Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (19. Kammer) - 19 AV 7077/17

Tenor

Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Vollstreckungsgläubiger beantragt, für das vorliegende Verfahren den Gegenstandswert festzusetzen (vgl. § 33 Abs. 1 RVG).

I.

2

Mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2017 verpflichtete das beschließende Gericht die Vollstreckungsschuldnerin, dem Vollstreckungsgläubiger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dieser Gerichtsbescheid erwuchs in Rechtskraft. Gleichwohl kam die Vollstreckungsschuldnerin ihrer Verpflichtung zunächst nicht nach, worauf der Vollstreckungsgläubiger mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 beantragte, gegen die Vollstreckungsschuldnerin gemäß § 172 VwGO unter Fristsetzung ein Zwangsgeld festzusetzen. Mit Bescheid vom 6. Juli 2017, dem Vollstreckungsgläubiger zugegangen am 14. Juli 2017, erkannte die Vollstreckungsschuldnerin dem Vollstreckungsgläubiger die Flüchtlingseigenschaft zu. Nachdem die Beteiligten das Vollstreckungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, legte das Gericht mit Beschluss vom 3. August 2017 die außergerichtlichen Kosten dieses Verfahrens der Vollstreckungsschuldnerin auf. Die Beteiligten streiten nunmehr noch über die Höhe des Gegenstandswertes, wobei der Vollstreckungsgläubiger unter Verweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung von der Anwendbarkeit von § 30 Abs. 1 RVG und damit von einem Gegenstandswert von 5.000 Euro ausgeht, während die Vollstreckungsschuldnerin meint, es komme nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG in der Vollstreckung auf den Wert an, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Vollstreckungsgläubiger habe. Dieser Wert seit nach Maßgabe des Streitwertkatalogs im Vollstreckungsverfahren mit ¼ des Werts der Hauptsache und mithin mit 1.250 Euro zu bemessen.

II.

3

Der Gegenstandswert ist mit 5.000 Euro festzusetzen. Dies folgt allerdings weder aus der vom Vollstreckungsgläubiger angeführten Vorschrift, § 30 Abs. 1 RVG (vgl. 1.), noch aus der von der Vollstreckungsschuldnerin genannten weiteren gesonderten Wertvorschrift, § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG (vgl. 2.), sondern aus der allgemeinen Wertvorschrift nach § 23 RVG (vgl. 3.).

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1. Der vom Vollstreckungsgläubiger für richtig erachtete Gegenstandswert folgt nicht aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVG. Danach beträgt „in Klageverfahren nach dem Asylgesetz“ der Gegenstandswert 5.000 Euro. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Dem Antrag auf Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes liegt hier zwar ein Verfahren nach dem Asylgesetz zu Grunde, auch wenn sich die Rechtsgrundlage nicht in diesem Gesetz, sondern in § 172 Satz 1 VwGO findet. Denn es handelt sich um ein „Nebenverfahren“ bzw. eine „Nebenentscheidung“ zum Asylprozess (vgl. allgemein: VGH Mannheim, Beschl. v. 28.2.2017, A 2 S 271/17, juris Rn. 2 f. m.w.N.). Es fehlt aber an einem K l a g e verfahren. Damit nur sind Hauptsacheverfahren, und zwar solche im Erkenntnisverfahren gemeint (vgl. Mayer in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 30 RVG Rn. 11 ff. und Jungbauer in: Bischof / Jungbauer / Bräuer / Klipstein / Klüsener / Uher, RVG, 7. Auflage 2016, § 30 Rn. 7 ff jeweils mit beispielhaften Aufzählungen entsprechender Klageziele). Folglich stellt sich vorliegend auch die Frage, ob der Gegenstandswert nach Maßgabe von § 30 Abs. 2 RVG einer einzelfallabhängigen Korrektur – etwa einer Reduzierung auf ¼ im Sinne der Vollstreckungsschuldnerin – zu unterziehen ist, nicht.

5

2. Ein Gegenstandswert von 5.000 Euro folgt auch nicht aus der von der Vollstreckungsschuldnerin genannten weiteren gesonderten Wertvorschrift gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Danach bestimmt sich in der Zwangsvollstreckung der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Diese Bestimmung ist nicht anwendbar im Falle eines Verfahrens nach § 172 VwGO. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nimmt nicht § 172 VwGO, sondern (allein) Fälle der Zwangsvollstreckung im Sinne der §§ 887, 888 und § 890 ZPO in den Blick (vgl. Gierl in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 25 Rn. 23).

6

3. Ein Gegenstandswert von 5.000 Euro ergibt sich aber durch Rückgriff auf die allgemeine Wertvorschrift nach § 23 RVG. Der einschlägige § 23 Abs. 3 RVG hat folgenden Wortlaut:

7

1Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Gegenstandswert die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes entsprechend. 2Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 Euro anzunehmen.“

8

Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sind 5.000 Euro anzusetzen. Die Erwägungen der Vollstreckungsschuldnerin zur Reduzierung des Gegenstandswerts auf ¼ überzeugen nicht. Bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses des Vollstreckungsgläubigers an der Vollstreckung eines Urteils gemäß § 172 VwGO ist von dem Wert des entsprechenden Hauptsacheverfahrens auszugehen (OVG Münster, Beschl. v. 11.8.2010, 8 E 555/10, NVwZ-RR 2010, 999, juris Rn. 2 f. m.w.N.). Wenn der Streitwertkatalog in Ziff. 1.7.1 die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes als Basis für die Wertfestsetzung nennt, dann bezieht sich das auf die Abwehr von behördlicherseits festgesetzten Zwangsgeldern, nicht aber auf Anträge auf gerichtliche Zwangsgelder nach dem 17. Abschnitt der VwGO (Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 172 Rn. 61 Fn. 191). Nichts anderes gilt für die Reduzierung des Streitwerts auf ¼, welche der Streitwertkatalog in den übrigen Fällen vorschlägt. Auch hier geht es nicht um die Vollstreckung nach dem 17. Abschnitt der VwGO. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt. Dem im Verhältnis zu einem Hauptsacheverfahren regelhaft geringeren Arbeitsaufwand des bevollmächtigten Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren trägt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unmittelbar dadurch Rechnung, dass für das Vollstreckungsverfahren lediglich eine 0,3-fache Gebühr nach Nr. 3309 RVG VV anfällt (VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.2017, 18 M 67/17; VG Freiburg, Beschl. v. 21.8.2017, A 1 K 5172/17).

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