Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1814/05

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Erhebung einer Verwaltungsgebühr.

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Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück H.-Ende in Z. (G 1) eine Hochfrequenzanlage (Mobilfunkanlage). Mit Schreiben vom 19.05.2005 zeigte die Klägerin bei der Unteren Immissionsschutzbehörde des Beklagten nach § 7 Abs. 1 der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder) die Inbetriebnahme dieser Anlage zum 03.06.2005 an. Dem Schreiben beigefügt war eine Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 17.05.2005 nebst Anlagen.

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Mit Bescheid vom 25.05.2005 setzte der Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin für die Entgegennahme und Prüfung der Anzeige der Hochfrequenzanlage eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 50,60 EUR fest. Zur Begründung wurde auf Gebührennummer 203.16.1 i.V.m. § 1 der Immissionsschutz-Kostenverordnung Mecklenburg-Vorpommern vom 09.09.2002 in der Fassung der Verordnung vom 15.03.2005 Bezug genommen. Aufgrund des Zeitaufwandes und des materiellen Anlagenwertes werde die Mindestgebühr von 45,00 EUR erhoben. Hinzu kämen 5,60 EUR Auslagen für die Postzustellung.

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Den dagegen mit Schreiben vom 16.06.2005 ohne nähere Begründung eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2005 als unbegründet zurück.

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Am 09.09.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Tarifstelle 203.16.1 des Gebührenverzeichnisses verstoße gegen die Kostenregelung des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Grundsätze der Gebührenerhebung. Außerdem sei die Verwaltungspraxis des Beklagten mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) nicht zu vereinbaren.

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Es liege bereits keine Überwachungsmaßnahme des Beklagten vor, die eine Gebührenerhebung rechtfertigen könnte. Für die bloße Entgegennahme und Überprüfung der Anzeige könne der Beklagte keine Gebühr erheben. Mit der Anzeige informiere der Anlagenbetreiber die Behörde über den Umstand, dass eine solche Anlage demnächst in Betrieb genommen werde. Insofern handele es sich um eine genehmigungsersetzende Anzeige, die der Behörde eine Überwachungstätigkeit erst ermögliche. Die Anzeige selbst sei jedoch keiner Prüfung zugänglich, da sie Wissens- und Willenserklärung des Vorhabenträgers sei, die keine überprüfbaren Bestandteile enthalte. Überprüft werden könne allenfalls die Anlage als solche. Dies wäre dann aber eine immissionsschutzrechtliche Überprüfung nach den §§ 30,52 BImSchG mit den dort geregelten Kostenfolgen. Voraussetzung für eine Kostentragungspflicht sei das Vorliegen einer Überwachungsmaßnahme nach

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§ 52 Abs. 1 BImSchG, die hier nicht gegeben sei. Nur solche Maßnahmen dürften kostenpflichtig ausgestaltet werden.

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Weiter verstoße die Gebührenerhebung gegen § 52 Abs. 4 BImSchG. In dieser Vorschrift sei abschließend geregelt, welche Überwachungskosten dem Betreiber einer anzeigepflichtigen Anlage auferlegt werden dürften. Danach sei kein Raum mehr für eine Gebührenerhebung wegen der Anzeige der Inbetriebnahme einer nichtgenehmigungsbedürftigen Anlage. Die Gebührenerhebung verstoße außerdem gegen die telekommunikationsrechtlichen Gebührenregelungen. Die immissionsschutzrechtliche Überprüfung erfolge bereits im Standortbescheinigungsverfahren nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) vom 20.08.2002. Den für das Anzeigeverfahren nach § 7 der 26. BImSchV zuständigen Landesbehörden verbleibe insoweit kein Prüfungsraum mehr. Das Bundesamt für Post und Telekommunikation könne für die Ausstellung der Standortbescheinigung laut Anlage zur BEMFV eine Gebühr von 73,00 EUR erheben, die die immissionsschutzrechtliche Prüfung abdecke. Es sei daher nicht zulässig, dass für die vermeintliche Überprüfung einer bereits ergangenen Standortbescheinigung nochmals eine Gebühr erhoben werde. Darin liege eine unzulässige Doppelbelastung des Bürgers, weil für dieselbe Amtshandlung letztlich zwei Gebühren gefordert würden. Alle im Zusammenhang mit der Standortbescheinigung anfallenden Amtshandlungen habe der Bundesgesetzgeber abschließend im BImSchG bzw. in der BEMFV geregelt. Dieses Konzept würde unterlaufen, wenn es dem Landesgesetzgeber freistünde, an die Erteilung der Standortbescheinigung weitere gebührenauslösende Amtshandlungen zu knüpfen. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, den das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Umweltrechtes entwickelt habe.

