Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 10 K 3072/19

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine beabsichtigte Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch).
Die Antragstellerin betreibt unter der Firmierung „...“ ca. ... Lebensmitteleinzelhandelsfilialen. Am 16.04.2019 unterzog der Antragsgegner die Filiale der Antragstellerin in W einer planmäßigen Routinekontrolle, bei der sie lebensmittelrechtliche Verstöße beanstandete. Ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 09.05.2019 stellte der Antragsgegner zumindest Folgendes fest:
„In der Obst-/Gemüseabteilung wurde eine erhebliche Menge an verdorbenem Obst und Gemüse zu Verkaufszwecken bereitgehalten bzw. angeboten: 8 Netze (á 4 kg) Orangen mit Blauschimmel, 4 Netze (á 1 kg) Blutorangen mit Schimmel und Fäulnis, 2 Tüten Paprika mit Fäulnis, 1 Schale Speisemöhren mit Fäulnis, 1 Schale Erdbeeren mit Schimmel.
Eine Gebäckzange im Selbstbedienungs-Backbereich bei den feinen Backwaren war verschmutzt. Sie wies eingetrocknete Lebensmittelreste und vereinzeltes Schimmelpilzwachstum auf.“
Sie wies überdies auf Folgendes hin:
„Am 13.06.2017 wurden in Ihrem Betrieb bereits erhebliche Verstöße gegen Vorschriften des Lebensmittelrechts festgestellt. In der Obst-/Gemüseabteilung wurden große Mengen an verdorbenen bzw. nicht gekennzeichneten wertgeminderten Lebensmitteln zu Verkaufszwecken bereitgehalten bzw. angeboten: 2 Schalen Mini Wok Choi völlig verfault, 3 Schalen Pfirsiche mit Schimmel, 1 Schale Kiwis mit Schimmel, 2 Schalen Mini-Gurken mit Fäulnis, 1 Eisbergsalat mit Fäulnis, 2 Schalen Physalis mit Schimmel, 1 Netz Avocados mit Schimmel, 1 Packung welkender Spinat mit beginnender Fäulnis, völlig vertrocknete Kräuter, 3 überreife/verblühte Brokkoli, 2 Schalen vertrocknete Kresse.“
Sämtliche vorgefundenen verdorbenen Lebensmittel wurden noch während der Kontrolle am 16.04.2019 freiwillig entsorgt.
Der Antragsgegner beabsichtigt eine Veröffentlichung der oben genannten Verstöße auf der Internetseite www.verbraucherinfo-bw.de in Form eines PDF-Dokuments unter Nennung der Anschrift der betroffenen Filiale, dem Feststellungstag, der Rechtsgrundlage und Hinweisen zur Mängelbeseitigung.
Der Antragsgegner hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.05.2019 zur geplanten Veröffentlichung der Mängel an und bot ihr die Möglichkeit, sich hierzu bis zum 23.05.2019 schriftlich zu äußern oder einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Mit Schreiben vom 09.07.2019 teilte er der Antragstellerin mit, dass er trotz der erhobenen Einwände an seiner Auffassung festhalte und dass eine Veröffentlichung frühestens am 23.07.2019 geplant sei.
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Daraufhin hat die Antragstellerin am 22.07.2019 beim Verwaltungsgericht Freiburg um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Sie begehrt die Unterlassung der geplanten Veröffentlichung. Am 23.07.2019 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er bis zur gerichtlichen Entscheidung von der angekündigten Veröffentlichung absehen werde.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Statthaft ist der Antrag nach § 123 VwGO; denn das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin richtet sich auf eine Unterlassung der geplanten Information der Öffentlichkeit, bei der es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG, sondern um einen Realakt handelt (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 4, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, juris Rn. 4).
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Örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht Freiburg gemäß §§ 123 Abs. 2 Satz 1; 52 Nr. 5 VwGO; 1 Abs. 2 AGVwGO; 11 Abs. 1; 12 Abs. 3 LVG.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Zum Erlass einer solchen Sicherungsanordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen, dass ein Anordnungsgrund besteht, d. h. eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, und ein Anordnungsanspruch gegeben ist, also die tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt sind.
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Im Hinblick auf den Umfang der Prüfung des Gerichts und den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem Anordnungsgrund und -anspruch vorliegen müssen, sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Daher hat das Gericht einerseits die Eilbedürftigkeit des Begehrens der Antragstellerin zu berücksichtigen, andererseits aber auch den Zweck des Anordnungsverfahrens in den Blick zu nehmen, nämlich die Schaffung vollendeter Tatsachen vor einer Hauptsacheentscheidung zu verhindern. Um die verfassungsrechtlich verankerten Rechte, insbesondere Grundrechte, zu schützen, muss der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass kein Anordnungsgrund oder -anspruch besteht, umso höher sein je schwerwiegender die drohenden Nachteile und je weniger wahrscheinlich ihre Rückgängigmachung im Falle eines späteren Obsiegens sind.
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2. Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Antragstellerin zwar einen Anordnungsgrund, jedoch keinen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht, sodass ihr Antrag im Ergebnis abzulehnen ist.
