Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 29 K 1789/20.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund der Entscheidung vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.2001 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger. Er stellte am 14. August 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen (förmlichen) Asylantrag.
3Im Rahmen seiner Anhörung am 5. September 2019 trug der Kläger zu seinen Ausreisegründen befragt vor, dass er Somalia wegen des Krieges und der al-Shabaab verlassen habe. Er habe bei einem Friseurbesuch Ende September 2017 gesehen, wie ein al-Shabaab-Mann einen Soldaten der Regierung getötet habe. Am selben Abend sei er von Soldaten der Regierung mitgenommen und in ein Gefängnis gebracht worden. Er habe den Soldaten den Mann der al-Shabaab beschrieben. Er habe diesen gekannt. Dieser sei Koran-Schüler gewesen. Nach vier Tagen sei er wieder freigelassen worden und nach Hause zurückgekehrt. Zwei Tage nach seiner Freilassung sei seine Mutter telefonisch von der al-Shabaab bedroht worden. Zudem hätten er und seine Mutter Anrufe bekommen, dass er vor einem Gericht der al-Shabaab erscheinen solle. Er habe dann zunächst zwei Tage bei Bekannten geschlafen, die in der Nähe gelebt hätten. Ein Mithäftling, der ebenfalls Zeuge des Mordes gewesen sei, sei in Mogadischu getötet worden. Als er davon erfahren habe, habe er große Angst bekommen. Ein Soldat der Regierung, den seine Mutter gekannt habe, habe ihn dann zunächst vier Tage in einer Kaserne untergebracht. Anschließend sei er in eine größere Kaserne in der Stadt C. gebracht worden, wo er sich etwa einen Monat aufgehalten habe. Dort habe er eine Nachricht mit Drohungen auf sein Handy bekommen. Seine Mutter habe zudem weiterhin Drohanrufe erhalten. Er sei dann zu seinem Bruder, der Soldat der Regierung sei, nach Mogadischu gegangen und etwa drei Wochen dort geblieben. Anschließend sei er zu seiner Halbschwester nach Kenia gegangen.
4Mit Bescheid vom 23. Dezember 2019 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten ab (Ziffer 1 und 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorlägen (Ziffer 4). Ferner wurde dem Kläger für den Fall der Nichtausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens die Abschiebung nach Somalia angedroht (Ziffer 5). Schließlich ordnete das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Der Bescheid ist dem Jugendamt der Stadt X. als vormaligem Vormund des Klägers am 6. Februar 2020 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden.
5Der Kläger hat am 31. März 2020 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trägt er vor, dass er seinen Prozessbevollmächtigten am 18. Februar 2020 damit beauftragt habe, gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Dezember 2019 Klage zu erheben. Sein Prozessbevollmächtigter habe daraufhin eine Klageschrift verfasst und per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) an das Verwaltungsgericht Düsseldorf übersandt. Um sicherzustellen, dass die Klage innerhalb der Klagefrist dort eingegangen sei, habe sein Prozessbevollmächtigter am 18. Februar 2020 um 15:05:30 Uhr ein sog. Prüfprotokoll generiert, wonach sämtliche durchgeführte Prüfungen ein positives Ergebnis geliefert hätten und die drei Dateien – Klageschrift, Vollmacht und Bescheid vom 23. Dezember 2019 – am 18. Februar 2020 um 14:59:42 Uhr auf dem Server des Verwaltungsgerichts Düsseldorf eingegangen seien.
6Vor diesem Hintergrund treffe ihn im Hinblick auf die Versäumung der Klageschrift kein Verschulden. Insbesondere liege kein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten vor, das er sich zurechnen lassen müsse. Für seinen Prozessbevollmächtigten sei angesichts des generierten Prüfprotokolls nicht ersichtlich gewesen, dass die Klageschrift nicht innerhalb der Klagefrist auf dem Server des Verwaltungsgerichts Düsseldorf eingegangen sei. Im Regelfall sei die Klageerhebung per beA vollkommen unproblematisch und das Prüfprotokoll gelte als sehr zuverlässig. Sein Prozessbevollmächtigter habe damit alles getan, um einen rechtzeitigen Eingang der Klage sicherzustellen. Zwar könne dieser die automatisierte Eingangsbestätigung nicht vorlegen, da die Rubriken „gesendet“, „empfangen“ und „zugegangen“ bei einem aktuellen Aufruf der originalen beA-Nachricht keine Eintragungen aufwiesen. Dies sei mit der Tatsache, dass das beA-Prüfprotokoll bei einem erneuten Aufruf für „sämtliche durchgeführte Prüfungen ein positives Ergebnis“ liefere, nicht in Einklang zu bringen. Es sei daher davon auszugehen, dass ein technischer Fehler vorliege, dessen Ursache nicht nachvollziehbar sei. Zudem sei dem Prüfprotokoll nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass dieses keinen Nachweis über den Eingang der Nachricht bei Gericht erbringe.
