Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 6 K 2949/06

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

3. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

4. Der Antrag auf Beiladung des Regionalverbands, Karlsruhe wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 30.08.2006 anzuordnen,
ist statthaft (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt, denn sie macht u. a. geltend, die angefochtene Baugenehmigung sei zu ihren Lasten unter Missachtung des in § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB normierten interkommunalen Abstimmungsgebots erteilt worden.
Der Antrag ist allerdings nicht begründet. Die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beigeladenen zu 1 an der Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung bereits vor bestands- bzw. rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache das gegenläufige Interesse der Antragstellerin, dass von der angegriffenen Baugenehmigung vorerst kein Gebrauch gemacht werden darf, überwiegt. Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung lässt sich eine offensichtliche Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angegriffenen Baugenehmigung nicht feststellen. Nach Auffassung der Kammer spricht aber jedenfalls keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin durch die angefochtene Baugenehmigung in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wird (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Bei dieser Einschätzung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache und unter Berücksichtigung der Folgen, die sich voraussichtlich an die Gewährung bzw. Versagung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes für die Beteiligten knüpfen werden, fällt die Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Lasten der Antragstellerin aus.
Das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1 beurteilt sich bauplanungsrechtlich nach dem Bebauungsplan „...“ der Beigeladenen zu 2 vom 24.07.2006, der mit ortsüblicher Bekanntmachung am 19.10.2006 in Kraft getreten ist. Der Bebauungsplan setzt im maßgeblichen Bereich des Bauvorhabens ein eingeschränktes Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO fest und enthält lediglich die Einschränkung, dass nur Gewerbebetriebe zulässig sind, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Danach dürfte der streitgegenständliche Einzelhandelsbetrieb, ein Lebensmittelmarkt mit einer genehmigten Verkaufsfläche von insgesamt 758,04 m², im Plangebiet zulässig sein. Bei diesem Betrieb handelt es sich auch nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO, der lediglich in einem Kerngebiet oder in einem Sondergebiet zulässig wäre, da es an dem Kriterium der 800 m² überschreitenden Verkaufsfläche fehlt (so nun: BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 - und - 4 C 8/05 - ).
Nach dem im vorliegenden Verfahren bei nur summarischer Prüfung gegebenen Erkenntnisstand zeichnet sich nichts dafür ab, dass die von der Antragstellerin angegriffene Baugenehmigung Rechtsvorschriften verletzt, die zumindest auch ihrem Schutz als Nachbargemeinde zu dienen bestimmt sind. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die angefochtene Baugenehmigung in unzumutbarer Weise ihre Planungshoheit verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 16.12.1989, BVerwGE 84, 209) enthält § 2 Abs. 2 BauGB a.F. (= § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB n.F.), wonach die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen sind, eine gesetzliche Ausformung der gemeindlichen Planungshoheit, die das Recht einschließt, sich gegen solche Planungen anderer Stellen zur Wehr zu setzen, die die eigene Planungshoheit rechtswidrig verletzen. Unschädlich ist allerdings insoweit eine Verletzung des formellen Abstimmungsverfahrens, die für sich genommen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit eines entsprechend fehlerhaft zustande gekommenen Bebauungsplans führt. Zu prüfen ist vielmehr die materielle Abstimmung, das Abgestimmtsein als Zustand. Ein Abstimmungsbedarf ergibt sich immer dann, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ bei der Nachbargemeinde eintreten können, wobei diese Auswirkungen gleichzeitig einen städtebaulichen Bezug aufweisen müssen (VG Sigmaringen, Beschl. v. 28.03.2002 - 7 K 141/02 - m. w. N. ). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das interkommunale Abstimmungsgebot grundsätzlich für die Aufstellung von Bauleitplänen gilt und eine unmittelbare Anwendung auf baurechtliche Einzelgenehmigungen nicht in Betracht kommen dürfte. In Verfahren, in denen die Nachbargemeinde gegen eine einzelne Baugenehmigung vorgeht, entfaltet § 2 Abs. 2 BauGB a.F. (= § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB n.F.) Rechtswirkungen für die Nachbargemeinde nur/erst dann, wenn die Gemeinde, in der das Vorhaben verwirklicht werden soll, dem Bauinteressenten unter Missachtung dieser Vorschrift einen Zulassungsanspruch verschafft hat. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass die Gemeinde in einer städtebaurechtlich zurechenbaren Weise die Weichen in Richtung Zulassung eines bestimmten Vorhabens gestellt hat. Angesichts dessen erachtet die Kammer es für unerheblich, ob der der Genehmigungserteilung zu Grunde liegende Bebauungsplan als solcher wirksam ist. Ausschlaggebend ist, ob das aufgrund der erteilten Baugenehmigung errichtete Vorhaben sich auf die Bauleitplanung in der Nachbargemeinde auf eine Weise auswirkt, dass von einer Verletzung ihrer Planungshoheit bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.02.1993, NVwZ 1994, 285; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.02.1988, NVwZ-RR 1988,11; VG Sigmaringen, Beschl. v. 28.03.2002 - 7 K 141/02 -).
