Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 8 K 3255/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die der vormals beigeladenen N. -
Q.
GmbH
erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die - mittlerweile erfolgte - Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf der Bergehalde N1. in H. .
Die vormals beigeladene N. -
Q.
GmbH
beantragte unter dem 19. Juli 2018 bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage des Typs ENERCON E‑138 EP3 mit einer Nabenhöhe von 131 m und einem Rotordurchmesser von 138,6 m auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 00, Flurstück 000 (Halde N1. ). Diesem Antrag beigefügt waren unter anderem eine Schallimmissionsprognose der S. GmbH & Co. KG
vom 11. Juli 2018 in der überarbeiteten Fassung vom 31. Januar 2019 (nachfolgend: Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) sowie eine Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage der S. GmbH & Co. KG
vom 11. September 2018 nebst Stellungnahme zum Schreiben der Stadt H. vom 14. Dezember 2018.
Bei dem Vorhabengrundstück handelt es sich um eine Bergehalde, die im Rahmen der bergbaulichen Tätigkeiten im nördlichen Ruhrgebiet aufgeschüttet wurde. Der konkrete Standort der Windenergieanlage befindet sich nach den Angaben, die über das Internetangebot des Landes Nordrhein-Westfalen für amtliche Karten und sonstige amtliche Daten (TIM-online) abgerufen werden können, etwa 98,5 m über Normalnull.
5Der Kläger zu 1. ist Eigentümer und Bewohner des westlich der N1
2
. gelegenen Wohnhauses X. Straße 171. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und der beklagten Windenergieanlage beträgt etwa 440 m, der Höhenunterschied etwa 60 m. Das Wohngrundstück des Klägers zu 1. liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Die Bebauung nördlich des Wohnhauses besteht aus einem weiteren Wohnhaus (X. Straße 165), einer etwa 1.200 qm großen - dem Kläger zu 1. gehörenden - Halle sowie kleineren Nebengebäuden. An diese Wohnhäuser schließt sich im nord-östlichen Bereich eine etwa 28.000 bis 30.000 qm große Freifläche an. Nordwestlich der vorgenannten Wohnhäuser befindet sich hinter der X. Straße und einer Baumreihe ebenfalls eine etwa 10.000 qm große Freifläche. In östlicher und südlicher Richtung grenzt das Wohnhaus des Klägers zu 1. an eine bewaldete Fläche, durch die der O. fließt. In südwestlicher Richtung befindet sich zwischen dem Wohngrundstück des Klägers zu 1. und den Wohnhäusern X. Straße 175/177, 190 und 192 ein Baumbestand, dazwischen fließt der X1. N3. .
Die Klägerin zu 2. ist Eigentümerin und Bewohnerin des südöstlich der N1
2
. gelegenen Wohnhauses C.--straße 106. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und der beklagten Windenergieanlage beträgt etwa 570 m, der Höhenunterschied etwa 60 m. Das Wohngrundstück der Klägerin zu 2. liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 der Stadt H. . Dieser weist für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet aus. In der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 002 (dort Seite 23) wird ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen Situation des Plangebietes überwiegend um Gemengelagen handele, die im Laufe der Zeit gewachsen seien. Deshalb sei bei der Betrachtung der immissionsrechtlichen Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen Betriebe und der hierdurch bedingten Immissionsvorbelastung für die Baugebiete im Bebauungsplangebiet das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme anzuwenden. Daher werde den angrenzenden allgemeinen Wohngebieten immissionsschutzrechtlich der Störgrad von Mischgebieten zugewiesen.
Durch Bescheid vom 11. Februar 2019, dem Kläger zu 1. am 20. Februar 2019, der Klägerin zu 2. am 16. Februar 2019 zugestellt, erteilte der Beklagte der vormals beigeladenen N. -
Q.
GmbH
unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Diese enthält unter anderem Nebenbestimmungen zum Lärmschutz sowie zur Standsicherheit der Windenergieanlage.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 zeigte die vormals beigeladene N. -
Q.
GmbH
dem Beklagten entsprechend Ziffer IV. 1.7 des Genehmigungsbescheides an, dass nunmehr die Beigeladene Betreiber der Windenergieanlage sei.
Die mit Schreiben vom 14. März 2019 erhobenen Widersprüche der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 24. Juni 2019 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Kläger seien keinen unzumutbaren Schall-immissionen ausgesetzt. Auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 sei eine Überschreitung der - für beide Kläger - maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 45 dB(A) nachts und 60 dB(A) tags mit Sicherheit auszuschließen. Die Kläger würden auch durch den von der Windenergieanlage ausgehenden bewegten Schattenwurf nicht erheblich belästigt. Eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Kläger gehe von der Windenergieanlage nicht aus. Die Wohnhäuser der Kläger seien wegen ihres Abstandes zur Windenergieanlage entsprechend der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einer intensiven Prüfung des Einzelfalls unterzogen worden. Aufgrund der Lage und der Nutzung der Räume des jeweiligen Wohnhauses, des topografischen Höhenunterschiedes, der Vorbelastung durch den Hochspannungsmast (nur Klägerin zu 2.), der Sichtverstellung durch (Garten)bewuchs sowie der Hauptwindrichtungsverteilung sei insgesamt nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage auszugehen. Es seien ferner keine Erschütterungseinwirkungen an den Wohnhäusern der Kläger zu erwarten. Die von den Klägern geltend gemachte Wertminderung ihrer jeweiligen Grundstücke werde bereits nicht nachprüfbar dargelegt. Abgesehen davon sei die weitere Nutzung als Wohngrundstück nicht unmöglich oder unzumutbar, weil von der Windenergieanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger ausgingen. Die weiteren von den Klägern angeführten Aspekte - Landesplanung, Regionalplanung, Planung der Stadt H. sowie die Standsicherheit der Windenergieanlage - hätten keinen drittschützenden Charakter und seien daher nicht Gegenstand des vorliegenden Widerspruchsverfahrens. Im Übrigen ergäben sich aber auch insoweit keine rechtlichen Bedenken gegen die erteilte Genehmigung.
10Die Kläger haben am 16. Juli 2019 Klage erhoben und bereits am 8. April 2019 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den die Kammer durch Beschluss vom 4. November 2019 - 8 L 547/19 - abgelehnt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zu 1. hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 29. September 2020 - 8 B 1576/19 - zurückgewiesen.
11Auf entsprechende Anträge der Beigeladenen hat der Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 2021 die Nebenbestimmung IV. 6.1.2 des angefochtenen Genehmigungsbescheides aufgehoben und durch Bescheid vom 9. November 2021 festgestellt, dass die beklagte Windenergieanlage entsprechend der Nebenbestimmung IV. 3.1.6 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 zur Nachtzeit (22:00 bis 06:00 Uhr) im Betriebsmodus 100dB mit einer Leistung von 2350 kW betrieben werden darf. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach dem Vermessungsbericht der Deutsche
X2. D.
GmbH
E.
vom 20. August 2020 die in Ziffer IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 festgelegten Oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 Hertz Lo,Okt zwar überschritten seien, der Nachweis für die Aufnahme des Nachtbetriebs aber durch eine erneute Ausbreitungsberechnung in der Schallimmissionsprognose der S. GmbH & Co. KG
vom 27. Oktober 2021 erbracht worden sei.
Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend: Auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 könne nicht hinreichend verlässlich beurteilt werden, dass sie keinen unzumutbaren Lärmimmissionen durch den Betrieb der Windenergieanlage ausgesetzt seien. Entgegen der Annahme des Beklagten bzw. der Beigeladenen liege das Wohngrundstück des Klägers zu 1. nicht im Außenbereich, sondern im unbeplanten Innenbereich und sei als allgemeines bzw. reines Wohngebiet zu qualifizieren, weshalb als maßgeblicher Immissionsrichtwert 40 dB(A) bzw. 35 dB(A) und nicht 45 dB(A) während der Nachtzeit zugrunde zu legen sei. Die in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 zugrunde gelegten Eingangsdaten beruhten lediglich auf Herstellerangaben und seien zudem widersprüchlich. Der angenommene Sicherheitszuschlag sei nicht ausreichend. Es sei auch nicht erkennbar, welches Berechnungsprogramm benutzt worden sei. Ferner sei die erforderliche Sonderfallprüfung wegen möglicher Schallreflexionen („Amphitheatereffekt“) nicht durchgeführt worden. Der Verzicht auf eine separate Beurteilung der Schallimmissionsbelastung während der Tagzeit sei nicht vertretbar. Die Belastung durch Infraschall sei nicht betrachtet worden, dies stelle ein Ermittlungsdefizit dar. Die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 sei ebenfalls nicht zum Nachweis geeignet, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte eingehalten seien. Der dieser Ausbreitungsrechnung zugrunde liegende Vermessungsbericht vom 20. August 2020 sei nicht aussagekräftig, weil sich das Geländeprofil der dort vermessenen Windenergieanlage von dem im vorliegenden Einzelfall gegebenen Geländeprofil deutlich unterscheide. Zudem sei die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 nicht hinreichend transparent bzw. nachvollziehbar, insbesondere hinsichtlich der angenommenen Messunsicherheiten sowie des Ergebnisses, dass trotz höherer Messwerte in einigen Frequenzbereichen die ermittelten Pegel vielfach geringer seien. Von der genehmigten Windenergieanlage gehe zudem eine optisch bedrängende Wirkung aus. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers zu 1. und der Windenergieanlage liege sehr nah an der regelmäßigen Dominanzschwelle der zweifachen Gesamthöhe der Anlage. Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage, die das zumutbare Maß überschritten, bestünden aus verschiedenen Räumen ihrer Wohnhäuser sowie aus dem Garten- bzw. Terrassenbereich. Insoweit gehe die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Sichtbeziehungsuntersuchung von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen aus. Durch die Errichtung auf der etwa 100 m hohen N1
2
. habe die Windenergieanlage die optische Wirkung einer 300 m hohen Anlage. Aufgrund der Dimensionierung der Windenergieanlage richte sich der Blick nicht - wie vom Beklagten angenommen - zunächst in den Hang bzw. Haldenkörper, sondern direkt auf die Windenergieanlage. Entgegen der Annahme des Beklagten bzw. der Beigeladenen könne die Hochspannungsleitung der Klägerin zu 2. nicht als Vorbelastung entgegen gehalten werden. Diese sei - anders als der Rotor der Windenergieanlage - statisch und werde von ihr daher nicht mehr wahrgenommen. Es bestünden auch keine zumutbaren Ausweich- oder Abschirmungsmöglichkeiten. Es seien keine von der Windenergieanlage möglicherweise ausgehenden Erschütterungen betrachtet worden. Die Windenergieanlage sei mit den Zielen der Landesplanung, der Regionalplanung und den städtebaulichen Zielen für die Haldenwelt und die angrenzenden Stadtteile nicht vereinbar. Sie widerspreche auch dem Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1
2
. “ vom 4. April 2019.
