Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (15. Kammer) - 15 E 5746/15

Tenor

Der Antrag vom 19. Oktober 2015 wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen hat.

Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren im Eilverfahren die Aufhebung, hilfsweise die Änderung ihrer Wohnsitzauflage.

2

Die Antragstellerin zu 1) wurde am 17. Juli 19... im Kosovo geboren. Sie ist serbische Staatsangehörige und gehört dem Volk der Roma an. 1991 reiste sie mit Eltern und Geschwistern als Asylsuchende nach Deutschland ein. Nachdem ihr Asylgesuch erfolglos geblieben war, erhielt sie über viele Jahre Duldungen.

3

In den Jahren 2002-2009 war die Antragstellerin zu 1) fortlaufend in der Firma y Gebäudereinigung versicherungsfrei erwerbstätig. Im Jahr 2007 wurde sie vom Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zum Betreuer ihres behinderten Bruders m bestimmt.

4

Am 4. April 2008 wurde ihr für 2 Jahre ein humanitäres Aufenthaltsrechts auf Probe nach § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt. Beigefügt wurde die Auflage „Wohnung darf nur in Hamburg genommen werden“.

5

Am 2. September 2009 heiratete die Antragstellerin zu 1) auf Romaart den in Köln lebenden Herrn S. ()S.. Herr S. wurde am ... Mai 1984 in Montenegro geboren, ist montenegrinischer Staatsangehöriger, gehört ebenfalls dem Volk der Roma an und reiste 1997 unerlaubt mit Eltern und Geschwistern nach Deutschland ein. Sein Aufenthalt wurde hiernach geduldet, wobei sein Aufenthalt bis heute auf Köln beschränkt ist. Ein Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid vom 14. Februar 2008 abgelehnt, da Herr S. zuvor zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden war. Gerichtlicher Rechtsschutz hiergegen blieb erfolglos.

6

Mit Schreiben vom 13. Januar 2010 bat die Antragstellerin zu 1) erstmals darum, die wohnsitzbeschränkende Auflage ihres Aufenthaltstitels zu streichen und ihr hierdurch die Möglichkeit zu geben, beim Ehemann und Vater des jetzt erwarteten Kindes zu leben. Die Beigeladene stimmte dem Umzug der Antragstellerin zu 1) nach Köln nicht zu: Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin zu 1) nach Köln ziehen müsse. Ihr Partner sei vollziehbar ausreisepflichtig und werde in Köln nur wegen Passlosigkeit geduldet. Er gehe keiner Beschäftigung nach, lebe von öffentlichen Mitteln und es sei nicht ersichtlich, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben könne. Ihm sei zumutbar, einen Zuzugsantrag nach Hamburg zu stellen, was schon deshalb die sinnvollere Lösung sei, da die Antragstellerin zu 1) ihren Bruder in Hamburg betreue.

7

Am 11. März 2010 wurde in Köln die Tochter der Antragstellerin zu 1) und des Herrn S., die Antragstellerin zu 2), geboren. Am 28. Dezember 2011 wurde der Sohn des Paares, der Antragsteller zu 3), ebenfalls in Köln geboren. Für die Tochter wurde am 2. Juli 2010 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, für den Sohn eine solche im Mai 2012. Ein für die Antragstellerin zu 2) am 5. Juni 2010 gestellter Asylantrag wurde im September 2011 zurückgenommen, worauf das Asylverfahren mit Bescheid vom 9. Oktober 2011 eingestellt wurde. Der Antragstellerin zu 2) wurde hiernach am 12. Januar 2012 für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt. Diese enthielt die Auflage, dass Wohnung nur in Hamburg genommen werden dürfe. Auf ihren Verlängerungsantrag wurden bis heute nur Fiktionsbescheinigungen unter derselben Auflage erteilt. Dem Antragsteller zu 3) wurden von Anbeginn an lediglich Fiktionsbescheinigungen ausgestellt, die ebenfalls die Auflage enthalten, dass Wohnungsnahme nur in Hamburg erlaubt sei.