Die Beigeladene zu 2 hat zwar durch den Bebauungsplan „...“ die Weichen für die Zulassung des streitgegenständlichen Lebensmittelmarktes gestellt. Denn sie hat in die Planung eingestellt, dass auf einer Teilfläche des für das Gewerbegebiet vorgesehenen Planbereichs ein Lebensmittelmarkt der Kette der Beigeladenen zu 1 errichtet werden soll. Jedoch ist für die Kammer im vorliegenden Eilverfahren nicht erkennbar, dass durch die Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens gegen das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB zu Lasten der Antragstellerin verstoßen worden sein könnte. Die Antragstellerin selbst hat keine konkreten planerischen Vorstellungen genannt, deren Verwirklichung durch die angegriffene Baugenehmigung in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Sie hat sich pauschal unter Bezugnahme auf die Antragsbegründung des beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängigen Normenkontrollverfahrens gegen den Bebauungsplan „...“ darauf berufen, dass weiterer Einzelhandel zentren- oder nichtzentrenrelevanter Art sich negativ auf sie auswirke. Die Antragstellerin kann sich zwar als Nachbargemeinde auch unabhängig davon, welche konkreten planerischen Absichten sie verfolgt, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art zur Wehr setzen. Dabei muss es sich um Auswirkungen handeln, die einen städtebaulichen Bezug besitzen. Auswirkungen, welche keine städtebauliche Relevanz haben, bleiben unberücksichtigt. Dies gilt insbesondere für ausschließlich wettbewerbliche Nachteile für bestimmte Einzelhändler und Branchen, deren Verhinderung ebenso wenig ein Anliegen des - wettbewerbsneutralen - Bauplanungsrechts ist wie die Verhinderung rein wirtschaftlicher negativer Auswirkungen (z. B. Abzug von Kaufkraft) auf die Nachbargemeinde. Solche Auswirkungen sind erst dann zu berücksichtigen, wenn sie in eine städtebauliche Dimension umschlagen. Städtebauliche Auswirkungen liegen z. B. vor, wenn durch übermäßige Kaufkraftbindung an einem Standort ein Verdrängungswettbewerb ausgelöst wird und in Folge dessen durch Geschäftsaufgabe im betroffenen Gebiet die ausreichende Nahversorgung der (nichtmotorisierten) Bevölkerung, insbesondere mit Waren des kurzfristigen bzw. täglichen Bedarfs, nicht mehr gewährleistet ist oder die Innenstadt aufgrund drohender Verödung ihre urbane Funktion nicht mehr erfüllen kann (VG Stuttgart, Beschl. v. 26.07.2002 - 13 K 1257/02 - m. w. N. ). Eine Verletzung des drittschützenden interkommunalen Rücksichtnahmegebots ist aber erst dann anzunehmen, wenn die vorgenannten Auswirkungen derart schwerwiegend sind, dass sie für die Nachbargemeinde unverträglich bzw. unzumutbar werden. Zur Beantwortung der Frage, ob die Auswirkungen eines Bauvorhabens mit der städtebaulichen Gestaltung einer Nachbargemeinde unverträglich sind, kann die künftige Umsatzumverteilung als wesentliches Indiz herangezogen werden. In der Rechtsprechung wird insoweit die Grenze bei Umsatzeinbußen bzw. Kaufkraftabflüssen ab 10 % gezogen. Bei Kaufkraftabflüssen bis zu 10% wird die Annahme „unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art“ in der Regel verneint (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.02.2001 - 3 S 133/01 -).
Die im vorliegenden Verfahren nur mögliche summarische Prüfung der Sachlage ergibt, dass der durch den genehmigten Lebensmittelmarkt der Beigeladenen zu 1 entstehende zusätzliche Kaufkraftabfluss aus dem Bereich der Antragstellerin wohl deutlich unter 10% liegen dürfte. Dies ergibt sich für die Kammer bei allen Unsicherheiten, die derartigen Prognosen innewohnen, aus den Ausführungen des im Bebauungsplanverfahren eingeholten Gutachtens ... vom Januar 2005. Dieses Gutachten wurde gerade zur Ermittlung der städtebaulichen und raumordnerischen Auswirkungen des Lebensmittelmarktes der Beigeladenen zu 1 in Auftrag gegeben. Nach den Ausführungen in dem Gutachten liegt das Gebiet der Antragstellerin außerhalb des Einzugsbereichs des genehmigten Vorhabens. Zum Einzugsbereich zählen danach nur die Beigeladene zu 2 selbst sowie die Gemeinden ..., was auf Standortlage, Verkehrsverbindungen und Wettbewerbssituationen zurückgehe. Für die Beigeladene zu 2 werde ein Marktanteil von 15 %, für die Gemeinde ... von 7 - 8 % und für die Gemeinde ... von 5 % jeweils bezogen auf das Sortiment Nahrungs- und Genussmittel prognostiziert. Weiter geht die ... davon aus, dass aufgrund der günstigen Standortlage ein Teil des Umsatzes mit Kunden von außerhalb des Einzugsgebiets generiert werde. Der sogenannte Streuumsatzanteil werde auf eine Größenordnung von ca. 5 % (= Umsatz von ca. 0,2 Mill. EUR) geschätzt. Auch für die Kammer ist im vorliegenden Eilverfahren nicht ersichtlich, dass bei einem solchen Streuumsatzanteil, selbst wenn man diesen allein auf das Gebiet der Antragstellerin beziehen würde, der genehmigte Lebensmittelmarkt eine Kaufkraftverlagerung von mehr als 10 % zu Lasten der Antragstellerin mit sich bringen könnte. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass in der Innenstadt der Antragstellerin wohl die Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses der einzige größere Lebensmittelmarkt ist. Dass dieser in seiner Funktion als innerstädtisches Versorgungszentrum durch das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen zu 1 mit einer Verkaufsfläche von „lediglich“ 758,04 m² beeinträchtigt werden könnte, ist für die Kammer im vorliegenden Eilverfahren nicht erkennbar. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass auf dem Gebiet der Antragstellerin wohl bereits ein Lebensmittelmarkt der Kette der Beigeladenen zu 1 existiert, so dass die Einwohner der Antragstellerin auch auf deren Gemeindegebiet mit einem identischen Angebot versorgt sind. Insoweit kommt auch das Gutachten der ... zu dem Ergebnis, dass der Umsatzanteil, welcher mit Verbrauchern aus dem Gebiet der Antragstellerin am Standort der Beigeladenen zu 2 generiert wird, vergleichsweise gering ausfalle, zumal im Gebiet der Antragstellerin bereits ein „...“ vertreten sei. Hinsichtlich der in der Innenstadt der Antragstellerin ansässigen Geschäfte seien Überschneidungen des „...“ mit Anbietern aus dem niedrigpreisigen Genre, so mit überregionalen Filialisten bei Drogeriewaren und Bekleidung, nur in einem marginalen Umfang zu erwarten.
10 
Die Kammer hält es im vorliegenden Eilverfahren bei nur möglicher summarischer Prüfung der Sachlage für gerechtfertigt, von dem Gutachten der ... auszugehen und der Beurteilung daher eine durch den genehmigten Lebensmittelmarkt verursachte zusätzliche Kaufkraftabschöpfung im Hinblick auf das Gemeindegebiet der Antragstellerin von deutlich unter 10% zu Grunde zu legen. Diese Vorgehensweise ist auch deshalb angebracht, weil die Antragstellerin selbst nicht substantiiert dargelegt hat, welche städtebaulichen Auswirkungen auf ihr Gemeindegebiet mit dem genehmigten Vorhaben verbunden sein könnten. Solche lassen sich für die Kammer auch nicht der Stellungnahme von ... zum ...-Gutachten (vgl. Nr. 11 der Stellungnahme) entnehmen. Dieses beschränkt sich im wesentlichen auf eine Kritik an der Erstellung des ...-Gutachten, untermauert jedoch nicht mit substantiiertem Material die von der Antragstellerin vertretene Position.
11 
Soweit die Antragstellerin rügt, dass im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens nicht eingestellt worden sei, welche sonstigen nicht großflächigen Einzelhandelsbetriebe im Bebauungsplangebiet zulässig seien und welche Auswirkungen die zusätzlichen Einzelhandelsflächen im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels zusammen mit den schon in Kuppenheim vorhandenen Einzelhandelsbetrieben für Lebensmittel für ihr Gemeindegebiet hätten, dürfte sich daraus keine andere Beurteilung ergeben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend, wie bereits ausgeführt, nicht wie in einem Normenkontrollverfahren um die Wirksamkeit des der Genehmigung zu Grunde liegenden Bebauungsplans geht, sondern um die Auswirkungen eines aufgrund der erteilten Baugenehmigung errichteten Vorhabens auf die Planungshoheit der Nachbargemeinde. Denn die Planungshoheit in Verbindung mit dem interkommunalen Abstimmungsgebot, welches grundsätzlich nur für die Aufstellung von Bauleitplänen gilt, begründet in einem Baugenehmigungsverfahren nur insoweit für eine Nachbargemeinde ein Abwehrrecht, als die Gemeinde einem Bauinteressenten unter Missachtung des § 2 Abs. 2 S.1 BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat, d. h. durch einen nichtabgestimmten Bauleitplan die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.02.1993 aaO.). Daher ist vorliegend darauf abzustellen, ob die Genehmigung des Lebensmittelmarktes der Beigeladenen zu 1, der insoweit auf einem - untechnisch gesprochenen - „vorhabensbezogenen“ Bebauungsplan beruht, gegen § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB verstößt, was, nach dem zuvor Ausgeführten, nicht der Fall sein dürfte.
12 
Auch im Hinblick auf § 2 Abs. 2 S. 2 BauGB, der durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz) vom 24.06.2004 (BGBl. I S. 1359) eingefügt worden ist, dürfte die Antragstellerin das Vorhaben aller Voraussicht nach ebenfalls nicht abwenden können. Hiernach können sich benachbarte Gemeinden „dabei“, d. h. im Rahmen der Pflicht zur Abstimmung ihrer Baupläne, auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.
13 
Mit der ersten Alternative dieser Vorschrift soll in Abkehr von der bisherigen herrschenden Meinung erreicht werden, dass eine Gemeinde die Funktion, die ihr durch das Landesraumordnungsrecht im Hinblick auf die zentralörtliche Gliederung zugewiesen worden ist und ihr nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einträgt, als Teil ihrer interkommunal zu wahrenden Planungshoheit soll reklamieren und verteidigen dürfen. Ihr soll es mit anderen Worten nunmehr möglich sein, ihre u. a. an den raumordnerischen Zielen ausgerichtete Bauleitplanung gegen eine ihre zentralörtliche Funktion störende raumordnungswidrige Planung einer anderen Gemeinde zu verteidigen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 - m. w. N. ).
14 
In Anknüpfung an die vorstehenden Ausführungen dürfte sich diese Vorschrift nur auf Bauleitplanungen beziehen. Eine unmittelbare Anwendung auf baurechtliche Einzelgenehmigungen, wie vorliegend, dürfte nicht in Betracht kommen (vgl. Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, § 2 Rdnr. 22; Niedersächsisches OVG, Beschl. V. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -). Nach Auffassung der Kammer dürfte § 2 Abs. S. 2 BauGB entsprechend der Rechtsprechung zu § 2 Abs 2 BauGB a. F. allerdings dann auch ein Abwehrrecht einer Gemeinde gegen ein konkretes Vorhaben direkt begründen, wenn durch einen nicht mit § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB abgestimmten Bauleitplan konkret die Weichen in Richtung Zulassung eines bestimmten Vorhabens gestellt werden (vgl. Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, § 2 Rdnr. 54). Wie bereits ausgeführt, war der genehmigte Lebensmittelmarkt konkret in die Bauleitplanung der Beigeladenen zu 2 eingestellt worden. Jedoch ist für die Kammer im vorliegenden Eilverfahren nicht erkennbar, dass das geplante Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sein könnte und daher die Antragstellerin in einer ihr durch solche Ziele zugewiesenen Funktion verletzen könnte. Denn der Regionalverband „...“ hat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Bebauungsplan „...“ ausgeführt, dass die Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters mit einer Verkaufsfläche unterhalb der Regelvermutungsgrenze der Großflächigkeit nach § 11 Abs. 3 BauNVO zwar wettbewerbliche, aber noch keine raumordnerischen Folgeeffekte auslösen werde. Ein Markt mit einer Verkaufsfläche unterhalb der Regelvermutungsgrenze der Großflächigkeit sei nicht als regional bedeutsam entsprechend dem fortgeschriebenen Kapitel 2.5.3 des Regionalplans ... einzustufen. Mit drei Lebensmittelmärkten sei die Grundversorgung im Kleinzentrum Kuppenheim mit 7.599 Einwohnern im regionalen Vergleich ausreichend gesichert. “Lediglich“ eine Rechtfertigung für weitere über die konkrete Ansiedlungsabsicht des „...“ hinausgehende planerische Angebote zur Generierung weiteren Wettbewerbs ist nach Ansicht des Regionalverbands aus Sicht der Raumordnung nicht gegeben. Angesichts dieser Ausführungen ist zumindest im vorläufigen Rechtschutzverfahren nicht davon auszugehen, dass das genehmigte Bauvorhaben, auf das vorliegend ausschlaggebend abzustellen ist, Ziele der Raumordnung zu Lasten der Antragstellerin verletzen könnte. Die Kammer erachtet es auch insoweit, wie bereits zu § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB ausgeführt, für unerheblich, ob der der Baugenehmigung zugrunde liegende Bebauungsplan als solcher wirksam ist. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die vom Regionalverband angesprochene Problematik der Angebotsplanung für weitere Einzelhandelseinrichtungen der Klärung im Normenkontrollverfahren vorbehalten.
15 
§ 2 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 BauGB dürfte die Antragstellerin gleichfalls nicht zur Abwehr des Vorhabens der Beigeladenen zu 1 berechtigen. Danach kann sich die Antragstellerin als Teil ihrer interkommunalen Abstimmungsbefugnisse auch auf die Auswirkungen berufen, die das Vorhaben auf ihre zentralen Versorgungsbereiche hat/hätte. Einer Berufung hierauf könnte bereits entgegenstehen, dass auch diese Bestimmung grundsätzlich nicht gegen Einzelvorhaben in Stellung gebracht werden kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -). Auch insoweit könnte unter Bezugnahme auf die bereits angeführte Rechtsprechung die Vorschrift auf die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung dann durchschlagen, wenn das vorliegend in Rede stehende Bauvorhaben geeignet wäre, zentrale Versorgungsbereiche der Antragstellerin durch Abzug von Kaufkraft zu gefährden. Dafür bestehen nach den obigen Ausführungen im vorliegenden Eilverfahren keine ausreichenden Tatsachengrundlagen. Auch das Antragsvorbringen hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine wesentliche Beeinträchtigung der zentralen Versorgung auf dem Gebiet der Antragstellerin durch das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1 aufgezeigt.
16 
Nach alledem dürfte nach der hier gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung jedenfalls keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die von der Antragstellerin angefochtene Baugenehmigung deren Rechte verletzt. Bei dieser Einschätzung der Sach- und Rechtslage räumt die Kammer auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Folgen einer stattgebenden bzw. ablehnenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren dem Interesse der Beigeladenen zu 1 an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung den Vorrang ein. Bei den Folgen für die Antragstellerin ist zu berücksichtigen, dass die von ihr befürchteten Nachteile nicht schon mit der Vollendung des Bauvorhabens eintreten würden, sondern erst mit der tatsächlichen Aufnahme der genehmigten Nutzung, die im Falle einer Aufhebung der Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren untersagt werden könnte. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das durch die dargelegte Einschätzung der Sach- und Rechtslage begründete Gewicht des Interesses am Sofortvollzug wiegen die im Hinblick auf die Investitionsmaßnahmen und wirtschaftlichen Dispositionen der Beigeladenen zu 1 zu erwartenden Nachteile bei einem bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinausgeschobenen Baubeginn deutlich schwerer als die Belange der Antragstellerin.
17 
Der Antrag war somit mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG (vgl. den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004, Nr. 9.7.2).
18 
Der Antrag auf Beiladung des Regionalverbands ... war abzulehnen. Dass dessen rechtliche Interessen durch die vorliegende gerichtliche Entscheidung berührt sein könnten, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Zum einen räumt § 22 LPlG den Regionalverbänden eine eingeschränkte Klagebefugnis nur gegen Verwaltungsakte ein, die die Errichtung, Erweiterung oder wesentliche Nutzungsänderung eines Einkaufszentrums, eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes oder eines sonstigen großflächigen Handelsbetriebes betreffen. Gegenstand der vorliegend im Streit befindlichen Baugenehmigung ist jedoch kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Zudem hat der Regionalverband ... in seiner Stellungnahme im Bebauungsplanverfahren vom 30.05.2006 ausgeführt, dass der genehmigte Lebensmittelmarkt der Beigeladenen zu 1 keine raumordnerischen Folgeeffekte auslösen werde und nicht als regional bedeutsam einzustufen sei.

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