Die Kläger beantragen,
14den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2019 sowie des Bescheides vom 9. November 2021 aufzuheben,
15hilfsweise,
16den vorgenannten Bescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung wiederholt bzw. vertieft er seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und führt ergänzend aus: Erhebliche Belästigungen oder gar Gesundheitsgefahren durch Infraschall von Windenergieanlagen seien nicht gegeben. Entsprechendes gelte in Bezug auf den von den Klägern angesprochenen Körperschall.
20Die Beigeladene beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Beklagten in den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheiden bzw. im gerichtlichen Verfahren sowie auf die gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
23Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 6. Dezember 2021 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Dieser hat am 16. Februar 2022 einen Ortstermin mit den Beteiligten zwecks Feststellung der örtlichen Gegebenheiten am Wohngrundstück des Klägers zu 1. sowie zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Inaugenscheinnahme wird auf das zugehörige Terminsprotokoll Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich in dem Ortstermin am 16. Februar 2022 übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.
24Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 8 L 547/19 sowie die dort und im Verfahren 8 K 1199/19 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die Klage, über die der nach § 6 Abs. 1 VwGO zuständige Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheidet, hat keinen Erfolg.
27Der Bescheid vom 9. November 2021 konnte noch in das laufende Klageverfahren einbezogen werden (dazu A.). Die von den Klägern in der nunmehrigen Form fortgeführte Klage ist zwar zulässig (dazu B.), aber unbegründet (dazu C.).
28A. Die Kläger konnten den Bescheid vom 9. November 2021 in das laufende Klageverfahren einbeziehen. Durch diesen Bescheid hat der Beklagte verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW nunmehr aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. Damit bilden dieser Bescheid und der Genehmigungsbescheid ‑ ebenso wie die dem Genehmigungsbescheid zur Sicherstellung der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 12 Abs. 1 BImSchG) nachträglich beigefügten Nebenbestimmungen -,
29vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 49 ff., m. w. N.,
30einen unteilbaren Regelungsgegenstand und stellt dessen Einbeziehung schon keine Klageänderung dar.
31Eine Änderung des Streitgegenstands liegt mithin im Rechtssinne nicht vor, sondern lediglich eine nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO ohne Weiteres zulässige Anpassung des Klageantrags aufgrund einer nachträglichen Veränderung. Selbst wenn man die Einbeziehung des Bescheides vom 9. November 2021 als Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO ansieht, ist diese Klageänderung aber aus Gründen der Prozessökonomie jedenfalls als sachdienlich einzustufen.
32B. Die von den Klägern in der nunmehrigen Form fortgeführte und als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb der streitbefangenen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen insbesondere in Form von Lärmimmissionen hervorruft (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) bzw. von ihr eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Kläger ausgeht und sie jedenfalls insoweit möglicherweise in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind.
33C. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 in der Fassung des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2019 sowie des Bescheides vom 9. November 2021 für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage verletzen die Kläger jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
34Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
35Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Kläger werden weder durch Lärm (dazu I.) noch durch die optischen Auswirkungen der streitgegenständlichen Anlage (dazu II.) oder durch von ihr ausgehende Erschütterungen (dazu III.) unzumutbar beeinträchtigt. Der Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 enthält ferner ausreichende Vorgaben zur Sicherstellung der Standsicherheit der Windenergieanlage (dazu IV.). Auf die weiteren gerügten Aspekte - Unvereinbarkeit mit dem Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen, dem Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. -
M.
“ - und dem Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt H. - können sich die Kläger aus Rechtsgründen nicht berufen (dazu V.).
I. Ausgehend von den Immissionsrichtwerten der TA Lärm (dazu 1.) sind die Kläger keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt (dazu 2.).
371. Der Immissionsrichtwert beträgt sowohl für das Wohngrundstück des Klägers zu 1. (dazu a)) als auch der Klägerin zu 2. (dazu b)) für die Tagzeit 60 dB(A) und für die Nachtzeit 45 dB(A).
38a) Das Wohngrundstück des Klägers zu 1. liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, weshalb ihm in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm festgelegten Grenzwerte 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts zuzumuten sind.
39Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 -, juris Rn. 119 f., m. w. N.
40Auf der Grundlage des im Internet verfügbaren Karten- bzw. Bildmaterials (TIM-online; Google Maps) sowie der am 16. Februar 2022 durchgeführten Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Wohngrundstück des Klägers zu 1. nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB liegt und damit bauplanungsrechtlich dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zuzuordnen ist.
41aa) Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 11, m. w. N.
43Vermittelt eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit, liegt mithin ein Bebauungszusammenhang vor, an dem das in Rede stehende Grundstück teilnimmt, ist in einem weiteren Schritt - in Abgrenzung zur Splittersiedlung - zu klären, ob dieser Bebauungszusammenhang Teil eines Bebauungskomplexes im Gebiet einer Gemeinde ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Für die Frage, ob ein Bebauungskomplex nach seinem Gewicht als Ortsteil oder aber als Splittersiedlung anzusehen ist, kommt es auf die Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde an.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2016 - 4 B 47.14 -, juris Rn. 10, 14, m. w. N., und Urteil vom 17. Februar 1984 ‑ 4 C 56.79 -, juris Rn. 9.
45Grundsätzlich ist weder die Zahl der Wohnhäuser in einem Bebauungskomplex noch die Häufigkeit von Splittersiedlungen in einem Gemeindegebiet allein maßgebend für diese Bewertung. Ein Bebauungskomplex ist - allerdings nicht rein quantitativ - sowohl mit Ortsteilen als auch mit Splittersiedlungen zu vergleichen. Sind deutliche Siedlungsschwerpunkte in näherer Umgebung vorhanden, ist eine Streubebauung mit erheblich weniger Wohnhäusern als Splittersiedlung zu werten und damit insgesamt dem Außenbereich zugeordnet. Ein weiteres Kriterium für die Annahme eines Ortsteils können Infrastruktureinrichtungen sein.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 1994 - 4 B 77.94 -, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2020 ‑ 8 B 857/19 -, juris Rn. 14 f., m. w. N.
47Eine Ansammlung von nur vier Wohngebäuden besitzt regelmäßig nicht das für eine eigenständige Siedlungseinheit erforderliche Gewicht.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 1994 ‑ 4 B 77.94 -, juris Rn. 2.
49bb) Hiervon ausgehend ist das Wohngrundstück des Klägers zu 1. dem Außenbereich zuzuordnen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Einordnung wie die Kammer und nachfolgend das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angenommen haben, bereits daraus folgt, dass dieses Wohngrundstück wegen des unmittelbar südwestlich angrenzenden Baumbestandes sowie des dazwischen verlaufenden X1. N
3
.
und der davon ausgehenden Zäsurwirkung bereits keinen Bebauungszusammenhang mit den südlich gelegenen Wohnhäusern X. Straße 175/177, 190 und 192 bildet. Insoweit ist nach der Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse am 16. Februar 2022 festzustellen, dass das Wohnhaus des Klägers zu 1. und insbesondere die Doppelhaushälfte X. Straße 175/177 - zumindest außerhalb der Vegetationsperiode - nicht durch den vorhandenen Baumbestand optisch voneinander abgegrenzt werden. Jedenfalls bildet die Bebauung entlang der X. Straße, die im Norden von der Straße L. und im Westen von der Bundesstraße 000 eingegrenzt wird, keinen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Es handelt sich vielmehr um eine dem Außenbereich zuzuordnende (Streu‑)Bebauung.
