Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 3 K 477/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in den Dienstgebäuden ausgenommen zu sein.
Die seit 1994 im Beamtenverhältnis stehende Antragstellerin wurde zum 01.12.2020 als Beamtin des mittleren Dienstes vom Finanzamt x, x, zum Finanzamt x, x, versetzt. Vom 04.12.2020 bis zum 30.12.2020 war sie krankgeschrieben. Am 04.01.2021 nahm sie ihren Dienst wieder auf. Am 07.01.2021 legte sie eine ärztliche Bescheinigung ihres behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin vom 07.12.2020 vor, wonach sie aufgrund ihrer chronischen Vorerkrankung von der Maskenpflicht zu befreien sei.
Mit Schreiben vom 11.01.2021 teilte ihr der Vorsteher des Finanzamts x mit, dass die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen habe, an die erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Sie müsse nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthalten, damit der Dienstherr in die Lage versetzt werde, die Tatbestandsvoraussetzungen selbständig prüfen zu können. Er erteilte der Antragstellerin die dienstliche Weisung, bis zur Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung innerhalb des Dienstgebäudes des Finanzamts x-Stadt eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Der behandelnde Arzt wies am 12.01.2021 den Vorwurf der Ausstellung eines Gefälligkeitsattestes zurück und erklärte, die Offenbarung einer Diagnose sei unzulässig. Vom 12.01.2021 bis zum 14.01.2021 war die Antragstellerin krankgemeldet, am 15.01.2021, einem Freitag, hatte sie einen Tag Urlaub.
Am 18.01.2021, einem Montag, legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die dienstliche Weisung ein. Seit dem 19.01.2021 war die Antragstellerin krank, wobei sie für den Zeitraum vom 21.01.2021 bis zum 12.03.2021 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Hausarztes vorlegte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2021 änderte der Vorsteher des Finanzamts x die Weisung vom 11.01.2021 dahingehend ab, dass eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung außerhalb des persönlichen Büros in allen Bereichen der Dienstgebäude bestehe und diese Verpflichtung auch dann gelte, wenn ein Abstandhalten von 1,5 Metern zu anderen Menschen nicht möglich sei. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die Regelungen im Intranet veröffentlicht seien und die Antragstellerin anlässlich ihrer Vereidigung am 01.12.2020 auf die geltenden Hygieneregelungen hingewiesen und um strikte Einhaltung gebeten worden sei. An die Glaubhaftmachung von Gründen zur Befreiung von der Maskenpflicht seien andere Anforderungen zu stellen, als an ärztliche Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit. Die erforderlichen Angaben seien durch die Rechtsprechung entwickelt und bestätigt worden. Danach seien pauschale Bescheinigungen nicht hinreichend aussagekräftig. Es sei konkret zu benennen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Maskenpflicht alsbald zu erwarten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Soweit relevante Vorerkrankungen vorlägen, seien diese konkret zu benennen. Darüber hinaus müsse im Regelfall erkennbar sein, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Einschätzung gelangt sei. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, in welchen Situationen und für welche Dauer eine Maskenpflicht jeweils greife. Die vorgelegten Bescheinigungen vom 07.12.2020 und 12.01.2021 genügten diesen Anforderungen nicht.