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a) Zunächst hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es besteht die Gefahr, dass im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Gefahr ergibt sich hier aus der weitreichenden wirtschaftlichen Bedeutung der geplanten Veröffentlichung: Verwaltungshandeln durch amtliche Information ist in der Außendarstellung (meist) irreversibel, weil daran bei Fehlinformationen auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts ändern, da die faktischen Wirkungen von Information regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 6, juris; VGH Baden-Württemberg., Beschl. v. 13.09.2010 – 10 S 2/10 –, juris Rn. 25; Beschl. v. 28.01.2013 – 9 S 2423/12 –, juris Rn. 6). Eine Verbraucherinformation zu – angeblichen – Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend wirken (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 6, juris; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.09.2010 – 10 S 2/10 –, Rn. 25, juris)
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b) Allerdings hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch. Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch wäre der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch, welcher in einem Hauptsacheverfahren mit einer Leistungsklage (vgl. §§ 43 Abs. 2, 113 Abs. 4 VwGO) durchzusetzen wäre. Dieser setzt neben einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrige Beeinträchtigung (grund-) rechtlich geschützter Positionen des Betroffenen voraus, dass ein solcher Eingriff bevorsteht oder die Gefahr der Wiederholung eines rechtswidrigen Eingriffs droht.
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Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a LFGB geplante Veröffentlichung beinhaltet eine Beeinträchtigung der Antragstellerin in grundrechtlich geschützten Positionen.
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Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG kann sie sich als juristische Person auch auf das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Recht der freien Berufswahl und -ausübung berufen, da sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise auch einer natürlichen Person offensteht.
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Die auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB geplante Veröffentlichung beeinträchtigt – auch wenn sie die Berufsausübung nicht unmittelbar berührt – die Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Denn Regelungen, die zwar selbst die Berufsausübung nicht unmittelbar betreffen, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, sind jedenfalls dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen nach einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen. Das gilt auch für amtliche Informationen auf der Grundlage von § 40 Abs. 1a LFGB. Denn sie zielen direkt auf eine Beeinflussung der Marktbedingungen des konkret benannten Unternehmens ab, weil sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflussen und auf diese Weise die Markt- und Wettbewerbssituation für das betroffene Unternehmen wirtschaftlich nachteilig verändern (ausführlich BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 25 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, juris Rn. 10).
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Die geplante Information der Öffentlichkeit durch Veröffentlichung von Betriebsbezeichnung, Anschrift, Feststellungstag, Sachverhalt/Grund der Beanstandung, Rechtsgrundlage sowie Hinweisen zur Mängelbeseitigung auf der Internetseite www.verbraucherinfo-bw.de steht auch unmittelbar bevor, da der Antragsgegner die Information sobald wie möglich veröffentlichen möchte.
23 
Die Veröffentlichung ist nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht rechtswidrig. Die an der Veröffentlichung bestehenden Interessen der Allgemeinheit überwiegen die grundrechtlichen Positionen der Antragstellerin.
24 
aa) Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Veröffentlichungen ist § 40 Abs. 1a Nr.3 LFGB in der Fassung von Artikel 1 Nr. 1c des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs vom 30.04.2019 (BGBl. I, S. 498). Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass [...] gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.
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Mit der Einführung des § 40 Abs. 1a LFGB verfolgt der Gesetzgeber generalpräventive Zwecke, um die Durchsetzung einschlägiger lebensmittel- und hygienerechtlicher Vorschriften zu verbessern. Die Regelung zielt dementsprechend nicht nur auf den legitimen Zweck des Gesundheitsschutzes, sondern in der Folge auch auf den Schutz von Konsumentscheidungen und damit den Verbraucherschutz insgesamt (zum Normzweck etwa BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 32, 35 und 38).
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Gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (mehr), nachdem der Gesetzgeber nunmehr die Veröffentlichung von Informationen zeitlich beschränkt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 56 ff.) und § 40 LFGB zum 30.04.2019 neugefasst hat (BGBl. I, S. 498, vgl. BT-Drs. 19/4726 und 19/8349; BR-Drs. 124/19). Nach § 40 Abs. 4a LFGB n.F. sind Informationen nunmehr sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.
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bb) Bei der Antragstellerin handelt es sich auch um ein Lebensmittelunternehmen i.S.d. Art. 3 Nr. 2 VO (EG) Nr. 178/2002, welches mit dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeiten ausführt, bzw. um einen Lebensmittelunternehmer i.S.d. Art. 3 Nr. 3 VO (EG) Nr. 178/2002, welcher dafür verantwortlich ist, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem seiner Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden.
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cc) Die geplante Veröffentlichung erfüllt auch die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB. Da es sich auf Rechtsfolgenseite um eine Veröffentlichungspflicht der zuständigen Behörde mit einer erheblichen Eingriffsschwere handelt und demzufolge kein Raum für eine einzelfallbezogene Ermessensprüfung eröffnet ist, kommt den Tatbestandsvoraussetzungen im Rahmen der Rechtmäßigkeitsüberprüfung eine besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 50; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, juris Rn. 27 f.).
