| |
| Die zulässige Klage ist unbegründet. |
|
| Die Verfügung des Beklagten vom 07.08.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). |
|
| Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Die Änderung der Feststellungsklage in eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) gegen die während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erlassene Untersagungsverfügung des beklagten Landes vom 07.08.2008 (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist zulässig, weil der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung der Klageänderung zugestimmt hat. Abgesehen davon hält sie das Gericht für sachdienlich. |
|
| Streitgegenstand ist die Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.08.2008. Deren Inhalt bestimmt sich nach ihrem Tenor und den Gründen, wobei für das Verständnis der Verfügung vom Empfängerhorizont auszugehen ist. Es ist zu fragen, wie der Adressat bzw. ein Drittbetroffener den Verwaltungsakt nach dessen äußerer Form, nach seiner Abfassung, nach seiner Begründung sowie unter Berücksichtigung aller sonstigen bekannten und erkennbaren Punkte verstehen durfte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 10. Aufl., § 35 Rdnr. 18 f.). Die Untersagung betrifft eindeutig verschreibungspflichtige Arzneimittel (Ziff. 2. a) u. d) der Verfügung) und nicht verschreibungspflichtige, aber verschriebene Arzneimittel sowie alle apothekenpflichtige Arzneimittel. Dies ergibt sich schon aus dem Tenor der Verfügung, die uneingeschränkt auf „Arzneimittel“ abstellt, sowie aus ihrer Begründung, in der ebenfalls allgemein von „Arzneimitteln“ die Rede ist und die auf § 17 Apothekenbetriebsordnung - ApoBetrO - sowie auf den für (nur) apothekenpflichtige Arzneimittel geltenden § 2 Abs. 5 und 6 ApoBetrO Bezug nimmt. |
|
| Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung ist § 69 Abs. 1 S. 1 Arzneimittelgesetz vom 12.12.2005 (BGBl. I 2005, 3394 a.a.O.,) - AMG -. Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Hierzu gehören arzneimittel- und apothekenrechtliche Bestimmungen (BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 - 3 C 27/07 -, u. Urt. v. 22.01.1998, BVerwGE 106, 141 ff.). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Arzneimitteln mittels des visavia-Systems und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Es ist anerkannt, dass die Gerichte bei der Beurteilung derartiger Dauerverwaltungsakte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (BVerwG, Urt. v. 22.01.1998, a.a.O. u. Urteile v. 29.09.1994 - BVerwG 3 C 1.93 -, BVerwGE 96, 372 ff. u. v. 03.11.1994 - BVerwG 3 C 17.92 -, BVerwGE 97, 79 ff. jeweils m.w.N.). Bei dem hier in Rede stehenden Regelungskomplex ist dies nicht der Fall. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, auf die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen. |
|
| Gemessen daran ist die Untersagungsverfügung vom 07.08.2008 insgesamt rechtmäßig, sowohl hinsichtlich der untersagten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Ziff. 2. a) u. d) der Verfügung) und nicht verschreibungspflichtiger, aber verschriebener Arzneimittel über das visavia-System (1.) als auch hinsichtlich der untersagten Abgabe aller anderer apothekenpflichtigen Arzneimittel (2.). |
|
| 1. Das Angebot des Arzneimittelbezugs über das visavia-System verstößt gegen § 17 Abs. 6 ApoBetrO i.d.F. vom 20.07.2007, gültig ab 01.08.2007, und § 1 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln vom 21.12.2005 (BGBl. I 2005, 3632) - AMVV - und § 48 AMG. Der Wortlaut, der systematische Zusammenhang und Sinn und Zweck dieser Vorschriften gebieten, dass dem Apotheker bei Ausgabe des Arzneimittels das Original der Verschreibung - körperlich - vorliegen muss. Die Abgabe von Arzneimitteln aufgrund einer Verschreibung über das visavia-System gewährleistet nicht, dass die vorgenannten Vorschriften eingehalten sind. |
|
| Nach § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO sind bei der Abgabe der Arzneimittel auf der Verschreibung oder im Falle der Verschreibung in elektronischer Form der elektronischen Verschreibung folgende Angaben hinzuzufügen: |
|
| 1. der Name oder die Firma des Inhabers der Apotheke und deren Anschrift, |
|
| 2. das Namenszeichen des Apothekers, des Apothekerassistenten, des Pharmazieingenieurs oder des Apothekenassistenten, der das Arzneimittel abgegeben, oder des Apothekers, der die Abgabe beaufsichtigt hat; im Falle der Verschreibung in elektronischer Form ist das Namenszeichen durch eine elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz zu ersetzen, wobei der Apothekenleiter die Rückverfolgbarkeit zum jeweiligen Unterzeichner und deren Dokumentation sicherzustellen hat, |
|
|
|
| 4. der Preis des Arzneimittels, |
|
| 5. das in § 300 Abs. 3 Nr. 1 des 5. Buches Sozialgesetzbuch genannte bundeseinheitliche Kennzeichen für das abgegebene Fertigarzneimittel, soweit es zur Anwendung beim Mensch bestimmt ist. |
|
| Abweichend von Nr. 2 kann der Apothekenleiter nach Maßgabe des § 3 Abs. 5 die Befugnis zum Abzeichnen von Verschreibungen auf pharmazeutisch-technische Assistenten übertragen. Der pharmazeutisch-technische Assistent hat in den Fällen des Abs. 5 S. 2 und bei Verschreibungen, die nicht in der Apotheke verbleiben, die Verschreibung vor, in allen übrigen Fällen unverzüglich nach der Abgabe des Arzneimittels einem Apotheker vorzulegen. |
|
| Der Wortlaut und Regelungszusammenhang, in dem § 17 Abs. 6 ApoBetrO steht, gebieten diese Bestimmung so auszulegen, dass sie die körperliche Übergabe der „Verschreibung“ im Zeitpunkt („bei“) der „Abgabe“ des Arzneimittels voraussetzt und die nach dieser Vorschrift geforderten Angaben „auf“ dem Original der Verschreibung angegeben werden müssen (vgl. Pfeil/Pieck/Blume, Apothekenbetriebsordnung, § 17, Anm. 21 ff.). Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut und Sinn bei Bestellung eines Arzneimittels aufgrund einer Verschreibung anzuwenden, und damit auch auf nicht verschreibungspflichtige, aber tatsächlich verschriebene Arzneimittel. Unter einer „Verschreibung“ (vgl. § 2 Abs. 2 AMVV) versteht man die schriftliche Anweisung eines Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes, ein bestimmtes oder mehrere bestimmte Arzneimittel an den Kunden abzugeben (Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 17 Rdnr. 18). Die „Abgabe“ stellt die Übergabe des Arzneimittels an den Kunden dar (BVerwG, Urt. v. 22.01.1998, a.a.O.,). Die Formulierung „bei der Abgabe“ beinhaltet eine Zeitangabe, sie verbindet die Abgabe von Arzneimitteln zeitlich mit dem Hinzufügen der vom Gesetz geforderten Einzelheiten (s. § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 1-5 ApoBetrO) auf der Verschreibung. Weil diese Angaben bei der Abgabe hinzugefügt werden müssen, setzt dies begriffsnotwendig das Vorliegen der Verschreibung bei der Arzneimittelausgabe voraus. § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 ApoBetrO macht zugleich eine Aussage darüber, wer diese Angaben hinzufügen muss, weil auf der Verschreibung das Namenszeichen des Apothekers, des Apothekerassisten, des Pharmazieingenieurs oder des Apothekenassistenten, der das Arzneimittel abgegeben hat, oder des Apothekers, der die Abgabe beaufsichtigt hat, hinzuzufügen ist. Dabei handelt es sich um einen Teil des in § 3 Abs. 3 ApoBetrO erfassten pharmazeutischen Personals. Der eindeutige Wortlaut des § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO fordert demnach, dass der Apotheker oder das gem. § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 3 ApoBetrO gesetzlich zugelassene Personal die in § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 1-5 ApoBetrO vorgeschriebenen Angaben vollständig und im Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels auf der Verschreibung dokumentiert. |