Zu dieser Einordnung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes tendierend: OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2020 - 8 B 1576/19 -, juris Rn. 17.
51Hierfür spricht zunächst der Vergleich zu der übrigen Siedlungsstruktur der Stadt H. und hier insbesondere den umliegenden Ortsteilen C1. , F1. und H. Mitte. Diese zeichnen sich überwiegend durch eine linear-gleichmäßige („perlenschnurartige“) Wohnbebauung aus, die anders als die hier in Rede stehende Wohnbebauung an der X. Straße kaum durch (große) Baulücken unterbrochen wird. Zudem fehlt es an jeglichen Infrastruktureinrichtungen. Für die Einordnung als Außenbereich spricht ferner, dass die nördlich des Wohnhauses des Klägers zu 1. angrenzende etwa 1.200 m² große Halle nach den Angaben seiner Ehefrau in dem Ortstermin am 16. Februar 2022 ursprünglich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurde. Landwirtschaftliche Nutzungen sind aber gerade dem Außenbereich vorbehalten, vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Demgegenüber lassen sich keine Gesichtspunkte für die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur finden, der dem hier in Rede stehenden Bebauungskomplex das Gewicht eines Ortsteils verleiht. Hierfür reicht nach den dargestellten Maßstäben alleine die Überschreitung der Untergrenze des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines „gewissen Gewichts“ eines Bebauungszusammenhangs für sich genommen nicht aus.
52b) Der Klägerin zu 2. sind ebenfalls die in Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm festgelegten Lärmimmissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts zuzumuten. Zwar liegt ihr Wohngrundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 002 der Stadt H. , der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Allerdings wird in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 002 (dort Seite 23) ausgeführt, dass es sich bei der städtebaulichen Situation des Plangebietes überwiegend um Gemengelagen handele, die im Laufe der Zeit gewachsen seien. Deshalb sei bei der Betrachtung der immissionsrechtlichen Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen Betriebe (gemeint sind Gewerbebetriebe) und der hierdurch bedingten Immissionsvorbelastung für die Baugebiete im Bebauungsplangebiet das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme anzuwenden. Daher werde den angrenzenden allgemeinen Wohngebieten immissionsschutzrechtlich der Störgrad von Mischgebieten zugewiesen, weshalb hier Buchstabe d und nicht e von Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm Anwendung findet. Diese immissionsschutzrechtliche Einordnung des zulässigen Störgrades wird durch die Klägerin zu 2. nicht (substantiiert) in Zweifel gezogen.
532. Die hiernach maßgeblichen Immissionsrichtwerte werden durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage hinreichend sicher eingehalten. Dies folgt aus den auf der Grundlage des Interimsverfahrens durchgeführten Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 bzw. 27. Oktober 2021. Danach werden die zulässigen Immissionsrichtwerte an den jeweiligen Wohnhäusern der Kläger weder während des nunmehr zugelassenen Nachtbetriebs (dazu a)) noch des Tagbetriebs (dazu b)) überschritten.
54a) Der Beklagte hat durch Bescheid vom 9. November 2021 verbindlich festgestellt, dass der durch den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2019 (vgl. Ziffer IV. 3.1.6 i. V. m. 3.1.5) zunächst aufschiebend bedingt zugelassene schallreduzierte Nachtbetrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW ab sofort aufgenommen werden darf, weil die Beigeladene den Eintritt der aufschiebenden Bedingung nachgewiesen habe. In diesem Betriebsmodus wird der rechtlich zulässige Immissionsrichtwert an den beiden Wohnhäusern der Kläger von 45 dB(A) nachts hinreichend verlässlich eingehalten.
55In der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019, bei der für die Ausbreitungsrechnung - mangels eines zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Vermessungsberichts des hier genehmigten Anlagentyps - der höchste vom Hersteller für den Betriebsmodus 100 dB angegebene Schallleistungspegel von 100 dB(A) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 2,1 dB(A) für den oberen Vertrauensbereich, wurde die von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung am Wohnhaus des Klägers zu 1. (= IP 03) mit 39,1 dB(A) angegeben, was zugleich der Gesamtbelastung entspricht. Am Wohnhaus der Klägerin zu 2. (= IP 41 WA) wurde eine Zusatzbelastung von 36,7 dB(A) berechnet, die zusammen mit der Vorbelastung durch den nächtlichen Betrieb der U. G.
GmbH
eine Gesamtbelastung von 40,1 dB(A) ergibt.
Dass die Windenergieanlage im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW den maßgeblichen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nachts einhält, wird bestätigt durch die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021. Diese Ausbreitungsberechnung beruht nicht auf den Herstellerangaben, sondern auf dem Vermessungsbericht der Deutsche
X2.
D.
GmbH
E.
vom 20. August 2020, dessen Emissionsansätze auf einer unter anderem nach Maßgabe der FGW-Richtlinie (Fördergesellschaft Windenergie e. V.: Technische Richtlinie zur Bestimmung der Leistungskurve, des Schallleistungspegels und der elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen - Teil 1: Bestimmung der Schallemissionswerte, Rev. 18 vom 1. Februar 2008) erfolgten Einfachvermessung des hier in Rede stehenden Anlagentyps ENERCON E‑138 EP3 basieren. Danach wurde im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW ein maximaler Schallleistungspegel von 100,4 dB(A) ermittelt (vgl. Seite 6 und 29 des Vermessungsberichts der Deutsche
X2.
D.
GmbH
E.
vom 20. August 2020). Unter Zugrundelegung dieses höchsten Summenschallleistungspegels einschließlich eines Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich von 2,3 dB(A) wurde in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 eine von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung von 39,1 dB(A) in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers zu 1. (= IP 03) berechnet, die mangels vorhandener Vorbelastung während der Nachtzeit zugleich der Gesamtbelastung entspricht. In Bezug auf das Wohnhaus der Klägerin zu 2. (= IP 41 WA) wurde in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 eine Zusatzbelastung von 36,6 dB(A) berechnet. Dass diese Schallimmissionsprognose auf eine Berechnung der Gesamtbelastung am Wohnhaus der Klägerin zu 2. unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch den Betrieb der U. G.
GmbH
verzichtet, ist in der vorliegenden Konstellation unschädlich. Denn eine entsprechende Berechnung der Gesamtbelastung wurde - wie bereits ausgeführt - in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 vorgenommen und mit 40,1 dB(A) angegeben. Da diese Berechnung (auf der Grundlage der vom Hersteller angegebenen Emissionsansätze) eine Zusatzbelastung durch die Windenergieanlage von 36,7 dB(A) berücksichtigte, kann die Gesamtbelastung ausgehend von der in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 errechneten Zusatzbelastung von 36,6 dB(A) rechnerisch jedenfalls nicht mehr als 40,1 dB(A) betragen.
Die gegen die vorstehenden Berechnungsansätze erhobenen Bedenken der Kläger greifen nicht durch.
58aa) Sowohl der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 als auch derjenigen vom 27. Oktober 2021 kann das jeweils verwendete Berechnungsprogramm, namentlich das Programm WindPRO, Modul DECIBEL, Versionsnummer 3.2.737 (Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019) bzw. 3.3.294 (Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) entnommen werden.
59bb) Der Einwand, die Eingangsdaten in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 beruhten ausschließlich auf Herstellerangaben und nicht auf standardisierten Vermessungen, trifft zwar im Ausgangspunkt zu, ist aber jedenfalls durch die Vorlage der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021, die gerade auf Emissionsdaten der im Jahr 2020 erfolgten Einfachvermessung des hier genehmigten Anlagentyps basiert, als überholt anzusehen. Dass der dort zusätzlich in die Berechnung eingestellte Sicherheitszuschlag von 2,3 dB(A) - wegen der Unsicherheit des Prognosemodells, der Unsicherheit durch Serienstreuung, der Unsicherheit der Typenvermessung bei einfach vermessenen Anlagen sowie einer angenommenen Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % (vgl. Seite 36 f. der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 und Seite 2 der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) - nicht ausreichend wäre, um eine „auf der sicheren Seite“ liegende Schallimmissionsprognose anzunehmen, haben die Kläger nicht hinreichend begründet in Zweifel gezogen.
60cc) Der von den Klägern angesprochene Widerspruch zwischen den den Berechnungen in der Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 (bzw. vom 27. Oktober 2021) zugrunde gelegten Emissionswerten und den Herstellerangaben, wonach von der Windenergieanlage im Volllastbetrieb ein Schallleistungspegel von 106 dB(A) ausgehe, liegt ersichtlich nicht vor. Die Berechnungen in den beiden vorgenannten Schallimmissionsprognosen beziehen sich ausdrücklich allein auf den schallreduzierten Betrieb im Betriebsmodus 100 dB und einer Leistung von 2350 kW. Nur ein solcher Betrieb wird durch die Genehmigung vom 11. Februar 2019 in der Fassung des Bescheides vom 9. November 2021 während der Nachtzeit zugelassen. Ist ein Volllastbetrieb während der Nachtzeit nicht Genehmigungsinhalt, bedarf es insoweit auch keines schalltechnischen Nachweises, ob ein solcher Betrieb die maßgeblichen Immissionsrichtwerte während der Nachtzeit einhielte.
