Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 12 L 400/19
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vom Antragsteller zu verlangen, auf der Grundlage der dienstlichen Weisung vom 13. Februar 2019 (Umsetzung) seine dienstliche Tätigkeit bei der U. -C. am Standort T. str.. 0, 00000 L. , aufzunehmen.Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der dem Beschlussausspruch entsprechende Antrag ist zulässig und begründet.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn diese Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gem. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass der Antragsteller einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung in Bezug auf diesen Anspruch zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
4Einschränkungen ergeben sich aus der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes. Das Gericht darf im Wege der einstweiligen Anordnung nicht schon das gewähren, was erst im Hauptsacheverfahren erreicht werden kann. Da § 123 Abs. 1 VwGO vorschreibt, dass das Gericht eine „einstweilige" Anordnung zur Regelung eines „vor-läufigen" Zustands treffen kann, verbietet sich regelmäßig eine Vorwegnahme der Hauptsache. Ausnahmsweise ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, eine Vorwegname der Hauptsache im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes aber zulässig, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbare und nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nach-teile zur Folge hätte und ein Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist.
5Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 9.12 –, juris, Rdnr. 22; OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2016 – 1 B 1194/16 –, juris, Rdnr. 9.
6An diesem Maßstab ist das Antragsbegehren zu messen. Mit der – wenn auch nur vorläufigen – Untersagung der dienstlichen Verwendung des Antragstellers bei der U. am Standort L. wird auch der in der Hauptsache verfolgte Anspruch zeitweise erfüllt. Die im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene vorläufige Regelung stellt sich aufgrund des weiteren Zeitablaufs sukzessive als endgültige Regelung dar.
7Der Antragsteller hat auch in Würdigung der vorstehenden Maßgaben einen ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungs-anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
8I. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.Es erscheint als überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller sich mit seinem Rechtsmittel in der Hauptsache durchsetzen wird, denn seine Umsetzung zur U. am Standort L. erweist sich aus zwei – die Entscheidung jeweils selbständig tragenden – Gründen als rechtswidrig.
91. Die beabsichtigte dienstliche Verwendung des Antragstellers bei der U. am Standort L. bedarf einer Versetzung (dazu zu a.). Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 13. Februar 2019 keine Versetzung, sondern eine Umsetzung verfügt und sich somit eines unzutreffenden Rechtsinstruments bedient (dazu zu b.). Folge der fehlerhaften Formenwahl ist die Rechtswidrigkeit dieser Personalmaßnahme.
10a. Die beabsichtigte dienstliche Verwendung des Antragstellers am Standort der U. in L. bedarf einer Versetzung i.S.d. § 28 Bundesbeamtengesetz (BBG).
11Gem. § 28 Abs. 1 BBG ist eine Versetzung die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle bei demselben oder einem anderen Dienstherrn. „Amt“ im Sinne dieser Vorschrift ist das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne.Eine Umsetzung stellt demgegenüber eine innerbehördliche Maßnahme dar, durch die in Form einer Weisung der Aufgabenbereich eines Beamten geändert wird. Die Ämter im statusrechtlichen und im abstrakt-funktionellen Sinn bleiben davon unberührt. Dem Beamten wird ein anderer, bei seiner Beschäftigungsbehörde einge-richteter Dienstposten (Amt im konkret-funktionellen Sinn) übertragen, der nach seiner Wertigkeit seinem Statusamt entspricht.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 2 B 23/12 –, juris, Rdnr. 7.
13Diese personalrechtlichen Instrumente sind gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 PostPersRG auch für Bundesbeamte anwendbar, die – wie der Antragsteller – bei den als Aktiengesellschaften verfassten Postnachfolgeunternehmen beschäftigt sind (vgl. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PostPersRG). Aufgrund der privatrecht-lichen Organisationsform der Postnachfolgeunternehmen sind aber – im Vergleich zu einer dienstlichen Verwendung bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn – Besonderheiten zu berücksichtigen:
14Bei den Postnachfolgeunternehmen gibt es aufgrund ihrer von Behörden üblicher Art abweichenden Organisationsstruktur grundsätzlich keine Dienststellen, sondern – als verselbstständigte Organisationseinheiten – Betriebe. Deswegen lässt sich der Begriff der Dienststelle im Sinne einer üblichen Behördenstruktur nicht „Eins zu Eins“ auf die Organisationsstruktur der Postnachfolgeunternehmen übertragen. Dem entspricht es, dass für diese Unternehmen grundsätzlich das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet (§ 24 Abs. 1 PostPersRG), das – im Unterschied zum Bundes-personalvertretungsgesetz – für die Einrichtung und Wahl von Betriebsräten an den Begriff des Betriebs (und nicht wie bei Personalräten an den Begriff der Dienststelle) anknüpft. Hinzu kommt, dass bei den Beamten der Postnachfolgeunternehmen die berufliche Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 1 PostPersRG (lediglich) als Dienst „gilt“. Dem abstrakt-funktionellen Amt entspricht bei ihnen der (abstrakt zu verstehende) Auf-gabenbereich. Wird dieser in der Weise verändert, dass der Beamte zugleich in eine andere verselbstständigte Organisationseinheit übertritt, so entspricht dies der Personalmaßnahme der Versetzung. An die Stelle des Dienststellenwechsels tritt der Betriebswechsel.
15OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2019 – 1 B 1048/18 –, juris, Rdnr. 5.
16Maßgeblich für die Bewertung, ob die beabsichtigte Personalmaßnahme eine Versetzung oder eine Umsetzung erfordert, ist damit die Frage, ob mit dieser ein Betriebswechsel verbunden ist. Das bestimmt sich danach, ob die bisherige Organisationseinheit, der der Beamte oder die Beamtin angehörte, einen (selbstständigen) Betrieb oder einen (unselbstständigen) Betriebsteil darstellt.
17Das Postpersonalrechtsgesetz selbst enthält keine Legaldefinition des Begriffs „Betrieb“. Verwendung findet dieser Begriff überwiegend im Zusammenhang mit der betrieblichen Interessenvertretung (so Abschnitt 8, § 26 Nr. 1 PostPersRG, wonach die in den Betrieben der Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten bei der Wahl zum Betriebsrat eine eigene Gruppe bilden bzw. § 24 Abs. 1 PostPersRG, wonach in den Postnachfolgeunternehmen das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet, soweit im Postpersonalrechtsgesetz nichts anderes bestimmt ist). Somit ist auch für die Beantwortung der Frage, ob eine Organisationseinheit eines Postnachfolgeunternehmens als „Betrieb“ anzusehen ist, gemäß § 24 Abs. 1 PostPersRG auf den Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) abzu-stellen. Zwar enthält das Betriebsverfassungsgesetz keine Legaldefinition des Begriffs „Betrieb“, es bietet jedoch nähere Bestimmungen, die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konkretisiert worden sind.Ein (selbstständiger) Betrieb i.S.d. des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist danach eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Ein (unselbstständiger) Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt.
18Vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 17. Mai 2017 – 7 ABR 21/15 –, juris, Rdrn. 17.
19Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gilt aber auch ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb, nämlich dann, wenn dort in der Regel mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, beschäftigt sind und der Betriebsteil räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt ist (Nr. 1) oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist (Nr. 2).Es kann vorliegend dahinstehen, ob es sich bei dem aufgegebenen Standort der U. in H. , dem der Antragsteller bislang organisatorisch zugeordnet war, um einen eigenständigen Betrieb i. S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder um einen Betriebsteil des Hauptbetriebs in L. handelte. Für den Fall eines eigenständigen Betriebes liegt die Bewertung der streitgegenständlichen Personalmaßnahme als Versetzung auf der Hand. Aber auch bei Bewertung als Betriebsteil erfüllt der Standort jedenfalls die Voraussetzungen, unter denen ein Betriebsteil gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als eigenständiger Betrieb anzusehen ist:
20Nach den Angaben der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 14. Juni 2019 handelte es sich bei der U. H. um einen von – vormals – drei Standorten der U. mit identischem Geschäftsauftrag (Projektdienstleitungen für den Konzern) und einer Mitarbeiterzahl zwischen 20 und 30 Personen, so dass das erforderliche Maß an organisatorischer Selbstständigkeit nicht in Zweifel zu ziehen ist.Der Standort H. ist auch räumlich weit vom Hauptbetrieb der U. in L. entfernt.