|
| Die Arzneimittelabgabe mittels des visavia-Systems und des Automaten an der Apotheke des Klägers sichert nicht, dass der zugeschaltete Apotheker die von § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO geforderten Angaben im Zeitpunkt der Freigabe des Arzneimittels über den Automaten „auf der Verschreibung“, dem Original, angibt. Denn die Verschreibung liegt zu diesem Zeitpunkt im Automaten. Dem den Bildschirm bedienenden Apotheker liegt das Original der Verschreibung nicht körperlich vor. Er bearbeitet den Vorgang am Bildschirm mittels des Computersystems, er sieht am Bildschirm die eingescannte Kopie der Verschreibung, nicht das Original. Das Original der Verschreibung wird den Angaben des Klägers zufolge bei Bestellungen zur Nachtzeit am nächsten Morgen von ihm, dem Apothekenleiter, dem Automaten entnommen und mit den gesetzlich geforderten Angaben abgezeichnet. Bei Bestellungen am Automaten tagsüber werden die Verschreibungen ebenfalls zunächst im Automaten gesammelt und im Laufe des Tages vom Apotheker bzw. dem pharmazeutisch-technischen Assistenten (§ 17 Abs. 6 S. 1, 2 u. 3 ApoBetrO) bearbeitet. Die gesetzlich geforderten Angaben werden nicht „bei Abgabe“, sondern nachträglich hinzugefügt. Eine nachträgliche Abzeichnung des Originals der Verschreibung, z.B. am nächsten Tag, lässt der Wortlaut nicht zu (so auch Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, § 17 Rdnr. 559; Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 17 Rdnr. 22 ff.). Ebenso wenig genügt nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass die von § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO geforderten Angaben über das Computersystem festgehalten und am Bildschirm einsehbar sind, wie es bei Einnahme des Augenscheins in einem Mustervorgang vorgeführt wurde. Das visavia-System hält für jeden Vorgang bestimmte Eintragungsfelder vor, in die die gesetzlich erforderlichen Angaben vom Apotheker eingefügt bzw. hinzugefügt werden können. Auf diese Weise wird über die Abwicklung der Arzneimittelabgabe durch einen Apotheker mit Hilfe des Computersystems ein Protokoll erstellt, das sich auch ausdrucken lässt. Im Hinblick auf die Formulierung „bei Abgabe“ ... „auf der Verschreibung“ ist ein Protokoll aber nicht ausreichend, um § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO einzuhalten. Unzureichend ist ferner, dass der Automat dem Kunden einen Bon über das Ergebnis der Medikamentenausgabe auswirft. Denn, wie der in der mündlichen Verhandlung ausgeworfene Bon gezeigt hat, sind nicht alle in § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 1-5 ApoBetrO geforderten Angaben enthalten. Es fehlt u. a. der Name des abgebenden Apothekers (§ 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 ApoBetrO). |
|
| Der Wortlaut des § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 2, S. 2 und 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 ApoBetrO verhält sich auch dazu, wem die Verschreibung bei Abgabe des Arzneimittels vorliegen muss. Die Verschreibung muss im Zeitpunkt und „bei“ dem tatsächlichen Vorgang der Arzneimittelabgabe dem verantwortlichen Personal körperlich vorliegen, andernfalls kann es nicht die von § 17 Abs. 6 S. 1 Nr. 1-5 ApoBetrO geforderten Angaben „hinzufügen“. Beim visavia-System liegt dem Apotheker bzw. verantwortlichen Personal die Verschreibung während des Bestellungsvorgangs nicht vor. Dass die Verschreibung in dem mit seiner Rückseite in die Räumlichkeiten der Apotheke hineinreichenden Automaten aufbewahrt wird und das Fach vom Innenraum der Apotheke aus für den Apothekenleiter zugänglich ist, die Verschreibung also dort körperlich im Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels über das visavia-System „liegt“, reicht deshalb nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 6 S. 1 ApoBetrO nicht aus, weil mit dem Erfordernis des Vorliegens der Verschreibung der Zweck erreicht werden soll, dass auf ihr die erforderlichen Angaben hinzugefügt werden und dies setzt wiederum voraus, dass die Verschreibung körperlich vorliegt. Die Lesart des Kläger-Vertreter, es genüge, wenn die Verschreibung in der Apotheke bzw. im Automaten liege, lässt dieses sprachlich klar gefasste Ziel außer Acht. Der verantwortliche Apotheker, der das Arzneimittel mittels des visavia-Systems über den Automaten abgibt bzw. die Arzneimittelabgabe veranlasst, hält sich während der normalen Öffnungszeiten der Apotheke in einem zur Apotheke gehörenden Raum auf, er kann aber nicht direkt auf das Fach des Automaten zugreifen, in dem die Verschreibungen gesammelt werden. Nach den Feststellungen bei Einnahme des Augenscheins hat nur der Kläger als Apothekenleiter Zugriff auf die Rückseite des Automaten in seiner Apotheke und damit auf die Verschreibung, nicht auch das den Bildschirm tagsüber bedienende Personal. Nicht vorgesehen ist und in der Apotheke des Klägers nicht praktiziert wird, dass das den Bildschirm bedienende Personal während des Bestellungsvorgangs am Automaten die Verschreibung aus dem Fach nimmt oder sich bringen lässt. Der Nutzen des Automaten wäre bei einer solchen Praxis ohnehin in Frage gestellt. Außerhalb der normalen Öffnungszeiten befindet sich der den Automaten bedienende Apotheker ohnehin nicht in den Apothekenräumen des Klägers. Er ist über das Internet mit dem Automaten verbunden. Schon deshalb hat er keine Möglichkeit, die Verschreibung in Papierform zu überprüfen. Die Formulierung in § 3 Abs. 3 des Servicevertrages zwischen dem Kläger und VISAVIA vom 08.10.2007, dass die Beratungsleistung den gesetzlichen Vorschriften entsprechen soll, vermag nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 ApoBetrO herzustellen. |
|