7In der Sache macht der Kläger geltend, dass ihm jedenfalls ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuzuerkennen sei. Ihm drohe bei einer Rückkehr nach Somalia eine Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zuwiderlaufende Behandlung, da seine ausreichende Versorgung und Unterbringung in Somalia nicht hinreichend sichergestellt sei.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Dezember 2019 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz zuzuerkennen,
10hilfsweise ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Somalia bestehen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung trägt sie vor, die Klage sei bereits unzulässig, da sie nicht fristgemäß erhoben worden sei. Im Übrigen bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
15Die Einzelrichterin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2020, der dem Kläger am 9. Juli 2020 zugestellt worden ist, abgewiesen. Daraufhin hat der Kläger am 23. Juli 2020 mündliche Verhandlung beantragt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6. Juli 2020 zur Entscheidung übertragen hat (§ 76 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG)).
19Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beklagte mit der ordnungsgemäßen Ladung zum Termin auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
20Der Rechtsstreit war durch Urteil zu entscheiden, weil der Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2020 gemäß § 84 Abs. 3 Hs. 2 VwGO als nicht ergangen gilt. Der Kläger hat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 78 Abs. 7 AsylG einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt (vgl. § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
21Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, da der Kläger die Klagefrist versäumt hat (dazu unter 1.) und ihm auf seinen Antrag auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (dazu unter 2.).
221. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG ist gegen Entscheidungen nach dem AsylG grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung Klage zu erheben. Diese Frist hat der Kläger versäumt.
23Zwar dürfte die Zustellung des Bescheides vom 23. Dezember 2019 mit Zustellungsurkunde an das Jugendamt der Stadt X. als (vormaligen) Vormund des Klägers am 6. Februar 2020 unwirksam gewesen sein, da sie gegenüber dem falschen Adressaten erfolgt sein dürfte. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) ist bei beschränkt Geschäftsfähigen, das heißt insbesondere bei Minderjährigen (vgl. §§ 106, 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Zum Zeitpunkt der Zustellung war der am 10. Oktober 2001 geborene Kläger aber sowohl nach somalischem Recht als dem Recht seines Herkunftslandes (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) als auch gemäß § 2 BGB nach deutschem Recht als dem Recht seines derzeitigen Aufenthaltslandes bereits volljährig.
24Vgl. zum somalischen Recht Art. 44 Nr. 2 des somalischen Zivilgesetzbuches; abgedruckt in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ordner XVIII, Somalia, S. 26.
25Die Frage, welches Recht in diesem Zusammenhang maßgeblich ist, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
26Vgl. zum maßgeblichen Recht für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit eines ausländischen Staatsangehörigen BeckOGK, BGB, Stand: 1. November 2021, BGB § 1773 Rn. 31 ff.
27Angesichts dessen dürfte die Vormundschaft des Jugendamtes der Stadt X. im Zeitpunkt der Zustellung gemäß §§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB beendet gewesen sein, auch wenn der Kläger noch mit E-Mail an das Bundesamt vom 19. Februar 2020 um Übersendung des Protokolls seiner Anhörung an seine Vormundin beim Jugendamt X. gebeten hat (Beiakte Heft 1 Bl. 109).
28Auch bei einer Unwirksamkeit der Zustellung vom 6. Februar 2020 ist die Klage jedoch nicht fristgemäß erhoben worden. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es nach § 8 Hs. 1 VwZG als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Kläger als Empfangsberechtigter den Bescheid vom 23. Dezember 2019 spätestens am 18. Februar 2020 erhalten hat. Denn an diesem Tag hat er die von seinem Prozessbevollmächtigten in diesem Verfahren vorgelegte Vollmacht unterschrieben und diesem den Auftrag erteilt, gegen den Bescheid Klage zu erheben.
