüfen, ob lediglich geringfügige Mengen durch sämtliche gewerbliche Sammler dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Entsorgungsgebiet entzogen werden. Ist dies der Fall, kann nahezu stets eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung ausgeschlossen werden. Einen Mengenentzug von bis zu 10 %, der aufgrund der allein in Rede stehenden Alttextiliensammlung naturgemäß an der Gesamtsammelmenge dieser Abfallfraktion im Entsorgungsgebiet gemessen werden muss, erachtet die Kammer als geringfügig,
119vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 – 17 K 3013/13 –, juris Rn. 130 mit Verweis auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. März 2014 – 10 S 1127/13 –, juris Rn. 42; VG München, Urteil vom 24. Oktober 2013 – M 17 K 13.2189 –, juris Rn. 66; VG Würzburg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – W 4 S 12.1130 –, juris Rn. 39 ff., die jeweils auf eine Menge zwischen 10 und 15 % abstellen.
120Wird die Menge von 10 % überschritten, ist von dieser Zahl losgelöst auf einer zweiten Stufe zu erwägen, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 KrWG unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im Einzelfall gegeben ist. Dabei ist leitend, dass im Mittelpunkt der Regelung des § 17 Abs. 3 KrWG die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des beauftragten Dritten oder der Rücknahmesysteme steht,
121vgl. BReg. in BT-Drucks. 17/6052, S. 87,
122die in technischer, organisatorischer, personeller und wirtschaftlicher Hinsicht immer gewahrt bleiben muss. Das schließt aber Beeinträchtigungen durch private Konkurrenten nicht aus. Denn § 17 Abs. 3 KrWG will die öffentliche Hand nicht vor (privater) Konkurrenz schützen,
123vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 – 17 K 3013/13 –, juris Rn. 134.
124Ein anderes Verständnis wäre wie bereits ausgeführt schwerlich mit Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV vereinbar, denn diese Vorschrift stellt die Mitgliedsstaaten vom europäischen Wettbewerbsrecht nur insoweit frei, als die Wettbewerbsnachteile des betrauten Unternehmens Korrelat seines Gemeinwohlauftrags sind,
125vgl. VG Würzburg, Urteil vom 22. Oktober 2013 – W 4 K 12.1071 –, juris Rn. 31 mit Verweis auf Klement in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 143.
126Dies zugrunde gelegt, ist maßgebend, ob der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bzw. der beauftragte Dritte wegen der gewerblichen Sammlungen gehalten ist, seine Entsorgungsstruktur wesentlich zu ändern oder anzupassen,
127vgl. BReg. in BT-Drucks. 17/6052, S. 88,
128wobei es hier keiner Entscheidung bedarf, ob man dabei auf die Struktur des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers als Ganzes oder nur auf die Struktur innerhalb der jeweiligen Abfallfraktion – hier: Alttextilien – abstellt.
129Hiernach gibt es keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, durch die gewerbliche Sammlung der Klägerin werde, ggf. „im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG) die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des beauftragten Dritten gefährdet.