61dd) Es bedurfte vorliegend entgegen der Annahme der Kläger auch keiner Sonderfallprüfung wegen möglicher Schallreflexionen (insbesondere in Form eines sog. „Amphitheatereffekts“). Zum einen sind die diesbezüglichen Ausführungen jedenfalls in Bezug auf die Klägerin zu 2. mit Blick darauf, dass die Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 eine Reflexionsbetrachtung an ihrem Wohnhaus vorgenommen und im Ergebnis verneint hat (dort Seite 39), unsubstantiiert. Zum anderen kann die Richtigkeit der Annahme der Kläger im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn nach den von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Beklagten, die sich wiederum auf die Ausführungen in dem schalltechnischen Gutachten vom 31. Januar 2019 (dort Seite 38) stützen, können Schallreflexionen theoretisch Pegelerhöhungen von bis zu 3 dB(A) verursachen, wobei in der Praxis Werte oberhalb von 2 dB(A) nicht zu erwarten seien. Selbst wenn man hiernach - zu Gunsten der Kläger - von einer Erhöhung des Beurteilungspegels am „IP 03“ bzw. „IP 41 WA“ um 3 dB(A) auf 42,1 dB(A) bzw. 43,1 dB(A) ausginge, wäre der zulässige Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nachts nicht annähernd erreicht und erst recht nicht überschritten.
62ee) Ohne Erfolg bleiben auch die Einwände der Kläger gegen die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021.
63aaa) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Annahme, die der Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegten Emissionsansätze aus dem Vermessungsbericht der Deutsche
X2.
D.
GmbH
E.
vom 20. August 2020 seien nicht aussagekräftig, weil das Geländeprofil im näheren Umfeld der dort vermessenen Windenergieanlage nicht ansatzweise mit dem hier gegebenen Geländeprofil vergleichbar sei. Es fänden sich dort weder in der Umgebungsbebauung noch in der topografischen Struktur des Geländes Elemente, die Schallreflexionen bewirken könnten.
Insoweit ist in der Stellungnahme der S. GmbH & Co. KG
vom 18. März 2022 ausgeführt, dass der in dem vorgenannten Vermessungsbericht ermittelte Schall-leistungspegel auf der Halde N1. verwendet werden könne. In der Ausbreitungsberechnung (gemeint ist offensichtlich die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021) sei genau das an der Halde N1. vorherrschende Geländeprofil durch die Verwendung eines digitalen Geländemodells simuliert und somit entsprechend berücksichtigt worden. Das Gericht hat keine begründeten Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln; solche wurden auch von den Klägern nicht substantiiert geltend gemacht. Mit ihrem Hinweis auf Schallreflexionen zielen sie auf einen Aspekt im Zusammenhang mit der Ausbreitungsrechnung und nicht der Vermessung des Schallleistungspegels der Windenergieanlage.
Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung zusätzlicher Messunsicherheiten postulieren, wird bereits in der Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 angegeben, dass im Vergleich zur Schallimmissionsprognose vom 31. Januar 2019 eine Erhöhung des Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich um 0,2 dB(A) auf 2,3 dB(A) erfolgt ist.
66bbb) Der Einwand der Kläger, die im Vermessungsbericht vom 20. August 2020 angenommene Unsicherheit von 0,90 dB erscheine zu klein, aus den angegebenen Einzelwerten folge ein Wert von 0,96 dB, führt ebenfalls nicht weiter. Mit Blick auf die berechnete Gesamtbelastung, die auch in Ansehung etwaiger Reflexionen die rechtlich zulässigen Immissionsrichtwerte an den Wohnhäusern beider Kläger nicht ansatzweise erreichen, kann eine Erhöhung der jeweiligen Beurteilungspegel um 0,06 dB unterstellt werden, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert.
67ccc) Die von den Klägern aufgeworfene Frage hinsichtlich tonhaltiger Anlagengeräusche bedarf keiner weiteren Vertiefung.
68Der Beklagte hat in Ziffer IV. 3.1.2 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 geregelt, dass die genehmigte Windenergieanlage nicht tonhaltig sein darf. Ob die Windenergieanlage im tatsächlichen Betrieb tonhaltig ist, beeinflusst nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern ist eine Frage der Anlagenüberwachung.
69ddd) Die Schallimmissionsprognose vom 27. Oktober 2021 ist entgegen der Annahme der Kläger auch nicht deswegen unplausibel, weil die dort berechnete von der Windenergieanlage ausgehende Zusatzbelastung vielfach niedriger sei, obwohl bei dem in dem Vermessungsbericht vom 20. August 2020 vermessenen Anlagentyp in einigen Frequenzbereichen die vom Hersteller angegebenen Werte überschritten worden seien.
70Die damit angesprochene fehlende Nachvollziehbarkeit der Ausbreitungsrechnung liegt nicht vor. Im Vergleich zum „Alternativen Verfahren“ nach der DIN ISO 9613-2 verzichtet das Interimsverfahren, das den Ausbreitungsberechnungen in den Schall-immissionsprognosen vom 31. Januar 2019 und 27. Oktober 2021 zugrunde liegt, im Kern auf die Berücksichtigung von Bodendämpfungen sowie einer meteorologischen Korrektur. Zudem stellt das Interimsverfahren das Berechnungsverfahren auf eine frequenzabhängige Berechnung um mit der Folge, dass auch die Dämpfung aufgrund der Luftabsorption (Aatm) frequenzabhängig erfolgt. Hochfrequente Geräuschanteile werden aber stärker gedämpft als die tieffrequenten.
71Vgl. das im Internet abrufbare Faktenpapier Schallprognosen für Windenergieanlagen nach dem „Interimsverfahren“ des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), Seite 2.
72Ausweislich des Vermessungsberichts vom 20. August 2020 wurden die vom Hersteller angegebenen und in Ziffer IV. 3.1.5 des Genehmigungsbescheides vom 11. Februar 2019 festgelegten Oktavschallleistungspegel für 1000, 2000, 4000 und 8000 Hertz überschritten. Diese Überschreitung führt ausweislich der Stellungnahme der S. GmbH & Co. KG
vom 18. März 2022 zwar dazu, dass der Schallleistungspegel mit 100,4 dB(A) geringfügig höher ist als die vom Hersteller angegebenen 100 dB(A). Da die höherfrequenten Oktavwerte ab 1000 Hertz in der Ausbreitungsrechnung aufgrund der höheren Luftabsorption aber nicht so stark bewertet werden, ergeben sich keine höheren Beurteilungspegel bzw. wird es an einigen Immissionspunkten sogar leiser.
ff) Die Kläger haben auch durch ihren umfangreichen, im Wesentlichen aber allgemein und abstrakt gehaltenen Vortrag zu den Auswirkungen von tieffrequentem Schall und Infraschall auf den menschlichen Körper eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt. Daher bleibt auch ihre in diesem Zusammenhang stehende Rüge ohne Erfolg, die auf die TA Lärm und die DIN 45680 gestützten Immissionsprognosen seien lücken- und fehlerhaft, weil diese Normen keine Messmethode enthielten, die eine beeinträchtigende Wirkung von tieffrequentem Schall und Infraschall berücksichtigen könne.
74Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und anderer Obergerichte geht davon aus, dass tieffrequenter Schall und Infraschall durch Windenergieanlagen im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt.
75Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 160 ff., mit umfangreichen weiteren Nachweisen.
76Soweit die Kläger sich zur Begründung ihrer Annahme im Schriftsatz vom 29. August 2019 auf einzelne Studien beziehen, sind sie, soweit sie überhaupt in der Gerichtssprache deutsch (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 184 Satz 1 GVG) vorliegen und damit vom Gericht zu berücksichtigen sind, lediglich Teil eines wissenschaftlichen Diskurses, ergeben allerdings bisher keinen begründeten Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen.
77Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 240 f., m. w. N.
78Angesichts des trotz zahlreicher Studien insoweit unsicheren Erkenntnisstandes in der Wissenschaft ist es auch nicht Aufgabe der Gerichte, weitere wissenschaftliche Forschung zu betreiben.
79Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2021 ‑ 8 A 500/20 -, juris Rn. 66 f., m. w. N.
80Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich hierbei auch nicht um eine unangemessene Beweislastumkehr. Ob im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sichergestellt ist, dass die dort geregelten Betreiberpflichten erfüllt werden, insbesondere durch den Betrieb der Anlage keine Immissionen verursacht werden, die gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, beruht auf einer Prognoseentscheidung der Genehmigungsbehörde, die uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt. Diese Prognoseentscheidung verlangt allerdings nicht, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein müsste.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 - I C 102.76 -, juris Rn. 33.