8

Am 13. Januar 2011 erhielt die Antragstellerin zu 1), die fortlaufend öffentliche Mittel bezieht, für 2 Jahre eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der Weisung 1/2009, der ebenfalls die Auflage „Wohnung darf nur in Hamburg genommen werden“ beigefügt war. Auf einen Verlängerungsantrag erhielt die Antragstellerin zu 1) zuerst Fiktionsbescheinigungen, da die Wiedererteilung einer Aufenthaltserlaubnis zeitweilig u.a. wegen einer fehlenden Unterkunft in Hamburg fraglich war. Nachdem eine Unterbringung der Familie erfolgt war, erhielt die Antragstellerin zu 1) am 13. Oktober 2014 erneut für 2 Jahre eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Dieser war wiederum die Auflage beigefügt „Wohnung darf nur in Hamburg genommen werden“. Eine Rechtsmittelbelehrung wurde der Antragstellerin zu 1) dabei nicht erteilt.

9

Am 6. November 2014 heiratete die Antragstellerin zu 1) ihren Partner Herrn S., den Vater der Antragsteller zu 2) und 3), in Köln standesamtlich.

10

Mit Schreiben vom 2. Februar 2015 beantragte die Antragstellerin zu 1) für sich und ihre beiden Kinder die Streichung der Wohnsitzauflage für Hamburg: Ihr Ehemann wohne in Köln und sie wolle mit den Kindern zu ihm ziehen. Zu dieser Zeit verfügte die Antragstellerin zu 1) über ihre noch bis zum 12. Oktober 2016 geltende befristete Aufenthaltserlaubnis,  die Antragstellerin zu 2) am 13. Oktober 2014 eine bis zum 12. April 2015 geltende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG und der Antragsteller zu 3) am 28. November 2014 eine bis zum 13. Februar 2015 geltende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG erhalten hatte.

11

Noch am gleichen Tage ersuchte die Antragsgegnerin die Beigeladene um Prüfung, ob sie dem Zuzug der Antragsteller nach Köln zustimme. Diese antwortete wenig später, dass sie für eine Bescheidung des Antrages die Ausländerakten der Antragsteller benötige. Hierauf wurde ein elektronischer Datenträger nach Köln versandt. Mit Schreiben vom 29. April und 24. Juni 2015 sowie vom 5. September 2015 fragte die Antragsgegnerin bei der Beigeladenen hinsichtlich einer Entscheidung nach. Diese teilte im Oktober 2015 mit, den Datenträger nie erhalten zu haben, worauf Ende Oktober nochmals ein Datenträger nach Köln versandt wurde. Nach Auskunft der Beigeladenen soll es sich hierbei aber um die insoweit unbrauchbare elektronische Akte einer nicht verfahrensbeteiligten Person gehandelt haben.

12

Bereits unter dem 25. August 2015 und 10. September 2015 mahnte die jetzt anwaltlich vertretene Antragstellerin zu 1) eine Entscheidung der Antragsgegnerin an.

