Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (11. Kammer) - 11 A 1361/14

Tenor

Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 27.11.2014 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenschuld abwenden, falls der Kläger nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der am ...1976 geborene Kläger war Beamter der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern im Range eines Polizeiobermeisters (POM). Er wurde mit Verfügung des Beklagten vom 01.07.2016 mit Wirkung zum 01.08.2016 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten war der Kläger im Schichtdienst als Streifenbeamter im Polizeirevier X eingesetzt.

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Mit Verfügung des Beklagten vom 07.10.2013 war gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren eingeleitet und mit weiterer Verfügung vom 27.02.2014 ausgedehnt worden. Den Verfügungen zugrunde lag ein zweimaliges Fernbleiben des Klägers vom Dienst am 26.08.2013 bzw. 10.02.2014.

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Mit Nr. 1 der Verfügung vom 27.11.2014 setzte der Beklagte gegen den Kläger gemäß § 35 LDG M-V als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro fest.

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Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, am 26.08.2013 sei der Kläger im Anschluss an eine bis zum 25.08.2013 währende Dienstunfähigkeit zum Frühdienst eingeteilt gewesen. Er sei nicht zum Dienst erschienen und habe dies später damit begründet, von dem Frühdienst nichts gewusst zu haben. Der Kläger habe aber vor seiner Dienstunfähigkeit ausreichend Gelegenheit gehabt, seine geplanten Dienste für August 2013 einzusehen und zu erfassen. Die fernmündlichen Einlassungen des Klägers, er habe von der Frühschicht nichts gewusst, würden sich deshalb als Schutzbehauptungen darstellen. Das Fernbleiben vom Dienst ohne vorherige Genehmigung des Dienstvorgesetzten verstoße gegen § 55 Abs. 1 LBG M-V und verstoße gegen die Dienstpflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten, die der Beruf des Beamten erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Indem der Kläger später für den 26.08.2013 eine Krankmeldung ohne Dienstunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, obwohl er bereits zuvor vom 15. bis 25.08.2013 dienstunfähig gewesen war, habe er gegen die Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bei einer länger als drei Tage dauernden Dienstunfähigkeit gemäß § 55 Abs. 2 LBG M-V verstoßen und eine Täuschungshandlung vorgenommen, weil die Krankmeldung nur vorgeschoben worden sei, um das Fernbleiben vom Dienst zu rechtfertigen. Damit habe der Kläger gegen die aus § 34 Satz 3 BeamtStG resultierende Wahrheitspflicht verstoßen.

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Am 10.02.2014 sei der Kläger für den Spätdienst eingeteilt gewesen, was er auch habe vorher erfassen können. Auf dem bereits am 22.01.2014 bestätigten und für alle Polizeibeamten sichtbar ausgehängten Dienstplan sei bei dem Kläger das eingetragene – S – (= Spätdienst) am 10.02.2014 zu erkennen. Das – N – (= Nachtdienst) sei erst am 10.02.2014 handschriftlich durch den Vorgesetzten eingetragen worden, nachdem dieser sich entschlossen habe, den Kläger nachts seinen Dienst verrichten zu lassen. Zwischenzeitlich sei keine Änderung an dem Dienstplan vorgenommen worden. Der Kläger habe versucht, die Schuld für sein Fernbleiben vom Dienst bei den mit der Dienstplanung beauftragten Beamten im PR X zu suchen. Er selbst sei aber verantwortlich für die richtige Übertragung bereits bestätigter Daten im Zusammenhang mit der Dienstplanung in seine persönlichen Unterlagen. Diese Verpflichtung folge auch daraus, dass der Dienstplan nach seiner Bestätigung eine Anweisung des Vorgesetzten sei.

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Zudem sei ein Beamter dazu verpflichtet, seine fernmündliche Erreichbarkeit korrekt und aktuell in der Dienststelle zu hinterlegen, was der Kläger nicht getan habe. Auch darin sei ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG zu sehen.