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(1) Zunächst ist mit Blick auf das notwendige Verfahren festzustellen, dass die nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB vor Veröffentlichung der Informationen erforderliche Anhörung der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.05.2019 und unter Fristsetzung bis zum 23.05.2019 stattgefunden hat. Nicht erforderlich ist hingegen, dass bereits eine Anhörung im Ordnungswidrigkeitsverfahren erfolgt ist. Die Anhörung gemäß § 40 Abs. 3 LFGB hat sich nur auf die gerügten Rechtsverstöße gegen die Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB zu erstrecken. Sie entspricht § 28 LVwVfG, der sich nur auf Verwaltungsakte bezieht.
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(2) Der Antragsgegner hat die beanstandeten Lebensmittel auch hinreichend präzise konkretisiert. Aufgrund der erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung hat die Bezeichnung möglichst schonend für den Betroffenen und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen das gar nicht der Fall ist. Eine Spezifizierung hat gegebenenfalls inhaltlich (Produktart), räumlich oder auch zeitlich zu erfolgen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 17, juris).
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Mit der Angabe, betroffen seien 8 Netze (á 4 kg) Orangen mit Blauschimmel, 4 Netze á 1 kg) Blutorangen mit Schimmel und Fäulnis, 2 Tüten Paprika mit Fäulnis, 1 Schale Speisemöhren mit Fäulnis, 1 Schale Erdbeeren mit Schimmel an einem bestimmten Prüftag in einer bestimmten Filiale, wird der Antragsgegner diesem Erfordernis gerecht. Der Kunde kann erkennen, dass am 16.04.2019 in der Filiale in der Rottweiler Straße 14 in Wellendingen die genannten Produkte im genannten Umfang beanstandungswürdig waren.
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Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.11.2012 – 2 K 2430/12 – vertritt, § 40 Abs. 1a LFGB ermächtige nur zu einer sogenannten Produktwarnung und darüber hinaus geltend macht, der Teil des Veröffentlichungstexts „In der Obst- und Gemüseabteilung wurde eine erhebliche Menge an verdorbenem Obst und Gemüse zu Verkaufszwecken bereitgehalten bzw. angeboten“ stelle keine produktbezogene Warnung im Sinne von § 40 Abs. 1a LFGB dar, weshalb beim flüchtigem Lesen der Eindruck entstehen könne, dass die vom Landratsamt Rottweil vorgefundenen Abweichungen die gesamte Obst- und Gemüseabteilung betroffen hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen wird im Anschluss an die genannte Passage direkt aufgelistet, welche Produkte genau von der Beanstandung betroffen gewesen sind. Durch diese Konkretisierung ist dem verständigen Leser sofort klar, welche Beanstandungen zu der Veröffentlichung geführt haben. Eine zusätzliche Prangerwirkung ergibt sich aus der Formulierung nicht. Zum anderen stellt die Erheblichkeit gerade einen Teil der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB dar, da die Norm verlangt, dass gegen die entsprechenden Vorschriften „in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist“. Sofern kein Wiederholungsfall vorliegt, kann die Veröffentlichung daher überhaupt nur dann stattfinden, wenn der Verstoß nicht nur unerheblich ist. Der Antragsgegner veröffentlicht also keine eigenen Wertungen, sondern bezieht sich auf eine der notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen für die Veröffentlichung. Zudem findet durch den beanstandeten Satzteil keine generelle Information über einen Betrieb statt, bei dem Verstöße gegen hygienische Anforderungen festgestellt worden sind, wie es in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe der Fall war, wo darüber informiert wurde, „dass bei einer Betriebskontrolle der Antragstellerin am ... Mängel bei der Betriebshygiene sowie Reinigungsmängel festgestellt worden sind“ (VG Karlsruhe, Beschl. v. 07.11.2012 – 2 K 2430/12 –, Rn. 14, juris). Es liegt auch kein Fall vor, in welchem es an der Nennung konkreter Lebensmittel komplett fehlt (so beispielsweise in Hessischer VGH, Beschl. v. 08.03.2019 – 8 B 2575/18 –, Rn. 28, juris). Vielmehr wird vorliegend auf bestimmte Produkte hingewiesen und lediglich klargestellt, dass die Beanstandungen die für die Veröffentlichung nötige Erheblichkeit aufweisen.
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(3) Unerheblich ist auch, dass der Antragsgegner in der geplanten Veröffentlichung keine Los- oder Chargennummern der betroffenen Lebensmittel nennt, wie es das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 15.01.2019 (Az. 13 B 1587/18, Rn. 38 ff., juris) zur Konkretisierung gefordert hat. In diesem Fall waren in einer Charge Heidelbeeren Grenzwerte überschritten, weshalb ein Bedürfnis der Verbraucher bestand, zu wissen, welche Charge genau betroffen war. Vorliegend war aber nicht sämtliches zum Verkauf bestimmtes Obst und Gemüse von den gerügten Mängeln betroffen. Eine Nennung der konkreten Los- oder Chargennummern wäre darum unverhältnismäßig, da der Verbraucher die Veröffentlichung sonst so verstehen könnte, dass tatsächlich mehr Produkte betroffen wären, als dies tatsächlich der Fall ist. Zudem dürften die Mängel ihrer Natur nach erst im Einflussbereich der Antragstellerin aufgetreten sein, wohingegen die Nennung einer bestimmten Charge auf den Lieferanten der Antragstellerin hinweisen würde.