Am 23.02.2021 hat die Antragstellerin Klage (3 K 476/21) gegen die Weisung vom 11.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2021 erhoben und den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie macht im Wesentlichen geltend: Ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch seien gegeben. Müsste sie der Weisung folgen, wäre sie evident in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und der ihr zustehende Gesundheitsdatenschutz i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO wäre beeinträchtigt. Es existierten mit Recht keine beamtenrechtlichen Normen und Verpflichtungen, dass ein Bediensteter verpflichtet sei, ärztliche Diagnosen als Grund für eine Fehlzeit oder anderen Glaubhaftmachungen vorlegen zu müssen. Auf den stattgebenden Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 04.01.2021 (Az. 11 S 132/20) werde verwiesen. Es sei auch trotz der speziellen beamtenrechtlichen Schutzvorschriften nicht auszuschließen, dass die Informationen über die Grundlage der Befreiung, die möglicherweise in sensiblen psychischen Erkrankungen liegen könne, negative dienstliche Auswirkungen haben könnten. Soweit andere Gerichte entschieden hätten, dass die Verwaltung aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden müsse, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen selbständig zu prüfen, überzeuge dies jedenfalls für Baden-Württemberg nicht. Denn hier sei dies nicht Aufgabe des Dienstvorgesetzten, sondern des Amtsarztes. Aus gutem Grund enthalte deshalb auch die Corona-Verordnung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 die Vorgabe, dass die Glaubhaftmachung der Gründe gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung „in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen hat“. Das bedeute, dass eine ärztliche Bescheinigung nach dem aktuell geltenden Landesrecht ausreichend sei, um eine Ausnahme von der Maskenpflicht glaubhaft zu machen. Im Beamtenverhältnis bestehe zudem die Möglichkeit, die anfänglich durch das Attest erfolgte Glaubhaftmachung der Gründe amtsärztlich untersuchen zu lassen. Insoweit werde auch auf Ziff. 41.1 der BeamtVwV verwiesen. Es sei mithin davon auszugehen, dass sie durch die vorliegenden Atteste glaubhaft gemacht habe, dass es ihr aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO BW nicht möglich bzw. zumutbar sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung dauerhaft zu tragen.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
anzuordnen, dass die Klägerin/Antragstellerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, u.a. zur Glaubhaftmachung der Tatsache i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO Baden-Württemberg, dass ihr das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die Befundtatsachen und eine Diagnose enthält.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er trägt ergänzend unter anderem vor: Die Antragstellerin habe eine Befreiung nicht glaubhaft gemacht. Anders als etwa bei einem Attest wegen Krankheit seien hier Grundrechtspositionen anderer Beschäftigter, namentlich das Recht auf Leben und Gesundheit betroffen. Deswegen trage der Dienstherr eine besondere Verantwortung. Der Infektionsschutz der übrigen Beschäftigten gehe insofern dem berechtigten Interesse der Antragstellerin am Schutz personenbezogener Daten vor. Im Übrigen seien die personenbezogenen Daten durch die Beachtung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften ausreichend geschützt. Die behauptete Besorgnis einer erheblichen, dienstrechtlichen Schlechterstellung sei weder dezidiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Die Entscheidung des Dienstvorgesetzten beruhe auf einer innerdienstlichen Weisung der Oberfinanzdirektion x. Sie entspreche einer durch die Rechtsprechung gestützte Verwaltungsauffassung.
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Dem Gericht liegen drei Bände Verwaltungsakten vor.
II.
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Der sinngemäße Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Vorlage der ärztlichen Bescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin vom 07.12.2020 und 12.01.2021 bis zur Entscheidung in der Hauptsache glaubhaft gemacht hat, aus gesundheitlichen Gründen generell keine Mund-Nasen-Bedeckung in den Dienstgebäuden des Finanzamts x tragen zu müssen, ist zulässig, aber unbegründet.
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Bei sachgerechter Auslegung des Antrags gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO begehrt die Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung, dass sie durch die Vorlage der ärztlichen Bescheinigungen vom 07.12.2020 und 12.01.2021 glaubhaft gemacht hat, dass sie in den Dienstgebäuden generell keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss. Soweit sie in ihrem wörtlichen Antrag darüber hinaus auch die aus ihrer Sicht unzulässigen Anforderungen an den Inhalt der Bescheinigungen aufgenommen hat, nimmt sie damit lediglich Bezug auf die vom Antragsgegner formulierten Anforderungen an die ärztliche Bescheinigung. Ein diesbezügliches schutzwürdiges Feststellungsinteresse der Antragstellerin, das über die Feststellung, die von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügten den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 der aktuellen Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 07.03.2021, hinausgeht, ist jedenfalls für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht gegeben. Der Antrag ist zudem nicht auf die Erteilung einer Befreiung gerichtet, da die Corona-Verordnung eine ausdrückliche Befreiungsentscheidung nicht vorsieht. Nach der Regelungssystematik besteht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 8 CoronaVO eine Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung in Arbeits- und Betriebsstätten sowie Einsatzorten. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO nicht für Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen hat.