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Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme wurde vom Beklagten u. a. berücksichtigt, dass der Kläger bereits auch im Zusammenhang mit der Dienstplanung und –verrichtung Pflichtverstöße begangen hatte, die mit einem Verweis geahndet worden waren.

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Gegen die Verfügung des Beklagten vom 27.11.2014 hat der Kläger unter dem 30.12.2014 Klage erhoben.

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Der Kläger rügt formale Mängel des Disziplinarverfahrens, namentlich Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot aus § 4 LDG M-V, und ist im Übrigen der Auffassung, sich am 26.08.2013 korrekt verhalten zu haben, indem er telefonisch um die Eintragung eines sog. „Unwohlseinstags“ gebeten und außerdem für den Tag eine formlose schriftliche Krankmeldung abgegeben habe. Am 10.02.2014 sei er ebenfalls nicht unerlaubt vom Dienst ferngeblieben, sondern habe mit nachträglicher Genehmigung seiner Vorgesetzten seine Schicht getauscht. Soweit ihm Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, weil er die Vorplanung nicht mit der endgültigen Dienstplanung abgeglichen habe, wäre eine mündliche Ermahnung ausreichend gewesen, was auch für die unterbliebene Mitteilung seiner aktuellen Telefonnummer gelte.

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Der Kläger beantragt,

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die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 27.11.2014 aufzuheben,

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Diese sei auch nach der Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Blick auf die Möglichkeit einer Rückkehr in den aktiven Dienst weiterhin erforderlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10.08.2016 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 3 LDG M-V i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Anfechtungsklage, über die nach der Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 6 LDG M-V i. d. F. d. Bek. v. 11.11.2015 (GVOBl. M-V Nr. 21 S. 437) nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts (im Folgenden: LDG M-V) zu entscheiden ist, hat Erfolg; sie ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 27.11.2014 ist unabhängig davon, dass er zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war (1.), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 60 Abs. 3 LDG M-V nicht (mehr) zweckmäßig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten; § 3 LDG M-V, § 113 Abs. 1 VwGO (2.).

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1. Der Beklagte ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls dadurch ein Dienstvergehen i. S. v. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat, dass er am 26.08.2013 und am 10.02.2014 jeweils unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist und es unterlassen hatte, seine jederzeitige telefonische Erreichbarkeit durch Hinterlegen seiner aktuellen Handy-Nummer zu gewährleisten.

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Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Zu diesen Pflichten der Beamten gehört auch die Dienstleistungspflicht, die aus dem Dienst- und Treueverhältnis (§ 3 Abs. 1 BeamtStG) herzuleiten ist und insbesondere in der Amtsführungspflicht (§ 33 Abs. 1 BeamStG), in der Wahrnehmungspflicht (§ 34 Satz 1 und 2 BeamtStG) sowie in der Folgepflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) gesetzlich ausgestaltet ist. § 55 Abs. 1 LBG M-V, der bestimmt, dass der Beamte dem Dienst nicht ohne Genehmigung seines Dienstvorgesetzten fernbleiben darf, sichert die Einhaltung der Dienstleistungspflicht. Verstößt der Beamte gegen dieses Verbot und bleibt dem Dienst ohne Genehmigung unerlaubt fern, so begeht er ein Dienstvergehen.