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(4) Die Nennung der Rechtsgrundlage im Rahmen der Veröffentlichung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar wird diese nicht in § 40 Abs. 1a LFGB als zu veröffentlichende Tatsache aufgelistet. Die Nennung von Normen dient aber der Information des Verbrauchers und der Rechtsklarheit. Es ist daneben nicht ersichtlich, in wieweit der Betroffene durch die Nennung von Normen zusätzlich belastet sein soll. Im Übrigen obliegt die Ausgestaltung der Darstellung im Wesentlichen dem Antragsgegner (vgl. auch VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 21, juris).
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(5) Die geplante Veröffentlichung enthält auch den nach § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB erforderlichen Hinweis zur Mängelbeseitigung – die noch am 16.04.2019 stattgefunden hat.
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(6) Die Form der Veröffentlichung mittels eines PDF-Dokuments begründet keine Bedenken. Die Antragstellerin bemängelt zwar, dass diese Form einer zeitlich unbeschränkten Veröffentlichung gleichkäme, da selbst bei Löschung der fraglichen Informationen durch die zuständige Behörde diese Information regelmäßig weiterhin verfügbar sei, sei es im sogenannten „Cache“ der Suchmaschinen, sei es, dass Dritte die Veröffentlichung auf anderen Servern speichern.
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Auch wenn diese Einwände zutreffen mögen, lässt sich in solchen Fällen aus der äußeren Gestaltung der andauernden Veröffentlichung durch Dritte ersehen, dass es sich nicht mehr um eine aktuelle und offizielle Information durch die Behörde handelt. Insbesondere wenn die betreffende PDF-Datei auf Drittseiten zum Download angeboten wird, ist es einem verständigen Nutzer spätestens unter Beachtung der Adresszeile ersichtlich, dass es sich nicht mehr um eine offizielle Veröffentlichung handelt. Bei den aktuell online veröffentlichten Informationen ist überdies jeweils das Datum der Veröffentlichung genannt, weshalb einem Leser die Aktualität stets ersichtlich ist. Eine Zusammenstellung früherer Bekanntmachungen durch Dritte wäre im Übrigen auch im Fall einer gedruckten Veröffentlichung nicht auszuschließen und unterliegt eigenen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Im Gegensatz zu einer Printveröffentlichung besteht sogar der Vorteil, dass der Inhalt der Veröffentlichung auf der Internetseite der veröffentlichenden Behörde nachträglich mit Hinweisen versehen, gelöscht oder auf sonstige Weise modifiziert werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 – 1 BvF 1/13 –, BVerfGE 148, 40-64, Rn. 59). Überdies hat eine PDF-Datei gegenüber beispielsweise einer Word-Datei den Vorteil, dass sie durch Dritte nicht einfach verändert werden kann und sie damit Gewähr bietet für die Richtigkeit der in ihr enthaltenen Daten, insbesondere in Bezug auf das Veröffentlichungsdatum.
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dd) Nach vorläufiger Einschätzung liegt auch ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht vor, dass durch die Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen worden ist.
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Für die Frage, ob ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht besteht, genügen ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht oder theoretische Überlegungen der Behörde nicht. Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 44). Damit bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Verstoß auch tatsächlich gegeben ist. § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB verlangt, dass sich der begründete Verdacht auf Verstöße gegen Vorschriften bezieht, die dem Schutz vor Gesundheitsgefährdungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. Dabei sind unter anderem Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 erfasst (vgl. Boch, LFGB, 7. Online-Auflage 2018, § 40 Rn. 45), vgl. auch §§ 60 Abs. 1 Nr. 1; 59 Abs. 2 Nr. 1a LFGB.
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Vorliegend kann der Sachverhalt bezüglich der vorgeworfenen Verstöße als ausreichend aufgeklärt erachtet werden. Der Antragsgegner führt die festgestellten Verstöße in seiner Dokumentation klar nachvollziehbar auf. Er hat Lichtbilder von den beanstandeten Lebensmitteln angefertigt, auf welchen die Beanstandungen deutlich erkennbar sind. Im Übrigen wird der diesbezügliche Vortrag von der Antragstellerin auch nicht bestritten.
41 
Damit liegt ein hinreichend begründeter Verdacht hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 und § 3 LMHV vor.
42 
Nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 dürfen Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in den Verkehr gebracht werden (Abs. 1), wobei sie als nicht sicher gelten, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich (Abs. 2 lit. a) oder für den Verzehr durch Menschen ungeeignet (Abs. 2 lit. b) sind. Dabei ist zu beachten, dass sich die beiden Varianten nicht ausschließen. Geht von einem nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmittel (Abs. 2 lit. b) eine Gesundheitsgefahr aus, so greift auch Art. 14 Abs. 2 lit. a VO (EG) Nr. 178/2002 (Meyer in Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, Art. 14 Rn. 42).
