Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (4. Kammer) - 4 A 161/15

Tatbestand

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Der Kläger begehrt eine gewerberechtliche Erlaubnis als Versicherungsmakler und die Eintragung in das Vermittlerregister.

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Gegenüber der A-Stadt gab er folgende Gewerbeanzeigen ab:

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Datum der Anzeige

Datum des Beginns
der angezeigten
Tätigkeit

 angezeigte Tätigkeit

 29. Oktober 1990

 01. Dezember 1990

 Versicherungsagentur/Generalvertretung

 15. November 1994

 15. Oktober 1994

 Erweiterung der Betriebsstätte

 12. Juni 2002

 30. April 2002

 Finanzierungsvermittlung, Versicherungsvertreter, Versicherungsagentur

 10. März 2005

 10. März 2005

 (neu) Makler gemäß § 34c Nr. 1a und 1b GewO, (weiterhin) Versicherungsvertreter, Versicherungsagentur

 24. Juli 2010

 01. Juni 2010

 Betriebsverlegung

 02. Dezember 2013

 02. Dezember 2013

 (neu) Versicherungsmakler, (weiterhin) Versicherungsvertreter, Versicherungsagentur, Makler gemäß § 34c Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2 GewO

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Im Zeitraum vom 13. Juli 2007 bis zum 31. Mai 2014 war der Kläger im Vermittlerregister als gebundener Versicherungsvermittler nach § 34d Abs. 4 GewO für die {D.} AG eingetragen.

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Mit Schreiben vom 21. Januar 2015 beantragte er bei der Beklagten eine Erlaubnis als Versicherungsmakler und die Eintragung in das Vermittlerregister. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger unter dem 23. Januar 2015 auf, u.a. einen Sachkundenachweis und den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung nachzureichen.

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Mit Schreiben vom 26. März 2015 teilte der Kläger mit, dass er sich in der Ausbildung befinde und im Juni den Sachkundenachweis erbringen werde.

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In der Folge legte er der Beklagten ein Schreiben des Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (BWV) vom 27. März 2015 vor, in dem ihm bestätigt wird, dass er gemäß der Prüfungsordnung "Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)" aufgrund praktischer Tätigkeiten vor dem 01. Januar 1991 zum "Versicherungsfachmann (BWV)" anerkannt und ihm im Jahre 1993 ein dies dokumentierender Qualifikationsausweis ausgestellt worden sei. Unter dem 07. April 2015 übersandte der Kläger zudem eine Bestätigung der {E.} AG vom 05. Februar 2015 über den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zum 01. März 2015.

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Nachdem die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass das Schreiben des BWV keinem Sachkundenachweis gleichstehe, erklärte er sich mit Schreiben vom 17. April 2015 damit einverstanden, das Verfahren im Hinblick auf seine für Juni geplante Sachkundeprüfung bis zum 30. Juni 2015 ruhen zu lassen. Am 30. Juni 2015 teilte er mit, er benötige aufgrund der Anerkennung als Versicherungsfachmann durch den BWV keinen weiteren Sachkundenachweis. Ein solcher erübrige sich auch, weil er seit dem 31. August 2000 und auch schon vor diesem Zeitpunkt ununterbrochen als Versicherungsvermittler tätig sei.

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Mit Bescheid vom 03. Juli 2015 lehnte die Beklagte die Erteilung der Erlaubnis als Versicherungsmakler und die Eintragung ins Vermittlungsregister ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Kläger den notwendigen Sachkundenachweis durch eine Prüfung vor der IHK nicht erbracht habe. Zwar stehe ein vor dem 01. Januar 2009 abgelegter Abschluss als Versicherungsfachmann des BWV einer Sachkundeprüfung vor der IHK gleich. Einen solchen Abschluss besitze der Kläger jedoch nicht, da er bei dem BWV keine Prüfung abgelegt habe. Eine Sachkundeprüfung sei auch nicht nach § 1 Abs. 4 VersVermV entbehrlich, weil der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung nicht ununterbrochen seit dem 31. August 2000 als Versicherungsvermittler tätig sei. Denn seit dem 31. Mai 2014 übe er diese Tätigkeit nicht mehr aus. Insoweit liege auch keine kurze, hinnehmbare Unterbrechung vor.

