Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 16 K 2890/15
Tenor
Die Widerrufs- und Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 wird insoweit aufgehoben, als ein Erstattungsanspruch von mehr als 2.532.200,00 Euro geltend gemacht wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Beklagte bewilligte der Stadt W. mit Zuwendungsbescheiden, die zwischen dem 1. Dezember 1987 und dem 2. November 2005 ergingen, insgesamt 6.976.600,00 EUR, die dem Ausbau der C.------straße , der T.------straße und der U.--straße dienen sollten. Dabei wurden 8.720.883,00 EUR zuwendungsfähiger Ausgaben zugrundegelegt, die zu 80 % aus Bundes- und Landesmitteln gefördert werden sollten. In den Bescheiden wurde auf die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (ANBest-G) Bezug genommen. Ein Abrechnungsbescheid über die genannten Beträge erfolgte unter dem 17. April 2007 an die Klägerin, die zwischenzeitlich die Aufgabe des Straßenbaus auf dem Gebiet der Stadt übernommen hatte.
3Unter dem 3. April 2009 erstattete das Rechnungsprüfungsamt L. Prüfmitteilungen, mit denen mehrere Ausgaben im Zusammenhang mit der Baumaßnahme beanstandet wurden. Auf den Bericht wird Bezug genommen. Nach Stellungnahmen der Klägerin vom 9. Juli 2009, 24. Februar 2013 und 28. Mai 2014 hörte der Beklagte die Klägerin unter dem 15. Dezember 2014 im Hinblick auf eine beabsichtigte Teilrückforderung an. Unter dem 25. März 2015 erließ er einen Widerrufs- und Erstattungsbescheid, mit dem er den Abrechnungsbescheid vom 17. April 2007 gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VwVfG NRW in Höhe bisher als zurechnungsfähig anerkannter Auslagen i.H.v. 3.207.656,08 EUR widerrief und einen Erstattungsanspruch i.H.v. 2.566.100,00 EUR geltend machte. Zur Begründung führte er an, mehrere Ausgaben seien unter Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolgt. So sei das Angebot eines Bauunternehmens nur deshalb einem günstigeren Angebot vorgezogen worden, weil das ausgewählte Unternehmen den für den Straßenausbau erforderlichen Damm mit Material einer von der Gemeinde betriebenen Abfalldeponie aufgeschüttet habe. Zuwendungsfähig sei hier nur der Betrag, der für das niedrigste Angebot erforderlich gewesen sei. Kosten für die Entwässerung, die sowohl der Deponie als auch dem Straßenbau zugutegekommen seien, seien vollständig dem Straßenbau angelastet worden. Auch hier sei eine anteilige Kürzung vorgenommen worden. Ferner seien Mittel für nicht zuwendungsfähige Zwecke verwandt worden. So seien durch die Gemeinde Zahlungen an den Bund abgerechnet worden, die darauf beruhten, dass eine (Bundes-)Straßenbrücke über die nunmehr geförderte Gemeindestraße auf Betreiben der Gemeinde breiter gebaut worden sei als dies unter Berücksichtigung der endgültigen Ausbaubreite der Gemeindestraße nötig gewesen wäre. Wegen der weiteren Beanstandungen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
4Die Klägerin ist der Ansicht, der Widerrufs-und Rückforderungsbescheid sei rechtswidrig. Rückforderungsgründe bestünden nicht. Soweit in verfahrensrechtlicher Hinsicht beanstandet werde, dass bei der Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt Ausschreibungsunterlagen nicht mehr vorgelegen hätten, habe insoweit keine Aufbewahrungspflicht bestanden. Es sei Sache des Beklagten zu belegen, dass tatsächlich gegen die Auflagen der Zuwendungsbescheide verstoßen worden sei. Soweit bei der Ausschreibung Vorteile für die Abfallwirtschaft