21Bei der Bewertung der räumlichen Entfernung als „weit“ ist nicht nur auf die räumliche Distanz abzustellen. Maßgeblich für diese Frage ist – dem Zweck der Norm entsprechend –, ob der Betriebsrat des Hauptbetriebs für die Beschäftigten der jeweiligen kleineren Betriebseinheit „leicht“ zu erreichen ist. Das bedarf einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls durch die Tatsachengerichte, die nach der Rechtsprechung des
22BAG, a.a.O. Rdnr. 21,
23nur eingeschränkt überprüfbar ist. Dem entsprechend haben sich in der Recht-sprechung keine absoluten Werte herausgebildet. Erkennbar ist aber, dass es weniger auf die absolute Entfernung als vielmehr auf den mit der Wegstrecke verbundenen Zeitaufwand ankommt. So kann ein 60 bis 70 km entfernter Betriebsteil bei optimalen Verkehrsverbindungen noch als nicht weit entfernt angesehen werden. Bei schlechten Verkehrsverbindungen kann schon eine deutlich geringere räumliche Entfernung „weit“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sein.
24Vgl. Fittig, BetrVG, 29. Auflage, München 2018, § 4Rdnr. 20, m.w.N.
25Nach der Rechtsprechung des
26BAG, Beschluss vom 7. Mai 2008 – 7 ABR 15/07 –, juris, Rdnr. 29,
27ist eine räumlich weite Entfernung jedenfalls dann gegeben, wenn die Hin- und Rückfahrt zum Hauptbetrieb mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen mehr als zwei-stündigen Zeitaufwand erfordert.
28Gemessen daran ist der vormalige Standort der U. in H. räumlich weit vom Hauptsitz in L. entfernt. Nach dem von der Kammer hinzugezogenen Routenplaner (google maps) beträgt die einfache Entfernung für eine Fahrt mit dem PKW rund 83 km und erfordert einen Zeitaufwand von 1 Stunde und 7 Minuten, der sich aber aufgrund der üblichen Verkehrsstörungen im Großraum L. gerade an Werktagen häufig deutlich erhöht. Die ebenfalls zu berücksichtigende Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt – je nach Verbindung – 1 Stunde und 37 Minuten oder mehr. Bei Berücksichtigung des Aufwands für die Hin- und Rückfahrt ergibt sich damit ein zeitlicher Aufwand für die Bewältigung der Wegstrecke von erheblich mehr als zwei Stunden, der die Bewertung des vormaligen Standortes der U. in H. als weit entfernt vom Hauptsitz i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG recht-fertigt.
29b. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 13. Februar 2019 keine Versetzung, sondern eine Umsetzung verfügt und sich damit des falschen personalrechtlichen Instruments bedient.Nach dem Wortlaut des vorgenannten Schreibens wird der Antragsteller aus dienst-lichen Gründen zum Beschäftigungsort der U. in L. umgesetzt. Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin diese Maßnahme nur ver-sehentlich falsch bezeichnet hat und tatsächlich eine Versetzung vornehmen wollte. Vielmehr spricht die Differenzierung in den verschiedenen an den Antragsteller gerichteten Anhörungsschreiben (vom 10. April 2018 zur Versetzung und vom 3. Mai 2018 zur Umsetzung nach L. ) dafür, dass die Antragsgegnerin sich in Kenntnis der Verschiedenheit der personellen Instrumente bewusst für eine Umsetzung ent-schieden hat. Das hat sie in der Antragserwiderung vom 27. März 2019 nochmals bestätigt. Angesichts dessen bleibt weder für eine abweichende Auslegung der streitgegenständlichen Maßnahme noch für eine Umdeutung der Umsetzungs- in eine Versetzungsverfügung Raum. (Vgl. § 47 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Um-deutung ausscheidet, wenn diese der erkennbaren Absicht der Behörde widerspricht.)
30Zur fehlenden Möglichkeit einer Umdeutung wegen der Verschiedenartigkeit der beiden Maßnahmen vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 21. März 2006 – 1 L 25/06 –, juris, Rdnr. 8.
312. Die Umsetzung erweist sich darüber hinaus auch als ermessensfehlerhaft.
32Bei der Umsetzung handelt es sich um eine dienstliche Anordnung, der die betroffenen Beamten aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit Folge zu leisten haben. Umsetzungen müssen von einem dienstlichen Grund getragen sein. Davon aus-gehend hat der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die tatsächlichen Auswirkungen der Umsetzung auf den beruflichen Werdegang des Betroffenen oder dessen private Lebensführung sind aus Fürsorgegründen bei den Ermessenserwägungen zu berücksichtigen. Der Dienstherr muss sowohl das dienstliche Interesse an der Umsetzung als auch die entgegenstehenden Belange des Betroffenen mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die Abwägung einstellen und gewichten. Umsetzungen sind nach § 114 Satz 1 VwGO von den Ver-waltungsgerichten daraufhin zu überprüfen, ob der Dienstherr die das Ermessen einschränkenden Rechtsgrundsätze beachtet hat.