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Im vorliegenden Fall ist der Kläger dem im Dienstplan jeweils festgelegten Frühdienst am 26.08.2013 und dem Spätdienst am 10.02.2014 ferngeblieben, ohne dafür eine Genehmigung seines Vorgesetzten gehabt zu haben oder aus anderen Gründen dazu berechtigt gewesen zu sein. Die diesbezüglichen Einlassungen des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis. Wenn der Kläger zu dem Fernbleiben vom Dienst am 26.08.2013 darauf verweist, er habe sich an diesem Tage nach seiner Krankschreibung bis einschließlich 25.08.2013 weiterhin unwohl gefühlt und deshalb einen sog. „Unwohlseinstag“, also eine Krankmeldung ohne ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigung, angemeldet, so wertet die Kammer dies als Schutzbehauptung des Klägers, um dem Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst zu begegnen. Der Kläger hatte in seinem ersten Telefonat mit seiner Dienststelle am Morgen des 26.08.2013 nach der unbestritten gebliebenen Aussage des im Ermittlungsverfahren als Zeugen für dieses Gespräch vernommenen Beamten zunächst angegeben, er habe nicht gewusst, an diesem Tage Frühdienst zu haben. Erst danach, nachdem er erfahren hatte, an diesem Tag für den Frühdienst eingeteilt gewesen zu sein, hatte er darum gebeten, ihm einen Krankheitstag anzurechnen. Damit hat der Kläger auch gegen die aus § 34 Satz 3 BeamtStG resultierende Wahrheitspflicht verstoßen. Im Übrigen hätte auch für den Fall einer tatsächlich fortdauernden Dienstunfähigkeit des Klägers die am übernächsten Tag abgegebene Krankmeldung ohne ärztliche Bescheinigung nicht ausgereicht, ihn von seiner Dienstpflicht an diesem Tage zu befreien. Es hätte sich dabei um die Fortdauer einer bereits zehn Tage andauernden Dienstunfähigkeit gehandelt, die gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBG M-V die erneute Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erfordert hätte.

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Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst am 10.02.2014 war dem Kläger auch entgegen seiner Annahme nicht nachträglich dadurch von seinem Dienstvorgesetzten genehmigt worden, dass der Schichtführer der Nachtschicht den Kläger nach dessen Erscheinen in der Dienststelle hatte an der Nachtschicht teilnehmen lassen. Dies geschah nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten einzig aus dem Grunde, dass in dieser Schicht ein anderer Beamter ausgefallen war und auf den anwesenden Kläger zurückgegriffen werden konnte. Eine nachträgliche Genehmigung für sein Fernbleiben vom Dienst in der Spätschicht, zu der der Kläger eingeteilt war, ist darin nicht zu sehen.

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Das Fernbleiben vom Dienst ohne Genehmigung war auch schuldhaft. Zwar kann dem Kläger sowohl für den 26.08.2013 als auch für den 10.02.2014 kein vorsätzliches Verhalten entgegengehalten werden. Insoweit können dem Kläger seine jeweiligen Einlassungen, er habe von der Einteilung für die Frühschicht am 26.08.2013 bzw. für die Spätschicht am 10.02.2014 nichts gewusst, nicht widerlegt werden. Es gehört jedoch zu der in § 34 Satz 1 BeamtStG normierten Pflicht des Beamten, sich mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen, dass er sich zu jeder Zeit vergewissert, zu welcher Zeit und an welchem Ort er seine Dienstleistungspflicht zu erfüllen hat. Dies gilt in besonderem Maße für Tätigkeiten wie den Polizeivollzugsdienst, bei dem die ständige Einsatzbereitschaft zur Erfüllung der Aufgaben der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gewährleistet sein muss. Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst ist in einem solchen Fall durch ein pflichtwidriges Vorverhalten fahrlässig verursacht, wenn der Beamte seiner Dienstpflicht nicht genügt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um ständig über Zeit und Ort seiner Dienstleistungspflicht im Bilde zu sein.

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Schließlich hat der Kläger dadurch, dass er seine jederzeitige telefonische Erreichbarkeit nicht durch die Hinterlegung seiner aktuellen Handy-Nummer bei seiner Dienststelle sichergestellt hatte, zumindest fahrlässig gegen seine Dienstpflichten aus § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen.