13

Am 20. Oktober 2015 haben die Antragsteller Untätigkeitsklage erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die bestehende Wohnsitzauflage aufzuheben, jedenfalls aber die Antragsgegnerin zu verpflichten, diese dahingehend zu ändern, dass eine Wohnsitznahme nunmehr in Köln möglich sei: Sie seien seit dem 5. Oktober 2015 in Hamburg obdachlos und wollten zu ihrem Ehemann/Vater nach Köln ziehen. Fraglich sei bereits, ob eine Wohnsitzauflage nach Einführung des § 61 Abs. 1d AufenthG, die diese Auflage für geduldete Ausländer vorsehe, bei Personen, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seien, überhaupt noch möglich sei. Jedenfalls habe sie zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage, da ihr Ehemann, der zugleich sorgeberechtigter Vater ihrer beiden Kinder sei, in Köln lebe und ihm die Wohnsitznahme nur dort erlaubt sei. Die derzeitige Situation sei insbesondere im Hinblick auf die Kinder nicht länger hinnehmbar. Die Familie wolle vor allem deswegen in Köln leben, weil dort fast die gesamte Familie des Ehemannes lebe. Dort seien seine Eltern und seine 4 Geschwister mit Ehepartnern und Kindern. Das Paar erhalte von Seiten dieser Familie viel mehr Unterstützung als durch die Familienangehörigen in Hamburg, insbesondere auch im Hinblick auf die beiden Kinder. Hier sei der Vater der Antragstellerin zu 1) erkrankt und deshalb nicht in der Lage, sie zu unterstützen. Die Kinder verbrächten viel Zeit beim Vater in Köln. Die Familie sehe sich ständig und die Eltern erzögen die Kinder gemeinsam. Bereits vor Eintritt der Obdachlosigkeit in Hamburg hätten sich alle viel zusammen in Köln aufgehalten. Die Obdachlosigkeit resultiere letztlich aus den ständigen Aufenthalten der Mutter und der Kinder in Köln, wo diese 30-40 % ihrer Zeit verbracht hätten. Derzeit hielten sie sich sowohl in Köln als auch bei Verwandten in Hamburg auf. Im Fall einer Familienzusammenführung könnte der Sozialleistungsbezug jedenfalls verringert werden. Da die Antragstellerin zu 1) in Hamburg jahrelang einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, könne sie, wenn die Unterkunft in Köln geregelt und die Betreuung der Kinder dort sichergestellt sei, auch erneut erwerbstätig sein.

14

Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren entgegen: Schon ein Anordnungsgrund sei fraglich, weil die Antragsteller schon mehrere Jahre mit der wohnsitzbeschränkenden Auflagen gelebt hätten. Die jetzige Obdachlosigkeit sei zweifellos selbstverschuldet und könne jederzeit wieder beendet werden. Offenbar seien die Antragsteller nicht gewillt, weiter in Hamburg zu leben. § 61 Abs. 1d AufenthG sei hier nicht einschlägig, da die Antragsteller Aufenthaltserlaubnisse bzw. Fiktionsbescheinigungen und nicht nur Duldungen hätten. Diese könnten nach § 12 Abs. 2 AufenthG mit einer Wohnsitzauflage verbunden werden. Nach den zwischen den Ländern vereinbarten Verwaltungsvorschriften bedürfe die Streichung einer Wohnsitzauflage der Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Eine Rückmeldung der Stadt Köln liege aber nicht vor, so dass es an deren Zustimmung fehle.

15

Mit Beschluss vom 4. November 2015 hat das Gericht die Stadt Köln zu dem Rechtsstreit beigeladen. Diese macht geltend: Sie habe bisher noch keine abschließende Rückmeldung zur Streichung der wohnsitzbeschränkenden Auflage geben können, da ihr die Ausländerakte der Antragsteller nicht übermittelt worden sei. Nach aktuellem Kenntnisstand könne einem Umzug der Antragsteller nach Köln nicht zugestimmt werden. Die gesamte Familie beziehe Sozialhilfeleistungen und der Aufenthalt des Ehemannes werde lediglich geduldet, nachdem der letzte Rückführungsversuch 2014 gescheitert sei. Wirtschaftliche Gründe für einen Zuzug der Familie nach Köln seien nicht erkennbar. Die Beigeladene gehe im Übrigen davon aus, dass bereits früher dem Ehemann die Erlaubnis zum Zuzug nach Hamburg erteilt worden sei, dieser jedoch unterblieben sei. Jedenfalls sei eine Familienzusammenführung auch in Hamburg möglich. Es sei auch naheliegender, einer Person den Umzug zu erlauben statt drei Personen. Eine mögliche Obdachlosigkeit der Antragsteller in Hamburg könne beseitigt werden. Dass in Köln mehr unterstützungsbereite Verwandte der Familie lebten, obwohl auch in Hamburg solche vorhanden seien, begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Zustimmung.

