Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 1869/16 As HGW

Tenor

1. Soweit die Klage zurückgenommen ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffer 1) und 5) ihres Bescheides vom 23. September 2016 (6282486 - 423) verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten.

2

Der Kläger ist nach eigenem Vortrag afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört zur Volksgruppe der Tadschiken. Der Kläger reiste am 25. September 2015 mit seiner Ehefrau, mit der bereits in Afghanistan über etwa zehn Jahre verheiratet zusammengelebte, und den beiden gemeinsamen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 11. November 2015 stellte er bei der Beklagten einen Asylantrag. Die Beklagte hörte den Kläger am 3. August 2016 persönlich an. Wegen des Inhalts der Anhörung wird auf die darüber gefertigte Niederschrift verwiesen (Blatt 64 bis 69 der Verwaltungsvorgänge). Mit Bescheid vom 23. September 2016 (6282486 - 423) lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab [Ziffer 1) bis 3)], verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten [Ziffer 4)], forderte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an [Ziffer 5)] und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate [Ziffer 6)]. Wegen des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf diesen verwiesen (Blatt 19 bis 30 der Gerichtsakte). Mit Bescheid vom 25. August 2017 (6282486-1 - 423), der nicht zurückgenommen oder widerrufen wurde, erkannte die Beklagte der Ehefrau und den Kindern des Klägers die Flüchtlingseigenschaft zu.

3

Am 12. Oktober 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da ihm ein Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten zustehe.

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Der Kläger beantragt,

5

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. September 2016 (Az.: 6282486 - 423) zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

6

hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen,

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hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz festzustellen.

8

Die Beklagte hält an dem streitgegenständlichen Bescheid fest und beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Das Gericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juli 2017 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die bei der Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

12

Das Gericht kann trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2017 auf Grund dieser entscheiden, da die Beklagte mit der Ladung vom 25. Juli 2017 gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen wurde.

II.

13

1. Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

14

2. Die Klage ist - soweit sie aufrechterhalten bleibt - im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG), zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; er wird durch die Ablehnung seines Antrages in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

15

Der Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich hier aus § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG.

16

Nach diesen Vorschriften wird dem Ehegatten oder dem Lebenspartner eines Ausländers, dem die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar ist (Nr. 1), die Ehe oder Lebenspartnerschaft schon in dem Staat bestanden hat, in dem derjenige, dem Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, politisch verfolgt wird (Nr. 2), der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Ausländers eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat (Nr. 3) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

17

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Ehefrau des Klägers ist mit Bescheid der Beklagten vom 25. August 2017 (6282486-1 - 423), der mit seiner Bekanntgabe im Umfang der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar geworden ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Nach den unbestrittenen Einlassungen des Klägers gegenüber der Beklagten und dem Gericht hat er in Afghanistan bereits etwa zehn Jahre verheiratet mit seiner Ehefrau zusammengelebt. Dasselbe ergibt sich aus den Einlassungen der Ehefrau des Klägers gegenüber der Beklagten. Der Kläger ist weiterhin am 25. September 2015, also deutlich vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten seiner Ehefrau, eingereist. Anhaltspunkte dafür, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen oder zurückzunehmen ist, hat das Gericht nicht.

18

Darüber, ob sich der Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Grund seines Tatsachenvortrags darüber hinaus aus § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ergibt, muss hier genauso wenig entschieden werden wie über die hilfsweise geltend gemachten Schutzstatus.

19

Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 5) des Bescheides ist aufzuheben, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG mit der im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr vorliegen. Die Entscheidung in Ziffer 6) des Bescheides wird mit Aufhebung der Abschiebungsandrohung gegenstandslos.

III.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, wobei das Gericht den Anteil des zurückgenommenen Asylbegehrens in Anlehnung an die Maßgaben des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 29.06.2009 - 10 B 60/08 -, juris Rn. 9) mit 1/3 bewertet. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

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