| Über die Klage entscheidet ein Einzelrichter; denn auf diesen hat die Kammer das Verfahren übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO). |
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| Die Klage ist als kombinierte Verpflichtungs- und Anfechtungsklage statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); insbesondere der Kläger nach wie vor keinen Anspruch (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau. |
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| Die dafür maßgeblichen Erwägungen ergeben sich aus den Beschlüssen der Kammer vom 21.12.2018 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.03.2019 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 K 6623/18 bzw. 12 S 251/19) sowie zur Versagung von Prozesskostenhilfe im vorliegenden Klageverfahren vom 19.12.2019 und vom 28.04.2021 (12 S 71/20). Darauf kann Bezug genommen werden. |
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| Seither haben sich - bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - die Umstände nicht wesentlich geändert. Nach wie vor besteht gegenüber dem Kläger aufgrund der gegen ihn ergangenen strafgerichtlichen Verurteilungen ein spezial- und auch ein generalpräventiv begründetes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und fehlt damit eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit der Folge, dass dem Kläger die begehrte Aufenthaltserlaubnis nur im Ermessenswege gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erteilt werden könnte; damit ist aber die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis wegen der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG ausgeschlossen. Darauf, ob dem Begehren des Klägers zusätzlich auch das Visumerfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegengehalten werden kann, kommt es nicht an. |
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| Soweit der Kläger einwendet, die Anwendung von § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG verletze ihn in seinen Grundrechten auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), trifft dies nicht zu. Denn die wegen § 10 Abs. 3 AufenthG zwingende Versagung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hindert gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Fünften Abschnitts des Aufenthaltsgesetzes; nach den dortigen Vorschriften, hier § 25 Abs. 5 AufenthG, könnte dem Kläger (im Ermessenswege) ungeachtet seines Asylverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn der grund- und menschenrechtliche Schutz seiner Ehe seiner (vorübergehenden) Ausreise und einer damit verbundenen Trennung der Eheleute entgegenstünde. |
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| Die Abschiebungsandrohung mit einer Frist zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebiets von 30 Tagen ab Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids entspricht den gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger ist zur Ausreise verpflichtet (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Seine Ausreisepflicht ist auch vollziehbar; denn er ist unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Bei Erlass der Abschiebungsandrohung zu beachtende Abschiebungsverbote (vgl. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG) lagen nicht vor. Die gesetzte Frist für eine freiwillige Ausreise von 30 Tagen ab Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entspricht § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Sie war auch nicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG unterbrochen; vielmehr hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe als für die Durchsetzung der Ausreisepflicht des Klägers zuständige Behörde (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AAZuVO) während des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes von einer Abschiebung lediglich vorläufig abgesehen. |
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| Diese Anwendung der Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. |
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| Insbesondere musste die Beklagte den Beginn der Frist für eine freiwillige Ausreise nicht von vornherein für den Fall eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutzschutzes auf den Zeitpunkt die Bekanntgabe einer Entscheidung im Eilverfahren verlegen. |
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| Insoweit gelten die Grundsätze der sogenannten Gnandi-Rechtsprechung nicht, wonach die in Art. 7 RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen darf, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, Rn. 37, im Anschluss an EuGH, Urt. v., 19.06.2018 - C-181/16 -, Rn. 62); denn diese Grundsätze knüpfen maßgeblich an das Bestehen eines - überdies asylrechtlich begründeten - Bleiberechts auch während der gerichtlichen Überprüfung an. Ein entsprechendes Bleiberecht hatte der Kläger aber nur bis zur Ablehnung seines Verlängerungsantrags, mit dem die durch ihn ausgelöste Fortgeltungsfiktion seiner Aufenthaltserlaubnis endete. |
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| Dass das Gebot eines wirksamen unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes (vgl. Art. 47 EuGrCh sowie Art. 13 der Rückführungsrichtlinie) insoweit auch dann ein Hinausschieben der Abschiebungsfrist erforderte, wenn nicht die Grundrechte aus Art. 18, 19 EuGrCh, sondern sonstige Unionsgrundrechte betroffen sind, wird bislang, soweit ersichtlich, nicht vertreten. Wäre dies anzunehmen, wäre weiter zu berücksichtigen, dass die genannten Vorschriften sich darauf beschränken, e i n e n wirksamen Rechtsbehelf zu garantieren, nicht aber einen Instanzenzug (vgl. EuGH a.a.O., Rn. 57, 58). Selbst wenn die Beklagte aber den Beginn der Ausreisefrist im Fall eines - innerhalb der Ausreisefrist von 30 Tagen - gestellten Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz auf den Tag der Bekanntgabe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung hätte bestimmen müssen und wenn daraus ein prozessualer Anspruch des Klägers auf (Teil-)Aufhebung der Abschiebungsandrohung folgte, könnte die Klage gegen die Abschiebungsandrohung keinen Erfolg haben; denn die Ausreisefrist war so oder so im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen. |
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| Zwar könnten im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Kläger Umstände (insbesondere die Geburt seines Kindes) vorliegen, die nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinn von Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) zu berücksichtigen sind. Für Belange des Kindeswohls soll das nicht nur bei einer Rückkehrentscheidung gegenüber dem Kind, sondern auch gegenüber einem Elternteil geltend (vgl. Art. 5 der Rückführungsrichtlinie und hierzu EuGH, Urt. v. 11.03.2021 -C-112/20 - und Urt. v. 14.01.2021 - C-441/19 -, jeweils juris und m.w.N). |
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| Daran könnte die gegenüber dem Kläger erlassene Abschiebungsandrohung gemäß § 59 AufenthG zu messen sein, denn sie wird bislang in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als eine solche Rückkehrentscheidung angesehen (BVerwG, Beschl. v. 09.05.2019 - 1 C 14.19 -, juris, Rn. 30). |
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| Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Verlagerung der Berücksichtigung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen, wozu das Kindeswohl gehört, jedenfalls bei der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung unter Würdigung der Rückkehrrichtlinie auch nicht zu beanstanden (BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 1.19 -, juris, Rn. 23, 24). |
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| Ob diese Rechtsprechung angesichts der oben genannten jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Bestand haben kann, ist für im Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohungen aber streitig (verneinend u.a. VG Karlsruhe, Beschl. v. 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 -; VG Sigmaringen, Beschl. v. 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 -; bejahend VG Potsdam, Beschl. v. 29.09.2021 - 6 L 411/21.A; VG Karlsruhe, Beschl. v. 19.04.2021 - A 4 K 6798/19 -; OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 23.04.2021 - 19 A 810/16.A). |
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| Soweit in Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz Abschiebungsandrohungen ergehen, stellt sich diese Frage zumindest in gleicher Weise. |
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| Folgte man also der Auffassung, dass jedenfalls Belange des Kindeswohls bei Erlass einer Rückkehrentscheidung immer zu berücksichtigen seien, oder der noch weitergehenden Auffassung, dass die Rückführungsrichtlinie eine Rückkehrentscheidung gebiete, welche sämtliche für eine Ausreiseverpflichtung und ihre Durchsetzung maßgeblichen Umstände nach Art einer Schlussentscheidung berücksichtigte, könnte dem das aufgezeigte Regelungssystem des Aufenthaltsgesetzes wohl nicht genügen; denn Duldungsgründe werden bei Erlass der Abschiebungsandrohung nicht berücksichtigt und die spätere Entscheidung über das Vorliegen von Duldungsgründen genügt im Allgemeinen nicht den Formerfordernissen des Art. 12 der Richtlinie. |
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| Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung der Vorschriften des Aufenthaltsrechts stieße an ihre Grenzen (vgl. zu diesen BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris, Rn. 43 ff.). |
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| Sollte der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nicht zu folgen sein, bleibt nur, dass die Abschiebungsandrohung, gleich ob sie im Asylverfahren oder im aufenthaltsrechtlichen Verfahren erlassen wird, nicht mehr als unionsrechtliche Rückkehrentscheidung, sondern, sofern über das jeweilige Verfahren hinausreichende Umstände vorliegen, welche bei einer Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen sind, als ein Zwischenschritt zur eigentlichen Rückkehrentscheidung hin verstanden wird mit der Folge, dass die für eine Durchsetzung der Ausreisepflicht zuständige Behörde in solchen Fällen vor einer Abschiebung eine, abschließende Entscheidung zu erlassen hätte, welche den formellen Anforderungen des Art. 12 der Rückkehrrichtlinie zu entsprechen hätte. Hiervon ausgehend ist die allein nach nationalem Recht zu beurteilende Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid der Beklagten unionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
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| Das Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nur für den Fall gilt, dass der Kläger nicht freiwillig ausreist und abgeschoben wird, beruht auf § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG; es ist jedoch rechtswidrig, weil die Beklagte bis zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, nicht ihrer Obliegenheit entsprochen hat, ihre Ermessensentscheidung (vgl. § 40 LVwVfG, § 114 VwGO) unter Kontrolle zu halten und dabei zu berücksichtigen, dass der Kläger Vater eines deutschen Kindes geworden ist. |
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