43 
Gemäß Art. 14 Abs. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 sind bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist oder nicht, die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher und auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen zu berücksichtigen (lit. a).
44 
Nach Art. 14 Abs. 5 VO (EG) Nr. 178/2002 ist bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht – möglicherweise ein Redaktionsversehen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 27, juris) – für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist.
45 
Die vom Antragsgegner gefertigten Lichtbilder zeigen Obst und Gemüse, welches derart von Fäulnis und Schimmel befallen ist, dass zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass es für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel ist. Mithin ist von einem hinreichenden Verdacht dahingehend auszugehen, dass die genannten Produkte durch Fäulnis und Verderb für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind (Art. 14 Abs. 2 lit. b VO (EG) Nr. 178/2002).
46 
Gemäß Art. 14 Abs. 4 VO (EG) Nr. 178/2002 sind bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, unter anderem die sofortigen und/oder kurzfristigen und/oder langfristigen Auswirkungen des Lebensmittels nicht nur auf die Gesundheit des Verbrauchers, sondern auch auf nachfolgende Generationen (lit. a) sowie die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen (lit. b) zu berücksichtigen. Die Eignung, die Gesundheit zu beschädigen, genügt. Eine tatsächliche Schädigung braucht nicht einzutreten. Die Eignung muss aber tatsächlich und konkret bestehen, d.h. der Stoff muss bestimmte feststellbare Eigenschaften aufweisen, so dass sich aus dem Verzehr des Endproduktes die Möglichkeit der Gesundheitsschädigung ergibt, keinesfalls aber notwendigerweise ergeben muss. Nur eine außer aller Erfahrung liegende, ganz entfernte Möglichkeit einer Schädigung hat außer Betracht zu bleiben (Meyer in Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, Art. 14, Rn. 23).
47 
Von Schimmel und Fäulnis befallenes Obst und Gemüse sind im Falle eines Verzehrs zweifellos gesundheitsschädlich (Art. 14 Abs. 2 lit. a VO (EG) Nr. 178/2002), da hiervon insbesondere kurzfristige pathologische Zustände wie Übelkeit oder Erbrechen ausgehen können. Da Schimmel und Schimmelsporen sich bereits in das Innere des Produktes ausgebreitet haben können, ohne dass es für Verbraucher sichtbar ist, ist dies auch dann der Fall, wenn die sichtbar von Schimmel befallenen Stellen abgeschnitten werden oder aus einem Netz mit befallenem Obst nur beispielsweise diejenigen Orangen gegessen werden, bei welchen nach optischer Prüfung kein Schimmelbefall vorliegt.
48 
Mithin gelten die betroffenen Lebensmittel als nicht sicher und dürfen damit nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 nicht in den Verkehr gebracht werden.
49 
Überdies liegen auch die Voraussetzungen der § 3 LMHV vor. Gemäß § 3 LMHV dürfen Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Wie sich aus den Lichtbildern des Antragsgegners ergibt, waren die betroffenen Produkte einer nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt, die sich daraus ergab, dass die Produkte über einen längeren Zeitraum ohne ausreichende Kontrollen zum Verkauf angeboten wurden und dabei von Schimmel und Fäulnis befallen wurden. Das Fehlen ausreichender Kontrollen stellt auch einen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, weshalb die notwendige Vorwerfbarkeit gegeben ist.
50 
ee) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelte es sich um einen wiederholten Verstoß. Die Ermächtigungsgrundlage gibt nicht an, in welchen Fällen ein wiederholter Verstoß anzunehmen ist, weshalb man dem Wortlaut nach davon ausgehen könnte, dass ein wiederholter Verstoß immer dann vorliegt, wenn es bereits zuvor einen erstmaligen Verstoß gab (vgl. Boch, LFGB, 7. Online-Auflage 2018, § 40, Rn. 45 „Wiederholt verstößt, wer mindestens zweimal gegen ein und dieselbe Vorschrift, aber auch, wer mindestens zweimal gegen unterschiedliche Vorschriften im Anwendungsbereich der Nr. 2 verstößt.“). Es kann offenbleiben, inwieweit der Tatbestand der Wiederholung eines Verstoßes einen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang erfordert. Denn entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind solche Zusammenhänge hier jedenfalls hinreichend gegeben.
51 
Laut Antragsgegner handelte es sich bei der nun stattgefundenen Kontrolle um die erste seit derjenigen, bei welcher der erste Verstoß festgestellt worden war. Es handelte sich also um die beiden aufeinanderfolgenden Kontrollen. Bei dem Kontrollintervall hielt sich der Antragsgegner seinen Angaben zufolge – die von der Antragstellerin nicht angegriffen werden – an die Risikobeurteilung nach der AVV Rahmen-Überwachung (AVV Rüb). Gemäß § 6 Abs. 2 S. 5 AVV Rüb sind in Abhängigkeit vom Ergebnis der risikoorientierten Beurteilung von Lebensmittelbetrieben Kontrollhäufigkeiten von höchstens täglich bis in der Regel mindestens alle drei Jahre einzuhalten. Zwar liegt dem Gericht die Risikobeurteilung der betreffenden Filiale der Antragstellerin nicht vor. Da jedoch keine entgegenstehenden Anhaltspunkte gegeben sind und auch die Antragstellerin diesbezüglich nichts vorträgt, ist davon auszugehen, dass das Kontrollintervall angemessen angesetzt wurde.