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Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie hat gemäß § 15 Abs. 1 LDG M-V nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens zu ergehen, wobei das Persönlichkeitsbild des Beamten ebenso zu berücksichtigen ist, wie der Umfang, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Dies vorausgesetzt erscheint die Verhängung einer Geldbuße wie geschehen angemessen, um den Kläger zur Erfüllung seiner Dienstpflichten zu ermahnen und dem eingetretenen Vertrauensverlust zu begegnen. Dabei war insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahre 2013 bereits bestandskräftig mit einem Verweis nach § 8 LDG M-V disziplinarisch zur Einhaltung seiner Dienstpflichten ermahnt worden war und bereits kurze Zeit später erneut ein Dienstvergehen begangen hatte. Die weitgehend mangelnde Einsicht des Klägers in die Pflichtwidrigkeit seines Handelns rechtfertigt die Verhängung einer Geldbuße im unteren Bereich der nach § 9 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V zulässigen Höhe.

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2. Die bei ihrem Erlass rechtmäßige Disziplinarverfügung ist indes mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand am 01.08.2016 unzweckmäßig geworden und musste deshalb gemäß § 60 Abs. 3 LDG M-V aufgehoben werden.

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Nach § 60 Abs. 3 LDG M-V prüft das Gericht bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Während bei einer Anfechtungsklage für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung im Regelfall auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist, kann sich bei einer zu diesem Zeitpunkt zur Pflichtenmahnung an den Beamten auch zweckmäßigen Verfügung wegen des Suspensiveffekts der Klage einerseits und sich während des gerichtlichen Verfahrens verändernden tatsächlichen Umständen andererseits eine Änderung der Zweckmäßigkeit der Verfügung ergeben.

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Der Suspensiveffekt der Klage bewirkt, dass die Disziplinarmaßnahme bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht vollstreckt werden kann. Sie kann ihre in die Zukunft gerichtete Pflichtenmahnungsfunktion deshalb solange nicht erfüllen, wie nicht rechtskräftig über die Klage gegen die Disziplinarverfügung entschieden ist. In dieser Pflichtenmahnungsfunktion erschöpfen sich Verweis und Geldbuße. Weitere, insbesondere generalpräventive, Funktionen kommen ihnen nicht zu. Ergeben sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens Umstände, die eine Pflichtenmahnung entweder nicht mehr möglich oder nicht mehr erforderlich erscheinen lassen, hat sich die Disziplinarverfügung entweder erledigt oder sie muss aufgehoben werden, weil sie andernfalls nach Eintritt der Bestandskraft den Beamten weiterhin belasten würde, ohne dass dies zur Pflichtenmahnung erforderlich wäre.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Funktion und Geltung einer Geldbuße als Disziplinarmaßnahme in seiner Entscheidung

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BVerwG, Urt. v. 27.02.2014 – 2 C 1/13- juris u. a. ausgeführt:

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„…Dies ist bei einer Disziplinarverfügung der Fall, wenn der Beamte aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet. Durch dieses Ereignis verliert die Disziplinarverfügung ihren Geltungsanspruch, weil feststeht, dass ihr Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Das Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis lässt das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis entfallen.

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Der Zweck des Disziplinarrechts besteht darin, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und das Ansehen des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Daher werden Disziplinarmaßnahmen im Unterschied zu Kriminalstrafen nicht verhängt, um begangenes Unrecht zu vergelten.

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Vielmehr sollen die Disziplinarmaßnahmen des Verweises, der Geldbuße und der Kürzung der Dienstbezüge, die durch Disziplinarverfügung ausgesprochen werden, den aktiven Beamten die Bedeutung der verletzten Dienstpflichten für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung vor Augen führen und sie dazu anhalten, sich künftig pflichtgemäß zu verhalten. Sie sind darauf gerichtet, den ordnungsgemäßen Betrieb der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen und weitere Funktions- oder Ansehensbeeinträchtigungen zu vermeiden (Urteile vom 23. Januar 1973 - BVerwG 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>; vom 5. Mai 1998 - BVerwG 1 D 12.97 - juris Rn. 19 § 54 Satz 2 BBG Nr. 16>; Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 5).