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Der solchermaßen ausgelegte Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft und auch sonst zulässig, aber unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um u.a. wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen. Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen zwar nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Hierzu kann sich der Antragsteller grundsätzlich aller Beweismittel einschließlich der Versicherung an Eides Statt bedienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.10.1995 - 7 B 163.95 -, NJW 1996, 409). Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Welche Anforderungen an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt dabei maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteile und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Erstrebt der Antragsteller - wie hier - eine der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich widersprechende, teilweise oder gänzliche Vorwegnahme der Hauptsache, kann eine einstweilige Anordnung nur ausnahmsweise erlassen werden, wenn das mit der Hauptsache verfolgte Begehren mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit begründet ist und dem Antragsteller für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erginge, schwere, ihm unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstünden. Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (st. Rspr., vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 13.08.1999 - 2 VR 1.99 -, Leitsatz 1 und Rn. 24 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 18.03.2014 - 4 S 509/14 -, Rn. 2, vom 25.03.2014 - 1 S 169/14 -, Rn. 26, vom 05.02.2015 - 10 S 2471/14 -, vom 06.11.2017 - 4 S 2064/17 -, Rn. 28, vom 09.10.2018 - 4 S 1773/18 -, Rn. 6 und vom 06.02.2020 - 1 S 3300/19 -, Rn. 26 ff.; s.a. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.01.2021 - 2 B 11648/20 -, Rn. 5, jeweils juris und m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hier nicht vor, denn es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Der mit der Hauptsache verfolgte, im vorliegenden Verfahren vorläufig zu sichernde Anspruch ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet. Die Antragstellerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft gemacht, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in den Dienstgebäuden verpflichtet ist, soweit sie ihr Büro verlässt oder der Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann.
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Grundlage für die in der dienstlichen Weisung vom 11.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2021 konkretisierte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (sog. Maskenpflicht) im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit ist § 3 Abs. 1 Nr. 8 CoronaVO. Danach besteht eine Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung in Arbeits- und Betriebsstätten sowie Einsatzorten (vgl. zu den höheren Anforderungen an die Mund-Nasen-Bedeckung nunmehr die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 - Corona-ArbSchV -, insbesondere § 3 Abs. 1 Corona-ArbSchV).
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Diese Verpflichtung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie sich bei summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 8 CoronaVO angeordnete Maskenpflicht beruht auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage (§ 32 Satz 1 i.V.m. §§ 28, 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG) und ist angesichts der gegenwärtigen, weltweiten Pandemielage nicht erkennbar ermessenfehlerhaft und insbesondere auch unter Abwägung der widerstreitenden Interessen verhältnismäßig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 22.10.2020 - 1 S 3201/20 - und vom 08.02.2021 - 1 S 3952/20 -, zur Maskenpflicht im Schulunterricht gemäß § 6a Nr. 1 der Corona-Verordnung Schule in der damals geltenden Fassung; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.06.2020 - 1 S 1739/20 -, zur Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 CoronaVO a.F., die heute im Kern in § 3 Abs. 1 Nr. 1 CoronaVO enthalten ist; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2020 - 13 B 1368/20 -; Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 -, Rn. 15 m.w.N. und vom 07.09.2020 - 20 NE 20.1981 -; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 Bs 237/20 -, Rn. 34 ff.; jeweils juris). Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Regelung des § 3 Abs. 1 CoronaVO das Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen und damit den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen, indem Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst verhindert werden und die Ausbreitung des Virus zumindest verlangsamt wird. Zur Erreichung dieses Ziels ist das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel, in den in § 3 Abs. 1 Nr. 8 CoronaVO genannten Arbeitsbereichen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorzuschreiben, voraussichtlich geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies stellt auch die Antragstellerin nicht in Frage.
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Die Antragstellerin hat bislang auch nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, dass für sie die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO greift.
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Nach dieser Regelung gilt die Maskenpflicht nicht für Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen hat. Die Antragstellerin hat bislang nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen dieser Ausnahme vorliegen. Sie hat zwar geltend gemacht, ihr sei es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar, der Weisung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nachzukommen. Sie hat hierfür auch eine ärztliche Bescheinigung ihres behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin vom 07.12.2020 vorgelegt, wonach sie aufgrund ihrer chronischen Vorerkrankung von der Maskenpflicht zu befreien sei, sowie eine dies wiederholende „ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber“ vom 12.01.2021. Diese ärztlichen Bescheinigungen genügen jedoch im konkreten Fall auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände und des Vorbringens der Antragstellerin nicht den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO.