130Hinsichtlich der Frage, ob bereits wegen Geringfügigkeit der Sammelmenge eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu verneinen ist, fehlen substantielle Angaben der Beklagten darüber, welche Mengen Alttextilien durch gewerbliche Sammler der Sammlung der AWG insgesamt „entzogen“ werden. Sie führte auf Nachfrage des Gerichts aus, die Sammelmenge der gewerblichen bzw. gemeinnützigen Sammlungen könne nur geschätzt werden, da die Angaben in den Anzeigen der Sammler häufig unvollständig seien und im Stadtgebiet punktuell Straßensammlungen durchgeführt würden, deren Sammelmenge ebenfalls nur geschätzt werden könne. Hinzu kämen zahlreiche Sammlungen, die bei der Beklagten nicht angezeigt worden seien. Dementsprechend sei tatsächlich von einer wesentlich höheren Gesamtsammelmenge als in den (zuletzt) 34 Anzeigen (1.713,811 t im Jahr) auszugehen, die durchaus 2000 t pro Jahr betragen könne. Nach Schätzungen der AWG hingegen sei davon auszugehen, dass von den gewerblichen Sammlungen und den nicht angezeigten Sammlungen in etwa jeweils die gleiche Menge, die die AWG sammle, erfasst werde (im Jahr 2012: 579 t, im Jahr 2013: 612 t und im Jahr 2014 prognostisch: 673,2 t). Weder die AWG noch die Beklagte führten aus, worauf die (voneinander abweichenden) Schätzungen beruhen. Es erscheint deshalb ungewiss, ob die Sammelmenge in der benannten (geschätzten) Höhe tatsächlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. der AWG durch die Sammler entzogen wird. Außerdem bleibt offen, welche Menge Alttextilien (davon) durch gemeinnützige Sammler entzogen wird.
131Trotz dieser Ungewissheit bedurfte es an dieser Stelle keiner weiteren Aufklärung, da zugunsten der Beklagten die Überschreitung der Geringfügigkeitsschwelle unterstellt werden kann. Die auf der zweiten Stufe durchzuführende Einzelfallbetrachtung führt auch in diesem Fall nicht zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Es ist von der Beklagten nämlich weder dargelegt noch sonst ersichtlich, die Sammlung der Klägerin zöge – auch unter Berücksichtigung der sonstigen gewerblichen Sammler – Konsequenzen in technischer, organisatorischer, personeller und wirtschaftlicher Hinsicht nach sich, die zu einer wesentlichen Änderung oder Anpassung der kommunalen Strukturen im Bereich der Entsorgung von Alttextilien führten bzw. geführt hätten. Zwar ist möglich, dass die von der AWG erfasste Sammelmenge aufgrund der Sammlung der Klägerin abnehmen wird (was noch nicht einmal zwingend ist, da es auch möglich erscheint, dass vor allem andere gewerbliche bzw. gemeinnützige Sammler Einbußen bei der Sammelmenge verspüren oder die Restmülleinwürfe weiter zurückgehen werden). Allein die Abschöpfung eines bestimmten Anteils des nach Angaben der Beklagten vorhandenen Potenzials an Wertstoffen muss aber nicht korrelierend mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung sein. Das Gesetz nimmt in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG gerade nicht auf den Entzug bestimmter Abfallmengen Bezug, sondern verwendet die Begriffe der „Planungssicherheit“ und „Organisationsverantwortung“. Hinreichende Angaben der Beklagten darüber, wie sich der Verlust der Sammelmenge auf die Planungssicherheit bzw. die Organisationsverantwortung auswirken, fehlen indes. Es ist zurzeit konkret nichts dafür ersichtlich, dass die AWG ihre Sammlung von Alttextilien neben den gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen nicht wie bisher weiterführen wird können. Dies gilt auch deshalb, weil die AWG über „gesicherte“ Stellplätze für ihre Container verfügt und jederzeit auf neue Standplätze - auch im öffentlichen Straßenraum - zurückgreifen könnte. Dass dies möglich ist, zeigt die im Wirtschaftsplan der AWG verankerte (geplante) Erhöhung der Anzahl der Alttextilcontainer von 176 auf 200 für das Jahr 2014.
132Sind schon keine relevanten Auswirkungen auf die Entsorgungsstruktur im Bereich der Abfallfraktion Alttextilien ersichtlich, stehen demgemäß erst Recht keine durch die gewerblichen Sammler verursachten erforderlichen Änderungen oder Anpassungen der Struktur des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers als Ganzes im Raum.
133Den Nachweis oder jedenfalls die Darlegung der Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des beauftragten Dritten hat die Beklagte zu erbringen. Denn bei Eingriffsmaßnahmen trägt grundsätzlich die Behörde die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der entsprechenden Ermächtigungsnorm, aus der sie eine für sie günstige Rechtsfolge ableitet,
134vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. November 1993 – 7 B 190/93 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 25. März 1964 – VI C 150.62 –, juris Rn. 17.
135Hinzu kommt, dass die Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sind. Diese Mitwirkungspflicht erfasst insbesondere den Vortrag von Umständen, die der „Sphäre“ eines Beteiligten – hier der Beklagten – zuzurechnen sind,
136vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 86 Rn. 11 m.w.N..
137c. Die Beklagte kann weiterhin nicht geltend machen, die gewerbliche Sammlung der Klägerin gefährde die Gebührenstabilität, § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG.
138Dieses Kriterium bedarf der Auslegung, da sich der Begriff der Gebührenstabilität aus sich heraus nicht ohne Weiteres erschließt. Gebühren sind per se nicht stabil im Sinne von im Wesentlichen in der Höhe gleichbleibend, sondern sind regelmäßig jährlich auf der Grundlage der in Ansatz zu bringenden und sich gegebenenfalls verändernden Kosten der Abfallentsorgung neu zu kalkulieren,
139vgl. hierzu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 178.
140Anzuerkennen ist, wenn die Beklagte schlagwortartig zusammengefasst die Privatisierung der Gewinne bei Sozialisierung der Verluste zu vermeiden versucht,
141vgl. zu diesem Ansatz Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 17 Rn. 180; Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 149.
142Jedoch ist dazu nicht der Ausschluss gewerblicher Sammler zum Zwecke der Erhebung der niedrigsten Gebühren geeignet. Denn dieser Ansatz führte dazu, dass Ausnahmen von der Überlassungspflicht, die gerade für den Bereich der getrennt erfassten Abfälle aus privaten Haushaltungen normiert wurden, praktisch nicht mehr zum Tragen kämen, weil gewerblichen Sammlungen stets überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Da es sich bei den getrennt erfassten Abfällen aus privaten Haushaltungen zugleich regelmäßig um „werthaltige“ Abfälle handelt, deren Verwertung Erlöse (Überschüsse) bringt, haben selbst kleine Mengen dieser Abfälle, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch eine gewerbliche Sammlung „entzogen“ werden, negativen Einfluss auf die Gebührenhöhe in dem Sinne, dass nicht die niedrigsten Gebühren erhoben werden können. Denn dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger stehen die Erlöse aus der Verwertung dieser Abfälle nicht zur Verfügung und können somit auch nicht zur Quersubventionierung der defizitären Bereiche der Abfallentsorgung eingesetzt werden, was im Ergebnis höhere Gebühren verursacht,
143vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 192.
144Daraus folgt, dass nicht jede noch so geringfügige Gebührensteigerung zu einer Gefährdung der Gebührenstabilität führen kann. Die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung stellt als Einrichtung der Daseinsvorsorge kein gewinnorientiertes Unternehmen dar; die Kosten sind durch kostendeckend zu kalkulierende Benutzungsgebühren von den Gebührenschuldnern zu tragen. Eine geringe Gebührenbelastung ist daher zunächst ein privates Interesse des Gebührenschuldners, hinzutreten mag eine kommunalpolitische Motivation Gebührenerhöhungen zu vermeiden,
145vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2008 – 10 S 2422/07 –, juris Rn. 28 noch zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG; a.A. Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 149.
146Diese grundsätzlichen Erwägungen schließen allerdings eine Auswirkung des Gebührenaspektes im Einzelfall auf die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht aus. Diese setzt voraus, dass es durch die Tätigkeit eines gewerblichen Sammlers – ggf. in der Zusammenschau mit anderen gewerblichen Sammlern – prognostisch zu einer nicht nur geringfügigen Gebührenerhöhung kommt, die gerade kausal auf die Entziehung der Abfallfraktion durch den bzw. die Sammler zurückzuführen sein muss,
147vgl. Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 17 Rn. 183; Klement, in: Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17 Rn. 152.