52 
Danach gab es zwischenzeitlich keine Veranlassung für weitere Kontrollen. Würde man eine Zeitspanne zwischen zwei üblichen Kontrollterminen als zu lang ansehen, um eine Wiederholung im Sinne des § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB zu begründen, so liefe die Norm faktisch in diesen Fällen immer leer. Darum ist davon auszugehen, dass jedenfalls immer dann ein wiederholter Verstoß vorliegt, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Kontrollen Verstöße festgestellt worden sind und sich die Prüfbehörde an die üblichen Prüfintervalle gehalten hat. Unerheblich ist auch, dass es sich um zwei unterschiedliche sanktionierte Personen handelt, da es sich um dieselbe Filiale der Antragstellerin handelte und der Bußgeldbescheid nach summarischer Prüfung der vorliegenden Unterlagen ebenso gegen die Antragstellerin als rechtsfähige Personengesellschaft hätte ergehen können (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG). Andernfalls könnte der reine Austausch der Leitungsperson eine rechtsfähige Personengesellschaft davor schützen, einen wiederholten Verstoß zu begehen.
53 
In § 40 Abs. 1 a Satz 1 LFGB wird für die Wiederholung zudem auf das Unternehmen und nicht auf die einzelne Filiale abgestellt. Da hier jedoch bereits eine Wiederholung in einer einzelnen Filiale vorliegt, kann offenbleiben, ob auch Wiederholungen in verschiedenen Filialen gezählt werden können.
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ff) Obwohl es hierauf aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen wiederholten Verstoß handelt, nicht mehr ankommt, ist auch nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung davon auszugehen, dass es sich nicht um einen Verstoß nur unerheblichen Ausmaßes handelte. Dabei können im Rahmen der Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs „in nicht nur unerheblichem Ausmaß“, der einer vollen gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um die für die betroffenen Unternehmen mit einer Veröffentlichung verbundenen potentiell gravierenden Folgen zu rechtfertigen. Ein solches Ausmaß könnte etwa anzunehmen sein, wenn es sich um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher handelt oder wenn eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2018 – 1 BvF 1/13 –, juris Rn. 54). In quantitativer Hinsicht kann bei der Bestimmung, ob ein Verstoß als erheblich zu bewerten ist, zwar nicht auf die Häufigkeit abgestellt werden, da es sich bei Wiederholungen um eine eigenständige Tatbestandsalternative handelt. Jedoch kann im Rahmen einer Quantitätsbemessung neben der Anzahl der betroffenen Verbraucher auch auf die Dauer der Verstöße abgestellt werden. Weiterhin kann der räumliche Umfang der Verstöße Berücksichtigung finden. In qualitativer Hinsicht ist vor allem auf den Unrechtsgehalt abzustellen: Dabei dürfte neben den besonders nachteiligen Folgen vor allem die Schwere des Verstoßes im Einzelfall ausgehend von möglichen Gesundheitsgefahren maßgeblich sein (VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 34, juris).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe spricht für die Erheblichkeit der vorgeworfenen Verstöße, dass die Filiale der Antragstellerin täglich von sehr vielen Verbrauchern aufgesucht wird. Weiter geht der Antragsgegner in seinem Schreiben vom 09.07.2019 davon aus, dass die verdorbenen Lebensmittel nicht erst am Kontrolltag, sondern bereits Tage zuvor in einem bereits nicht verzehrfertigen Zustand in der Auslage zum Verkauf bereitgehalten worden seien. Der Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln ist mit hohen gesundheitlichen Risiken für den Verbraucher verbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass bei von Schimmel befallenem Obst und Gemüse für den Verbraucher nicht unbedingt ersichtlich ist, welcher Teil des Produktes noch genießbar ist. Zudem handelte es sich schon quantitativ um eine große Menge, da fast 38 kg Obst und Gemüse betroffen waren.
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Unerheblich ist insofern, dass die Verstöße angeblich darauf beruhten, dass die Antragstellerin durch die kurzfristige Erkrankung der Marktleiterin am 16.04.2019 einen Personalengpass hatte. Die Antragstellerin hat die Überprüfung ihrer zum Verkauf stehenden Produkte durchgehend zu gewährleisten und nötigenfalls für angemessene Vertretungsregelungen zu sorgen.