16

Die letzten aus den Sachakten ersichtlichen Fiktionsbescheinigungen der beiden Kinder, die jeweils für 5 Monate ausgestellt worden waren, endeten am 30. November bzw. am 1. Dezember 2015. Das Gericht geht davon aus, dass diese Anfang Dezember 2015 wiederum mit der angegriffenen Wohnsitzbestimmung verlängert wurden.

II.

17

Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist bereits unzulässig. Dies folgt aus § 123 Abs. 5 VwGO, wonach die Regelungen über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht für die Fälle des § 80 VwGO gelten.

18

Die einer Aufenthaltserlaubnis nach § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG beigefügte Wohnsitzauflage ist eine selbstständig anfechtbare belastende Nebenbestimmung (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 HmbVwVfG) zu einem begünstigenden Verwaltungsakt.

19

Da im Hinblick auf die der Aufenthaltserlaubnis vom 13. Oktober 2014 beigefügten Wohnsitzauflage keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden war, betrug die Widerspruchsfrist gegen die Auflage nach § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr. Das mit Schreiben vom 2. Februar 2015 geäußerte Begehren der Antragstellerin zu 1), die Wohnsitzauflage für Hamburg zu streichen, ist deshalb sinngemäß und sachdienlich dahingehend auszulegen, dass es sich um einen Widerspruch gegen die Wohnsitzauflage handeln sollte.

20

Widerspruch und Klage haben hier nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, da kein Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO vorliegt, in dem durch Spezialgesetz bestimmt wurde, dass die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen entfällt. Insbesondere handelt es sich bei einer Wohnsitzauflage nach § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG nicht um eine Regelung, die aufgrund von § 84 Abs. 1 AufenthG regelmäßig sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Nieds. OVG, Beschluss vom 10.9.2014, 8 ME 87/14, juris Rn. 2 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 1.8.2013, 11 L 714/13, juris Rn. 8, VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 1.8.2013, 11 L 714/13, juris Rn. 10; VG Darmstadt, Beschluss vom 19.12.2012, 5 L 1258/12.DA, juris Rn. 4). Auch nach den letzten Novellierungen des § 84 Abs. 1 AufenthG sah der Gesetzgeber offenbar keinen Anlass, diese Wohnsitzauflage in den Katalog der aufenthaltsrechtlichen Regelungen aufzunehmen, in Bezug auf die Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben sollen.

21

Die angefochtene Wohnsitzauflage ist somit im Hinblick auf die Antragstellerin zu 1) derzeit nicht vollziehbar. Einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, sie zu „streichen“ bedarf es deshalb nicht.

III.

22

Entsprechend ist auch das Begehren des Antragstellers zu 3) nicht zulässig.

23

Die einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 AufenthG beigefügte Wohnsitzauflage stellt hier allerdings einen selbstständigen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Abs. 1 HmbVwVfG und keine bloße Nebenbestimmung dar, weil die Fiktionsbescheinigung lediglich deklaratorischen Charakter hat und nur die kraft Gesetzes bestehende Rechtsposition des Ausländers wiedergibt (OVG Hamburg, Beschluss vom 17.3.2014, 4 Bs 297/13, Rn. 9). Die Bescheinigung stellt damit keinen Verwaltungsakt dar und kann deshalb auch nicht mit Nebenbestimmungen versehen werden (BVerwG, Beschluss vom 21.1.2010, 1 B 17/09, juris Rn. 7). Im Fall des nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG fingiert rechtmäßigen Aufenthalts nimmt die Nebenbestimmung auch nicht an der Fiktionswirkung teil, da es hier, anders als bei der Verlängerung eines bestehenden Aufenthaltsrechts, zuvor noch keinen Aufenthaltstitel und damit auch keine diesem beigefügte Nebenbestimmung gegeben hat, deren Fortwirkung fingiert werden könnte. Vielmehr muss die Ausländerbehörde im Fall des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG bei Erteilung einer Fiktionsbescheinigung erstmals entscheiden, ob sie im Vorgriff auf § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG in analoger Anwendung dieser Vorschrift bereits in der Fiktionszeit eine Regelung zur Wohnsitznahme erlässt (vgl. dazu Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 81 Rn. 66). Ein solches liegt dann nahe, wenn zu erwarten ist, dass die begehrte Aufenthaltserlaubnis auch einer solchen Beschränkung unterliegen wird.

