Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 3733/19

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 13,06 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am 10.09.2019 beim Verwaltungsgericht eingegangene Antrag mit dem Begehren (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO), die aufschiebende Wirkung der Klage - 4 K 2616/19 - anzuordnen, ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthaft und (wohl) auch im Übrigen zulässig.
Gegenstand des Antrags – wie der Klage selbst auch – ist dabei nicht die im Widerspruchsbescheid enthaltene Gebührenfestsetzung, da der Antragsteller insoweit keine eigenständigen Einwände erhoben hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1982 - 8 C 50.80 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.07.1996 - 8 S 1127/96 -, juris; Bayer. VGH, Beschl. v. 27.07.2007 - 21 ZB 07.1725 -, juris Rn. 4; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 79 Rn. 7), sondern allein die Sachentscheidung, hier die im Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 17.10.2018 festgesetzte Abfallgebühr. Auch nach § 24 Satz 2 LGebG (vgl. § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 VwKostG) besteht kein automatischer „Anfechtungsverbund“ zwischen der ursprünglichen Sachentscheidung und einer später erhobenen Widerspruchsgebühr. Ein solcher kommt nur für die im Ausgangsbescheid getroffenen Sachentscheidung und einer unmittelbar daraus resultierenden Gebühr in Betracht. Der Widerspruchsbescheid hingegen beinhaltet regelmäßig schon gar nicht die angefochtene „Sachentscheidung“, wie sich aus der insoweit maßgeblichen Regelungssystematik des § 79 VwGO ergibt. Vielmehr obliegt es damit dem Rechtsschutzsuchenden, sein Begehren klarer zu fassen (vgl. § 88 VwGO) und die Widerspruchsgebühr gesondert anzugreifen. Soweit mit § 24 Satz 2 LGebG eine (vorzeitige) Bestandskraft einer ursprünglichen Gebührenentscheidung verhindert werden soll (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der Verwaltung in Baden-Württemberg, 42. EGL 2019, § 24 LGebG, Rn. 9), ergibt sich daraus für die Widerspruchsgebühr nichts anderes. Denn die Kostenentscheidung des Widerspruchsverfahrens würde im Falle eines Obsiegens des Antragstellers ohnehin ersetzt werden und die angefallenen Gebühren gehörten zu seinen erstattungsfähigen notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO (BVerwG, Urt. v. 29.06.2006 - 7 C 14.05 -, juris Rn. 13 f.). Vielmehr spricht aus Sicht des Antragstellers für vorliegendes Ergebnis, dass andernfalls die Widerspruchsgebühr immer streitwerterhöhend berücksichtigt werden müsste, obwohl er insoweit keine Einwendungen geltend macht (zum Ganzen Gassner, VBlBW 2012, 405, 409 f.; Emrich, NVwZ, 2000, 163, 164; a.A., aber ohne nähere Begründung etwa, VG Stuttgart, Urt. v. 21.07.2015 - 5 K 5066/14 -, juris Rn. 72; VG Freiburg, Beschl. v. 08.08.2008 - 1 K 1161/08 -, juris Rn. 19).
Damit bestehen jedoch Zweifel, ob dem Antrag § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO entgegenstehen könnte, da der Antragsteller vor Einreichung seines Antrags bei Gericht kein behördliches Vorverfahren durchgeführt hatte und ihm wohl nur hinsichtlich der Widerspruchsgebühren die Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO drohte, wie sich aus dem Schreiben „Eröffnung der Zwangsvollstreckung“ der Stadtkasse vom 04.09.2019 ergibt. Allerdings erscheint es jedenfalls möglich, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nach Antragseinreichung, nämlich mit dem Vollstreckungsversuch des Gerichtsvollziehers am 18.11.2019, eingetreten sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1992 - 2 S 3215/914 -, juris Rn. 4). Insoweit ist nicht klar, welche Forderung(en) dieser vollstrecken wollte, sodass der Antragsteller möglicherweise von konkreten Vollstreckungshandlungen auch hinsichtlich der Gebührenforderungen ausgehen konnte (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.02.2011 - 2 S 107/11 -, juris Rn. 5).
II.
Der Antrag ist jedenfalls aber unbegründet.