berücksichtigt worden seien, sei dies nicht sachfremd gewesen, weil nicht allein der niedrigste Angebotspreis entscheiden müsse. Vielmehr dürften auch gesamtwirtschaftliche Betrachtungen berücksichtigt werden. Dies sei hier erfolgt, weil durch den beabsichtigten Transport innerhalb des Deponiegeländes keine Straßen verschmutzt worden seien, man die Anlieger deutlich weniger belästigt habe und die übrigen Bauarbeiten in der zeitlichen Abfolge nicht beeinflusst worden seien. Vor allem liege insoweit kein schwerer Vergabeverstoß vor, auf den sich der Beklagte berufe. Auch die Zahlung an den Bund sei dadurch veranlasst worden, dass der Beklagte nur eine geringere als die ursprünglich geplante Ausbaubreite gefördert habe. Es sei zu berücksichtigen, dass dieselben Behörden des Landes, die den Bund vertreten hätten, im Förderungsverfahren des Beklagten beteiligt gewesen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens zu den einzelnen Beanstandungen wird auf den Schriftsatz vom 8. September 2015 verwiesen. Zudem sei die einjährige Widerrufsfrist vor der Entscheidung der Behörde abgelaufen. Diese Widerrufsfrist müsse getrennt für jeden einzelnen vermeintlichen Verstoß gegen die Zuwendungsbedingungen je nach dem Zeitpunkt berechnet werden, zu dem der Beklagte Kenntnis von ihm erlangt habe. Auf den Schriftwechsel nach dem 25. März 2014 komme es nicht an, weil dieser Schriftwechsel nicht in der Erwartung geführt worden sei, noch neue Erkenntnisse gewinnen. Ihre Schreiben vom 28. Mai 2014 und 2. März 2015 hätten auch keine neuen Sachverhaltserkenntnisse geliefert. Soweit Rückforderungen darauf beruhten, dass die Mittel für nicht zuwendungsfähige Zwecke verwandt worden seien, bedürfe es keines Widerrufs. Vielmehr sei Forderung gegebenenfalls kraft Gesetzes entstanden. Solche Forderungen seien indessen jedenfalls verjährt.
5Die Klägerin beantragt,
6den Widerrufs- und Erstattungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 25. März 2015 aufzuheben.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er macht geltend, im Hinblick auf die Auswahl des Unternehmens, das den Damm mit Bodenmaterial der Deponie hergestellt habe, sei entscheidend, dass diese Art der Bauausführung zusätzlich zum Straßenbau dem geplanten Ausbau der Deponie gedient habe. Zuwendungsfähig seien dagegen lediglich Aufwendungen für den Straßenbau. Bei dem Rückforderungsanspruch des Bundes handele es sich ebenfalls nicht um Straßenbaukosten. An den Beanstandungen wegen unwirtschaftlicher Mittelverwendung werde festgehalten. Ebenfalls sei zu beanstanden, dass zum Teil Ausschreibungsunterlagen nicht mehr vorhanden seien. Aus dem Fehlen von Unterlagen über das Vergabeverfahren, ergebe sich ein Verstoß gegen Nr. 3 ANBest-G (VOB- konformes Vergabeverfahren). Die Belegaufbewahrungsfrist folge aus Nr. 7.5 ANBest-G. Der Sinn und Zweck der Regelung über die Aufbewahrung von Vergabeunterlagen erfordere es, dass auch solche Angebote aufbewahrt würden, die für den Zuschlag nicht in Betracht gekommen seien. Im Übrigen ergebe sich eine Hemmung der Aufbewahrungsfrist aus § 95 Abs. 3 S. 4 LHO NRW, weil das Prüfverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Die Jahresfrist sei eingehalten. Noch im September 2014 habe er mit dem Landesrechnungshof Gespräche zur Aufklärung des Sachverhaltes geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12. November 2015 Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage hat nur zum Teil Erfolg.
12Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit er im Hinblick auf die Prüfungsmitteilung 6.2 einen Betrag von 42.386,42 als nicht zuwendungsfähig absetzt. Die Erwägungen der Beklagten zur Aufbewahrung von Ausschreibungsunterlagen treffen nicht zu. Ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides, der einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Die Pflicht des Zuwendungsempfängers gemäß Nr. 7.5 ANBest-G, „die Belege“ fünf Jahren ab Vorlage Verwendungsnachweises aufzubewahren, umfasst für sich genommen nicht die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die im Vergabeverfahren entstanden sind. Der Begriff der „Belege“ Im Sinne der Nr. 7.5 ist im Regelungszusammenhang der Nr. 7 (Nachweis der Verwendung) auszulegen. Nach Nr. 7.1 ist die Verwendung der Zuwendung nachzuweisen. Hierfür sind die nicht ausgewählten Angebote nicht erheblich. Nach Nr. 7.4 ANBest-G sind in dem zahlenmäßigen Nachweis die Einnahmen und Ausgaben entsprechend der Gliederung des Finanzierungsplans auszuweisen. Dies umfasst sämtliche Unterlagen, die den Nachvollzug der Abrechnung mit dem ausgewählten Anbieter ermöglichen, gegebenenfalls auch Unterlagen aus dem Vergabeverfahren, die diesen Anbieter betreffen, nicht aber andere Anbieter betreffende Unterlagen. Aus § 95 Abs. 3 LHO NRW ergeben sich Vorlagepflichten zu vorhandenen Unterlagen. Schlussfolgerungen für die vom Beklagten geforderte Aufbewahrung lassen sich hieraus nicht ziehen. Soweit schließlich bei der Aufbewahrung der Angebote vergaberechtliche Fristen einzuhalten sind, weil nach 3.1 ANBest-G bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszweck die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten sind, ist auch dies nicht geeignet, einen Auflagenverstoß zu begründen. Soweit die VOB/A etwa in § 30b Abs. 2 in der Fassung 1996 oder § 33b der Fassung 2002 eine Aufbewahrungsfrist von mindestens vier Jahren beginnend mit der Auftragsvergabe vorsehen, um der Kommission der europäischen Gemeinschaften die erforderlichen Auskünfte erteilen zu können, war diese Frist seit der betroffenen Vergabe im Jahr 1988 bei Durchführung der Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt bereits abgelaufen. Dass sachliche Verstöße gegen das Vergaberecht hinsichtlich der hier relevanten Ausgaben vorgelegen hätten, wird aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich.
13Im Übrigen ist die Klage dagegen unbegründet. Der Widerrufsbescheid leidet weder unter formellen noch unter sachlichen Mängeln.
14Die Frist nach §§ 49 Abs. 3 S.3, 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG war bei Erlass der Entscheidung noch nicht abgelaufen.
15Nach §§ 49 Abs. 3 S. 3, 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den Tatsachen zulässig, die den Widerruf rechtfertigen. Die Frist dient nicht allein einem schutzwürdigen Vertrauen in den Bestand eines Verwaltungsaktes, sondern auch dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Rechtsicherheit. Auf diesen können sich auch Hoheitsträger berufen, deren Handeln auf rechtsbeständiger Grundlage aufbauen soll. Deshalb findet die Fristbestimmung auch zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung Anwendung (OVG NRW, Urteil vom 20. April 2012, 4 A 2005/10). Der Fristbeginn setzt voraus, dass der Behörde nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf bekannt sind. Vielmehr müssen auch die weiteren für den Widerruf erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sein, was dazu führt, dass regelmäßig Entscheidungsreife erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens nach § 28 VwVfG eintritt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2001, 8 C 8.00 – juris – und vom 20. September 2001, 7 C 6.01 – juris).