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Schließlich verstoße die Gebührenerhebung gegen das Äquivalenzprinzip. Es fehle an der Veranlassung der Amtshandlung durch die Klägerin. Aus der Eigenschaft als Anlagenbetreiber ergebe sich diese Veranlassung nicht. Regelmäßig sei für die Veranlassung ein Antrag oder ein sonstiges auf Tätigwerden der Behörde gerichtetes Tun erforderlich. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin allenfalls eine Ursache für die behördliche Tätigkeit gesetzt habe. Weiter fehle es an der individuellen Zurechenbarkeit der Amtshandlung, denn diese liege ausschließlich im öffentlichen Interesse. Die Überprüfung beschränke sich darauf, ob die Standortbescheinigung vorgelegt wurde. Sofern nachfolgend geprüft werde, ob die in der Standortbescheinigung vorgegebenen Sicherheitsabstände eingehalten würden, sei diese Amtshandlung nicht gerade durch die Anzeige veranlasst worden. Es handele sich dann vielmehr um eine Überwachungstätigkeit, die wegen eines möglichen Verstoßes gegen immissionsschutzrechtliche Bestimmungen ausgelöst wurde. Ferner werde die Gebühr ohne jegliche Gegenleistung erhoben. In der Überprüfung der Anzeige liege keine Gegenleistung, denn der Anlagenbetreiber könne aus der Überprüfung keinerlei Nutzen ziehen. Wenn der Landkreis mitteile, dass die Anzeige geprüft worden sei, sei dies weder notwendig noch für die Klägerin von irgend einem Nutzen. Der Landkreis müsse keine Bescheinigung einer anderen Behörde überprüfen. Das Gesetz sehe weder eine Plausibilitäts- noch eine Rechtmäßigkeitskontrolle vor.

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Die Klägerin beantragt,

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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 25.05.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18.08.2005 aufzuheben.

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Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz Mecklenburg-Vorpommern (VwKostG M-V) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Kostenverordnung für Amtshandlungen beim Vollzug der Immissionsschutzgesetze und ihrer Durchführungsverordnungen (Immissionsschutz-Kostenverordnung -  ImSchKostVO  M-V) vom 09.09.2002 in der Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 15.03.2005 (GVOBl. M-V 2005, S. 137).

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Nach diesen Vorschriften werden für Amtshandlungen beim Vollzug der Immissionsschutzgesetze und ihrer Durchführungsverordnungen Gebühren erhoben. Die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren ergeben sich aus dem anliegenden Gebührenverzeichnis, das Bestandteil der Verordnung ist. Nach Gebührennummer 203.16.1 wird für die Entgegennahme und Prüfung einer Anzeige nach

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§ 7 der 26. BImSchV eine Gebühr von 45,- bis 2.200,- EUR erhoben.

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Diese Rechtsgrundlage steht entgegen der Auffassung der Klägerin mit höherrangigem Recht im Einklang, wobei die Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.08.1999, 8 C 12.98, BVerwGE 109, S. 272 ff.; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 29.04.2003 - 9 A 183/01, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.06.2007, 11 B 6.06, juris, Rn. 24; VG Saarland, Urt. v. 16.12.2004 - 1 K 10/04, juris).

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Unzutreffend ist zunächst der Einwand, der Beklagte habe die Anzeige der Klägerin nicht überprüft bzw. überwacht, so dass keine gebührenpflichtige Amtshandlung vorliege. Vielmehr hat der Beklagte eine Amtshandlung vorgenommen, indem er die von der Klägerin eingereichte Anzeige auf ihre Rechtzeitigkeit, Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit überprüft hat. Nach § 7 Abs. 1 der Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV vom 16.12.1996 (BGBl. I, S. 1966) hat der Betreiber einer Hochfrequenzanlage diese der zuständigen Behörde mindestens 2 Wochen vor der Inbetriebnahme oder einer wesentlichen Änderung anzuzeigen. Der Anzeige ist die vom Bundesamt für Post und Telekommunikation zu erstellende Standortbescheinigung beizufügen. Nach Absatz 3 der Vorschrift soll der Betreiber die für die Anlage maßgebenden Daten angeben und der Anzeige einen Lageplan beifügen. Diese Vorschriften sind nach ihrem erkennbaren Regelungszweck dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde die Rechtzeitigkeit, Vollständigkeit und Plausibilität der eingereichten Unterlagen überprüfen muss, und sich keinesfalls damit begnügen darf, die Unterlagen lediglich abzuheften. Dass die Überprüfung durch Vorlage der Standortbescheinigung erheblich erleichtert wird, lässt die Gebührenpflicht dem Grunde nach nicht entfallen. Zutreffend führt das Verwaltungsgericht Potsdam zum vergleichbaren brandenburgischen Landesrecht aus, dass eine Amtshandlung auch dann gebührenpflichtig sein kann, wenn nur ein geringer Aufwand von Nöten ist (Urt. v. 27.05.2002 - 5 K 3776/99, juris, Rn. 20).