| Von dem Erfordernis der Arzneimittelausgabe gegen (gleichzeitige) Vorlage einer Verschreibung im Original geht auch der Wortlaut des § 17 Abs. 5 ApoBetrO aus. Danach müssen die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen (Satz 1). Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist (Satz 2). Der Apotheker hat jede Änderung auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben oder im Falle der Verschreibung in elektronischer Form der elektronischen Verschreibung hinzuzufügen und das Gesamtdokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen (Satz 3). Abgesehen davon, dass der Apotheker seiner Prüfungspflicht nach Satz 2 dieser Vorschrift nur dann gerecht werden kann, wenn er das Original in den Händen hält (so VG Bayreuth, Beschl. v. 23.04.2008 - B 1 S 08.319 - u. Bay. VGH, Beschl v. 06.08.2008 - 9 CS 08.1391 -), worauf noch eingegangen wird, gebietet auch der Wortlaut des Satzes 3 des § 17 Abs. 5 ApoBetrO die Absätze 5 und 6 dieser Vorschrift so auszulegen, dass die körperliche Übergabe der Verschreibung an den Apotheker notwendig ist, damit er Änderungen „auf der Verschreibung“ vermerken kann. Diese Formulierung verbietet es, eine eingescannte Verschreibung bzw. eine Kopie der Verschreibung mit einer solchen gleichzusetzen. |
|
| Der Wortlaut des § 48 Abs. 1 AMG unterstützt diese Auslegung des § 17 Abs. 6 S. 1 und Abs. 5 ApoBetrO. Danach dürfen Arzneimittel, die 1. durch Rechtsverordnung nach Absatz 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 4 und 5, bestimmte Stoffe, Zubereitungen aus Stoffen oder Gegenstände sind oder denen solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zugesetzt sind, oder die 2. nicht unter Nummer 1 fallen und zur Anwendung bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, bestimmt sind, nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden. Welche Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterfallen, bestimmt gemäß § 48 Abs. 2 AMG das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung. Dies ist durch die Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung - AMVV - v. 21.12.2005, BGBl. I, 3632) geschehen. Nach § 1 AMVV vom 21.12.2005 (BGBl. I 2005, 3632) in der ab 01.10.2007 gültigen Fassung vom 18.07.2007 - AMVV - dürfen Arzneimittel nach den Ziffern 1-3 nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abgegeben werden (verschreibungspflichtige Arzneimittel), soweit in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist. Das in § 48 Abs. 1 AMG und § 1 AMVV in der Form eines Hauptwortes verwendete Wort „Vorliegen“ setzt voraus, dass die Verschreibung vorgelegt wird, mit anderen Worten, dass der Gegenstand der Verschreibung körperlich vorhanden ist. Die Formulierung „bei Vorliegen“ bezieht sich grammatikalisch auf das Wort „abgegeben“, womit die Arzneimittelabgabe gemeint ist. Das Wort „bei“ ist als eine Zeitangabe zu verstehen und es stellt zugleich einen sachlichen Zusammenhang zwischen der Arzneimittelabgabe und dem Vorliegen der Verschreibung her. Die Arzneimittelabgabe und das Vorliegen der Verschreibung müssen zeitlich zusammentreffen, was nur dann gegeben ist, wenn der abgebenden Person die Verschreibung im Original vorliegt, und in diesem Zeitpunkt muss die Verschreibung körperlich vorliegen. |
|
| Der Wortlaut der §§ 17 Abs. 5 und 6 ApoBetrO, 48 Abs. 1 AMG und des § 1 AMVV sowie ihr systematischer Zusammenhang stünde der Zulässigkeit des visavia-Systems nur dann nicht entgegen, wenn sich aus ihrem Sinn und Zweck oder aus anderen Auslegungskriterien oder Gesetzesänderungen ergäbe, dass ein Verbot einer solchen Verkaufseinrichtung von der Norm nicht beabsichtigt ist. Dies ist nicht der Fall. |
|
| Sinn und Zweck des § 17 Absätze 5, 5a und 6 ApoBetrO gebieten, diese Bestimmungen so auszulegen, dass sie die körperliche Vorlage der Originalverschreibung bei der Abgabe des Arzneimittels erfordern und eine visuelle Wahrnehmung einer eingescannten Kopie nicht genügen lassen (vgl. VG Bayreuth, Beschl. v. 23.04.2008 - B 1 S 08.319 -). Das Wort „Vorliegen“ bezieht sich auch nach dem Zweck des § 17 Abs. 5 und 6 ApoBetrO auf die Person, die das Arzneimittel dem Kunden aushändigt bzw. zur Verfügung stellt, und zwar im Zeitpunkt der Abgabe. Denn der Apotheker kann seiner Prüfungspflicht aus § 17 Abs. 5 ApoBetrO nur dann optimal gerecht werden, wenn ihm das Original der Verschreibung bei Abgabe der Arzneimittel vorliegt in dem Sinn, dass er sie in den Händen halten kann. Neben dem in § 17 Abs. 5 S. 1 ApoBetrO geregelten Substitutionsverbot muss die Verschreibung unter anderem auch dahingehend geprüft werden, ob sie falsch oder gefälscht ist oder ihrem Inhalt nach der Umgehung gesetzlicher Vorschriften dient. Bestehen insoweit Bedenken, darf das verschriebene Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist. Erforderlich sind Rückfragen beim Arzt oder Patienten, unter Umständen auch beim Gesundheitsamt oder beim Pharmaziereferenten der Aufsichtsbehörde. Dies gilt insbesondere für Betäubungsmittel und andere missbräuchlich verwendete verschreibungspflichtige Arzneimittel, z.B. Psychopharmaka, sedierende Mittel, Analgetika. Erkennt der Apotheker oder hätte er bei sorgfältiger Prüfung erkennen können, dass die Verschreibung falsch oder gefälscht ist, oder ihrem Inhalt nach der Umgehung gesetzlicher Vorschriften dient, und gibt er trotzdem das Arzneimittel ab, so macht er sich nach dem Arzneimittel- bzw. dem Betäubungsmittelgesetz strafbar (Cyran/Rotta, a.a.O., § 17 Rdnr. 536 f.). Dieser Aufgabe wird der verantwortliche Apotheker nur gerecht, wenn er das Original der Verschreibung sieht und zwar „bei Abgabe“ des Arzneimittels. Bei Prüfung der vorgelegten Verschreibung ist anhand des Originals leichter erkennbar, ob es sich um eine echte Verschreibung oder eine Farbkopie davon handelt oder ob die Unterschrift gefälscht worden ist. Manipulationen an einer Verschreibung sind beispielsweise aufgrund von Druckspuren, Schwärzungen und der Papierqualität erkennbar, was bei einem eingescannten Schriftstück nicht oder trotz des technischen Fortschritts bezüglich der Vergrößerungsmöglichkeiten nur eingeschränkt möglich ist. Beim Arzneimittelerwerb über einen Schalter kann ein Missbrauch, wie etwa die mehrfache Vorlage einer kopierten Verschreibung bei verschiedenen Apotheken nicht, jedenfalls in vielen Fällen nicht verhindert und nicht ausgeschlossen werden. |
|
| Sinn und Zweck der §§ 48 AMG, 1 AMVV verlangen im Interesse der Arzneimittelsicherheit ebenfalls das Vorliegen einer Verschreibung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Zeitpunkt der Arzneimittelabgabe. |
|