16Der Bescheid ist im Einklang mit den sich daraus ergebenden Anforderungen ergangen. Das folgt allerdings nicht daraus, dass der Beklagte die Klägerin noch unter dem 5. März 2014 (Bl. 1403 der Verwaltungsvorgänge) aufforderte, zu bestimmten Prüfungsmitteilungen (weitere) Stellungnahmen abzugeben. Zur Prüfungsmitteilungen 3.1 hält der Beklagte der Klägerin entgegen, dass sich eine Differenz zwischen der Angabe möglicher Einnahmen aus dem erweiterten Deponiebetrieb i.H.v. 8.460.000,00 EUR und einer an anderer Stelle angegebenen Gesamteinnahmen von 919.233,27 EUR ergebe. Hier dürfte es zum einen lediglich um die Bewertung schon bekannter Zahlen gehen, nicht aber um Tatsachen. Der Beklagte spricht im Übrigen eine Differenz an, die sich bereits aus der früheren Stellungnahme der Klägerin erklärt. Die Klägerin hatte praktisch eingeräumt, dass in der Verwaltungsvorlage lediglich die Roheinnahmen aus dem vergrößerten Deponievolumen angesprochen worden waren, nicht aber die weiteren Kosten (vgl. Bl. 2028 der Verwaltungsvorgänge und Schreiben vom 9. Juli 2009 ‑ Bl. 1145-1143 der Verwaltungsvorgänge).
17Das zu Prüfungsmitteilung 4 angeforderte Schreiben vom 30. April 1987, das der Stellungnahme der Klägerin vom 9. Juli 2009 nicht beigefügt gewesen ist, betrifft die Vereinbarung mit dem Bund über die Ausbaubreite der geplanten Gemeindestraße. Diese Vereinbarung selbst war bereits in den Stellungnahmen der Klägerin enthalten. Es erscheint unklar, warum der Beklagte nunmehr meinte, den Schriftverkehr über eine Befreiung von der Ausbauobliegenheit beiziehen zu müssen.
18Die erneute Frage nach der Plangenehmigung zu Prüfungsmitteilung 5.2 war bereits nach dem Vermerk vom Februar 2013 (Bl. 1390 der Verwaltungsvorgänge) nicht mehr erforderlich, (“Es muss jedoch festgehalten werden, dass auch das Erfordernis der Arbeiten den Vergabefehler nicht teilt. Währen die Leistungen vorhersehbar gewesen, hätten sie ausgeschrieben werden müssen. Demzufolge sind die Leistungen von der Förderung auszunehmen.“)
19Das erneute Beharren auf einer Stellungnahme zu Prüfungsmitteilung 10.7 war ebenfalls nicht geboten. Soweit die Klägerin den Wunsch geäußert hatte, zur Beanstandung dieser Mitteilung (Hochwasserschutz) noch Stellung zu nehmen, war nach der Stellungnahme vom 21. Mai 2012 (Bl. 1314 der Verwaltungsvorgänge) klar, dass dieser Mangel anerkannt worden war, was für alle Mängel gelten sollte, mit denen sich die Klägerin nicht gesondert auseinandergesetzt hatte.
20Auch Im Übrigen dürfte die Anhörung der Klägerin vor dem Schreiben vom 15. Dezember 2014 abgeschlossen gewesen sein. Die Klägerin hatte ihre ausführliche Stellungnahme vom 9. Juni 2009 zwar ausdrücklich mit einer Vorbemerkung unter der Überschrift versehen: „Mit vorliegender Stellungnahme Anhörungsverfahren noch nicht beendet“ (Bl. 1167 der Verwaltungsvorgänge). Es lasse sich noch nicht absehen, ob der Beklagte möglicherweise einen Bescheid über die Rückforderung zu erlassen beabsichtige. Damit hatte die Klägerin das Anhörungsverfahren zunächst offen gehalten. Ihre Stellungnahme vom 31. Mai 2012 bezog sich dann allerdings nicht nur auf die tatsächlichen Grundlagen der Widerrufsentscheidung, sondern auch schon auf die Ermessenserwägungen, die bei der Frage der Rückforderung der gewährten Zuwendungen anzustellen seien (vergleiche C. Bl. 33 der Stellungnahme vom 21. Mai 2012, Bl. 1314 der Verwaltungsvorgänge). Liegt eine umfassende Stellungnahme zur beabsichtigten Widerrufsentscheidung vor, kann die über den Widerruf entscheidende Behörde die Entscheidungsfrist nicht erneut dadurch eröffnen, dass sie eine entbehrliche weitere Anhörung durchführt. Insoweit gilt nichts anderes als hinsichtlich einer trotz Anhörungsreife unterlassenden Anhörung (vergleiche Gericht, Urteil vom 21. Oktober 2011,1 K 8429/09 – juris –).