23 
Es ist zwar anders als der Antragsgegner meint, zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO nicht stets ein sog. qualifiziertes ärztliches Attest erforderlich, aus dem sich die Diagnose, die Befundtatsache und die konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ergeben (vgl. aber Tz. 45.2 FAQ der OFD). Damit überspannt der Antragsgegner die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO, ohne dass dies eine Stütze in der Norm selbst hat. Soweit solche Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen bzw. Atteste im Zusammenhang mit Ausnahme- oder Befreiungstatbeständen von der Maskenpflicht pauschal auch von anderen Gerichten angenommen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2020 - 13 B 1368/20 -, juris Rn. 11; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 -, juris Rn. 19; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 15.01.2021 - 1 Bs 237/20 -, juris Rn. 67; VG Köln, Beschluss vom 19.01.21 - 7 L 2007/20 -, juris Rn. 33; vgl. auch Eibenstein/Schlereth/Lang, Das ärztliche Attest in der COVID-19-Pandemie, COVuR 2021, 147 <151 f.> m.w.N.), folgt dem die Kammer für die Rechtslage in Baden-Württemberg nicht. Denn insoweit ist zunächst festzustellen, dass in § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO keine entsprechenden inhaltlichen Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung, insbesondere die Offenbarung besonders sensibler personenbezogener Gesundheitsdaten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.01.2021 - OVG 11 S 132/20 -, juris Rn. 25), normiert sind. Diese Norm verlangt zudem lediglich eine Glaubhaftmachung, nicht etwa einen Nachweis gesundheitlicher Gründe (vgl. zur insoweit abweichenden Landesregelung, wonach das Vorliegen medizinischer Gründe durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist: VG Köln, Beschluss vom 19.01.2021 - 7 L 2007/20 -, juris Rn. 29). Sie verlangt auch nicht zwingend die Vorlage eines ärztlichen Attestes, sondern nennt lediglich eine ärztliche Bescheinigung als Regelfall für die Glaubhaftmachung, dass dem Betroffenen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist demnach nur ein mögliches, wenn auch im Regelfall erforderliches Mittel der Glaubhaftmachung. Dieser kommt allerdings regelmäßig ein besonderer Stellenwert zu, der maßgeblich auf der Annahme beruht, dass dem ausstellenden Arzt neben seiner fachlichen Expertise eine herausragende Glaubwürdigkeit zukommt, was nicht zuletzt aus der Neutralität und Unabhängigkeit des Arztes und dessen beruflicher Distanz gerechtfertigt ist (vgl. Eibenstein/Schlereth/Lang, Das ärztliche Attest in der COVID-19-Pandemie, COVuR 2021, 147 <151> m.w.N.).
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Ein pauschales Vorgehen in der Weise, dass in jedem Fall eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung mit den besonders sensiblen personenbezogenen Gesundheitsdaten wie Diagnose und Befundtatsachen für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO gefordert wird, findet im geltenden Recht keine Stütze. Ein derartiges Vorgehen ist aller Voraussicht nach ohne gesetzliche Grundlage und jedenfalls in den Fällen, in denen kein Anlass zu Zweifel an der Richtigkeit einer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung besteht, auch unter Berücksichtigung der besonderen beamtenrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz (vgl. u.a. §§ 83 ff. LBG) und zur Verschwiegenheit (vgl. u.a. § 37 BeamtStG) und der aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutzpflicht für Gesundheit und Leben der Beschäftigten nicht angemessen, denn eine derart weitreichende Verpflichtung zur Offenbarung sensibler Gesundheitsdaten gegenüber der Dienststelle hat gegebenenfalls weit über das Ende der Pandemie hinausreichende Auswirkungen und bedarf daher einer konkreten Rechtfertigung. Auch auf der offiziellen Internetseite der Landesregierung zu Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus heißt es bei Fragen und Antworten zur Maskenpflicht: „Die ärztliche Bescheinigung muss den Namen, die Anschrift und die Fachrichtung des ausstellenden Arztes erkennen lassen und von diesem unterschrieben sein. Die Nennung konkreter medizinischer Befunde ist nicht erforderlich“ (https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/aktuelle-infos-zu-corona/faq-corona-verordnung/, zuletzt abgerufen am 09.03.2021). Dem steht nicht entgegen, dass in begründeten Fällen zur Glaubhaftmachung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO die Offenbarung auch sensibler Gesundheitsdaten erforderlich und angemessen sein oder der Dienstherr ausgestellte ärztliche Bescheinigungen vom Gesundheitsamt überprüfen lassen kann (vgl. § 14 ÖGDG; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.01.2021 - 2 B 11648/20 -, juris Rn. 14 dazu, dass die Behörde die Möglichkeit von Gefälligkeitsattesten in ihre Überlegungen einstellen kann).