| Wenn der Gesetzgeber eine eingescannte Verschreibung als ausreichend i.S.d. §§ 48 AMG, 1 und 2 AMVV sowie § 17 Abs. 5 und 6 ApoBetrO angesehen hätte, hätte er dies klarstellen können und müssen, wie er es für die gesetzlich geregelten Ausnahmen getan hat, in denen eine elektronische Verschreibung zulässig ist. Die Verschreibung in elektronischer Form hat der Gesetzgeber derzeit für eng begrenzte Fälle vorgesehen, im wesentlichen für Krankenhäuser (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10, Absätze 7 u. 8 AMVV). In § 2 Abs. 7 AMVV heißt es: Ist die Verschreibung eines Arzneimittels für ein Krankenhaus bestimmt, in dem zur Übermittlung derselben ein System zur Datenübertragung vorhanden ist, das die Verschreibung durch eine befugte verschreibende Person sicherstellt, so genügt an Stelle der eigenhändigen Unterschrift nach Absatz 1 Nr. 10 die Namenswiedergabe der verschreibenden Person oder, bei Verschreibungen in elektronischer Form, ein geeignetes elektronisches Identifikationsverfahren. Die Sonderregelungen zur elektronischen Verschreibung bestätigen zugleich, dass der Gesetzgeber im Normalfall unter einer Verschreibung ein Schriftstück versteht. |
|
| Daraus, dass der Gesetzgeber die Umsetzungsfrist in § 291a SGB V für eine elektronische Gesundheitskarte hat verstreichen lassen und bislang keine elektronische Gesundheitskarte eingeführt hat, folgt entgegen der Ansicht des Klägervertreters keine andere Beurteilung der dargestellten Rechtsverstöße. Eine Bearbeitung der in einer elektronischen Gesundheitskarte abgespeicherten Verschreibung bedarf einer gesetzlichen Regelung, sie ist von § 17 Abs. 6 ApoBetrO nicht gedeckt. |
|
| Die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 eingeführten gesetzlichen Änderungen des Arzneimittelrechts, die den Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel ermöglichen (§§ 43 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 17, 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, § 11a ApoG, § 17 Abs. 1 u. 2 ApoBetrO), und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu (Urt. v. 13.03.2008, a.a.O., u. Urt. v. 14.04.2005 - 3 C 9/04 -, BVerwGE 123, 236 = NVwZ 2005, 1198 ff. = DÖV 2005, 826 ff.) ändern nichts an dem hier vertretenen Auslegungsergebnis zu § 17 Abs. 6 ApoBetrO. Dieser Vorschrift wird beim Versandhandel Rechnung getragen. Der Kunde übermittelt die Verschreibung an den Versandhandel und das Arzneimittel darf nur durch einen Apotheker abgegeben werden (§ 43 Abs. 1 u. 3 AMG), dem die Verschreibung körperlich übergeben wird. |
|
| Das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (s. dazu Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 17 ApoBetrO Rdnr. 99 ff. u. BT-Drs. 15/1525, S. 75) hat mit der generellen Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln unter Erlaubnisvorbehalt durch § 43 AMG den systematischen Zusammenhang, in den § 17 Abs. 1 ApoBetrO gestellt ist, grundlegend geändert, aber nicht die hier entscheidungserhebliche Auslegung des § 17 Abs. 6 ApoBetrO. § 17 Abs. 1 ApoBetrO nimmt ausdrücklich Bezug auf § 11a ApoG, der die Erteilung einer Erlaubnis zum Versandhandel mit Arzneimitteln regelt. Damit hat der Gesetzgeber eine Form der Medikamentenabgabe zugelassen, bei der das Arzneimittel zwar aus einer Apotheke heraus abgegeben werden muss, der Kunde aber nicht gehalten ist, die Apotheke zu betreten (vgl. § 43 Abs. 3 AMG „von Apotheken“). Er kann seine Bestellung schriftlich oder, soweit die Verschreibungspflichtigkeit des Arzneimittels nicht die Vorlage eines Attestes notwendig macht, telefonisch oder über das Internet aufgeben und sich die bestellte Ware an einen beliebigen Ort zustellen lassen. Über die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts hinaus (vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2003 - C-322.01 -, DVBl. 2004, 424) erstreckt das GKV-Modernisierungsgesetz die Möglichkeit des Versandhandels auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 - 3 C 9/04 -, a.a.O. unter Hinweis auf Wiesener, GesR 2004, 43, 45). Ergänzt wird diese Regelung durch eine Neufassung des § 17 Abs. 2 ApoBetrO, wonach nun die Zustellung durch Boten der Apotheke im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a des ApoG zulässig ist. Begründet worden ist die Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln zum einen mit der Erschließung von Einsparpotentialen (BT-Drs. 15/1525 S. 75), zum anderen mit der geänderten Situation im Gesundheitswesen sowie dem Anliegen der Verbraucher, Erschwernisse der Arzneimittelbeschaffung abzubauen (BT-Drs. 15/1525 S. 165). Die Gesetzesbegründung hebt außerdem hervor, dass aus den verschiedensten Gründen in vielen Fällen keine Beratung unter persönlicher Anwesenheit des Verbrauchers/ Patienten notwendig oder erwünscht sei (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 163). Angesichts dieser Neuregelungen lässt sich die Aussage, die Apothekenbetriebsordnung gehe wegen des besonderen Beratungsbedarfs bei Arzneimitteln davon aus, dass das gesamte Geschäft der Arzneimittelversorgung innerhalb der Apothekenräume abgewickelt werde, nicht mehr aufrechterhalten. Der Gesetzgeber hat Vertriebswege eröffnet, die es dem Kunden freistellen, ob er sich auf den Weg zur Apotheke macht oder ob er Bestellung und Entgegennahme der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort stattfinden lässt. Er braucht die Apotheke nicht zu betreten, wenn er es nicht will. In welchem Umfang er das Beratungsangebot des Apothekers in Anspruch nimmt, bleibt weitgehend ihm selbst überlassen (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 - 3 C 9/04 -, a.a.O.,). Die Erfordernisse der § 17 Abs. 6 ApoBetrO werden hierdurch nicht entbehrlich. |
|
| Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einbeziehung von Drogeriemärkten in den Versandhandel mit Arzneimitteln (BVerwG, Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.,) zwingt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung des § 17 Abs. 6 ApoBetrO. Bei dem dieser Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt lag die Originalverschreibung einem Apotheker vor, und er entschied über den Arzneimittelversand. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Service einer (niederländischen) Versandapotheke mit acht Filialen zu beurteilen, in denen ein Bestell- und Abholservice für Arzneimittel eingerichtet war, der wie folgt aussah: Der Kunde füllt einen in der Filiale erhältlichen, an die Versandapotheke adressierten Bestellschein aus, in dem er neben seiner Adresse die gewünschten verschreibungspflichtigen oder nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel angibt und durch Ankreuzen bestimmt, ob die Lieferung an die von ihm angegebene Adresse oder an die Filiale erfolgen soll. Er trennt dann den Abholschein vom Bestellschein ab. Den Bestellschein steckt er ggf. mit der Verschreibung in eine Bestelltasche, klebt sie zu und wirft sie in eine in der Filiale aufgestellte verschlossene Sammelbox ein. Die Bestelltaschen werden von Beauftragten der Versandapotheke - hierbei handelte es um Angestellte der Klägerin, die sich persönlich gegenüber der Versandapotheke verpflichtet haben - entnommen, gezählt und in einem undurchsichtigen Spezialumschlag einem Kurierfahrer übergeben, der ihn zur Versandapotheke bringt. Dort werden die Bestellungen auf Neben- und Wechselwirkungen sowie auf Arzneimittelmissbrauch überprüft. Zudem wird geprüft, ob die Verschreibungen gefälscht sind. Die Endkontrolle der zu versendenden Arzneimittel erfolgt durch einen Apotheker (vgl. Liebler, Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 13.03.2008, a.a.O., ). Mit diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2008 (a.a.O.,) ist geklärt, dass in den vom Gesetzgeber zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln Drogeriemärkte einbezogen werden dürfen, wenn sich ihr Beitrag auf logistische Leistungen beschränkt. Keinesfalls darf der Eindruck erweckt werden, die Arzneimittel würden vom Drogeriemarkt selbst abgegeben (vgl. Liebler, Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 13.03.2008, a.a.O., ). Das visavia-System erweckt nicht den Eindruck, dass Arzneimittel außerhalb der Verantwortung eines Apothekers abgegeben werden, weil der Automat räumlich mit der Apotheke verbunden ist und ohne den Beitrag des über das visavia-System zugeschalteten Apothekers in technischer Hinsicht keine Arzneimittel abgegeben werden können. Auch hier entscheidet ein Apotheker über die Arzneimittelausgabe, nicht der Kunde mit Hilfe der Computersystems oder eine in § 3 Abs. 3 und 4 ApoBetrO nicht zugelassene Person. |
|
| Das Angebot des Klägers, das visavia-System könne nachgerüstet werden, indem eine Option zum Bedrucken von Rezepten möglich sei (s. Schreiben v. 21.08.2008), reicht nach dem hier vertretenen Verständnis des § 17 Abs. 6 ApoBetrO nicht aus, um rechtmäßige Zustände herzustellen, weil die Verschreibung dem Apotheker im Original nicht vorliegt. |
|
| Ob und inwieweit § 20 ApoBetrO bei verschreibungspflichtigen und verschriebenen Arzneimitteln verletzt ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil bei der Arzneimittelabgabe im Wege des visavia-Systems im Unterschied zum Arzneimittelbezug durch den Versandhandel die Anforderungen der §§ 17 Abs. 6 ApoBetrO, 2 AMG, 1 AMVV nicht gewahrt sind. Auch darauf, ob weitere arzneimittel- oder apothekenrechtliche Rechtsverstöße gegeben sind und ob der Servicevertrag des Klägers mit VISAVIA vom 08.10.2007 den Anforderungen des § 2 ApoBetrO oder § 52 AMG gerecht wird (vgl. zu § 2 Abs. 2 ApoG: BVerfG, Urt. v. 13.02.1964, BVerfGE 17, 232 und dazu Cyran/Rottan, a.a.O., § 2 Rdnr. 24 f.; LG Kiel, Urt. v. 15.01.2008 - 16 O 28/07 - ), braucht das Gericht nicht einzugehen. |
|
| 2. Hinsichtlich der apothekenpflichtigen (§ 43 Abs. 1 AMG), aber nicht verschreibungspflichtigen und tatsächlich auch nicht verschriebenen Arzneimittel ist die Untersagungsverfügung betreffend den an der Apotheke des Klägers zum visavia-System gehörenden Automaten ebenfalls rechtmäßig. Die Informationspflicht kann bei Benutzung des Außenschalters und Automaten an der Apotheke des Klägers - wegen der zu erwartenden Störungen des Kunden am Außenschalter, z. B. durch Lärm oder andere Faktoren - nicht erfüllt werden. |
|
| Die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über den mit dem visavia-System verbundenen Automaten an der Apotheke der Klägers verstößt jedenfalls gegen § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung hat der Apotheker Kunden und die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen zu informieren und zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist (S. 1). Durch die Information und Beratung der Kunden darf die Therapie der zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen nicht beeinträchtigt werden (S. 2). Soweit Arzneimittel ohne Verschreibung abgegeben werden, hat der Apotheker dem Kunden die zur sachgerechten Anwendung erforderlichen Informationen zu geben (S. 3). Obwohl in Satz 1 dieser Vorschrift nur der Apotheker genannt ist, ist im Hinblick auf die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 3 ApoBetrO, die diese Tätigkeiten dem „pharmazeutischen Personal“, also allen in § 3 Abs. 3 S. 1 ApoBetrO genannten Personen übertragen hat, auch das pharmazeutische Personal gemeint. Der Apotheker muss die Informations- oder Beratungstätigkeit seines Personals überwachen (Cyran/Rotta, a.a.O., § 2 Rdnr. 25 f.). Dass beim Einsatz des visavia-Automaten ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Personal tätig wird, ist durch § 3 Abs. 3 des Servicevertrages zwischen dem Kläger und VISAVIA vom 08.10.2007 vorgesehen und dies war in der mündlichen Verhandlung unstreitig. |
|
| In § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO ist im Gegensatz zu Satz 1 dieser Vorschrift nur von „Information“ und nicht auch von einer Beratungspflicht die Rede und auch dies nur „wenn Arzneimittel ... abgegeben werden“. Information stellt die wertungsfreie, zumeist knappe Weitergabe objektiven pharmazeutischen, ggf. auch pharmakologischen Wissens über Arzneimittel dar. Eine Verpflichtung zur Information kann sich im Einzelfall nur im Zusammenhang mit einer gebotenen, gewünschten, angefragten oder möglichen Abgabe von Arzneimitteln gegenüber dem Kunden ergeben, entweder im Hinblick auf dessen Fragen oder soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist (Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 20 ApoBetrO Rdnr. 9, 16 ff., 19). Begrenzt wird die Informationspflicht durch die sachlich-fachliche Kompetenz des Pharmazeuten (Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 20 ApoBetrO Rdnr. 13 f.). Gegenstand der Information können der Gesundheitszustand des Kunden, Kenntnisse zur (erbetenen) Arzneimitteltherapie und vom Kunden mündlich erteilte Informationen über seine Befindlichkeit, Beschwerden sowie Auskünfte über die Einnahme weiterer Arzneimittel sein. Sämtliche Themen berühren die Privatsphäre, weshalb der Kunde erwartet und erwarten kann, dass entsprechend der konkreten Intensität des Informationsgesprächs die organisatorischen Bedingungen, unter denen das Gespräch stattfindet, dessen Diskretion ermöglichen (Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 20 ApoBetrO Rdnr. 56 f.). |
|