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Angesichts dieser Rechtslage kommt es auf die zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung umstrittene Frage nicht an, ob der Beklagte berechtigt oder verpflichtet ist, über das Vorliegen der Standortbescheinigung hinaus zu prüfen, ob sich in der Umgebung der Anlage eine schutzbedürftige Baunutzung befindet oder nicht.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin steht die bundesrechtliche Kostenregelung in § 52 Abs. 4 BImSchG der Gebührenerhebung auf landesrechtlicher Grundlage nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfaltet die Vorschrift keine Sperrwirkung gegenüber dem Landesgebührengesetzgeber und schließt auch im Rahmen des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung die Gebührenerhebung auf landesrechtlicher Grundlage nicht aus. § 52 Abs. 4 BImSchG regelt trotz der Verwendung des mehrdeutigen Begriffes der "Kosten" lediglich die Auslagenerstattung im Zusammenhang mit bestimmten Überwachungsmaßnahmen. Darüber hinaus erfasst die Vorschrift nur mit Eingriffen verbundene Überwachungsmaßnahmen, nicht jedoch Maßnahmen rein interner Natur ohne Eingriffscharakter, die sich innerhalb der Behörde allein mit der Auswertung überlassenen Materials befassen (schlicht-hoheitliche Maßnahmen ohne Verwaltungsaktcharakter)(BVerwG, a.a.O., Seite 278 bis 282). Dem schließt sich das Gericht an. Die Entscheidung ist ergangen für die Entgegennahme und Prüfung einer Emissionserklärung nach § 27 Abs. 1 BImSchG, sie ist jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt ohne weiteres übertragbar, weil es in beiden Fällen um eine behördeninterne Prüfung ohne Eingriffscharakter geht. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung mit Beschluss vom 17.05.2006 bekräftigt (7 B 21/06, juris, Rn. 5).

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Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt keine unzulässige Doppelbelastung im Zusammenhang mit telekommunikationsrechtlichen Gebührenregelungen vor. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass im Verfahren zur Erteilung der Standortbescheinigung von der zuständigen Behörde ebenfalls eine Gebühr erhoben werden kann. Beide Gebühren betreffen nicht dieselbe Amtshandlung. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber wegen der Bedeutsamkeit der Hochfrequenzanlagen unter Immissionsschutzgesichtspunkten zusätzlich zu der Standortbescheinigung noch eine immissionsschutzrechtliche Anzeigepflicht vorgeschrieben hat.

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Insofern ist es unerheblich, dass sich die Prüfungsbereiche teilweise überschneiden. Gebührenrechtlich dürfen sie getrennt behandelt werden, weil nach § 7 der 26. BImSchV eine eigenständige Prüfung vorzunehmen ist (vgl. VG Potsdam a.a.O., Rn. 20).

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Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verstoß gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht an den Kriterien der Veranlassung der Amtshandlung, ihrer individuellen Zurechenbarkeit, sowie der erforderlichen Gegenleistung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 25.08.1999 (a.a.O., S. 274 bis 277) überzeugend dargelegt. Dem schließt sich das Gericht an. Die Verwaltungstätigkeit ist hier der Klägerin zuzurechnen, weil die Amtshandlung aufgrund einer von ihr zu erstattenden Anzeige ausgeführt wurde, die dem Pflichtenkreis der Klägerin als Anlagenbetreiberin zuzuordnen ist. Damit ist die die Gebührenerhebung rechtfertigende Sonderrechtsbeziehung zu bejahen. Eines weitergehenden, wirtschaftlich messbaren Vorteils bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Dies folgt bereits daraus, dass es hier nicht um eine Benutzungsgebühr, sondern eine Verwaltungsgebühr geht. Ob die Amtshandlung der Behörde von der Klägerin "gutgeheißen" wird, ist ohne Belang, wie der Vergleich mit anderen "unfreiwilligen" Amtshandlungen zeigt (z.B. Gebühr für die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26.06.1970, BGBl. I, S 865).

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Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit sind Fehler weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Beklagte hat den Gebührenrahmen nicht annähernd ausgeschöpft, sondern die Mindestgebühr von 45,- EUR festgesetzt.

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Die Geltendmachung der Auslagen beruht auf § 1 Abs. 2  ImSchKostVO . Nach dieser Vorschrift sind die in § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz bezeichneten Auslagen, mit Ausnahme der Postgebühren für Zustellungen und Nachnahmen, mit der Gebühr abgegolten.

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Der Beklagte durfte daher Zustellungskosten geltend machen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Angesichts der bereits ergangenen Rechtsprechung hat die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung.

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