82Können demnach Risiken, die allenfalls theoretisch denkbar sind, im Rahmen der Prognoseentscheidung außer Betracht bleiben, obliegt es auch nicht dem Anlagenbetreiber im Genehmigungsverfahren den diesbezüglichen Nachweis ihres Nichtvorliegens zu erbringen. Es ist daher Sache desjenigen, der die Realisierung eines lediglich als entfernt anzusehenden Risikos geltend macht, hierfür hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen zu benennen.
83Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 177.
84Solche haben die Kläger in Bezug auf den von ihnen geltend gemachten Infraschall bzw. tieffrequenten Schall indes nicht substantiiert dargelegt.
85b) Es ist zudem hinreichend verlässlich sichergestellt, dass die für beide Kläger maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) während des Tagbetriebs der Windenergieanlage eingehalten werden. Diese Feststellung kann entgegen der Auffassung der Kläger auch ohne entsprechende Schallimmissionsprognose für die Tagzeit getroffen werden und ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
86Ausweislich der Herstellerangaben erhöht sich der von der Windenergieanlage des hier in Rede stehenden Typs ausgehende Schallleistungspegel im (leistungsoptimierten) Volllastbetrieb im Betriebsmodus 0 s mit der Nennleistung von 3500 kW im Vergleich zum schallreduzierten Betrieb im Betriebsmodus 100 dB mit einer Leistung von 2350 kW, der den Berechnungen in den Schallimmissionsprognosen vom 31. Januar 2019 und vom 27. Oktober 2021 zugrunde gelegt wurde, um (lediglich) 6 dB(A). Dementsprechend kann die durch die Windenergieanlage verursachte Zusatzbelastung tagsüber maximal 45,1 dB(A) am Wohnhaus des Klägers zu 1. und 43,7 dB(A) am Wohnhaus der Klägerin zu 2. betragen.
87aa) Unter dieser Annahme war eine separate Betrachtung des Tagbetriebs nicht erforderlich, weil dieser um mehr als 10 dB(A) unter dem maßgebenden Immissionsrichtwert von 60 dB(A) und die Wohnhäuser der Kläger damit während der Tagzeit gemäß Nr. 2.2 Buchstabe a TA Lärm nicht im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage liegen. Es handelt sich demnach - jedenfalls zur Tagzeit - schon nicht um maßgebliche Immissionsorte im Sinne von Nr. 2.3 Abs. 1 TA Lärm. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass eine Erhöhung des Beurteilungspegels wegen der geltend gemachten Reflexionen um maximal 3 dB(A) unterstellt würde. Etwas anderes folgt auch nicht aus Nr. 6.5 Sätze 1 und 2 TA Lärm, wonach für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit - an Werktagen für die Zeiten zwischen 6 und 7 Uhr und 20 bis 22 Uhr (Nr. 1) sowie an Sonn- und Feiertagen für die Zeiten zwischen 6 bis 9 Uhr, 13 bis 15 Uhr und 20 bis 22 Uhr (Nr. 2) - bei der Ermittlung des Beurteilungspegels die erhöhte Störwirkung von Geräuschen im Regelfall durch einen Zuschlag von 6 dB(A) zu berücksichtigen ist.
88aaa) Dies gilt für das Wohngrundstück des Klägers zu 1. bereits deshalb, weil es schon nicht in einem besonders schutzwürdigen Gebiet im Sinne von Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm liegt. Zwar verweist diese Vorschrift auch in der Fassung der Änderung vom 1. Juni 2017 (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der TA Lärm vom 1. Juni 2017, BAnz AT 8. Juni 2017 B5) ihrem Wortlaut nach auf „Gebiete nach Nummer 6.1 Buchstaben d bis f“ und fordert demnach Zuschläge auch in Kern-, Dorf- und Mischgebieten gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe d TA Lärm, die für den vorliegend betroffenen Außenbereich - wie bereits ausgeführt - entsprechende Anwendung findet. Hierbei handelt es sich allerdings um ein bei Anwendung der Verwaltungsvorschrift zu berichtigendes offensichtliches Redaktionsversehen, worauf das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bereits mit Schreiben vom 7. Juli 2017 ‑ Az. IG I 7 – 501‑1/2 - hingewiesen hat. Nach der bis zum 8. Juni 2017 geltenden Fassung der TA Lärm vom 26. August 1998 (GMBl. Nr. 26/1998 S. 503) wurden Ruhezeitenzuschläge nach Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm für „Gebiete nach Nummer 6.1 Buchstaben d bis f“ vergeben. Das waren allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete (Buchstabe d), reine Wohngebiete (Buchstabe e) und Kurgebiete (Buchstabe f). Mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 wurden in Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm die urbanen Gebiete als neuer Buchstabe c eingefügt und die Buchstaben c bis f zu Buchstaben d bis g geändert. Die sich hieraus ergebende Anpassung des Verweises in Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm wurde im Rechtssetzungsverfahren nicht nachvollzogen, was indes geboten gewesen wäre. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Änderung der TA Lärm auch die erstmalige Einführung eines Ruhezeitenzuschlags für Misch-, Dorf- und Kerngebiete beinhalten sollte. Dieses Ergebnis wäre mit Blick auf die im Kerngebiet regelmäßig zugelassenen störenden Gewerbebetriebe (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) ebenso wenig nachvollziehbar wie die - konsequenterweise anzunehmende - Herausnahme der besonders lärmempfindlichen Kurgebiete (als neuer Buchstabe g). Dies kann offensichtlich nicht gewollt sein.
89Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 8. September 2021 ‑ 1 KN 150/19 -, juris Rn. 96; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. November 2019 - 5 S 1790/17 -, juris Rn. 68; VG Ansbach, Beschluss vom 13. Dezember 2021 ‑ AN 17 S 21.01515 -, juris Rn. 133; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 13. August 2020 ‑ 5 L 637/20.NW ‑, juris Rn. 95; VG Augsburg, Beschluss vom 16. August 2018 - Au 4 S 18.1058 -, juris Rn. 81.
90bbb) Im Ergebnis nichts anderes gilt für das Wohngrundstück der Klägerin zu 2. Auch wenn es in einem durch den Bebauungsplan Nr. 002 der Stadt H. ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet und damit in einem besonders schutzwürdigen Gebiet im Sinne von Nr. 6.5 Satz 1 i. V. m. Nr. 6.1 Satz 1 Buchstabe e TA Lärm liegt, kann es - wie bereits ausgeführt - immissionsschutzrechtlich (lediglich) den Schutzanspruch eines Mischgebiets geltend machen. Damit unterfällt es ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich von Nr. 6.5 Satz 1 TA Lärm.
91bb) Es bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht hinsichtlich möglicher Vorbelastungen im Sinne von Nr. 2.4 Abs. 1 TA Lärm während der Tagzeit. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm darf die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage - hier die beklagte Windenergieanlage - auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Dies ist hier in Bezug auf den Tagbetrieb - wie bereits aufgezeigt - der Fall.
92II. Von der genehmigten Windenergieanlage geht keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die Wohngrundstücke der Kläger aus.
93Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bedarf es einer Einzelfallprüfung, um beurteilen zu können, ob Windenergieanlagen optisch bedrängend auf die Umgebung wirken. Dabei sind insbesondere die folgend genannten Aspekte zu berücksichtigen, und zwar für die Anlage: Gesamthöhe, Standort mit topographischer Situation, Größe des Rotordurchmessers; für das Grundstück: Lage, Ausrichtung bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster und Terrassen zur Windenergieanlage, etwaige Abschirmung zur Anlage, Blickwinkel auf die Anlage, Hauptwindrichtung. Unter Berücksichtigung (insbesondere) der vorstehenden Kriterien lassen sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohngebäude und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windenergieanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls. Diesem groben Raster liegt die Überlegung zu Grunde, dass die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage mit zunehmendem Abstand regelmäßig abnimmt. Diese Grundsätze gelten auch für moderne Typen von Windenergieanlagen, die durch einen höheren Turm und einen größeren Rotordurchmesser gekennzeichnet sind.
94Vgl. zum Ganzen mit ausführlicher Begründung OVG NRW, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, juris Rn. 195 ff., m. w. N.
95Dass der genehmigte Standort der Windenergieanlage etwa 60 m oberhalb der Wohnhäuser der Kläger befindet, bewirkt nicht, dass diese Höhendifferenz bei der Abstandsbewertung zu der Gesamthöhe der Anlage zu addieren wäre. Denn eine auf höherem Gelände stehende Windenergieanlage wirkt weniger bedrängend als eine Windenergieanlage, die sich auf der gleichen Ebene wie ein Wohngebäude befindet, aber eine Höhe aufweist, die der Summe aus der Höhendifferenz und der Höhe der erstgenannten Anlage entspricht. Zudem berücksichtigt der grobe, pauschalierende Anhaltswert mittelbar auch, dass der Rotor der Anlage tendenziell umso größer ist, je höher die Anlage ist. Ein Geländeunterschied vergrößert jedoch nicht den Rotorumfang, sondern hat auf diesen keinen Einfluss. Der Höhenunterschied ist daher (nur) im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen, weil er die optischen Wirkungen der Windenergieanlage verstärken kann.
96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2021 ‑ 8 A 2790/18 -, juris Rn. 54 f., m. w. N.
97Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung optisch abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke oder für unmittelbar an den Außenbereich angrenzende Wohngrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 8 A 2790/18 -, juris Rn. 56 f., m. w. N.
99Ausgehend von diesen Maßgaben ist das Gericht auf der Grundlage der Sichtbeziehungsuntersuchung zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung der Windenergieanlage vom 11. September 2018 sowie der am 16. Februar 2022 durchgeführten Inaugenscheinnahme zur Überzeugung gelangt, dass von der genehmigten Windenergieanlage keine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung auf die Wohngrundstücke der Kläger ausgeht.
1001. Diese Feststellung gilt zunächst in Bezug auf das Wohnhaus des Klägers zu 1., das etwa 440 m vom Anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer Gesamthöhe der Anlage von etwa 200 m (vgl. insoweit die Herstellerangaben) einem Abstandsquotienten von etwa dem 2,2-fachen der Anlagenhöhe entspricht. Trotz dieses relativ geringen Abstands spricht eine Reihe von einzelfallbezogenen Faktoren gegen die Annahme einer optisch bedrängenden Wirkung.
101Aufgrund der Lage und Ausrichtung des Wohnhauses bestehen Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage (nur) aus den Fenstern der Südostfassade und aus dem Giebelfenster der Nordostfassade. An der südostlich ausgerichteten Seite des Wohnhauses befinden sich im Erdgeschoss das Schlafzimmer und ein größerer Raum, der als Wohn-/Ess- bzw. Empfangszimmer genutzt wird (vgl. auch Seite 20 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018). Aus diesem Zimmer ist die Windenergieanlage in ihrer vollen Ausdehnung, d. h. einschließlich des Rotors, allerdings nur dann zu sehen, wenn man sich direkt vor die Fensterfront begibt. Von den Stühlen, die am großen, parallel zur Fensterfront ausgerichteten Esstisch aufgestellt sind, ist von der Windenergieanlage infolge der hier gegebenen topografischen Besonderheit - der Höhenunterschied zwischen dem Wohnhaus des Klägers zu 1. und dem Vorhabenstandort beträgt etwa 60 m - allenfalls der Turm zu sehen. Der Hinweis des Klägers zu 1. im Schriftsatz vom 7. Januar 2022, wonach von den Stühlen, die mit ihrer Rückseite zur Fensterfront ausgerichtet sind, der Turm „in voller Ausdehnung“ und der untere Bereich der Rotorblätter zu sehen seien, lässt unberücksichtigt, dass der Blick der auf diesen Stühlen sitzenden Personen regelmäßig zu der von der Fensterfront abgewandten Zimmerseite gerichtet sein wird. Diese Personen müssen ihren Kopf demnach erst nach hinten drehen, um überhaupt einen Teil der Anlage sehen zu können. Insgesamt ist daher in Bezug auf das Wohn-/Esszimmer im Erdgeschoss von allenfalls kurzfristigen und somit zumutbaren Sichtbeziehungen auszugehen. Zu einer anderen Einschätzung zwingt auch nicht der während des Ortstermins am 16. Februar 2022 in unmittelbarer Nähe der Fensterfront positionierte Sessel, von dem aus die Windenergieanlage in Gänze sichtbar ist. Diesbezüglich ist festzustellen, dass diese Sitzgelegenheit weder in der Sichtbeziehungsbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 erwähnt noch vom Kläger zu 1. schriftsätzlich thematisiert wurde. Letzteres mag ein Hinweis darauf sein, dass die dortigen Sichtbeziehungen bereits von ihm selbst nicht als unzumutbar eingeordnet werden. Unabhängig davon ist aber weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass eine Positionierung des Sessels nicht möglich bzw. zumutbar ist, die eben jene Sichtbeziehungen möglichst vermeidet bzw. auf ein zumutbares Maß beschränkt.
102In Bezug auf das Schlafzimmer im Erdgeschoss und das Kinderzimmer im zweiten Obergeschoss (Giebelfenster der Nordostfassade) macht der Kläger zu 1. eine optisch bedrängende Wirkung bereits nicht (Schlafzimmer) bzw. nicht mehr (Kinderzimmer, vgl. zuletzt Schriftsatz vom 7. Januar 2022) geltend. Im Übrigen dient das Schlafzimmer nicht dem Aufenthalt und der Erholung am Tag und ist daher nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie etwa ein Wohnzimmer.
103Die Annahme einer optisch bedrängenden Wirkung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass sich im ersten Obergeschoss mit dem „Wohnzimmer der Familie“ ein besonders schutzwürdiger Bereich befindet, aus dem heraus die streitgegenständliche Windenergieanlage zu sehen ist. Nach den Feststellungen im Ortstermin am 16. Februar 2022, die insoweit mit den Angaben in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 übereinstimmen, beschränken sich die Sichtbeziehungen ‑ neben der Position direkt vor der Fensterfront - (lediglich) auf den rechten (= Kameraperspektive, d. h. stehend vor dem Sofa aus betrachtet) Schenkel des Sofas. Die übrigen Sitzmöglichkeiten auf dem Sofa bzw. dem links daneben aufgestellten Sessel sind von der Fensterfront abgewandt und daher bereits so angeordnet, dass die Windenergieanlage in sitzender Position nicht wahrgenommen wird. Insgesamt sind das Sofa und der Sessel so ausgerichtet, dass sie den Blick zuvörderst auf den Fernseher und damit gerade nicht auf die Fensterfront lenken. Es bestehen folglich offensichtlich bereits innerhalb des Wohnzimmers hinreichend Ausweichmöglichkeiten, auf die der Kläger zu 1. bzw. seine Familie zu verweisen sind. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich um vergleichsweise kleine Fenster handelt, die zudem mit Vorhängen ausgestattet sind, welche für einen gewissen Sichtschutz sorgen und daher die Sichtbeziehungen abschwächen.
104Die Feststellung einer optisch bedrängenden Wirkung rechtfertigen schließlich auch nicht die Sichtbeziehungen aus dem Terrassen-/Gartenbereich. Zwar wird von einigen Punkten aus die gesamte Windenergieanlage zu sehen sein. Allerdings treten Nutzungen im Freien, die im Regelfall ohnehin nur in den Sommermonaten stattfinden, im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit hinter derjenigen von Wohngebäuden zurück.
105Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. November 2016 ‑ 12 ME 131/16 -, juris Rn. 21.
106Darüber hinaus bietet der Terrassen-/Gartenbereich nach den Feststellungen während des Ortstermins am 16. Februar 2022 offensichtlich genügend Platz, um durch Ortsveränderung bzw. durch entsprechende räumliche Ausrichtung von Sitzgelegenheiten und sonstigen Freizeiteinrichtungen die Wahrnehmung des Vorhabens bzw. der Rotordrehbewegungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Überdies ließe sich eine Abschirmung durch das Aufstellen von Sichtblenden, Sonnenschirmen etc. weiter verstärken.
107Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2017 ‑ 8 B 396/17 -, juris Rn. 48.
108Als weiterer, die optische Wirkung der Windenergieanlage abschwächender Gesichtspunkt kommt hinsichtlich sämtlicher Sichtbeziehungen hinzu, dass diese nach den Ausführungen der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 aufgrund der in dem hier in Rede stehenden Bereich vorherrschenden Hauptwindrichtung Westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale Sichel und nur selten frontal zu sehen sein wird. Eine zusätzliche die Sichtbeziehung zum Teil vollständig, jedenfalls teilweise unterbrechende/abschwächende Wirkung kommt dem Baumbewuchs im Gartenbereich zu (vgl. die Fotos auf Seite 21/22 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 bzw. vom Ortstermin am 16. Februar 2022). Diese Feststellung gilt in Bezug auf die immergrünen Koniferen ganzjährig und hinsichtlich des großen Baumes in der Mitte des Gartens mindestens während der Vegetationsperiode, wobei dessen Ästen auch im unbelaubten Zustand eine abschirmende Wirkung zukommt.
109In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann offen bleiben, ob im vorliegenden Einzelfall die hier gegebene topographische (Sonder-)situation in Form eines Höhenunterschieds zwischen dem Vorhabenstandort und dem Wohngrundstück des Klägers zu 1. von etwa 60 m eher eine optische Abschirmung - so der Beklagte und die Beigeladene im Anschluss an die Annahme in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 - oder aber - so der Kläger zu 1. - eine Verstärkung der visuellen Wahrnehmbarkeit der Windenergieanlage bewirkt. Weder die eine noch die andere Annahme führte zu einer vom dargestellten Ergebnis abweichenden Beurteilung.
1102. Im Ergebnis nichts anderes gilt in Bezug auf das Wohngrundstück der Klägerin zu 2., das etwa 570 m vom Anlagenstandort entfernt ist, was ausgehend von einer Gesamthöhe der Anlage von etwa 200 m einem Abstandsquotienten von etwa dem 2,8-fachen der Anlagenhöhe entspricht.