21Innerhalb des Jahres vor Erlass des Bescheides kam es allerdings noch im Rahmen einer Besprechung zwischen dem Landesrechnungshof und dem Beklagten am 23. September 2014 zur Übergabe weiterer Unterlagen zur Prüfungsmitteilungen 5.2 (Seite 3 des Protokolls vom 10. November 2014, Bl. 1603 der Verwaltungsvorgänge). Die Überprüfung der Unterlagen hat zwar zu dem Ergebnis geführt, dass hinsichtlich der zusätzlichen Positionen keine Absetzungen vorzunehmen sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Sachverhaltsermittlung insoweit bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen war.
22Soweit die Auffassung vertreten wird, die Jahresfrist gelte für jeden einzelnen Widerrufs-oder Rücknahmegrund gesondert (vgl BayVGH, Beschluss vom 12. September 2006, 4 ZB 06.667 – juris), mag dies in den Fällen gelten, in denen nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens und Ablauf der Jahresfrist weitere Gesichtspunkte erkennbar werden, die eine nachträgliche Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen. Wäre dagegen mit einer umfassenden Überprüfung zahlreicher Monita eine jeweils getrennt laufende Entscheidungsfrist verbunden, wäre die Behörde gegebenenfalls zum sukzessiven Erlass mehrerer Verwaltungsakte verpflichtet, was eine vom Gesetzgeber schwerlich beabsichtigte Zerfaserung des Verfahrens bedeuten würde. Zudem wäre eine sachgerechte Ausübung des Ermessens praktisch nicht möglich.
23Die Voraussetzung des §§ 49 Abs. 3 VwVfG NRW sind erfüllt. Die Stadt hat die Zuwendung zum Teil zweckwidrig verwendet, zum Teil gegen Auflagen verstoßen. Auf die Beanstandungen durch das Rechnungsprüfungsamt und den Beklagten wird Bezug genommen. Im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin gilt – in der Reihenfolge der Bezifferung durch den Beklagten – folgendes:
24PM 3.1
25Zu Recht beanstanden das Rechnungsprüfungsamt und ihm folgend der Beklagte die Vergabe des Auftrages an die Firma T1.----ring statt an die mindestbietende Firma U1. . Wenngleich es zutrifft, dass das wirtschaftlichste Angebot nicht zwingend gleichbedeutend mit dem Angebot mit dem niedrigsten Preis ist, rügt das Rechnungsprüfungsamt zu Recht, dass der Zuschlag aus sachfremden Erwägungen erfolgte, die nicht im Zusammenhang mit der Zuwendungsmaßnahme standen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang mit der Zuwendungsmaßnahme ergibt sich nicht schon daraus, dass beide Baumaßnahmen durch die Verwendung des Aushubs vom Deponiegelände miteinander verknüpft wurden. Entscheidend ist, dass die Zuwendung allein erfolgte, um eine Straßenbaumaßnahme zu fördern. Diese Straßenbaumaßnahme hätte – zu günstigeren Konditionen – auf Basis des Angebots der Firma U1. erfolgen können. Es mag sich hier angeboten haben, eine Verknüpfung beider Maßnahmen vorzusehen. Unabhängig von der Frage, ob dies dann gegebenenfalls auch schon bei der Ausschreibung hätte berücksichtigt werden müssen, hätte es jedenfalls einer Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber bedurft, um sicherzustellen, dass nicht eine Förderung auch vorhabenfremder Zwecke erfolgte. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, dass es aufgrund der sachlich vorteilhaften Verknüpfung beider Maßnahmen jedenfalls an einem schweren Vergaberechtsverstoß fehle. Die Beklagte hat sich nicht nur auf einen Vergaberechtsverstoß, sondern zugleich auf eine – teilweise – zweckwidrige Verwendung berufen und dies auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich wiederholt. Die Erwägungen zu einem insoweit bestehenden Ermessensausfall gehen deshalb fehl. Nicht unbedenklich erscheint allerdings die Berechnung des Beklagten, der den zuwendungsfähigen Betrag auf Basis des Angebots der Firma U1. berechnete. Kam es zu Synergie-Effekten dadurch, dass Deponieerweiterung und Straßenbau miteinander verknüpft wurden, die Summe beider Baumaßnahmen also teurer gewesen wäre als die einheitliche Durchführung, führt die Berechnung des Beklagten dazu, dass dieser Effekt lediglich der Deponiemaßnahme zugutekommt. Da die Klägerin durch den somit wahrscheinlich zu hohen Anteil der Straßenbaumaßnahme an der Rechnung der Firma T1.----ring nicht beschwert wird, kann dies jedoch dahinstehen.