24

Der Antrag vom 2. Februar 2015 auf „Streichung der Wohnsitzauflage“ ist deshalb auch hier als Widerspruch zu verstehen. Da der Bestimmung der Wohnsitznahme keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wurde, war der Widerspruch im Hinblick auf die vorangegangene Bescheidung vom 28. November 2014 noch zulässig und entfaltete aufschiebende Wirkung. Da im Hinblick auf nachfolgende Fiktionsbescheinigungen, die dieselbe Bestimmung der Wohnsitznahme enthielten, angesichts des offenen Widerspruchsverfahrens kein ausdrücklicher erneuter Widerspruch erforderlich war, sondern die wiederholenden Regelungen hier in das offene Widerspruchsverfahren einzubeziehen sind, dauert die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bis heute an, so dass es der begehrten einstweiligen Anordnung auch hier nicht bedarf.

IV.

25

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.

26

Insoweit unterscheidet sich die Sach- und Rechtslage von jener der Antragstellerin zu 1), als hier die aktuell wirksame Wohnsitzauflage nicht durch eine Nebenbestimmung zur aktuell geltenden Aufenthaltserlaubnis erlassen wurde, sondern aufgrund der Fiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG nach Ablauf einer mit dieser Auflage versehenen Aufenthaltserlaubnis fortgilt. Die Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG schreibt ein bisher bestehendes Aufenthaltsrecht einschließlich etwaiger Nebenbestimmungen unverändert fort, solange über die Verlängerung nicht entschieden wurde (vgl. Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 81 Rn. 98). Die Beifügung der Wohnsitzauflage stellt deshalb keine neue Regelung dar, sondern beschreibt lediglich den gesetzlich vorgegebenen Umfang der Rechte der Antragstellerin zu 2).

27

Damit in einem solchen Fall ein betroffener Ausländer nicht mehr zur Einhaltung einer fingiert fortgeltenden Wohnsitzauflage verpflichtet ist, bedarf es einer konstitutiven Neuregelung der Wohnsitzfrage durch die Ausländerbehörde bereits in der Fiktionszeit. Die Kammer hat keine Bedenken, dass die Aufhebung einer durch Fiktion fortgeltenden Wohnsitzauflage rechtlich möglich ist, auch wenn es hierfür keine unmittelbar geltenden rechtlichen Grundlagen gibt. Insbesondere dann, wenn eine abweichende Wohnsitznahme von Eltern und Kindern vermieden werden soll oder sich im Hinblick auf andere gewichtige Umstände erkennen lässt, dass die zu erwartende Aufenthaltserlaubnis keine solche Wohnsitzauflage mehr enthalten wird, muss es der Ausländerbehörde im Ermessenswege bereits möglich sein, schon vor Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis durch Verwaltungsakt die fingierte Wohnsitzauflage in analoger Anwendung von § 12 Abs. 4 AufenthG aufzuheben oder zu ändern.

28

Statthafter Antrag der Antragstellerin zu 2) ist deshalb tatsächlich, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Wohnsitzauflage aufzuheben oder aber dergestalt zu ändern, dass dem Kind eine Wohnsitznahme auch in Köln beim Vater möglich ist. Ein solcher Anspruch scheitert hier jedoch in der Sache.

29

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierfür ist erforderlich, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

30

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da jedenfalls kein Anordnungsanspruch ersichtlich ist. Das Ermessen der Antragsgegnerin ist voraussichtlich nicht darauf reduziert, dass der Antragstellerin zu 2) eine Wohnsitznahme in Köln ermöglicht werden muss.

