Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 780/18

Tenor

Für das Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig.

Das Verfahren wird dorthin verwiesen.

Gründe

 
Nachdem die Kammer im Vereinsverbotsverfahren mit Beschluss vom 22 .08.2017 (4 K 7061/17) die Sicherstellung der Post des Antragstellers (ohne dessen Beteiligung im Wege der Beiladung) angeordnet und der Antragsgegner dies dem Antragsteller nachträglich mitgeteilt hat, hat der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass die Sicherstellung der Post sowohl dem Grunde nach als auch nach der durchgeführten Art und Weise rechtswidrig war.
Über den Antrag bzw. hier die sachliche Zuständigkeit hierfür entscheidet der Vorsitzende anstelle der Kammer. Dies gilt nicht nur für die gerichtliche Anordnung von Durchsuchung und Beschlagnahme bzw. Sicherstellung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG), sondern auch für Rechtsbehelfe, die sich gegen solche Anordnungen und die Art und Weise ihrer Vollziehung wenden (vgl. Greven, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 98 StPO, Rdnr. 25 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Das Verwaltungsgericht hat den eingelegten Rechtsbehelf zunächst ausschließlich als Beschwerde verstanden, dieser nicht abgeholfen und sie dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vorgelegt. Der Verwaltungsgerichtshof (der Antrag befindet sich in dessen Akten) hat mit Schreiben des Vorsitzenden des 1. Senats vom 28.12.2017 die Akten zurückgegeben mit der Bitte, über die Rechtsbehelfe in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, und insoweit ausgeführt: Die Rechtsbehelfe griffen sowohl die gerichtliche Sicherstellungsanordnung als auch deren Art und Weise an. Rechtsschutz werde in dieser Konstellation nicht nach § 146 VwGO gewährt. Der Antragsteller könne Beschwerde nicht einlegen, weil er im Verfahren auf Anordnung der Sicherstellung nicht Beteiligter (Beigeladener) gewesen sei. Der statthafte Rechtsbehelf ergebe sich aus § 10 Abs. 2 Satz 4 VereinsG i.V.m. § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO.
Nach dieser Vorschrift, die sowohl für richterliche Beschlagnahmen (und Sicherstellungen) im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren (§ 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG) wie auch für richterliche Sicherstellungen von vereinsrechtlichem Vermögen nach erfolgtem Verbot (§ 10 Abs. 2 Satz 4 VereinsG) entsprechend anwendbar ist (auf beide Rechtsgrundlagen ist die gerichtliche Anordnung gestützt), können die von einer Sicherstellung (nach § 101 Abs. 4 StPO) betroffenen Personen bei dem Anordnungsgericht auch nach Anordnung der Maßnahme binnen bestimmter Frist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme (einschließlich ihrer Anordnung) sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen.
Hiervon ausgehend, ist das Verwaltungsgericht sachlich nicht zuständig und das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht zu verweisen (gemäß § 83 VwGO, § 17a Abs. 2 GVG); denn gemäß § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO gilt die Zuständigkeit des Gerichts, das die Sicherstellung anzuordnen hat, für einen ein Antrag auf nachträgliche Überprüfung der Maßnahme gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO dann nicht fort, wenn öffentliche Klage erhoben worden ist. In diesem Fall entscheidet das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung. Bei der gebotenen entsprechenden Anwendung im vereinsrechtlichen Verfahren ist dies das für die Klage gegen das Vereinsverbot erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Dies ergibt sich aus Folgendem:
§ 101 Abs. 7 Satz 4 StPO geht zurück auf § 107 Abs. 9 Satz 4 StPO-E (vgl. BT-Drucks. 16/6979, S. 44 und BT-Drucks. 15/5846, S. 14, 15). In der Gesetzesbegründung heißt es insoweit (BT-Drucks. 15/5846, S. 63):
„Satz 4 trifft für den Fall, dass bereits Anklage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden ist, aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Effizienz eine Sonderregelung zur gerichtlichen Zuständigkeit dahingehend, dass über den Antrag auf nachträglichen Rechtsschutz das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung (z.B. dem Urteil) befindet. Dies kann, wenn der Antrag auf nachträglichen Rechtsschutz bereits vor Anklageerhebung bzw. vor Benachrichtigung des Angeklagten angebracht worden ist, zu einem Übergang der gerichtlichen Entscheidungszuständigkeit führen.“
Gründe, die wegen der Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Der Zweck, den der Gesetzgeber für den Strafprozess verfolgt, ist auch im gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung eines Vereinsverbots gegeben. Es dient der Effizienz des Verfahrens, wenn das mit der Hauptsache befasste Gericht auch für die Überprüfung der erfolgten verdeckten Maßnahmen zuständig ist. Zudem dient das dabei unterbreitete Tatsachenmaterial der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts im Vereinsverbotsverfahren. Ohnehin hat es im Hauptsacheverfahren über die Verwertbarkeit der bei der Postsicherstellung gewonnenen Erkenntnisse zu befinden; divergierende Entscheidungen insoweit sollen vermieden werden (vgl. Hegmann, in: BeckOK StPO, 29. Edition, § 101 StPO, Rn. 53).
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Die Verlagerung der Zuständigkeit an das Gericht der Hauptsache dürfte zugleich zudem dem Umstand geschuldet sein, dass es sich bei der Postsicherstellung um eine verdeckte und somit besonders eingreifende Maßnahme handelt. Dies dürfte es auch begründen, dass die nachträgliche Überprüfung weniger eingreifender Maßnahmen wie Durchsuchung und Beschlagnahme weiter beim Anordnungsgericht bzw. beim Beschwerdegericht bleibt.
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Sich sonst aus der Zuständigkeitsverlagerung vom Anordnungsgericht zum Gericht der Hauptsache ergebende praktische Probleme hat der Gesetzgeber hingenommen (vgl. Bruns, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 101 StPO, Rn. 37).
12 
Einer entsprechenden Anwendung von § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO steht auch nicht entgegen, dass bei der Anfechtung von Vollzugsmaßnahmen zum Vereinsverbot das insoweit zuständige Verwaltungsgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine Klage gegen das Vereinsverbot gemäß § 6 Abs. 1 VereinsG auszusetzen hat. Denn dies betrifft nur die Anfechtung solcher Maßnahmen, für die die Verwaltungsgerichte auch sachlich zuständig sind.
13 
Schließlich ist eine entsprechende Anwendung von § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO auf das Vereinsverbotsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht deshalb ausgeschlossen, weil solche Anträge im Strafprozess mangels erstinstanzlicher Zuständigkeit (vgl. § 135 GVG) nicht im ersten Rechtszug vom Bundesgerichtshof zu entscheiden sind (der im Übrigen hinsichtlich der Entscheidungen des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht zuständig ist, vgl. § 135 Abs. 2 GVG i.V.m. § 304 Abs. 5 und § 101 Abs. 1, § 99 StPO).
14 
Soweit der Bundesgerichtshof eine Anwendung von § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO für heimliche Informationseingriffe nach §§ 20g ff. BKAG verneint hat (BGH, Beschluss vom 26.01.2017 – StB 26 und 28/14 -, BGHSt. 62, 22 = NJW 2017, 2631), ergibt sich daraus nichts für die hier zu beurteilende gerichtliche Zuständigkeit; denn in §§ 20g ff. BKAG ist gerade keine (entsprechende) Anwendung von § 101 Abs. 7 StPO angeordnet. Verwiesen wird dort nur auf die strafprozessualen Benachrichtigungspflichten.
15 
Eine Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
16 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).

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