In Abgaben- und Gebührenangelegenheiten kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer nachfolgenden Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies folgt aus der eindeutigen Wertung des Gesetzgebers, der mit dem in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geregelten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben zum Ausdruck gebracht hat, dass eine solche Abgabe im Zweifel zunächst zu erbringen ist, und dass das Risiko, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen, regelmäßig den Zahlungspflichtigen trifft. Dementsprechend ist ein Aussetzungsantrag, wie sich § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO entnehmen lässt, nur dann erfolgreich, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlichen Zweifeln begegnet oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Beide Voraussetzungen sind hier (offensichtlich) nicht erfüllt, wie sich aus Folgendem ergibt:
1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides der Antragsgegnerin vom 17.10.2018 bzw. deren Widerspruchsbescheid vom 06.06.2019 bestehen nicht.
Der Gebührenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in §§ 2, 13, 18 KAG i.V.m. der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen in der Stadt .... (im Folgenden AbfWS) vom 15.10.2013 in eben dieser im maßgeblichen Veranlagungszeitraum 2014 gültigen Fassung (abrufbar unter: ...).
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzungsregelungen hat der Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht. Solche Zweifel sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Dies betrifft insbesondere § 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 AbfWS, wonach mehrere Gebührenschuldner – wie hier die Mieterin und der Antragsteller als Grundstückseigentümer – gesamtschuldnerisch haften, wobei vorrangig die zur Nutzung der Wohnung berechtigte oder tatsächlich nutzende Personen herangezogen werden sollen. Eine solche Regelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar, da auch den Grundstücks- bzw. Wohnungseigentümer als mittelbaren Verursacher eine Verantwortlichkeit für den auf seinem Grundstück oder in seiner Wohnung befindlichen Abfall trifft. Dies stellt die (zumutbare) Kehrseite der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks dar (vgl. dazu insgesamt, BVerwG, Urt. v. 19.01.1989 - 7 C 82.87 -, juris Rn. 8, m.w.N.; Beschl. v. 13.08.1996 - 8 B 23.96 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 07.12.2012 - 9 BN 3.12 -, juris Rn. 6; VG Neustadt, Urt. v. 25.02.2016 - 4 K 810/15.NW -, juris Rn. 20, m.w.N.).
10 
Der Bescheid entspricht auch den Regelungen der Satzung. Im allein noch maßgeblichen Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 sind in der betreffenden Anliegerwohnung in der ... Straße ..., ... ..., Abfallgebühren für einen Ein- bzw. Zwei-Personen-Haushalt in Höhe von 52,26 EUR entstanden, § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a bzw. b AbfWS. Der Antragsteller macht nicht geltend, dass die Antragsgegnerin von falschen Gebührensätzen ausgegangen wäre oder diese falsch berechnet hätte. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
11 
Der Antragsteller ist als Grundstückseigentümer nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AbfWS auch Gebührenschuldner der Abfallgebühren. Denn er haftet nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AbfWS gesamtschuldnerisch mit der tatsächlich nutzenden Person der Wohnung, der Mieterin. Das bedeutet, dass jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung schuldet bis diese vollständig erbracht ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b KAG, § 44 Abs. 1 AO). Zwar sollen nach § 26 Abs. 2 Satz 2 AbfWS vorrangig die zur Nutzung der Wohnung berechtigten oder tatsächlich nutzenden Personen als Gebührenschuldner herangezogen werden. Dem ist die Antragsgegnerin nach der Aktenlage jedoch nachgekommen, indem sie zunächst versucht hatte, die Abfallgebühren von der regelmäßig vorrangig verpflichteten Mieterin beizutreiben, was (wohl) wegen Mittellosigkeit jedoch erfolglos blieb (vgl. VAS 1 ff.). Es dient gerade dem Zweck der Vorschrift in einem solchen Fall nachrangig den Eigentümer heranzuziehen, sodass die Kosten nicht der Allgemeinheit zur Last fallen.
12 
Verjährt sind die Abfallgebühren nicht. Ihre Festsetzung erfolgte vor Ablauf der am 31.12.2014 beginnenden vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c) KAG i.V.m. § 169, § 170 Abs. 1 AO.
13 
2. Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass die Vollziehung des Abfallgebührenbescheids für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog darstellen könnte. Denn insoweit hat er nichts vorgetragen.
III.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (52,26 EUR [Abfallgebühren] / 4 = 13,06 EUR).

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