| Gerade im Bereich der Selbstmedikation kann die Informationspflicht über die reine Abwendung von Arzneimittelrisiken hinausgehen. Hier ist nicht nur die Arzneimittelsicherheit gefährdet, vielmehr wird die sich aus § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO ergebende Informationspflicht besonders relevant (s. auch Blankenberg, Innovative Ansätze zur Patientenberatung in der Arzneimitteltherapie, KrV 2001, S. 98 ff.). Unter Berücksichtigung der Belange des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit (vgl. zum Versandhandel BT-Drs. 15/1525, S. 75) erscheint die Informationspflicht beim Arzneimittelerwerb über das visavia-System aber nicht unerfüllbar. Denn die Gefahr, dass die Ware verwechselt wird, ist nicht größer als beim Versandhandel und in der Apotheke. Der Apotheker kann noch auf das im Ausgabefach befindliche Arzneimittel zugreifen, er kann es zurückholen, wenn das System ein falsches, weil vom Kunden nicht gewünschtes oder vom Automaten bzw. Apotheker unzutreffend ausgewähltes Arzneimittel auswerfen würde oder wenn der Kunde, nachdem das Mittel im Ausgabefach für ihn sichtbar geworden ist, äußern würde, er wolle ein anderes. Schließlich verwischt die Ausgabe am Automaten nicht die Besonderheit der Ware Arzneimittel (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2008, a.a.O., zur Ausgabe in Drogeriemärkten). Für den Kunden ist aufgrund der baulichen Verbindung des Automaten mit der Apotheke augenscheinlich, dass es um Arzneimittel geht. Die Gefahr eines unkritischen Arzneimittelkonsums wird deshalb durch die Ausgabe am Automaten nicht wesentlich erhöht. |
|
| Die Bedeutung der Informationspflicht ist des Weiteren vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit des Versandhandels mit Arzneimitteln und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu zu sehen (BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 - 3 C 27/07 -, a.a.O., u. Urt. v. 14.04.2005, a.a.O.,). In diesen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht, wie bereits ausgeführt, die Forderung, dass der Kunde bei der Übergabe des Arzneimittels in der Apotheke persönlich anwesend sein muss (§ 17 Abs. 1 ApoBetrO), aufgegeben (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005, a.a.O.,) und unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung ausgeführt, dass aus den verschiedensten Gründen in vielen Fällen keine Beratung unter persönlicher Anwesenheit des Verbrauchers/Patienten notwendig oder erwünscht sei (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 163). Mit der Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln hat der Gesetzgeber bewusst die Inanspruchnahme der Beratung durch den Apotheker in die freie Entscheidung des Patienten gestellt (Liebler, Anmerkung zu BVerwG, Urt. v. 13.03.2008, a.a.O., ). Dieser Gedanke lässt sich auf den streitgegenständlichen Automaten nur eingeschränkt übertragen. Denn die Information i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO wird bei Benutzung des visavia-Systems für die Bestellung und Abgabe eines apothekenpflichtigen Arzneimittels nicht entbehrlich (2.1.). Bei dem von der Untersagungsverfügung betroffenen Außenschalter an der Apotheke des Klägers sind aber wegen der an diesem Ort zu erwartenden Störungen die Anforderungen an die Informationspflicht des § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO nicht gewahrt (2.2.). |
|
| 2.1. Das visavia-System macht die Informationspflicht gem. § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO nicht generell entbehrlich, sondern nur dann, wenn der Kunde keine Information wünscht. Die Bestellung eines apothekenpflichtigen Arzneimittels über das visavia-System ist mit der im Wege des Versandhandels insofern vergleichbar, als der Kunde sich dafür entschieden hat, nicht die Apothekenräume zu betreten, sondern mit Hilfe der vom visavia-System angebotenen Kommunikationsmittel bei einem Apotheker am Außenschalter einer Apotheke, also vor der Apotheke, Arzneimittel zu erwerben. Er kann mit dem Apotheker per Videotelefon sprechen und ist mit ihm durch (gegenseitige) Videoübertragung in Kontakt. Im Unterschied zum Versandhandel bestellt der Kunde nicht von zuhause oder einer Art Filiale aus, sondern an einem mit einem computergesteuerten Automaten verbundenen Außenschalter, der außerhalb der Apotheke eingerichtet und mit dem in der Apotheke befindlichen System, wie im Tatbestand dargestellt, verbunden ist. Ein eventuell vom Kunde gewünschtes Informationsgespräch findet bei der Arzneimittelabgabe über das visavia-System vor der Apotheke am Außenschalter statt. Anders als beim Versandhandel, der eine kostenfreie Hotline für (Beratungs- und) Informationsgespräche bereithält, wählt der Kunde bei einer Bestellung eines Arzneimittels über einen mit dem visavia-System verbundenen Automaten einen Weg, der ihm die Möglichkeit einer Information durch den zugeschalteten Apotheker anbietet. Dabei entscheidet der Kunde nur über die Form, in der die Information erteilt werden soll. Nimmt er das Angebot einer apothekenpflichtigen Arzneimittelabgabe über das visavia-System an, erklärt er sich mit den technischen Vorgaben dieses Systems, einer Information per Video und Telefon, einverstanden. Dagegen kann nicht angenommen werden, dass der Kunde des visavia-Systems bei nicht verschreibungspflichtigen und nicht verschriebenen Arzneimitteln generell auf eine Information verzichtet oder dass er auf sie, für den Fall, dass es bei Bedienung des Automaten zu Kontaktschwierigkeiten kommen sollte, von vornherein verzichtet hat. Unabhängig davon, ob ein solcher Verzicht auf die durch § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO gebotene Information zulässig wäre, lässt sich ein solcher auch nicht im Hinblick auf den von einem Arzneimittelautomaten angesprochenen und potentiellen Benutzerkreis unterstellen. Ein Arzneimittelautomat wird von allen Bevölkerungsschichten angenommen werden, von Berufstätigen, Schichtarbeitern, Kranken und anderen hilfebedürftigen Menschen, die zu normalen Apothekenöffnungszeiten aus unterschiedlichen Gründen keine Gelegenheit finden, eine Apotheke aufzusuchen oder deshalb den Automaten wählen, weil er für sie aus welchen Gründen auch immer zeitsparend oder praktischer erscheint. Außerdem bietet der Automat den Vorteil, dass unmittelbar, nachdem Krankheitssymptome auftreten, beispielsweise bei Erkältungskrankheiten oder Allergien nach den ersten Anzeichen, ein verschreibungsfreies, aber apothekenpflichtiges Arzneimittel über ihn erhältlich ist, was besonders zur Nachtzeit gefragt sein dürfte. Vorstellbar ist auch, dass einige Kunden sich für den Automaten entscheiden, um die in einer Apotheke befindlichen Menschen nicht in Berührung mit einer tatsächlich oder vermeintlich ansteckenden Erkrankung zu bringen oder um selbst nicht angesteckt zu werden. Einem Teil der Kunden erspart ein Arzneimittelautomat den oft zeitaufwendigen Gang zum Hausarzt, ein anderer Teil erhofft sich eine sofortige Linderung lästiger Symptome oder von Verletzungsfolgen. In keinem dieser Fälle kann die Rede davon sein, eine Information des Kunden sei generell entbehrlich. Das Gegenteil wird der Regelfall sein, insbesondere wenn der Apotheker dem Kunden mehrere Mittel anbieten kann und der Kunde verständlicherweise nach den unterschiedlichen Wirkungsweisen fragt, eine Frage, die sich bei unterschiedlichen Preisen ergeben kann, wobei Angaben zu Preisen nicht der Informationspflicht unterliegen (vgl. Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 20 ApoBetrO Rdnr. 13 f.). Ein Informationsbedarf eines Kunden kann sich auch daraus ergeben, dass ein Kunde beabsichtigt, ein ihm bekanntes apothekenpflichtiges Mittel zu erwerben, zu dessen Anwendung und Wirkung er keiner Information bedarf, dieses Mittel aber im Augenblick nicht vorrätig ist oder über den Automaten nicht geliefert werden kann, wie dies bei Einnahme des Augenscheins bei der von den Vertretern des beklagten Landes simulierten Bestellung einer Großpackung von Wundauflagen der Fall war. In solchen und ähnlichen Fällen wird eine Information über alternative apothekenpflichtige Arzneimittel gefragt und geboten sein. |