111Aufgrund der Lage des Wohnhauses ist die Windenergieanlage (nur) aus den Fenstern der Nordwestfassade zu sehen. An dieser Seite befinden sich im Erdgeschoss die Küche und das Esszimmer, im ersten Obergeschoss das Badezimmer sowie ein Zimmer, das als Büro genutzt wird. Nach den Feststellungen in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 sowie während des am 16. Februar 2022 durchgeführten Ortstermins ist die Windenergieanlage, insbesondere der Rotor, aus dem Badezimmer - wegen des blickdichten Fensters - überhaupt nicht und aus den Fenstern der übrigen Räume lediglich dann zu sehen, wenn man sich direkt vor das jeweilige Fenster begibt. Von den jeweiligen Sitzgelegenheiten in den vorgenannten Räumlichkeiten ist die Anlage bzw. deren Rotor hingegen nicht zu sehen.
112Hinsichtlich der Sichtbeziehungen aus dem Gartenbereich gilt das zum Kläger zu 1. Ausgeführte in entsprechender Weise.
113Darüber hinaus wird die optische Wirkung dadurch abgeschwächt, dass die Windenergieanlage nach den Ausführungen der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 aufgrund der in dem hier in Rede stehenden Bereich vorherrschenden Hauptwindrichtung Westsüdwest voraussichtlich überwiegend nur lateral/seitlich als schmale Sichel zu sehen sein wird. Die Annahme der Hauptwindrichtung „Westsüdwest“ beruht nicht - wie die Klägerin zu 2. offenbar meint - auf den Winddaten in dem „Gutachten zur Standorteignung von WEA am Standort Halde N1. “ vom 16. Mai 2018 (dort Seite 17), sondern auf einer Windrichtungsanalyse der S. GmbH & Co. KG
, die auf Seite 83/84 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018 im Einzelnen erläutert wird. Soweit die Klägerin zu 2. mit Verweis auf die Winddaten in dem vorgenannten Gutachten vom 16. Mai 2018 davon ausgeht, dass die dortige „Verteilung der relativen Häufigkeiten der Windrichtung und Windgeschwindigkeiten ein nahezu gleichlautendes Bild in mehreren Windrichtungen Süd/Südwest (0,13), West/Südwest (0,156) und West (0,114)“ ergäben, steht dies nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu der Windrichtungsverteilung in der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018. Denn auch hier haben die Windrichtungen Südsüdwest und West relativ große Anteile an der Gesamtverteilung. Auch wenn hiernach mit der Klägerin zu 2. „von einer größeren Bandbreite“ der Rotorstellungen auszugehen wäre, bleibt festzuhalten, dass in beiden Betrachtungen der Windrichtungsverteilung der Anteil der Windrichtungen, bei denen der Rotor aus dem Wohnhaus bzw. Terrassen-/Gartenbereich in seiner vollen Ausdehnung zu sehen sein wird (Westnordwest bzw. Nordnordwest), deutlich hinter der/n Hauptwindrichtung/en (Westsüdwest bzw. Südsüdwest) zurückbleibt.
Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen braucht nicht weiter vertieft werden, ob - wie vom Beklagten und der Beigeladenen angenommen und von der Klägerin zu 2. in Abrede gestellt - dem Hochspannungsmast sowie den quer verlaufenden Hochspannungsleitungen (vgl. die Bilder auf Seite 41 und 43 der Sichtbeziehungsuntersuchung vom 11. September 2018) Bedeutung hinsichtlich der Sichtbeziehungen zu der Windenergieanlage aus den Fenstern der Nordwestfassade zukommt. Ebenso wenig kommt der hier gegebenen topographischen (Sonder-)situation eine ausschlaggebende Bedeutung in die eine oder die andere Richtung zu. Insoweit gelten die diesbezüglichen Ausführungen zum Wohngrundstück des Klägers zu 1. in gleicher Weise.
115III. Die Kläger zeigen auch nicht substantiiert auf, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf ihr jeweiliges Wohngrundstück durch Erschütterungen zu erwarten sind.
116Ausweislich der vom Beklagten in diesem Zusammenhang während der jeweiligen Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme des LANUV vom 24. April 2019 träten nach dokumentierten Messergebnissen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in 285 m Entfernung von der Windenergieanlage Erschütterungsimmissionen von maximal 0.01 mm/s auf. Damit seien - so der Beklagte - die von Windenergieanlagen ausgehenden Schwingungen im Boden bereits in weniger als 300 m Abstand von der Windenergieanlage so weit abgesunken, dass sie sich aus dem permanent vorhandenen Grundrauschen nicht mehr herausheben würden. Eine weitere Abnahme der Schwinggeschwindigkeit erfolge über die Entfernung. Zudem sei die Halde N1. auf einer gewachsenen Geländeoberfläche aufgeschüttet worden, die einen schlechteren Übertragungsweg als Keupergestein habe, das den Messungen des LUBW zugrunde gelegen habe. Diesen plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Beklagten bzw. des LANUV haben die Kläger, deren Wohnhäuser etwa 440 m bzw. 570 m vom Anlagenstandort entfernt liegen, nichts von Substanz entgegen gesetzt.
117IV. Die von den Klägern geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Standsicherheit der Windenergieanlage führen ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung.
118Zwar kommt der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW in der zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Fassung, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden dürfen, grundsätzlich drittschützende Wirkung zu.
119Vgl. zu der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden inhaltsgleichen Vorgängervorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW: OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2011 ‑ 7 A 1494/09 -, juris Rn. 54 f., m. w. N.
120Der Beklagte hat indes in der Genehmigung vom 11. Februar 2019 in hinreichender Weise sichergestellt, dass die Windenergieanlage nur errichtet werden darf, wenn ihre Standsicherheit gewährleistet ist. Nach Ziffer III. 3. der angefochtenen Genehmigung darf mit dem Bau der Windenergieanlage (Fundamentgründung) erst begonnen werden, nachdem der Bauaufsichtsbehörde der Stadt H. und der Unteren Immissionsschutzbehörde des Beklagten in Bezug auf den genehmigten Anlagentyp ENERCON E-138 EP3 eine aktuell gültige Bescheinigung, die von einem staatlich anerkannten Sachverständigen gemäß § 85 BauO NRW (a. F. = § 87 BauO NRW n. F.) erstellt und geprüft sein muss, als abschließender Standsicherheitsnachweis vorgelegt und dieser von den beiden vorgenannten Behörden überprüft und freigegeben wurde. Diese Vorgabe entspricht der gesetzlichen Regelung in § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW, wonach spätestens mit der Anzeige des Baubeginns bei der Bauaufsichtsbehörde zusammen mit den in Bezug genommenen bautechnischen Nachweisen Bescheinigungen einer oder eines staatlich anerkannten Sachverständigen nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BauO NRW über die Prüfung des Standsicherheitsnachweises einzureichen sind. Abgesehen hiervon ist weder substantiiert vorgetragen noch drängt es sich - insbesondere mit Blick auf den Abstand der Wohnhäuser der Kläger zum Anlagenstandort von etwa 440 m (Kläger zu 1.) bzw. 570 m (Klägerin zu 2.) - im Übrigen auf, dass durch eine mangelnde Standsicherheit der Windenergieanlage die Tragfähigkeit des Baugrundes der jeweiligen Grundstücke der Kläger bzw. deren Wohnhäuser gefährdet werden würden.
121V. Auf die weiteren gerügten Aspekte können sich die Kläger mangels einer subjektiven Rechtsverletzung von vornherein nicht berufen bzw. sind sie wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus Rechtsgründen nicht zu Lasten der Beigeladenen zu berücksichtigen.
1221. Letzteres gilt hinsichtlich des Vorbringens, die angefochtene Genehmigung verstoße gegen den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW). Denn die dortige Vorgabe zum Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung (vgl. 10.2‑3 „Grundsatz Abstand von Bereichen/Flächen für Windenergieanlagen“), auf die sich die Kläger berufen, ist erst durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Landesentwicklungsplan vom 12. Juli 2019 (GV.NRW. S. 346) und damit nach dem hier grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der angefochtenen Genehmigung vom 11. Februar 2019 an die vormals beigeladene N. -
Q.
GmbH
in den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Während nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zu Lasten des Anlagenbetreibers außer Betracht bleiben, sind solche zu dessen Gunsten zu berücksichtigen.
124Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 -, juris Rn. 42 f., und Beschluss vom 8. Oktober 2021 ‑ 7 B 1.21 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 ‑ 8 A 894/17 -, juris Rn. 62.
125In der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Verordnung über den Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2016 (GV.NRW S. 122) war die von den Klägern angesprochene Abstandsregelung nicht enthalten. Als nachträgliche - etwaig zu Lasten des Anlagenbetreibers auswirkende - Rechtsänderung wäre sie daher nicht zu berücksichtigen.
126Abgesehen davon handelt es sich bei dem Grundsatz 10.2-3 LEP NRW um einen „planerischen Vorsorgeabstand“, der bei der „planerischen Steuerung von Windenergieanlagen in Regionalplänen und in kommunalen Flächennutzungsplänen“ vorgesehen werden soll. Entsprechende planerische Darstellungen enthielten bzw. enthalten aber weder der Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. -
M.