33Grundsätzlich gilt, dass die dienstlichen Belange, die der Umsetzung zugrunde liegen, umso gewichtiger sein müssen, je schwerer die Folgen einer Umsetzung für den Beamten sind. Zu den nachteiligen Folgen für die private Lebensgestaltung kann insbesondere gehören, dass die Umsetzung mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist und der neue Dienstort wesentlich weiter von der Wohnung des Beamten entfernt liegt oder wesentlich schwerer erreichbar ist als der alte Dienstort.
34Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 2 B 23/12 -, juris, Rdnr. 8.
35Die Antragsgegnerin hat den persönlichen Umständen des Antragstellers im Rahmen ihrer Abwägung zur Zumutbarkeit der räumlichen Veränderung zwar bei Einleitung des Verfahrens zutreffend Rechnung getragen (dazu zu a.). Die Umsetzung des Antragstellers zum Standort der U. in L. erweist sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber als ermessenfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin die Auswirkungen der zum 1. Oktober 2019 zu erwartenden Betriebsverlegung an den neuen Standort in C1. auf die persönlichen Belange des Antragstellers nicht ausreichend berück-sichtigt hat (dazu zu b.).
36a. Die Antragsgegnerin hat der persönlichen, insbesondere der gesundheitlichen Situation des Antragstellers im Rahmen der Umsetzung zunächst ausreichend Rechnung getragen.
37Nach dem Ergebnis der von der Antragsgegnerin veranlassten betriebsärztlichen Untersuchung ist der Antragsteller in seiner Mobilität eingeschränkt. In der Ärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. C2. Zs. C3. , Ärztin in Weiterbildung für Arbeitsmedizin, vom 9. Juli 2018 (Blatt 27 ff der Beiakte, Heft 1) wird die dem Antragsteller zumutbare Fahrzeit bei Fahrten mit dem PKW auf 60 Minuten und bei Fahrten mit dem ÖPNV auf 90 Minuten begrenzt. Als Gestaltung der Wochenarbeitszeit von 34 Stunden wird ein Dienst an vier Tagen mit drei Übernachtungen am Arbeitsort empfohlen. Ein Umzug sei aus medizinischer Sicht nicht möglich. Hierzu wird in einer „Ärztlichen Zusatzbescheinigung“ vom 8. März 2018 ausgeführt: „Gefahr der Destabilisierung bei Umzug und Abwesenheit des eigenen sozialen/medizinischen Umfelds“.
38Ein tägliches Pendeln des Antragstellers von seinem Wohnort zum neuen Dienstort in L. scheidet danach aus, denn die als zumutbar erachteten Fahrzeiten würden überschritten. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin (vgl. zusammenfassend Blatt 15 und 27 der Beiakte, Heft 1) beträgt die Fahrzeit für die einfache Wegstrecke vom Wohnort des Antragstellers in E. , Kreis S. , zum Standort der U. in L. mit öffentlichen Verkehrsmitteln rund 2 Stunden und 40 Minuten und mit dem PKW 1 Stunde und 4 Minuten. Nach den von der Kammer verwendeten Routenplanern (google maps und Falk) ist die Fahrzeit mit dem PKW länger. Sie beträgt für die einfache Strecke von 104 km bei üblicher Verkehrslage rund 1 Stunde und 20 Minuten und dürfte im Berufsverkehr mitunter noch darüber liegen.
39Diese Situation hat die Antragsgegnerin im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Bleiben ihre Erwägungen in der Umsetzungsverfügung vom 13. Februar 2019 insoweit noch recht pauschal, hat sie diese in der Antragserwiderung vom 27. März 2019 aber in verfahrensrechtlich zulässiger Weise (vgl. § 114 Satz 2 VwGO) und inhaltlich zu-treffend dahingehend ergänzt, dass dem Antragsteller jedenfalls die Anmietung einer Zweitwohnung am Dienstort zumutbar sei. Auf die Übernahme der Kosten nach der entsprechenden Konzernrichtlinie wurde verwiesen. Der Umstand, dass dem Antragsteller die tägliche Hin- und Rückfahrt von seinem Wohnort zu seinem neuen Arbeitsplatz in L. nicht zumutbar ist, wurde von der Antragsgegnerin zwar nicht explizit aufgegriffen, durch die Ausführungen zur (jedenfalls) zumutbaren Anmietung einer Zweitwohnung aber konkludent zu Grunde gelegt.
40Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch die Würdigung der weiteren, vom Antragsteller gegen die Umsetzung vorgebrachten persönlichen Umstände Ermessensfehler nicht erkennen lässt. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass Bundesbeamte wie der Antragsteller hinsichtlich ihrer örtlichen Ver-wendung grundsätzlich flexibel sein müssen. Es obliegt der Gestaltung des Beamten, die mit einer Veränderung des Einsatzortes verbundenen Belastungen organi-satorisch – sei es durch die Begründung eines Zweitwohnsitzes oder durch einen Umzug der Kernfamilie – zu bewältigen. Etwas anderes folgt in der Regel auch nicht aus den Bindungen am bisherigen Wohnort durch die Betreuung naher Angehöriger oder die Wahrnehmung ärztlicher Betreuung. Hierzu hat die Antragsgegnerin sowohl in der Umsetzungsverfügung als auch in der Antragserwiderung zutreffend Stellung genommen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.
41b. Die Umsetzung des Antragstellers zum Standort der U. in L. erweist sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber als ermessenfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin die Auswirkungen der zum 1. Oktober 2019 zu erwartenden Betriebsverlegung an den neuen Standort in C1. auf die persönlichen Belange des Antragstellers nicht ausreichend berücksichtigt hat.
42(1.) Die für die Bewertung der Zumutbarkeit maßgeblichen Umstände haben sich entscheidend geändert. Die Antragsgegnerin hat im vorliegenden (seit dem 13. März 2019 anhängigen) Verfahren erst mit Schreiben vom 14. Juni 2019 und auch erst auf konkrete Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass der Standort der U. in L. zum 30. September 2019 vollständig aufgegeben wird und in die T1. str. 000 in 00000 C1. umzieht. Mit weiterem Schreiben vom 4. Juli 2019 hat sie ihre Absicht mitgeteilt, den Antragsteller ab 1. Oktober 2019 am Standort C1. einzusetzen und mit der schon am Standort L. vorgesehenen Projettätigkeit zu befassen. Mit Schreiben vom 3. Juli 2019 wurde der Antragsteller zu der beabsichtigten weiteren Umsetzung angehört.
43(2.) Die Antragsgegnerin hat die sich daraus für den Antragsteller ergebenden persönlichen Konsequenzen bislang nicht hinreichend in ihre Ermessenserwägungen einbezogen.
44Wie vorstehend bereits ausgeführt, kann der Antragsteller einer Tätigkeit in L. nur nachkommen, wenn er ortsnah über eine Unterkunft verfügt. Aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung ist ihm die dauerhafte Anmietung von Wohnraum in L. jetzt nicht mehr zumutbar. Mehrfache Umzüge innerhalb kurzer Zeit sind einem Beamten aufgrund des damit verbundenen finanziellen und persönlichen Aufwands auch angesichts der grundsätzlich einzufordernden Flexibilität nicht zumutbar,
45vgl. schon VG Gelsenkirchen , Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 12 L 738/09 –, juris Rdnr.29,
46so dass der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden kann, zunächst in L. eine Unterkunft zu suchen und ab 1. Oktober 1019 erneut nach C1. umzuziehen.
47Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es für den Antragsteller auch keine naheliegende Option, jetzt (noch) eine Unterkunft in L. anzumieten und diese für die spätere Tätigkeit in C1. beizubehalten. Angesichts der zeitnah zum 1. Oktober 2019 anstehenden Verlegung des Standorts nach C1. liegt es auf der Hand, zur Vermeidung weiterer Fahrzeiten eine möglichst nah am neuen Beschäftigungsort in C1. gelegene Unterkunft zu wählen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin auf eine Entfernung von nur 16 km zwischen dem alten Standort der U. in L. und den neuen Betriebsräumen in C1. verweist, denn die damit verbundene Fahrzeit (mindestens 29 Minuten nach dem Routenplaner goolge maps) erweist sich als nicht unerheblich.Die gegenteilige Option – die Anmietung einer Unterkunft in C1. , von der aus für die Überganszeit bis zum 30. September 2019 die Tätigkeit in L. ausgeübt werden könnte – hat die Antragsgegnerin bislang nicht in ihre Erwägungen aufgenommen. Sie würde gegenwärtig auch nicht durchgreifen. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn folgt, dass einem Beamten, der sich gegen seinen Willen einer räumlichen Veränderung ausgesetzt sieht, eine gewisse Vorbereitungszeit zuzubilligen ist, innerhalb derer er die Folgen der anstehenden Veränderung für seine persönliche Lebensführung bewältigen kann. Das entspricht auch der Praxis der Antrags-gegnerin, wie sie sich aus dem bisherigen Verfahrensverlauf ergibt. Denn die mit Schreiben vom 13. Februar 2019 verfügte Umsetzung des Antragstellers erfolgte erst zum 1. Juni 2019, so dass er über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten die Möglichkeit hatte, sich entsprechend vorzubereiten. Daran fehlt es aber in Bezug auf den neuen Standort der U. in C1. . Die künftige dienstliche Verwendung des Antragstellers in C1. hat die Antragsgegnerin gegenüber dem Gericht erst mit Schriftsatz vom 4. Juli 2019 bekannt gegeben. Der Antragsteller wurde mit Schriftsatz vom 3. Juli 2019 hierzu angehört. Ausreichende Vorbereitungszeit für eine Unterkunftssuche bleibt ihm so nicht.
48Es ist auch nicht ersichtlich, wie der Antragsteller sich für eine Übergangszeit in anderer Weise eine geeignete Unterkunft verschaffen könnte, insbesondere reichen die von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Mittel (nach den Angaben des Antragstellers 750 €/mtl.) angesichts der in L. üblichen Hotelpreise nicht aus, die Kosten für die erforderlichen drei Übernachtungen pro Woche abzudecken.
49II. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
50Soll die Umsetzung eines Beamten auf einen anderen Dienstposten durch eine einstweilige Anordnung vorläufig rückgängig gemacht werden, so ist ein Anordnungsgrund für eine solche Regelung nur im besonderen Einzelfall gegeben. Grundsätzlich können Betroffene insoweit auf den Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren verwiesen werden, weil sie in der Zwischenzeit keinen endgültigen Rechtsnachteil erleiden. Denn eine Umsetzung kann im Grundsatz jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Zudem wird mit der gerichtlichen Anordnung die Haupt-sache zumindest teilweise vorweggenommen. Ein Anordnungsgrund besteht des-wegen in Fällen solcher Art nur, wenn dem betroffenen Beamten in sonstiger Weise ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, (schlechthin) unzumut-bare Nachteile drohen, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen lassen.
51OVG NRW, z.B. Beschluss vom 21. März 2019 – 6 B 1459/18 –, juris Rdnr. 18.
52Ein solcher, die Annahme eines Anordnungsgrundes ausnahmsweise recht-fertigender besonderer Einzelfall ist vorliegend gegeben. Die Besonderheiten er-geben sich aus der aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkten Mobilität des Antragstellers im Zusammenwirken mit der sehr kurzfristig bekannt gewordenen künftigen Änderung seines Einsatzortes. Es stellt sich als mit der Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin nicht vereinbar dar, von dem Antragsteller die Aufnahme des Dienstes in L. zu verlangen, obwohl die Frage nach einer geeigneten Unterkunft noch ungeklärt ist. Sie darf auch ungeklärt sein, weil die kurzfristige Änderung der tatsächlichen Umstände der Antragsgegnerin zuzurechnen ist und der Antragsteller sich auf diese noch nicht einstellen konnte. Wie vorstehend ausgeführt, ist ihm gegenwärtig weder ein tägliches Pendeln nach L. möglich noch ist ihm eine zumutbare Alternative hierzu eröffnet. Der nachträgliche Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren wäre nicht geeignet, der sich aus dieser Situation für den Antragsteller ergebenden Belastung ausreichend Rechnung zu tragen.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Von der in Eilverfahren sonst üblichen Reduzierung des Streitwerts ist abzusehen, denn die im Wege der einst-weiligen Anordnung ergangene vorläufige Regelung stellt sich aufgrund des weiteren Zeitablaufs sukzessive als endgültige Regelung dar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 7 ABR 21/15 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 47 Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes 1x
- BetrVG § 1 Errichtung von Betriebsräten 2x
- VwGO § 114 2x
- 1 B 1048/18 1x (nicht zugeordnet)
- PostPersRG § 26 Wahlen, Ersatzmitglieder 1x
- 6 B 1459/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 B 23/12 2x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 1 BBG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 2x
- 7 ABR 15/07 1x (nicht zugeordnet)
- PostPersRG § 24 Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes 2x
- 12 L 738/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 L 25/06 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 4 Betriebsteile, Kleinstbetriebe 4x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- PostPersRG § 2 Rechtsverhältnisse der Beamten, Zahlungs- und Kostentragungspflicht 2x
- 1 B 1194/16 1x (nicht zugeordnet)