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Aus diesem Grund steht der Geltungsanspruch von Disziplinarverfügungen unter dem Vorbehalt, dass die gemaßregelten Betroffenen weiterhin die beamtenrechtlichen Pflichten zu beachten haben. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn sie aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sind. Ein früherer Beamter kann nicht mehr gemahnt werden, Pflichten zu beachten, die für ihn nicht mehr gelten. Er kann auch nicht mehr die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes beeinträchtigen.“

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Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt die erkennende Kammer (vgl. auch Urteil vom 04.05.2016 – 11 A 1071/14). Aus ihr lässt sich zum einen entnehmen, dass sich eine der Pflichtenmahnung dienende Geldbuße erledigt, wenn der Beamte aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet und keine nachwirkenden beamtenrechtlichen Pflichten mehr zu beachten hat. Darüber hinaus wird in der Entscheidung darauf abgestellt, dass u. a. die Disziplinarmaßnahme der Geldbuße dem aktiven Beamten die Bedeutung der verletzten Dienstpflichten für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung vor Augen führen und ihn dazu anhalten soll, sich künftig pflichtgemäß zu verhalten. Die Disziplinarmaßnahme knüpft also primär an die konkret begangenen Pflichtverletzungen an und soll den Beamten dazu ermahnen, sich künftig pflichtgemäß zu verhalten. In einem weiteren Sinne dient die Disziplinarmaßnahme damit zwar auch der allgemeinen, d. h. von der konkreten Pflichtverletzung unabhängigen Pflichtenmahnung, sich zukünftig hinsichtlich aller Beamtenpflichten pflichtgemäß zu verhalten. Fallen die vom Beamten während seiner aktiven Dienstzeit verletzten Pflichten aber nach seiner Zurruhesetzung weg und es verbleiben nur die in § 47 Abs. 2 BeamtStG genannten nachwirkenden Pflichten für Ruhestandsbeamte, so verlangt die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Prüfung dahingehend, ob aus dem beanstandeten Verhalten des Beamten auch die Annahme gerechtfertigt erscheint, der Beamte werde in seinem Ruhestand ohne eine fortwirkende Pflichtenmahnung auch die ihm verbleibenden Pflichten verletzen (vgl. zur Problematik auch Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl. 2012 A. IV. 3 Rdn. 90).

34

Dem Kläger obliegen nach dem Ende seines aktiven Beamtenverhältnisses nur noch die in § 47 Abs. 2 BeamtStG genannten nachwirkenden Pflichten, zu denen insbesondere auch die in § 37 BeamtStG geregelte Verschwiegenheitspflicht gehört. Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Kläger werde ohne die Pflichtenmahnung wegen der festgestellten Verstöße gegen die ihm nur als aktiven Beamten obliegenden Pflichten nach seiner Zurruhesetzung auch gegen die ihm verbleibenden Restpflichten verstoßen, sind nicht erkennbar. Die Annahme des Beklagten die Pflichtenmahnung sei auch nach der Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Blick auf die Möglichkeit einer Rückkehr in den aktiven Dienst weiterhin erforderlich, stellt eine im vorliegenden Fall nicht durch Tatsachen begründete Vermutung dar, auf die sich eine Feststellung der fortdauernden Notwendigkeit und damit Zweckmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme nicht stützen lässt. Weder aus der vorliegenden Zurruhesetzungsverfügung vom 01.07.2016 noch aus anderen bekannten Umständen lässt sich im vorliegenden Fall eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ableiten, dass der Kläger wieder in den aktiven Polizeidienst zurückkehren wird. Dies wäre nach Auffassung der Kammer jedoch Voraussetzung für eine weiterhin notwendige Pflichtenmahnung gegenüber dem Ruhestandsbeamten. Die zwar nicht auszuschließende, aber entfernt liegende Möglichkeit einer Reaktivierung reicht dazu – auch mit Blick auf das noch vergleichsweise geringe Lebensalter des Klägers - nicht aus.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 Abs. 1, 78 Abs. 1 LDG M-V.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt aus § 3 LDG M-V i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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