“, der noch unter der Geltung des Landesplanungsgesetzes in der Fassung vom 11. Februar 2001 (GV.NRW. S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Februar 2004 (GV.NRW. S. 96), erlassen bzw. geändert sowie genehmigt wurde und dessen Rechtsqualität einem Regionalplan im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ROG, § 2 Abs. 1 LPlG entspricht, noch der Flächennutzungsplan der Stadt H. in ihren jeweils zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden (bzw. ihren jeweils aktuellen) Fassungen. Daher braucht an dieser Stelle nicht weiter vertieft zu werden, ob sich die Kläger auf den im Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen, bei dem es sich um einen landesweiten Raumordnungsplan nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG, § 2 Abs. 1 LPlG handelt, festgelegten Grundsatz 10.2‑3 überhaupt unter dem Gesichtspunkt einer subjektiven Rechtsverletzung berufen können.
2. Auf die von den Klägern weiter gerügte Unvereinbarkeit der Windenergieanlage mit der im Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. -
M.
“ - festgesetzten Nutzung des Anlagenstandorts können sie sich als Nachbarn und damit als private Dritte nicht berufen (dazu a)). Unabhängig davon steht die Windenergieanlage dieser Festsetzung nicht entgegen bzw. widerspricht ihr nicht (dazu b)).
a) Bei der Festsetzung des Vorhabengrundstücks als Haldenstandort handelt es sich nicht um eine unmittelbar drittschützende Regelung, auf deren Verletzung sich die Kläger berufen können.
129Der Bereich der Halde N1. ist in dem vorgenannten Gebietsentwicklungsplan, dessen Rechtsqualität - wie bereits ausgeführt - einem Regionalplan entspricht, als Standort für die Entsorgung des Bergematerials ausgewiesen (vgl. Ziffer 5.3 Aufschüttungen und Ablagerungen (Halden) sowie die zeichnerische Darstellung mit dem Planzeichen „Aufschüttungen, Ablagerungen u. a.“ und „Halden“). Selbst wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass die Festsetzung als Haldenstandort als Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG einzuordnen ist, können sie eine etwaige Verletzung dieses öffentlichen Belangs (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB) nicht rügen.
130aa) § 35 Abs. 3 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Vorschrift zu; dies ist nur der Fall, wenn nach den gesetzlichen Wertungen die jeweilige Vorschrift auch den Interessen des Nachbarn dient.
131Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1995 - 4 B 47.95 -, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2021 ‑ 2 A 141/21 -, juris Rn. 9.
132Ein denkbarer Anknüpfungspunkt für eine mögliche drittschützende Wirkung von Zielen der Raumordnung zugunsten Privater ist zwar der Umstand, dass nach § 7 Abs. 2 ROG bei der Aufstellung der Raumordnungspläne die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Bei der Festlegung von Zielen der Raumordnung hat diese Abwägung abschließend zu erfolgen. Gleichwohl entfalten die Ziele der Raumordnung gegenüber privaten Grundstückseigentümern grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Sie sind vielmehr allein von öffentlichen Stellen bei ihren Planungen zu beachten, wohingegen private Eigentümer durch sie weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet werden. Für das Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 ROG folgt daraus, dass der Plangeber sich wegen des groben Rasters der raumordnerischen Abwägung und der damit verbundenen Ungenauigkeiten darauf beschränken kann, private Belange nur in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise als Gruppenbelange zu berücksichtigen. Darüber hinaus gehende individuelle Betroffenheiten sind im Regelfall nicht Gegenstand der Abwägung im Rahmen eines regionalen Raumordnungsplans. Sie bleiben vielmehr der Feinsteuerung im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans bzw. der Genehmigung eines Einzelvorhabens vorbehalten. Damit kann im Regelfall nicht angenommen werden, dass die Ziele der Raumordnung dazu bestimmt sind, die Rechte eines individuell bestimmbaren Kreises Dritter zu schützen.
133Vgl. zum Ganzen OVG Rh.-Pf., Urteil vom 31. März 2021 ‑ 1 A 10858/20 -, juris Rn. 35 ff., m. w. N.
134bb) Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass in Abweichung hiervon gerade mit der Festsetzung des Anlagengrundstücks als Haldenstandort ausnahmsweise individuelle Belange der Anwohner der Halden geschützt werden sollten, sind nicht ersichtlich und von den Klägern, die sich mit dieser Frage nicht auseinandersetzen, auch nicht vorgetragen. Ausweislich der Erläuterungen zu Ziffer 5.3 des Gebietsentwicklungsplans dienen Bergehalden - u. a. die N1
2
. - der Ablagerung und damit der Entsorgung des energetisch nicht nutzbaren Gesteins aus dem Steinkohlebergbau. Die Aufschüttung von Bergehalden erfolgt demgemäß im öffentlichen Interesse einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung, allenfalls noch im privaten Interesse des jeweiligen Bergwerkbetreibers, jedoch nicht (auch) im Interesse der Nachbarn. Ob durch ein genehmigtes Vorhaben die weitere Aufschüttung der jeweiligen Bergehalde unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird, ist damit kein Gesichtspunkt, der einem Nachbarn eine subjektiv-rechtliche Rechtsposition vermittelt.
b) Unabhängig vom Vorstehenden kann nicht festgestellt werden, dass die Windenergieanlage der Festsetzung des hier betroffenen Bereichs als Haldenstandort entgegensteht bzw. widerspricht (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 BauGB).
136Der Beklagte hat in den jeweiligen Widerspruchsbescheiden vom 24. Juni 2019 ‑ hilfsweise - zur Begründung seiner Annahme darauf verwiesen, dass der Schüttbetrieb auf der N1
2
. bereits zum Ende des Jahres 2013 eingestellt worden sei, weshalb aufgrund fehlender Bergemassen eine Endgestaltung als Vulkankegel nicht mehr habe stattfinden können. Zudem sei das letzte Bergwerk der Region, Prosper-Haniel in Bottrop, zum 21. Dezember 2018 endgültig geschlossen worden, sodass tatsächlich auch kein weiteres Bergematerial zur Schüttung mehr anfallen könne. Nach Mitteilung der Bezirksregierung Arnsberg werde in Kürze mit dem Abbruch der verbliebenen Anlagen begonnen und auch der in Aufstellung befindliche Regionalplan Ruhr werde für diesen Bereich in seinen zeichnerischen Festlegungen kein entsprechendes Gebiet für eine Halde mehr aufweisen. Die Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Bergbehörde habe in ihren Stellungnahmen vom 22. August 2018 und 4. Februar 2019 ferner angegeben, dass keine Bedenken gegen das Vorhaben bestünden. Hinsichtlich der raumordnerischen Darstellung im derzeit noch geltenden Regionalplan (gemeint ist der Gebietsentwicklungsplan Regierungsbezirk N4. - Teilabschnitt „F. -
M.
“) sei aus bergbehördlicher Sicht festgestellt worden, dass die bergbauliche Nutzung „Aufschüttung und Ablagerung“ im Bereich der Halde N1. abgeschlossen sei. Aus der Stellungnahme der RAG AG vom 17. Januar 2019 gehe zusätzlich hervor, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage auf der N1
2
. ein weiteres Verbringen von Bergematerial nicht wesentlich beeinträchtige. Insoweit sei auf die vorliegenden Erfahrungen des Unternehmens zum Schüttbetrieb auf den Bergehalden Kohlenhuck in Moers und Lohberg-Norderweiterung in Dinslaken mit den dort bereits realisierten Windenergieanlagen verwiesen worden. Der Top-Bereich der Halde N1. habe zudem eine ovale Grundform, in deren Mitte sich eine Vernässungszone mit Vegetation befinde. Am Rand des Top-Bereiches der Halde befinde sich der Standort der Windenergieanlage. Auch eine theoretisch machbare Schüttung von gegebenenfalls vorhandenen Restvolumina wäre daher nicht beeinträchtigt. Mit diesen für das Gericht plausiblen, nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen setzen sich die Kläger nicht ansatzweise substantiiert auseinander und stellen die Richtigkeit der Annahme des Beklagten nicht durchgreifend in Frage.
3. Mit ihrem weiteren Vortrag, die beklagte Windenergieanlage sei mit den städtebaulichen Zielen nicht vereinbar und widerspreche daher dem Bebauungsplan Nr. 000, Gebiet: „N1
2
. “ der Stadt H. , können die Kläger die Aufhebung der Genehmigung bereits deshalb nicht beanspruchen, weil der vorgenannte Bebauungsplan (erst) am 15. April 2019 mit seiner amtlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt H. (Ausgabe 07/19) und damit nach Genehmigungserteilung als dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft getreten ist (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB). Daher kann dahinstehen, ob die Kläger sich auf einen etwaigen Verstoß gegen die städtebaulichen Ziele bzw. den Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt H. unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Rechtsverletzung überhaupt berufen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der Billigkeit, weil sie einen (Ablehnungs-)Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
139Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO (hinsichtlich der Beigeladenen) bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (hinsichtlich des Beklagten).
140Rechtsmittelbelehrung:
141Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1421. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1432. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1443. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1454. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1465. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
147Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
148Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‑ ERVV ‑) wird hingewiesen.
149Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
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