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Mit Schreiben vom 04. August 2015 zeigte die {F.} der Beklagten an, dass der Vertrag über den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zum 01. März 2015 beendet worden sei.

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Der Kläger hat am 03. August 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht, dass seine Anerkennung als Versicherungsfachmann durch den BWV der Sachkundeprüfung gleichstehe. Er sei seit 1981 in der Versicherungsbranche tätig und zur Ausbildung befähigt gewesen. Die Ausbildereigenschaft habe ihm die Beklagte selbst bescheinigt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 03. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis als Versicherungsmakler zu erteilen und die entsprechende Eintragung in das Vermittlerregister vorzunehmen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und vertieft diese.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis als Versicherungsmakler. Er kann dementsprechend auch nicht die Eintragung in das Vermittlerregister verlangen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 03. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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I. Gemäß § 34d Abs. 2 GewO ist die – nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO für die gewerbsmäßige Tätigkeit als Versicherungsmakler erforderliche – Erlaubnis zu versagen, wenn

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1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betruges, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers oder einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist,

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2. der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt; dies ist in der Regel der Fall, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder er in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist,

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3. der Antragsteller den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung nicht erbringen kann oder

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4. der Antragsteller nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Versicherungsvermittlung notwendige Sachkunde über die versicherungsfachlichen, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Angebotsformen und Leistungsumfang, und rechtlichen Grundlagen sowie die Kundenberatung besitzt; es ist ausreichend, wenn der Nachweis durch eine angemessene Zahl von beim Antragsteller beschäftigten natürlichen Personen erbracht wird, denen die Aufsicht über die unmittelbar mit der Vermittlung von Versicherungen befassten Personen übertragen ist und die den Antragsteller vertreten dürfen.

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§ 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO wird ergänzt durch die u.a. auf der Grundlage des § 34d Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 GewO beruhende Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (Versicherungsvermittlungsverordnung – VersVermV) vom 15. Mai 2007 (BGBl. I S. 733 (1967), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I. S. 1474), in der u.a. die Inhalte und das Verfahren für eine Sachkundeprüfung nach § 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO, die Ausnahmen von der Erforderlichkeit der Sachkundeprüfung sowie die Gleichstellung anderer Berufsqualifikationen mit der Sachkundeprüfung geregelt sind.

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1. Danach hat die Beklagte die Erteilung der Erlaubnis zu Recht versagt, weil es an dem nach § 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO erforderlichen Sachkundenachweis des Klägers fehlt.

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Der Kläger hat weder vor der Industrie- und Handelskammer eine Prüfung nach § 34d Abs. 2 Nr. 4 GewO i.V.m. den §§ 1 bis 3 VersVermV abgelegt noch kann er eine gleichwertige andere Berufsqualifikation nach § 4 VersVermV vorweisen. Das ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