26PM 3.2
27Da gegenüber PM 3.1 keine weitere Kürzung erfolgt, kann dieser Punkt hier offen bleiben.
28PM 3.3
29Der Umstand, dass die Kosten für das Baubüro vor dem 23. Juni 2004 von der Klägerin in einen Erhöhungsantrag einbezogen worden waren, begründet keine Treuwidrigkeit der Kürzung nach Überprüfung durch das Rechnungsprüfungsamt. Der Beklagte hat keinen Anlass zu der Annahme gegeben, er wolle die nicht zuwendungsfähigen Kosten fördern. Insoweit kann offen bleiben, ob ein solches Verhalten dem Widerruf entgegenstehen würde.
30PM 4
31Es liegt auf der Hand, dass Beträge, die die Stadt W. aufgrund des Vertrages vom 22. April/13. Mai 1970 wegen des Baus einer Brücke im Zuge der B224n an die Bundesrepublik Deutschland leisten musste, nicht zuwendungsfähig sind. Unabhängig davon, dass es sich nicht um Straßenbaukosten handelt, die Kosten ihrer Art nach also von vornherein nicht förderungsfähig sind, besteht gar kein Anlass für die Erwägung, der Beklagte müsse die Kosten übernehmen, weil er sie veranlasst habe. Es ist eine Entscheidung der Klägerin gewesen, gegenüber dem Bund auf eine bestimmte Brückenbreite zu drängen und das Risiko zu übernehmen, das darin bestand, dass die letztlich überspannte Straße eine so breite Brücke nicht erforderte. Ließ sie sich aufgrund der Förderung des zweiten – eigenen – Straßenbaus auf eine geringere Ausbaubreite ein, um die Subvention zu erlangen, ist hierfür der Beklagte weder verantwortlich noch hatte er entsprechende Ausgleichsverpflichtungen. Auf die Frage, ob Zahlungen überhaupt durch die Baumaßnahme verursacht worden sind, weil diese hinter den ursprünglichen Planungen zurückgeblieben, kommt es deshalb nicht an. Ebenfalls unerheblich ist es, ob Behörden des beklagten Landes zugleich auch den Bund vertreten haben.
32PM 5.2
33Die Einwendungen der Klägerin gehen an der Feststellung des Beklagten vorbei, dass Arbeiten vergütet wurden, die nicht Bestandteil des ursprünglichen Antrages waren. Im Hinblick auf das geltend gemachte Erfordernis des Einbaus von Winkelelementen wird darauf hingewiesen, dass diese Elemente gar nicht über die beanstandete Leistung nach Los 8 abgerechnet worden sind (vgl. Seite 20 der Synopse vom 24. März 2015, Beiakte Heft 1).
34PM 6.3
35Unabhängig von der Frage, ob der Hinweis des Beklagten entkräftet wird, durch die nachträgliche Beauftragung der Baugrunduntersuchung sei unwirtschaftlich gehandelt worden, wird die Darlegung des Beklagten, die Kosten seien nicht Gegenstand des Antrages und damit auch nicht des Bewilligungsbescheides geworden, nicht infrage gestellt.