31

Die hier das Kind derzeit betreffende fingierte Wohnsitzauflage beruht auf der fiktiven Fortgeltung einer mit dieser Auflage versehenen abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis, die wiederum dem Aufenthaltsrecht der das Kind wesentlich betreuenden Mutter angeglichen worden war. Weder ist anzunehmen, dass die Wohnsitzauflage der früher erteilten Aufenthaltserlaubnis zu Unrecht beigefügt wurde, noch sprechen zwingende neue Gründe dafür, sie jetzt aufheben oder ändern zu müssen.

32

Nach § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis im Ermessenswege mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung verbunden werden.

33

Ermessensfehler beim Erlass der Auflage im Zusammenhang mit der der Antragstellerin zu 2) erteilten Aufenthaltserlaubnis aus dem Januar 2012 sind hier nicht erkennbar. Es handelt sich um eine wohnsitzbeschränkende Auflage, die, anders als die räumliche Beschränkung, nur die Wohnortwahl, nicht aber die Reisefreiheit im Bundesgebiet einschränkt (vgl. Abschnitt 12.2.5.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom 26.10.2009 - VwV zum AufenthG). Den Antragstellern ist es deshalb nicht verboten, ihren Ehemann und Vater in Köln zu besuchen, sofern sie ihren Wohnort, also ihren gewöhnlichen Aufenthalt, weiterhin in Hamburg haben.

34

Ihren Grund hat die Wohnsitzauflage darin, dass die Familie fortlaufend von Sozialleistungen abhängig ist. Insoweit ist das Ermessen der Antragsgegnerin durch Verwaltungsvorschriften gebunden. Nicht zu beanstanden ist, dass die ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift zum AufenthG in Abschnitt 12.2.5.2.2 wohnsitzbeschränkende Auflagen für Inhaber humanitärer Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 2 AufenthG vorsieht, soweit und solange diese Leistungen nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG beziehen. Denn eine solche wohnsitzbeschränkende Auflage stellt sich als geeignetes Mittel dar, um mittels einer regionalen Bindung die überproportionale fiskalische Belastung einzelner Länder und Gemeinden durch ausländische Hilfeempfänger sowie eine integrationsfeindliche Ballung dieser Personenkreise an bestimmten Orten zu verhindern (vgl. dazu Abschnitt 12.2.5.2.1 der VwV zum AufenthG). Unzweifelhaft und unstreitig beziehen alle Familienmitglieder jedenfalls seit Geburt der Kinder die vorgenannten Sozialleistungen.

35

Nach Abschnitt 12.2.5.2.4 der VwV zum AufenthG bedarf die Streichung oder Änderung der wohnsitzbeschränkenden Auflage zur Ermöglichung eines Wohnortwechsels der vorherigen Zustimmung durch die Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Nach Abschnitt 12.2.5.4.1 ist die Zustimmung zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt am neuen Wohnort für alle Familienangehörigen voraussichtlich dauerhaft ohne die Inanspruchnahme von Sozialleistungen gesichert ist. Dies anzunehmen bestand bisher kein Anlass, auch wenn ein geordnetes Zusammenleben der Elternteile sicherlich den Vorteil birgt, dass sich regelmäßig die Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme verbessern. Da aber bereits bisher der Ehemann und Vater in Köln sogar ohne ständige familiäre Aufgaben nicht in der Lage war, über längere Zeit erwerbstätig zu sein, ist derzeit nicht ersichtlich, dass sich dieses nach einem Zuzug der Familie wesentlich verändern wird.

36

Nach Abschnitt 12.2.5.2.4.2 Spiegelstrich 1 der VwV zum AufenthG ist die Zustimmung unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts auch dann zu erteilen, wenn der Umzug der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen Ehepaaren sowie zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern dient, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) verfügen. Hierunter fallen die Antragsteller nicht, da ihr Ehemann und Vater, zu dem sie ziehen wollen, über keine Aufenthaltserlaubnis verfügt, sondern lediglich geduldet ist.