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gg) Auch ist die nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB weiter geforderte Erheblichkeitsschwelle, wonach für den Verstoß eine Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro zu erwarten sein muss, mit der für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB erforderlichen Sicherheit erreicht. Denn es kann eine ausreichend sichere Prognose getroffen werden, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro zu erwarten steht. Da in dem Zeitpunkt, in dem die Information der Öffentlichkeit veranlasst ist, ein Bußgeld oftmals noch nicht verhängt worden ist, stellt § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB auf die Höhe des Bußgeldes ab, die zu erwarten ist. Bei der Bemessung des Bußgeldes steht der Behörde ein Ermessen zu, dessen Ausübung jedoch gerichtlich nachprüfbar ist. Die Schwelle der zu erwartenden Bußgeldhöhe von mindestens 350,- EUR ist dabei verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt und zusammen mit dem kumulativ geforderten Verstoß von nicht nur unerheblichem Ausmaß geeignet, um Bagatellfälle im Sinne einer verfassungskonformen Anwendung der Norm mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuverlässig ausschließen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 30, juris).
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Für die Prognose ist ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit anzusetzen. Dabei ist jeder Verstoß für sich daraufhin zu würdigen, ob ein Bußgeld von mindestens 350,00 Euro zu erwarten steht und ob dieser folglich veröffentlichungsfähig ist. Andernfalls könnten auch geringfügigere Verstöße zur Veröffentlichung gelangen, was der gebotenen zurückhaltenden Anwendung der Norm widerspräche (VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 37, juris).
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In Ermangelung eines einschlägigen Bußgeldkataloges (vgl. zu den Forderungen des Bundesrats für eine Vollzugsvereinheitlichung BR-Drs. 789/12; 151/13; 369/18; 124/19) hängt die Höhe der Geldbuße neben den festgestellten Mängeln, die den objektiven Tatbestand erfüllen, von subjektiven Merkmalen wie Vorsatz, Häufigkeit der Verstöße, Erstmaligkeit der Verstöße, Einsichtsfähigkeit und weiteren Kriterien ab. Zwischen den einzelnen Behörden dürften erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Festsetzung eines Bußgelds bestehen (VG München, Beschl. v. 03.12.2012 - M 18 E 12.5736 -, juris Rn. 46). Als Anhaltspunkte für seine Prognoseentscheidung können dem Gericht entsprechende Ausführungen des Antragsgegners, wie im konkreten Fall verfahren werden soll, ein – auch noch nicht rechtskräftiger – Bußgeldbescheid oder eine entsprechende Verwaltungspraxis dienen. Hingegen liefe die weitere Erheblichkeitsschwelle, die mit der Bußgeldsumme eingeführt wurde, weitestgehend leer, wenn alleine auf den Bußgeldrahmen abzustellen wäre, weil die Obergrenzen der meisten Bußgeldtatbestände im Lebensmittelrecht deutlich über 350,00 EUR hinausgehen (VG Freiburg, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 K 168/19 –, Rn. 38, juris).
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Der Antragsgegner hat seine Annahme, dass ein entsprechendes Bußgeld zu erwarten ist, damit begründet, dass bereits der Verstoß vom 13.06.2017 zu einem Bußgeld in Höhe von 250,00 Euro geführt habe. Sowohl der „enorme Umfang der am 16.04.2019 festgestellten Lebensmittel sowie auch die Dauer des Verstoßes“ lasse in hiesigem Fall ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350,00 Euro erwarten. Zudem liege das subjektive Merkmal der Wiederholung vor.
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Er hat zur Begründung seiner Antragserwiderung auch auf ein vergleichbares Ordnungswidrigkeitsverfahren verwiesen, bei dem ein Bußgeld in Höhe von 1000,00 EUR gegen einen anderen Lebensmittelmarkt vorgeschlagen wurde, bei welchem mehr als 50 kg an nicht sicheren Lebensmitteln in Form von verdorbenem Obst und Gemüse aufgefunden wurde. Überdies wurde der „Bußgeldrahmen zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Lebensmittelüberwachung, Stand 2016 der Stabstelle Ernährungssicherheit, Regierungspräsidium Tübingen“ vorgelegt. In diesem werden für das „Inverkehrbringen von nicht mehr zum Verkehr geeigneten Lebensmitteln“ Rahmenempfehlungen, gestaffelt in 7 Schweregraden, von 200,00 EUR bis 5000,00 EUR vorgeschlagen. Hierbei wird nur für Verstöße, die „sehr gering“ sind, ein Betrag von unter 1000,00 EUR vorgeschlagen. Zwar bezieht sich der Antragsgegner hier mit § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB auf einen anderen Ordnungswidrigkeitstatbestand, jedoch handelt es sich auch hier um Rahmenempfehlungen für das Inverkehrbringen von nicht mehr zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln, weshalb der Bußgeldrahmen zumindest als Indiz herangezogen werden kann. Zwar wurde im Zusammenhang mit den Beanstandungen im Jahr 2017 lediglich ein Bußgeld in Höhe von 250,00 EUR verhängt und aufgrund der Personenverschiedenheit dürfte der aktuelle Bußgeldbescheid wohl auch nicht mit der Begründung höher angesetzt werden, dass eine wiederholte Ordnungswidrigkeit vorliegt. Aufgrund der oben dargelegten Umstände ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sich der aktuelle Bußgeldbescheid an den 250,00 EUR zu orientieren hätte. Eher ist davon auszugehen, dass sich die Verwaltungspraxis in den letzten zwei Jahren hinsichtlich der Bemessung von Bußgeldern geändert hat oder aber die Bußgeldhöhe im Jahr 2017 zu niedrig angesetzt wurde.
