Beschluss vom Verwaltungsgericht Greifswald (5. Kammer) - 5 B 1430/16 HGW

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Herausgabe von Geschäftsunterlagen, die im Wege der Beschlagnahmung in den Besitz der Antragsgegnerin gelangt sind.

2

Am 03.02.2016 vollzog die Antragsgegnerin durch mehrere Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen Beschlüsse des Amtsgerichts A-Stadt (Az. 850 Js 1626/15; 321 GS 1460/15, u.a.). Gegen die Beschlüsse legte die Antragstellerin Rechtsmittel ein, über die bis dato noch nicht entschieden wurde.

3

Am 22.08.2016 hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

4

Sie trägt vor, dass sie sich derzeit in Verhandlungen zur Beteiligung an einem ihrer Projekte mit einem Investor befinde und dieser für seine Entscheidung die begehrten Unterlagen bis zum 15.09.2016 einsehen wolle. Danach wolle der Investor von einer Beteiligung Abstand nehmen. Zudem sei die Antragstellerin nur Drittbetroffene in einem Ermittlungsverfahren gegen ihren Geschäftsführer und andere Personen.

5

Sie beantragt sinngemäß,

6

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre aufgrund der Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts A-Stadt beschlagnahmten Geschäftsunterlagen herauszugeben;

7

hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Kopien ihrer aufgrund der Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts A-Stadt beschlagnahmten Geschäftsunterlagen herauszugeben.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

9

den Antrag zurückzuweisen.

10

Sie trägt vor, dass allein die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig und dementsprechend der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei.

11

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schrift-sätze Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

II.

12

Der Antrag ist unzulässig.

13

Der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist sowohl für den Haupt- als auch für den Hilfsantrag nicht eröffnet. Der Norm entsprechend ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

14

Bei dem im Hauptantrag zum Ausdruck gebrachten Begehren handelt es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO. Die Beschlagnahme der Unterlagen erfolgte nach einer gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts A-Stadt, also eines Aktes der rechtsprechenden Gewalt. Ein Herausgabeanspruch seitens der Klägerin kann demnach solange nicht durchgesetzt werden, wie die Beschlagnahmebeschlüsse wirksam sind [vgl. § 95 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO)]. Faktisch richtet sich das im Hauptantrag zum Ausdruck gebrachte Begehren also gegen die Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts A-Stadt, mithin eines Aktes der rechtsprechenden Gewalt. Solche Akte sind jedoch keine Akte der öffentlichen Gewalt i.S.v. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und können daher auch keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO darstellen (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 40 Rn. 74 f.). Sie sind mit den Rechtsmitteln, die die Strafprozessordnung hierfür vorsieht (Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO, vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 98, Rn. 73), gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Übrigen erscheint es nicht sachgerecht der Antragstellerin faktisch weitere Rechtsschutzmöglichkeiten, neben denjenigen, die gegen die Beschlagnahmebeschlüsse nach der Strafprozessordnung ohnehin gegeben sind, beim Verwaltungsgericht zu gewähren. Dies würde eine Umgehung und ungerechtfertigte Erweiterung der gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten bedeuten.

15

Schließlich besteht auch im Hinblick auf den Hilfsantrag kein Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, da die §§ 478 Abs. 1, 475 Abs. 4 StPO insoweit eine abdrängende Sonderzuweisung enthalten. Den Normen entsprechend ist für das Begehren der Antragstellerin die Staatsanwaltschaft zuständig, soweit das vorbereitende Verfahren stattfindet. Dies ist vorliegend anzunehmen, da nicht erkennbar ist, dass die Ermittlungen oder das Strafverfahren (rechtskräftig) abgeschlossen sind (vgl. hierzu Gercke/Julius/Temming u.a., Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2012, § 406e). Für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Antragsgegnerin liegt die Zuständigkeit dann bei dem gem. § 162 StPO zuständigen Ermittlungsgericht, vgl. § 478 Abs. 3 Satz 1 StPO. Die §§ 478 Abs. 1, 475 Abs. 3 StPO finden dann Anwendung, wenn die Antragstellerin sonstige Dritte, also nicht Beschuldigte, Privatklägerin, Nebenklägerin, Verletzte oder Einziehungsbeteiligte ist (vgl. Gercke/Julius/Temming u.a., Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2012, § 475 [Auskünfte und Akteneinsicht für Privatpersonen], Rn. 1), wovon in Ermangelung gegenteiliger Äußerungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin auszugehen ist.

16

Ob die Möglichkeit Abschriften der Akten zu erhalten, wie es gem. § 406e Abs. 5 StPO dem Verletzten explizit gewährt wird, auch einem sonstigen Dritten zusteht (so scheinbar Löwe-Rosenberg, StPO, § 475, Rn. 12), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

18

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen