Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6z L 1021/22
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der gestellte Antrag,
3die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Antragstellerin im weiteren Verlauf ihres für das Wintersemester 2022/2023 noch laufenden Bewerbungsverfahrens auf einen Studienplatz der Humanmedizin mit sofortiger Wirkung unverzüglich auch unter Berücksichtigung des von ihr erzielten Testergebnisses im Medizinertest (TMS) insbesondere hinsichtlich der noch durchzuführenden Nachrückverfahren, und zwar auch mit Wirkung für die weiterhin noch durchzuführenden Auswahlverfahren der Hochschulen, zu beteiligen,
4hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat nicht gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Berücksichtigung des Ergebnisses ihres Tests für medizinische Studiengänge (TMS) im laufenden Vergabeverfahren zusteht.
5Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden in einem zentralen Vergabeverfahren nach den Regelungen des in allen Bundesländern ratifizierten, am 1. Dezember 2019 in Kraft getretenen Staatsvertrages über die Hochschulzulassung (Vergabe-Staatsvertrag) in Verbindung mit den in den einzelnen Ländern erlassenen, die Vorgaben des Staatsvertrages konkretisierenden Rechtsverordnungen vergeben. Diese Verordnungen müssen nach Art. 12 Abs. 2 des Vergabe-Staatsvertrages in den für die zentrale Vergabe wesentlichen Punkten übereinstimmen. Im Folgenden wird – auch stellvertretend für die einschlägigen Verordnungen der übrigen Länder – auf die Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen (StudienplatzVVO NRW) vom 13. November 2020 (GVBl. NRW 2020, S. 1060), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Mai 2022 (GVBl. NRW, S. 739), Bezug genommen.
6Offen bleiben mag, ob die Antragsgegnerin für die Geltendmachung des von der Antragstellerin verfolgten Begehrens überhaupt passivlegitimiert ist. Dies lässt sich deshalb bezweifeln, weil der TMS in denjenigen Zulassungsquoten, deren Studienplätze die Antragsgegnerin gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Vergabe-Staatsvertrag im eigenen Namen verteilt (Vorabquoten, Abiturbestenquote), keine Rolle spielt. Soweit die Studienplätze von den Hochschulen selbst vergeben werden (Zusätzliche Eignungsquote, Auswahlverfahren der Hochschulen) leistet die Antragsgegnerin gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 Vergabe-Staatsvertrag lediglich „Unterstützung“, wird also als Verwaltungshelferin tätig. Ein Anspruch auf Berücksichtigung des TMS in diesen Quoten müsste daher möglicherweise gegen die jeweilige Hochschule geltend gemacht werden.
7Der Antragstellerin steht aber jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf Beteiligung am Vergabeverfahren unter Einbeziehung des Testergebnisses zu. Sie hat nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass sie das Testergebnis ordnungsgemäß entsprechend den auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 StudienplatzVVO NRW beruhenden Vorgaben der Stiftung in das Online-Bewerbungssystem eingepflegt hat. Sie hat die Daten zu ihrem TMS zwar offenbar am Vormittag des 30. Juni 2022 auf dem Bewerbungsportal eingegeben. Bedauerlicherweise hat sie es aber versäumt, die eingegebenen Daten durch Betätigung der Schaltfläche „Daten übermitteln“ endgültig zu einem Teil ihres Bewerbungs-Datensatzes zu machen. Dies hat die Antragsgegnerin durch die Vorlage des Systemprotokolls belegt, das zwar eine entsprechende Datenübermittlung nach der ersten Eingabe von Daten der Antragstellerin verzeichnet (am 2. Mai 2022 um 17:12 Uhr), bei der nachträglichen Erfassung des TMS aber lediglich die Abmeldung vom System (am 30. Juni 2022 um 10:28 Uhr) dokumentiert. Der Vortrag der Antragstellerin steht dem letztlich nicht entgegen. In ihrer Eidesstattlichen Versicherung vom 11. August 2022 erklärt die Antragstellerin, sie könne sich nicht erinnern, ob ein weiterer Button zu betätigen gewesen sei.
8Da die Antragstellerin das Ergebnis ihres TMS somit nicht innerhalb der maßgeblichen Frist für das Nachreichen von Unterlagen (§ 6 Abs. 1 S. 3 letzter Halbsatz StudienplatzVVO NRW: 20. Juli) übermittelt hat, durfte und darf die Antragsgegnerin es nicht berücksichtigen. Ob der Antragstellerin mangelnde Sorgfalt vorgehalten werden kann, ist dabei unerheblich. Denn bei den Fristen des § 6 Abs. 1 S. 3 StudienplatzVVO NRW handelt es sich kraft ausdrücklicher Anordnung des Verordnungsgebers um „Ausschlussfristen“. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung einer Frist ist damit ausgeschlossen (§ 32 Abs. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW). Im Übrigen ist festzustellen, dass jedenfalls der im Verwaltungsvorgang enthaltene Text „Wichtige Hinweise zur Berücksichtigung der TMS-Ergebnisse bei der Bewerbung über Hochschulstart“, der sich nach Angabe der Antragsgegnerin Ende Mai bereits auf ihrer Homepage befand, (unter Ziffer 6) deutlich und verständlich auf die Notwendigkeit hinweist, die Eingabe des Testergebnisses durch das Betätigen des Buttons „Daten übermitteln“ abzuschließen.
9Nach ständiger Rechtsprechung ist die Statuierung der in Rede stehenden Ausschlussfristen mit Blick auf die Besonderheiten der Studienplatzvergabe sachgerecht und notwendig und unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Von der Antragsgegnerin ist innerhalb eines recht kurzen Zeitraums eine sehr große Zahl von Zulassungsanträgen (mehrere zehntausend) im Zentralen Verfahren zu bearbeiten und praktisch jede nachträgliche Veränderung des Datenbestandes führt zu einer Verschiebung in den Auswahllisten. Das durchzuführende Auswahl- und Verteilungsverfahren kann erst in Gang gesetzt werden, wenn sämtliche für die Auswahl und Verteilung erheblichen Daten aller Bewerber feststehen. Das Interesse der Allgemeinheit und auch der Studienbewerber selbst an einer funktionierenden und rechtzeitigen Vergabe der Studienplätze rechtfertigt eine strikte Handhabung der den Studienbewerbern gesetzten Fristen.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. September 2011 - 13 A 1090/11 - und vom 7. Dezember 2010 - 13 B 1481/10 -, juris; VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2012 - 6z K 4229/12 - sowie Beschlüsse vom 10. September 2019 - 6z L 1304/19 - und vom 19. Oktober 2021 - 6z L 1318/21 -.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
13Rechtsmittelbelehrung:
14Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
15Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
16Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
17Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
18Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
19Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
20Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
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Referenzen
- 13 A 1090/11 1x (nicht zugeordnet)
- 6z L 1304/19 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 1481/10 1x (nicht zugeordnet)
- 6z K 4229/12 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- 6z L 1318/21 1x (nicht zugeordnet)