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Damit steht bereits zur Überzeugung der Kammer fest, dass ein Bußgeld von über 350,00 EUR zu erwarten war. Zum einen dürfte das Inverkehrbringen von nicht mehr zum Verkehr geeigneten Lebensmitteln im vorliegenden Fall schon aufgrund der vorliegenden Menge an betroffenen Lebensmitteln nicht mehr als „sehr gering“ einzuschätzen sein. Zudem lässt sich von dem Vorschlag bezüglich des anderen Lebensmittelmarktes ableiten, dass zwar kein Betrag von 1000,00 EUR, aber wohl jedenfalls ein Betrag von über 350,00 EUR zu erwarten ist, da es sich beim vorliegenden Fall lediglich um 12 kg weniger an verdorbenen Lebensmitteln gehandelt hat.
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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Kumulierung von gegen verschiedene Personen gerichteten Bußgeldbescheiden nicht zulässig ist (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 34, juris). Daher hätte eine Kumulierung der Bußgeldbescheide gegen die beiden Mitarbeiterinnen aus den beiden Kontrollen nicht erfolgen dürfen, was hier aber auch nicht geschehen ist.
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Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob im Rahmen der Bußgeldprognose nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB die Addition einzelner, für sich genommen jeweils unter dem Betrag von 350,- EUR verbleibender Bußgelderwartungen bezogen auf einen einzelnen Beschuldigten jedenfalls bei Vorliegen von Tateinheit im Sinne des § 19 OwiG zulässig ist (offengelassen auch vom VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2019 – 9 S 584/19 –, Rn. 33, juris). Auch wenn vorliegend verschiedenes Obst und Gemüse betroffen ist, ändert dies nichts daran, dass ein einheitlicher Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 vorliegt, der eine einzelne Bußgelderwartung begründet. Es kann keinen Unterschied machen, ob in einer Obst- und Gemüseabteilung von einer fehlenden Kontrolle mehrere Netze Orangen oder ein Netz Orangen und eine Tüte Paprika betroffen sind. Die Tatsache, dass die Produkte räumlich und zeitlich zusammenhängend in einer Obst- und Gemüseabteilung zum Verkauf angeboten wurden, führt dazu, dass ein einheitlicher Verstoß im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. Zipfel/Rathke LebensmittelR, LFGB vor § 58 Rn. 236) gegen die genannte Bußgeldvorschrift vorliegt. Es bedarf also schon keiner Addition verschiedener Bußgelderwartungen. Aus diesem Grund dürfte der Antragsgegner auch die ebenfalls aufgefundene verschmutzte Gebäckzange aus der geplanten Veröffentlichung ausgenommen haben, da bei dieser zumindest der räumliche Bezug fehlen dürfte und nicht ersichtlich ist, dass dieser Verstoß für sich alleine genommen die Schwelle der 350,00 EUR erreichen würde.
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Überdies hat das Landratsamt am 08.08.2019 tatsächlich einen Bußgeldbescheid in Höhe von 400,00 EUR erlassen und somit die zum Zeitpunkt der Anhörung gegebene Erwartung bestätigt. Unter Anwendung der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung sind dem Gericht auch keine Fehler in dem Bußgeldbescheid erkennbar. Zwar ist der Bußgeldbescheid noch nicht rechtskräftig, hierauf kommt es im vorliegenden Verfahren allerdings nicht an.
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gg) Es ist dabei unerheblich, dass der Bußgeldbescheid nicht gegen die Antragstellerin, sondern gegen eine Mitarbeiterin erlassen wurde. Maßgeblich ist, dass der Betroffene des Bußgeldverfahrens aus der Sphäre des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens stammt, dem der veröffentlichungswürdige Sachverhalt zugerechnet wird. Vorliegend wird das Verhalten der Mitarbeiterin der Antragstellerin zugerechnet. Eine andere Ansicht würde dem Zweck des § 40 Abs. 1a LFGB widersprechen, der gerade darauf abzielt, den Verbraucher über ein Lebensmittelunternehmen zu informieren und nicht hinsichtlich des Verhaltens von einzelnen Mitarbeitern. Überdies hätte ein Bußgeldbescheid nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG ebenso gegen die Antragstellerin selbst ergehen können, da die betroffene Mitarbeiterin als Vertreterin der Marktleiterin, welche jedenfalls eine sonstige Person ist, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört, handelte.
67 
Insgesamt sind somit die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB gegeben.
III.
68 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
69 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 ist der Auffangwert anzusetzen, da – zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes – nicht abgeschätzt werden kann, wie hoch die erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen einer Veröffentlichung ausfallen würden. Von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren ist abzusehen, weil aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache die Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem Hauptsacheverfahren entspricht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, juris Rn. 36).

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