|
| 2.2. Kann hiernach ein Informationsbedarf des Kunden nicht ausgeschlossen werden, so muss die Information im konkreten Fall den Anforderungen des § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO gerecht werden. Der Gesetzgeber hat für die Information über apothekenpflichtige Arzneimittel an Automaten keine Sonderregelung vorgesehen (s. auch Blankenberg, a.a.O., 99 f.). Ob die erforderlichen Informationen nach den aufgezeigten Maßstäben sachgerecht über das visavia-System dem Kunden vermittelt werden können, hängt von der Art und Weise der Funktion des Außenschalters und Automaten, der Bedienungsfreundlichkeit des Systems, der Ton- und Bildqualität sowie sonstigen, auch örtlichen Umständen ab, die für die Information der Kunden bedeutsam sein können. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. |
|
| Das visavia-System ist in technischer Hinsicht nicht ungeeignet, die Anforderungen des § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO zu erfüllen (kritisch dazu Bay. VGH, Beschl. v. 06.08.2008, a.a.O.,). Der gezielte Einsatz von Videokommunikation in der Patentenberatung kann der Informationspflicht des § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO Rechnung tragen, sofern die Technik in der Lage ist, die Stimmen der Beteiligten naturgetreu nachzuzeichnen und wiederzugeben und auch aus anderen Gründen keine nachteiligen Auswirkungen auf die gebotene „Information“ zu erwarten sind. Bezüglich der Tonqualität hat das Gericht insoweit keine Bedenken. Die Stimmen der Kunden und des Apothekers waren naturgetreu wiedergegeben. Die Bildqualität erscheint ebenfalls kein Hinderungsgrund zu sein. Das im Computersystem aufgenommene und am Bildschirm sichtbar gemachte Bild des Kunden war bei Einnahme des Augenscheins klar. Es zeigt den Kopf des Kunden vor dem Außenschalter und je nach dessen Entfernung zum Schalter auch den Oberkörper. Das eingescannte Bild des Kunden kann vom Apotheker auf Bildschirmgröße (ca. 33 cm x 44 cm) vergrößert werden, wodurch die Möglichkeit, einen persönlichen Eindruck vom Kunden zu gewinnen, im Bedarfsfall verbessert werden kann. Dass das für den Kunden einsehbare Bild des zugeschalteten Apothekers am Automaten bei Einnahme des Augenscheins dunkel war, mag zwar für den Kunden im ersten Moment befremdlich sein, eine nachhaltige Wirkung auf das Informationsgespräch und ein daraus erwachsender Nachteil für die Wahrnehmung des Kunden ist aber allein deshalb nicht zu erwarten. |
|
| Bei dem streitgegenständlichen Außenschalter ist wegen der Lärmquellen und sonstigen Faktoren, die auf den Kunden am Schalter einwirken können, nicht gewährleistet, dass die Informationspflicht aus § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO gewahrt werden kann. Die konkreten Bedingungen und Örtlichkeiten, in die der Außenschalter bzw. Automat an der Apotheke des Klägers hineingestellt ist, lassen nach den Feststellungen bei Einnahme des Augenscheins nicht die Annahme zu, dass das über den Außenschalter der Apotheke des Klägers installierte visavia-System die von § 20 Abs. 1 S. 3 ApoBetrO geforderte Information für apothekenpflichtige Arzneimittel erfüllen kann. Mit einer erheblichen Störung des Informationsgesprächs ist aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu rechnen. Die Apotheke des Klägers befindet sich in der Stadtmitte Mannheims, an einer nicht unerheblich stark befahrenen Straße mit Straßenbahnverkehr, gegenüber einem gut frequentierten Geschäftshaus mit mehreren Geschäften und in der Nähe eines unbebauten Platzes mit Sitzbänken. Der Gehweg vor der Apotheke ist breit und führt wie die Straße unmittelbar in das nahe gelegene Stadtzentrum. Von all diesen Gegebenheiten kann erfahrungsgemäß Lärm ausgehen, der einen Kunden dazu zwingen kann, ein Gespräch am Außenschalter zu unterbrechen oder mit dem Risiko weiterzuführen, dass er das vom Apotheker Gesprochene nicht oder nur unvollständig hört. Diese Situation war bei Einnahme des Augenscheins feststellbar. Während eines bei Einnahme des Augenscheins simulierten Informationsgesprächs waren von der Straßenbahn und Fahrzeugen ausgehende Verkehrsgeräusche für den vor dem Automaten stehenden Kunden deutlich hörbar und nicht überhörbar. Das simulierte Informationsgespräch musste unterbrochen werden als eine Straßenbahn vorbeifuhr, weil die Stimme des ansonsten gut hörbaren Apothekers unmittelbar vor dem Schalter nicht mehr wahrnehmbar war. Die Kommunikation am Automaten war bei Einnahme des Augenscheins nur so lange problemlos, bis eine Straßenbahn vorbeifuhr, die erheblich lauter war als die Stimme des zugeschalteten Apothekers. Dass ein unterbrochenes Gespräch fortgesetzt werden und dass auch im normalen Apothekenbetrieb ein Informationsgespräch unterbrochen werden kann, liegt auf der Hand und ist vom Gericht berücksichtigt worden. Zu bedenken ist aber, dass es für kranke Menschen, z. B. an Erkältungssymptomen leidende Kunden, die ein apothekenpflichtiges Arzneimittel gegen Grippe oder ähnliche Infekte am Automaten erwerben wollen, im Einzelfall, bedingt durch die Situation am Schalter, anstrengend und schwierig sein kann, ein mehrere Minuten unterbrochenes Gespräch fortzusetzen oder um dessen Fortsetzung zu bitten. Ähnliches gilt für eine verletzte Person, die um Rat sucht, um Verletzungsfolgen bis zum nächsten Tag oder länger zu lindern. Gerade dieser Personenkreis wird von dem Automaten angesprochen und für diesen wird die Kommunikation zusätzlich erschwert, wenn ein unterbrochenes Gespräch wieder aufgenommen werden soll, zumal es bei der gebotenen Information oftmals um für den Kunden neue Erkenntnisse gehen kann, die seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit beanspruchen. Die Gefahr, dass der Kunde in einer solchen Situation am Automaten unter Druck gerät und deshalb keine Fragen mehr stellt, oder nicht mehr zuhört, ist naheliegend. In solchen Situationen kann die Informationspflicht nicht erfüllt werden. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von Personen, die aus unterschiedlichen Gründen im Umgang mit Automaten ungeübt sind, z. B. alte oder gebrechliche oder in technischen Angelegenheiten unerfahrene Menschen, die aber gleichwohl den Weg zum Automaten nehmen. Für Schwerhörige, zu denen ein nicht unerheblicher Anteil der älteren Bevölkerung rechnet, gestaltet sich ein Informationsgespräch an einem an einer belebten Straße bzw. Gehweg gelegenen Außenschalter, wie es gerade für die an der Apotheke des Klägers vorbeiführende Straße zu bejahen ist, ohnehin schwer. Im Einzelfall können für einen solchen Kunden unüberwindbare Probleme auftreten, aufgrund deren er nicht in der Lage ist, an den zugeschalteten Apotheker Fragen zu stellen oder dessen Antworten genau zu hören bzw. den Sinn der Erklärung aufzunehmen. Auch dann, wenn mehrere hier denkbare Geräusche zusammentreffen, etwa mehrere Fahrzeuge vorbeifahren oder Menschen sich lautstark auf dem Gehweg vor der Apotheke oder in unmittelbarer Nähe unterhalten, ist ein Gespräch mit dem über das visavia-System zugeschalteten Apotheker erheblich erschwert und eingeschränkt. Plötzlich auftretende Störungen, laute Lebensgeräusche wie Lachen oder lautes Rufen von in der Nähe befindlichen Menschen, kann der mitten in einem Informationsgespräch befindliche Kunde nicht ausschließen oder gar erfolgreich abstellen. Er wird stattdessen versuchen, das Gespräch fortzusetzen, auch wenn er unter Umständen nicht alles Gesprochene hört. Denkbar ist, dass er deshalb unter Druck gerät und davon absieht, das Informationsgespräch weiterzuführen. Ob der zugeschaltete Apotheker eine durch äußere Störungen wie Lärm oder andere Fremdeinwirkungen auftretende eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit des Kunden am Bildschirm feststellen und darauf so angemessen reagieren kann, dass er der Informationspflicht genügen kann, erscheint zweifelhaft. Am Bildschirm sieht der Apotheker zunächst nur einen verkleinerten Ausschnitt des Kunden, im wesentlichen den Kopf und, je nach Entfernung des Kunden zum Außenschalter auch den Oberkörper, weshalb er nicht alle nonverbalen Äußerungen des Kunden beobachten kann wie es bei einem persönlichen Gegenüberstehen zweier Personen der Fall ist. Das visavia-System bietet dem Apotheker zwar die Möglichkeit, den Bildausschnitt auf Bildschirmgröße zu vergrößern. In Einzelfällen wird aber unklar bleiben, ob der Apotheker eingeschränkte Sinneswahrnehmungen des Kunden sachgerecht einschätzen und darauf mittels Videokonferenz in einer der Informationspflicht gerecht werdenden Weise reagieren kann. Diese Bedenken lassen sich nicht dadurch ausräumen, dass der Apotheker zumindest während der Öffnungszeiten der Apotheke den Kunden in die Apotheke hereinbitten kann, um den Kunden zu informieren. Denn, ob der Kunde diesem Rat nachkommt oder unter einem durch äußere Gegebenheiten entstehenden Druck auf eine angemessene Information verzichtet, wird in vielen Fällen ungewiss bleiben. Diese Ungewissheit darf nicht zu Lasten der gebotenen Information bei der Arzneimittelabgabe gehen. Während der Nachtzeit besteht ohnehin keine Kompensationsmöglichkeit, weil in der Apotheke des Klägers kein Apotheker anwesend ist. Der außerhalb der normalen Öffnungszeiten zugeschaltete Apotheker befindet sich nicht in der Apotheke des Klägers, er hält sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung in Oppenheim/Rheinland-Pfalz auf. |
|
| Die hiernach möglichen und nicht unerheblichen Störungen eines Informationsgesprächs durch Lärm sind für den streitgegenständlichen Automaten nicht rein theoretischer Natur, sondern realistischerweise und in erheblichem Umfang zu erwarten, gerade weil die Apotheke des Klägers in der Stadtmitte und an einer Straße und einem Gehweg liegt, die zum nahen Stadtzentrum führen. Erfahrungsgemäß ist in diesem Bereich mit hohem Fußgänger- und Fahrzeugverkehr zu rechnen. Die Einnahme des Augenscheins hat dies bestätigt. Dies gilt auch für einen Teil der Nachtzeit. Nach Einstellung des Straßenbahnbetriebs und insbesondere in der Zeit zwischen ein Uhr nachts bis etwa sechs Uhr morgens reduzieren sich die aufgezeigten Lärmquellen zwar erfahrungsgemäß. Für diesen Zeitraum kommt aber neben der Störung durch Betrunkene oder andere Personen in vielen Einzelfällen eine wegen der Lage der Apotheke in der Stadtmitte sich realistischerweise einstellende Angst des bar oder mittels Kreditkarte zahlenden Kunden vor Überfällen und anderen Straftaten hinzu, die sich nachteilig auf ein Informationsgespräch auswirken kann. Im Einzelfall wird sich nicht zweifelsfrei klären lassen, ob der Kunde keine Information am Außenschalter benötigt oder tatsächlich gestört wird oder dies ernsthaft befürchtet und deshalb nicht um eine Information bittet oder nicht zuhört. Diese Unsicherheit darf nicht zu Lasten der im Einzelfall gebotenen Information zurückgestellt werden. |
|
| Ob und inwieweit sich diese Störungen durch eine technische Veränderung des Außenschalters beseitigen lassen, braucht das Gericht nicht zu entscheiden, weil der Kläger kein hinreichend konkretes Alternativangebot gemacht hat. Die Behörde muss auf ein derartiges Änderungsangebot des von einer belastenden Anordnung Betroffenen lediglich dann eingehen, wenn dies hinreichend derart bestimmt ist, dass durch dessen Ausführung rechtmäßige Zustände auf andere Weise als durch Abbruch hergestellt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.1986 - 3 S 2716/85 - zu einer Abbruchsanordnung). Ein derart konkretes Angebot hat der Kläger nicht gemacht. Denkbar wäre eine vom beklagten Land angesprochene Schutzvorrichtung, ähnlich einer Kabine, die geeignet ist, Lärm und andere Störungen wirksam abzuschirmen und am Schalter anstehende Kunden abzuhalten, den den Automaten bedienenden Kunden stören. Daran fehlt es hier gänzlich. |
|
| Die Untersagungsverfügung ist in vollem Umfang verhältnismäßig. Unerheblich ist, dass sie erst nach Erhebung der Feststellungsklage erlassen worden ist. Sie ist geeignet und erforderlich, um den Schutzzweck der §§ 17 Abs. 6, 20 Abs. 3 S. ApoBetrO zu gewährleisten. |
|
|
|
| Die Berufung wird gem. § 124a i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Frage nach der Zulässigkeit der Arzneimittelabgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger, aber tatsächlich verschriebener und apothekenpflichtiger Arzneimittel durch ein computergesteuertes Automatensystem mit Videotelefon hat grundsätzliche Bedeutung. |
|
|
|
| Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 15.000.-- festgesetzt. Das Gericht legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Eigenart des dem Kläger untersagten Arzneimittelautomaten beim Streitwert den Mindestbetrag für die Untersagung eines ausgeübten Gewerbes zugrunde (Nr. 54.2.1). |
|
|
|