28

Entgegen der Ansicht des Klägers besitzt er aber auch keinen gleichwertigen Abschluss als Versicherungsfachmann nach § 19 Abs. 1 VersVermV. Danach steht ein vor dem 1. Januar 2009 abgelegter Abschluss als Versicherungsfachmann oder -frau des BWV der erfolgreich abgelegten Sachkundeprüfung gleich. Diese Vorschrift erfordert das erfolgreiche Absolvieren einer Prüfung zum Versicherfachmann beim BWV; dagegen ist eine brancheninterne Ausbildung verbunden mit der Verleihung eines Titels nicht ausreichend (vgl. Stenger in: Landmann-Rohmer, GewO, Band II, Stand 06/2015, § 19 VersVermV Rn. 1). Dies macht bereits der Wortlaut der Regelung deutlich, die einen "abgelegten Abschluss" voraussetzt, was erkennbar auf die Ablegung einer Prüfung zielt. Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem Sinn und Zweck der Norm. Dieser bestand darin, bereits mit In-Kraft-Treten der gesetzlichen Erlaubnispflicht zum 22. Mai 2007 (vgl. Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezember 2006, BGBl. I S. 3232) – verbunden mit dem obligatorischen Sachkundenachweis – ein ausreichendes Prüfungsangebot zu gewährleisten. Es war nämlich davon auszugehen, dass die Industrie- und Handelskammern für die zur Installierung des Prüfungsverfahrens erforderlichen Maßnahmen eine gewisse Vorbereitungszeit benötigen würden. Vor In-Kraft-Treten der VersVermV konnten sie mangels entsprechender Ermächtigung keine vorbereitenden Maßnahmen durchführen. Daher sollte der BWV als anerkannte Prüfungseinrichtung für diesen Übergangszeitraum entsprechende Prüfungen anbieten. Das nicht rechtzeitige Angebot von Prüfungen hätte ansonsten für die Gewerbetreibenden, die nach dem 01. Januar 2007 die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung aufgenommen haben, faktisch zu einem Berufsverbot geführt, weil für diese die Übergangsregelung des § 156 Abs. 1 GewO nicht galt (vgl. Stenger in: Landmann-Rohmer, GewO, Band II, Stand 06/2015, § 19 VersVermV Rn. 2).

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Der Kläger wurde ausweislich des Schreibens des BWV vom 27. März 2015 allein aufgrund praktischer Tätigkeiten vor dem 01. Januar 1991 als "Versicherungsfachmann (BWV)" anerkannt. Er hat indes eine Prüfung vor dem BWV zum Versicherungsfachmann nicht abgelegt und ist daher nicht Inhaber eines abgelegten Abschlusses als Versicherungsfachmann des BWV im Sinne von § 19 Abs. 1 VersVermV.

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Schließlich ist eine Sachkundeprüfung auch nicht nach § 1 Abs. 4 VersVermV entbehrlich. Nach dieser Vorschrift bedürfen Personen, die seit dem 31. August 2000 selbständig oder unselbständig ununterbrochen als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater tätig waren, keiner Sachkundeprüfung. Diese Regelung fingiert die notwendige Sachkunde aufgrund langjähriger ununterbrochener Berufserfahrung, wenn im Zeitpunkt der Beantragung der Erlaubnis eine auf den 31. August 2000 zurückreichende ununterbrochene Vermittlertätigkeit vorliegt. Im Zeitpunkt der Beantragung der Erlaubnis mit Schreiben vom 21. Januar 2015 hatte der Kläger seine Tätigkeit als Versicherungsvermittler jedoch schon seit ca. acht Monaten aufgegeben. Nach seinem Vorbringen ist er nämlich seit dem 01. Mai 2014 nicht mehr als Versicherungsmakler, sondern als Interviewer für Finanz- und Energiecheck der ERS e.G. tätig. Daher fehlt es an der ununterbrochenen Tätigkeit als Versicherungsvermittler. Insoweit liegt auch keine kurzzeitige Unterbrechung der Tätigkeit als Versicherungsvermittler, die der Annahme einer ununterbrochenen entsprechenden Tätigkeit nicht entgegen steht (siehe dazu: Stenger, a.a.O., § 1 VersVermV Rn. 17), vor.

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2. Überdies fehlt es am nach § 34d Abs. 2 Nr. 3 GewO erforderlichen Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung des Klägers. Ausweislich des Schreibens der {E.} AG vom 04. August 2015 wurde der betreffende Versicherungsvertrag mit dem Kläger nämlich zum 01. März 2015 beendet.

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II. Ist dem Kläger nach Vorgenanntem keine Erlaubnis als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 GewO zu erteilen, scheidet auch eine entsprechende Eintragung in das Vermittlungsregister, das hinsichtlich der Zulassung und des Umfangs der zugelassenen Tätigkeiten der Eintragungspflichtigen geführt wird, aus (§§ 34d Abs. 7, 11a GewO).

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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