36PM 6.4 und 6.6
37Die Nachbeauftragung mit zusätzlichen Kosten von 70 % des ursprünglichen Betrages war ersichtlich nicht VOB–konform.
38PM 7
39Anders als bei der Beanstandung nach PM 6.2 legt der Beklagte hier nachvollziehbar nicht nur einen Dokumentationsmangel, sondern einen Mangel bei der Ausschreibung selbst dar und beanstandet die als freihändig zu bewertende Vergabe. Dies wird von der Klägerin im Kern nicht entkräftet.
40PM 8
41Der Beklagte rügt unabhängig von der Frage der Dokumentation (vergleiche hierzu oben zu PM 6.2) die Unwirtschaftlichkeit der Aufteilung in zahlreiche Teilaufträge. Diese Beanstandung wird nicht substantiiert in Frage gestellt.
42PM 9
43Wenn der Beklagte die gebotene aber unterbliebene Kürzung in einem Antrag der Klägerin nicht bemerkt hat, begründet dies kein Vertrauen der Klägerin die insoweit rechtswidrig gewährte Förderung behalten zu dürfen (siehe auch oben zu PM 3.3).
44PM 10.3.1
45Die VOB-Widrigkeit ihrer Verfahrensweise wird von der Klägerin bereits nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit sie auf unvorhergesehene Änderungen verweist, hat der Beklagte dargelegt, insoweit keinen VOB-Verstoß angenommen zu haben. Im Übrigen ist die Aufteilung auf mehrere Teilangebote jedenfalls unwirtschaftlich gewesen.
46PM 10.4 und 10.5
47Auf die Ausführungen zu PM 8 wird verwiesen.
48Der Beklagte hat sein Ermessen im Einklang mit dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt, § 114 VwGO, und sich insoweit auf die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO berufen. Auch im Hinblick auf die angebliche „erhebliche Härte“ sind seine Überlegungen nicht zu beanstanden.
49Die Rückforderungsansprüche, die sich aus der zweckwidrigen Verwendung der Fördermittel ergeben, sind auch nicht verjährt. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es habe insoweit keines Widerrufsbescheides bedurft, vielmehr ergebe sich der Rückforderungsanspruch unmittelbar aus einer auflösenden Bedingung. Eine solche auflösende Bedingung ist insbesondere nicht nach Nr. 2 ANBest-G eingetreten. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Zuwendung, wenn sich die in dem Finanzierungsplan veranschlagten Gesamtausgaben nach der Bewilligung ermäßigen. Schon der Wortlaut dieser Regelung erfasst nicht den Fall der zweckwidrigen Verwendung von Zuschüssen.
50Insgesamt ergibt sich folgende Neuberechnung des Rückforderungsbetrages:
51Zuwendugsfähige Kosten gemäß Abrechnungsbescheid 8.720.883,00 EUR
52ermittelter Abzugsbetrag (gerundet) 3.165.270,00 EUR
53neue zuwendungsfähige Kosten 5.555.613,00 EUR
54davon 80 % (gerundet auf 100 Euro) 4.444.500,00 EUR
55ausgezahlt 6.976.700,00 EUR
56Rückforderung 2.532.200,00 EUR
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
58Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO liegen nicht vor.
59Beschluss
60Der Streitwert wird auf 2.566.100,00 EUR festgesetzt.
61Gründe:
62Die Entscheidung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
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Referenzen
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 5x
- VwVfG § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes 2x
- ZPO § 167 Rückwirkung der Zustellung 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 124 1x
- VwGO § 4 1x
- VwVfG § 28 Anhörung Beteiligter 1x
- VwGO § 114 1x
- § 44 LHO 1x (nicht zugeordnet)
- § 95 Abs. 3 S. 4 LHO 1x (nicht zugeordnet)
- § 95 Abs. 3 LHO 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 2005/10 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 1 K 8429/09 1x