29Damit endete die zweiwöchige Klagefrist jedenfalls mit Ablauf des 3. März 2020. Die Klageschrift vom 18. Februar 2020 ist jedoch erst als Anlage zu dem Wiedereinsetzungsantrag am 31. März 2020 bei Gericht eingegangen. Hinweise auf einen früheren Eingang konnten auch bei Nachforschungen seitens der IT-Abteilung des Gerichts nicht festgestellt werden (vgl. den Vermerk vom 19. Juni 2020, Bl. 50 der Gerichtsakte).
302. Dem Kläger ist auf seinen Antrag auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach § 60 VwGO zu gewähren.
31Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind glaubhaft zu machen; innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 60 Abs. 2 VwGO).
32Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger hat die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt. Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden objektiv geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war.
33Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9.
34Dabei muss sich der Kläger das Verschulden seines Bevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.
35Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 11 A 493/21.A –, juris Rn. 7 f.
36Ein Verschulden eines bevollmächtigten Anwaltes liegt wiederum vor, wenn dieser die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts nicht angewandt hat.
37Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 60 Rn. 20.
38Dies zugrunde gelegt, ist ein Verschulden des Klägers bezüglich der Versäumung der Klagefrist in Form zugerechneten Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten anzunehmen.
39Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2021 – 19 A 1418/20.A –, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 4. September 2018 – VIII ZB 70/17 –, juris Rn. 13.
41Zwar ist ein Rechtsanwalt, der regelmäßig in besonderem Maße eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle gewährleisten muss und diese Verpflichtung im konkreten Fall erfüllt hat, grundsätzlich nicht gehalten, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen. Nur wenn ein konkreter Anlass vorliegt, kann eine Nachfragepflicht begründet sein. Ein solcher Anlass ist – um die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten nicht zu überspannen und den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren – regelmäßig noch nicht allein aus der Tatsache abzuleiten, dass vor Fristablauf keine entsprechende Nachricht des Gerichts eingegangen ist.
42Vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 24. September 2015 – IX ZR 206/14 –, juris Rn. 10 m.w.N.
43Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im elektronischen Rechtsverkehr muss der Rechtsanwalt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt aber kontrollieren, ob er eine automatische Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erhalten hat bzw. das in seiner Kanzlei zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist.
44So auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Oktober 2021 – 8 B 11187/21 –, juris Rn. 10 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, juris Rn. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2019 – 2 M 58/19 –, juris; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, juris Rn. 21 ff. (zu § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO); BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 – , juris Rn. 16 ff. (zu § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG); VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. September 2019 – VGH B 23/19 –, juris Rn. 8; Bay. LSG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – L 17 U 298/17 –, juris; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 26. September 2017 – 5 A 1193/17 –, juris Rn. 22.
45Für den erfolgreichen Abschluss des auf elektronischem Wege erfolgenden Schriftverkehrs sind Erhalt und ordnungsgemäße Kontrolle der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO unabdingbar. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.
46Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 4. August 2000 – 3 B 75.00 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2012 – 15 B 58/12 –, juris Rn. 5 f. und Beschluss vom 4. August 2009 – 8 B 785/09 –, juris.
47Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang selbst zu überprüfen. Dies kann ohne weiteres durch eine Kontrolle der dem Telefax-Sendeprotokoll vergleichbaren automatisierten Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erfolgen. Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server eingegangen ist, schickt dieser automatisch dem Absender eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht.
48Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2019 – 2 M 58/19 –, juris Rn. 9.
49Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind.
50Vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 26 zum gleichlautenden § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO.
51Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten, besteht damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen.
52Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Oktober 2021 – 8 B 11187/21 –, juris Rn. 10 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, juris Rn. 21 ff.; BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 –, juris Rn. 20, Bay. LSG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – L 17 U 298/17 –, juris Rn. 12.
53Eine solche Kontrolle des Zugangs einer Eingangsbestätigung ist hier nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht durchgeführt worden. Wäre sie erfolgt, hätte die Klage jedoch noch fristgerecht erhoben werden können. Wird zeitnah keine automatische Eingangsbestätigung übermittelt, muss der Rechtsanwalt damit rechnen, dass das Dokument nicht bei der Empfangseinrichtung des Gerichts angekommen und damit die Übermittlung auf elektronischem Wege nicht erfolgreich gewesen ist. In diesem Fall hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier am 18. Februar 2020 ohne Weiteres einen erneuten Übermittlungsversuch – per beA oder auf einem anderen Weg – vornehmen können, um einen fristgerechten Eingang der Klage bei Gericht sicherzustellen.
54Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, sein Prozessbevollmächtigter habe unmittelbar nach dem Versand der Klageschrift am 18. Februar 2020 ein sog. Prüfprotokoll generiert, wonach sämtliche durchgeführte Prüfungen ein positives Ergebnis geliefert hätten. Denn das Prüfprotokoll gibt allein Auskunft darüber, ob die Nachricht und alle angefügten Signaturen integer sind bzw. ob ordnungsgemäße Signaturen vorliegen. Anders als bei der Eingangsbestätigung ergibt sich aus dem Prüfprotokoll hingegen nicht, ob die Nachricht vollständig auf dem Justizserver gespeichert worden ist, was als Nachweis des ordnungsgemäßen Eingangs erforderlich wäre. Während die Eingangsbestätigung durch den Justizserver erzeugt und an den Absender übermittelt wird, wird das Prüfprotokoll durch den eigenen Server erstellt.
55Vgl. BRAK, beA-Newsletter 31/2019 vom 17. Oktober 2019, abrufbar unter https://brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-31-2019-v-17102019/, zuletzt abgerufen am 31. Januar 2022; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, juris Rn. 8; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2019 – 2 M 58/19 –, juris (insbesondere Rn. 7).
56Das Prüfprotokoll bietet auch bei einem positiven Prüfergebnis keine sichere Gewähr dafür, dass die Sendung bei Gericht eingegangen ist.
57Vgl. Bacher, beA: Anwaltliche Überwachungspflichten bei Übermittlung und Eingang von Dokumenten in: MDR 2021, 916 (917 f.)
58Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dem Prüfprotokoll sei nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass dieses nicht den Eingang bei Gericht bestätige und dass infolgedessen ein technischer Fehler vorliege, der für ihn nicht erkennbar gewesen sei. Ein solches Missverständnis über die Bedeutung des Prüfprotokolls rechtfertigt nicht die Annahme, das Fristversäumnis sei unverschuldet. Ein Anwalt muss sich vielmehr mit der Funktionsweise des beA vertraut machen und wissen, dass es entscheidend auf die Überprüfung der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO ankommt.
59So ausdrücklich auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, juris Rn. 51 (zu § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO); siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. September 2019 – VGH B 23/19 –, juris Rn. 8.
60Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass sich der Sachverhalt in den Anfangszeiten des beA zugetragen habe und heute nicht mehr so passieren würde. Denn gerade bei der Nutzung eines neuen Kommunikationsweges wie dem beA ist von einem Prozessbevollmächtigten bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze eine erhöhte Sorgfalt an den Tag zu legen. Er muss sich daher vom ersten Tag an mit der Funktionsweise des genutzten Übermittlungsweges vertraut machen und insbesondere sicherstellen, dass er seinen dargelegten Pflichten, eine hinreichend sichere Ausgangskontrolle zu gewährleisten, nachkommt. Solche Pflichten bestehen – wie bereits dargestellt – nicht erst seit zunehmender Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs, sondern auch schon im Zusammenhang mit der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax.
61Vgl. in diesem Zusammenhang auch Bay. LSG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – L 17 U 298/17 –, juris Rn. 16; allgemein zur Gewährleistung einer zuverlässigen Ausgangskontrolle Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht – VwGO, Stand: 41. EL Juni 2021, VwGO § 60 Rn. 39; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 89.
62Dass es zum Zeitpunkt der Klageeinreichung im Februar 2020 auch ohne Weiteres möglich war, sich im Einzelnen mit der Funktionsweise des beA vertraut zu machen, zeigt sich schon daran, dass die Bundesrechtsanwaltskammer bereits in ihrem sog. beA-Newsletter vom 17. Oktober 2019 auf die bei der Ausgangskontrolle im elektronischen Rechtsverkehr durch einen Rechtsanwalt zu beachtenden Sorgfaltsanforderungen hingewiesen hat. Im Rahmen dieses Newsletters wird zudem ausdrücklich erläutert, welche Bedeutung der sog. Eingangsbestätigung zukommt und welchen Aussagegehalt demgegenüber das sog. Prüfprotokoll und das sog. Übermittlungsprotokoll haben. Darüber hinaus wird beschrieben, wo Eingangsbestätigung sowie Prüf- und Übermittlungsprotokoll zu finden sind.
63Vgl. BRAK, beA-Newsletter 31/2019 vom 17. Oktober 2019, abrufbar unter https://brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-31-2019-v-17102019/, zuletzt abgerufen am 31. Januar 2022.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung.
65Rechtsmittelbelehrung:
66Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
67Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
681. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
692. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
703. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
71Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
72Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
73In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
74Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
75Die Antragsschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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