25 
Die ärztliche Bescheinigung, die der Glaubhaftmachung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO dient, muss aber regelmäßig zumindest erkennen lassen, dass sie zur Vorlage an den Dienstherrn erstellt worden ist und dass die ärztliche Einschätzung unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsbedingungen einschließlich Art und Umfang der im konkreten Fall bestehenden oder angeordneten Maskenpflicht vorgenommen worden ist. Damit wird dem Dienstherrn auch ermöglicht, die Tragfähigkeit der ärztlichen Bescheinigung im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO nachzuvollziehen und auf dieser Grundlage das Vorliegen des Ausnahmetatbestands zu prüfen. Dieser differenzierte Ansatz trägt einerseits dem Schutz besonders sensibler personenbezogener Gesundheitsdaten, auch im Beamtenverhältnis, und andererseits den erheblichen öffentlichen Interessen an einer möglichst umfassenden Umsetzung der in § 3 Abs. 1 CoronaVO als Grundregel normierten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in den dort genannten Bereichen und der aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit und der im Beamtenverhältnis begründeten Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Beschäftigten Rechnung und bringt die jeweiligen Interessen auf Grundlage des geltenden Rechts in angemessenen Ausgleich.
26 
Diesen Anforderungen genügen die hier vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht. Soweit der Antragsgegner Zweifel an der Richtigkeit bzw. Tragfähigkeit der ärztlichen Bescheinigungen unter anderem damit begründet, dass die Antragstellerin bei der Vereidigung am 01.12.2020 keine Einwände gegen die Maskenpflicht im Dienstgebäude erhoben und sich erstmals am 07.01.2021 unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung vom 07.12.2020 auf die Ausnahme berufen habe, genügt dies aller Voraussicht nach nicht, um eine Offenbarung weiterer personenbezogener Gesundheitsdaten wie Diagnose und Befundtatsachen zur Glaubhaftmachung zu verlangen. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, dass die erste ärztliche Bescheinigung erst vom 07.12.2020 stammt, die Antragstellerin vom 04.12.2020 bis zum 30.12.2020 krankheitsbedingt nicht in den Dienstgebäuden war und ihren Dienst erst wieder am 04.01.2021 (einem Montag) aufgenommen hat. Dass sie erst drei Werktage später, nämlich am Donnerstag (07.01.2021), die ärztliche Bescheinigung vorgelegt und sich hierauf berufen hat, begründet voraussichtlich noch keine begründeten Zweifel an ihrem Vorbringen, ihr sei aus gesundheitlichen Gründen ein Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder nicht zumutbar. Die ärztliche Bescheinigung vom 07.12.2020 genügt aber voraussichtlich deshalb nicht den genannten Anforderungen an eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO, weil ihr nicht zu entnehmen ist, ob sie zur Vorlage an den Dienstherrn bezogen auf die Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 8 CoronaVO sowie unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsbedingungen, insbesondere Art und Umfang der vom Dienstherrn auferlegten Maskenpflicht, erstellt worden ist. Die ärztliche Bescheinigung vom 12.01.2021 ist, anders als die Bescheinigung vom 07.12.2020, zwar ausdrücklich „zur Vorlage beim Arbeitgeber“ erstellt worden. Allerdings lässt auch diese Bescheinigung nicht erkennen, ob und inwieweit der behandelnde Allgemeinmediziner die Arbeitsbedingungen einschließlich Art und Umfang der vom Dienstherrn konkretisierten Maskenpflicht bei seiner Einschätzung berücksichtigt hat. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der Bescheinigung die dienstliche Weisung vom 11.01.2021 noch eine umfassende Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung innerhalb des Dienstgebäudes vorsah und diese erst durch den Widerspruchsbescheid vom 21.01.2021 deutlich abgeschwächt wurde, indem die dienstliche Weisung dahingehend abgeändert wurde, dass eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nur noch für die Bereiche des Dienstgebäudes außerhalb des persönlichen Büros sowie dann besteht, wenn der Abstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht möglich ist (vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 3 CoronaVO). Dies konnte in den ärztlichen Bescheinigungen vom 07.12.2020 und vom 12.01.2021 noch nicht berücksichtigt werden. Eine aktuelle ärztliche Bescheinigung, die diesen Umstand bei der ärztlichen Einschätzung erkennbar berücksichtigt, liegt nicht vor. Auch sonst hat die Antragstellerin nichts weiter zur Glaubhaftmachung vorgetragen. Vor diesem Hintergrund fehlt es derzeit auch an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, der Antragstellerin drohten bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
28 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 VwGO. Für eine Halbierung des Streitwerts im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestand wegen der Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.

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