148Wann eine nicht nur geringfügige Gebührenerhöhung vorliegt braucht hier keiner Entscheidung zugeführt zu werden. Denn die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, mit der Tätigkeit der gewerblichen Sammler gingen Einbußen der Sammelmenge einher, die zur Erhöhung der Abfallgebühren geführt haben bzw. aufgrund einer prognostischen Betrachtung alsbald zu einer Erhöhung führen würden.
149Das Argument der Beklagten, sie könne bei weniger Erlösen aus der Alttextilienverwertung entsprechend weniger eine Quersubventionierung unrentabler Bereiche der Hausmüllentsorgung vornehmen, greift nicht. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen schon nicht auf Gebührenstabilität abzielt, sondern auf möglichst niedrige Gebühren - eben durch Quersubventionierung aufgrund Erlösen aus der Alttextilienverwertung -, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, es stünde eine relevante Gebührensenkung im Raum, wenn denn die Beklagte – gäbe es keine gewerblichen Sammler mehr im Stadtgebiet – eine höhere Sammelmenge und dementsprechend höhere Vergütungen aus der Alttextilienverwertung erhielte. Ausgehend von der – zu Gunsten der Beklagten – als zutreffend unterstellt (höchsten) geschätzten Sammelmenge von 2.000 t pro Jahr im Stadtgebiet entgingen ihr (zusätzliche) Erlöse aus der Verwertung in Höhe von ca. 800.000,00 Euro - bei Zugrundelegung von 400,00 Euro erzielbarem Erlös pro Tonne -,
150vgl. zu dem erzielbaren Durchschnittserlös OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014 ‑ 20 B 331/13 ‑, juris Rn. 44. Für die von der Beklagten nachweislos genannte Erlössumme von 1.000,00 Euro pro Tonne bestehen keine Anhaltspunkte.
151In das Verhältnis zu den übrigen Kosten der Abfallentsorgung gesetzt (für das Jahr 2014: 29.138.154,00 Euro) macht dies nur ca. 2,746 % aus und fällt damit nicht wesentlich ins Gewicht,
152vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 2014 – 17 K 4917/13 – n.v. UA S. 23.
153Überdies müssten bei dieser Betrachtung dann auch noch der Beklagten entstehende Sammlungs- und Beförderungskosten ggf. in Form von Fremdleistungsentgelten in Abzug gebracht werden, die Gebührenauswirkungen unter diesem Betrag liegend wahrscheinlich machten. Darauf kam es aber nicht mehr an.
154d. Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, ein überwiegendes öffentliches Interesse könnte wegen einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung über die in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG genannten Regelbeispiele hinaus vorliegen,
155vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 2798/11 –, juris Rn. 198 ff.
156Der maßgebliche, über die Begriffe Planungssicherheit und Organisationsverantwortung erfasste, Gesichtspunkt ist nach den vorstehenden Ausführungen der - insbesondere auch in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG zum Ausdruck kommende - Schutz der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstruktur. Diesbezügliche relevante Beeinträchtigungen, welche die Annahme überwiegender öffentlicher Interessen rechtfertigten, sind hier nicht ersichtlich.
157Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung gilt, dass diese reibungslos funktionieren muss. Insbesondere dürfen durch die gewerblichen Sammlungen keine Strukturen (wesentlich) beeinträchtigt werden. Dass die Strukturen der Beklagten für Alttextilien bezogen auf den Sammlungsvorgang als solchen und die Verwertung dergestalt beeinträchtigt werden, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht (hinreichend konkret) geltend gemacht. Die Beklagte selbst bzw. die AWG mussten aufgrund der Sammlungstätigkeit der gewerblichen Sammler keine Anpassung ihrer Sammlungstätigkeit vornehmen. Vielmehr haben die Beklagte bzw. die AWG ihr Sammlungsvolumen kontinuierlich erweitert, was – zumindest bezogen auf den aktuellen Sammelumfang – für ein mögliches lukratives Nebeneinander der verschiedenen Sammlungen spricht.
158Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Vorsorge für den Fall einer unvermittelten Einstellung der klägerischen Sammlung getroffen werden musste und muss, kann keine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung angenommen werden. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass es einen wesentlichen Aufwand in planungsmäßiger, personeller oder sächlicher Hinsicht erfordert hat und erfordert, um die öffentlich-rechtliche Entsorgung von Alttextilien für den Fall sicherzustellen, dass die Klägerin ihre (beabsichtigte) Sammlung unvermittelt einstellt. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund des im Stadtgebiet bestehenden flächendeckenden Netzes der Beklagten mit (geplanten) 200 eigenen Containern. Im Übrigen ist einer Reserve- bzw. Auffangfunktion des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nichts Durchgreifendes entgegen zu halten. Dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger kann eine gewisse Flexibilität bei Aufbau und Unterhaltung der Abfallentsorgungsstrukturen zugemutet werden,
159vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Januar 2008 – 7 ME 192/07 –, juris Rn. 13 zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG.
160Hinzu kommt, dass – jedenfalls soweit die Marktpreise für Alttextilien stabil bleiben oder steigen – davon auszugehen ist, weitere Unternehmen stünden zur Verfügung, die gegebenenfalls auch kurzfristig das (flächendeckende) Sammeln, Befördern und die Verwertung der Alttextilien im Auftrag der Beklagten übernehmen können und - natürlich gegen entsprechende Bezahlung - auch würden. Dass die Erreichung dieses Zustands mit einem Aufwand verbunden war (und ist), der die Annahme einer wesentlichen Änderung der Entsorgungsstruktur rechtfertigt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
161e. Da es bereits an den Voraussetzungen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 KrWG fehlt, kommt es darauf, ob die Sammlung und Verwertung der Klägerin nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG wesentlich leistungsfähiger ist, als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder dem von ihm beauftragten Dritten, nicht mehr an.
162IV. Die Rechtswidrigkeit der auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen beruhenden Zwangsgeldandrohung folgt aus der materiell rechtswidrigen Grundverfügung (vgl. insoweit die Ausführungen unter A. III.), die mit diesem Urteil aufgehoben wird.
163Gleiches gilt für die nach §§ 14 Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr. 1 Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen festgesetzte Verwaltungsgebühr. Für eine rechtswidrige Amtshandlung können keine Kosten gefordert werden,
164vgl. Susenberger/Weißauer, Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblattwerk (Stand: Dezember 2006), § 1 Rn. 13, m. w. N.
165B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Sätze 1 und 2 Zivilprozessordnung.
166Die Berufung war nicht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.
167Beschluss:
168Der Streitwert wird auf 72.500,00 Euro festgesetzt.
169Gründe:
170Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Da die Untersagung der Sammlung einer partiellen Gewerbeuntersagung gleichkommt, hat sich das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens diesbezüglich an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 orientiert. Der danach entscheidende (beabsichtigte) Jahresgewinn ist anhand der von der Klägerin selbst im Verwaltungsverfahren angegebenen beabsichtigten Jahresgesamtsammelmenge (360 t) zu bestimmen. Dementsprechend ergibt sich bei einem erzielbaren Erlös pro Tonne Alttextilien in Höhe von 400,00 Euro und einer (geschätzten) Gewinnmarge von 50 % ein Jahresgewinn in Höhe von 72.000,00 Euro,
171vgl. zu dieser Streitwertpraxis OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 122/13 –, juris.
172Der Zwangsgeldandrohung kommt wegen ihrer Verbindung mit der Grundverfügung keine eigenständige Bedeutung zu (Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs). Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung folgt die Festsetzung des Streitwertes aus § 52 Abs. 3 GKG.
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