37

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Antragsgegnerin aufgrund der Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere aufgrund des Schutzes der Familie nach Art. 6 GG, dahingehend reduziert ist, dass den Antragstellern ein Zuzug zum Ehemann und Vater nach Köln zu erlauben ist. Zwar spricht viel dafür, dass die Familienmitglieder trotz des lediglich geduldeten Aufenthaltes des Ehemannes und Vaters die Möglichkeit haben müssen, in einem gemeinsamen Haushalt zu leben, da insbesondere die Kinder beider Elternteile bedürfen und hier anzunehmen ist, dass die Eltern schon bisher in ausreichendem Maße ihr geteiltes Sorgerecht gemeinsam ausgeübt haben. Beide Kinder sind in Köln geboren, was für einen häufigen Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) und später auch der Antragstellerin zu 2) in Köln spricht. Bestätigt wird diese Annahme dadurch, dass die Antragsteller in Hamburg über keine Unterkunft mehr verfügen, da sie die ihnen hier gestellte Wohnunterkunft aufgrund häufiger Köln-Aufenthalte so wenig genutzt haben, dass sie ihnen entzogen wurde.

38

Dies alles begründet aber noch keine Notwendigkeit, dass die Familie nach Köln zieht. Vielmehr ist es in gleicher Weise möglich, dass dem Ehemann und Vater nach § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG aus familiären Gründen ein Zuzug nach Hamburg erlaubt wird. Besondere Gründe, dass die Familie nur in Köln leben kann oder auch dass ein Aufenthalt in Köln gegenüber einem Aufenthalt der Familie in Hamburg evident vorzugswürdig ist, sind nicht erkennbar. Zwar mag die familiäre Unterstützung in Köln insbesondere im Rahmen der dort ansässigen Großfamilie des Ehemanns der Antragstellerin zu 1) besser sein als in Hamburg und es mag für die Eheleute aus kulturellen Gründen auch näher liegend sein, zusammen mit ihren Kindern in der Nähe der Familie des Vaters und nicht der Familie der Mutter zu leben. Nicht erkennbar ist jedoch, dass die Familie hierauf so dringend angewiesen wäre, dass die öffentlichen Interessen an einer gleichmäßigen Verteilung sozialleistungsabhängiger Ausländer dahinter zurückzutreten hätten. Es ist der Antragstellerin zu 1) und den Kindern ohnehin nicht verwehrt, die Verwandten ihres Ehemannes in Köln zu besuchen, da die Antragsteller nur ihren Wohnsitz in Hamburg nehmen, sich aber nicht auch fortgesetzt hier aufhalten müssen. Außerdem könnte die Familie durch ausreichende Erwerbstätigkeit aus eigener Kraft die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Wohnsitzauflage aufgehoben wird.

39

Schließlich ist ein Anordnungsanspruch aktuell auch nicht deswegen gegeben, weil die Mutter der Antragstellerin zu 2) wie auch der kleine Bruder aufgrund der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Wohnsitzauflage derzeit nicht gehindert wären, ihren Wohnsitz nach Köln zu verlagern. Dieser Umstand ist ersichtlich lediglich auf eine Verkennung der Rechtslage zurückzuführen, nicht aber auf die Absicht der Antragsgegnerin, der Mutter und dem Bruder der Antragstellerin zu 2) den Umzug nach Köln zu erlauben. Insoweit hat die Antragsgegnerin die Möglichkeit, die sofortige Vollziehung der die Antragstellerin zu 1) und den Antragsteller zu 3) betreffenden Wohnsitzauflagen anzuordnen. Ferner folgt aus der aktuellen Nichtvollziehbarkeit der Wohnsitzauflage der Mutter und des Bruders zwar das Recht, auch in Köln ihren Wohnsitz zu nehmen, aber keine Pflicht zum Fortzug aus Hamburg. Die Mutter und die Kinder werden deshalb durch die derzeitig unterschiedlichen Rechtspositionen der Familienmitglieder nicht zu einer Trennung gezwungen.

V.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

41

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Dabei ist der Streitwert einer isolierten Wohnsitzauflage im Hauptsacheverfahren für jeden Antragsteller mit dem Regelstreitwert anzunehmen (vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 11.7.2014, 3 E 1003/14, juris Rn. 5), der aber im Eilverfahren zu halbieren ist (Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs).

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