Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 9 K 674/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und einer Abschiebung.
Der 1962 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und reiste erstmals 1976 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 08.08.1995 erging eine Ausweisungsverfügung des Landratsamts Enzkreis auf Grundlage des damaligen § 47 Abs. 1 AuslG wegen besonderer Gefährlichkeit. Die Ausweisung, deren Sperrwirkung zunächst nicht befristet wurde, erging aufgrund folgender strafrechtlicher Verurteilungen:
1. Urteil des Landgerichts Essen vom 10.10.1986: Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 2 Monaten wegen gemeinschaftlichen schweren Raubs und Diebstahls oder Hehlerei
2. Urteil des Landgerichts Kempten vom 12.10.1993: Freiheitsstrafe von 8 Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Am 02.03.1998 wurde der Kläger aus der Strafhaft in die Türkei abgeschoben.
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, spätestens aber am 16.07.2007, reiste der Kläger unerlaubt und unter Verwendung eines gefälschten polnischen Reisepasses wieder ein. Er wurde in Nordrhein-Westfalen unter dem Verdacht des erneuten Handelns mit Betäubungsmitteln festgenommen und zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den genannten Verurteilungen inhaftiert. Das Amtsgericht Schwelm verurteilte den Kläger am 03.03.2009 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. In der Hauptverhandlung gab der Kläger an, bereits im Jahr 2005 illegal in die Niederlande eingereist zu sein. Auch diese Strafe wurde vollstreckt.
Mit Bescheid vom 13.09.2007 drohte das Landratsamt Enzkreis dem Kläger die erneute Abschiebung in die Türkei auf den Tag der Haftentlassung an. Nachdem Anträge auf vorzeitige Haftentlassung nach § 456a StPO abgelehnt worden waren, wurde der Kläger am 07.08.2013 nach Verbüßung der Freiheitsstrafen aus der Haft entlassen. Unter dem 22.07.2013 beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und hilfsweise die Gewährung von Asyl. Zur Begründung führte er aus, er habe keinerlei Beziehungen mehr zur Türkei. Er spreche einwandfrei Deutsch und sei mit Hilfe von Verwandten schnell in der Lage, sich in der Bundesrepublik zu integrieren und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Nachdem dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung der Ausweisung entgegengehalten wurde, beantragte der Kläger am 09.08.2013, die Wirkungen der Ausweisung und der vollzogenen Abschiebung zu befristen. Zur Begründung führte er aus, seit seiner Abschiebung im Jahr 1998 sei bereits eine Sperrfrist von 15 Jahren abgelaufen.
Mit Bescheid vom 17.09.2013 befristete das Landratsamt Enzkreis die Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 08.08.1995 (Ziffer 1) sowie der am 02.03.1998 vollzogenen Abschiebung (Ziffer 2) jeweils auf den Tag der Ausreise des Klägers. Er sei nach seiner Abschiebung unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seitdem ununterbrochen hier auf. Für die Entscheidung über die Länge der Sperrfristen sei im Rahmen des Ermessens zu prüfen, ob der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zum Befristungszeitpunkt erreicht worden sei. Es liege kein atypischer Fall vor, bei dem die beantragte Verkürzung der Befristung abzulehnen gewesen wäre. Nach § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginne die Frist mit der Ausreise. Es mache zudem darauf aufmerksam, dass der Kläger als türkischer Staatsangehöriger zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet ein Visum benötige.
10 
Gegen den Bescheid legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein, den er trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung nicht näher begründete.
11 
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2015 - zugestellt am 02.02.2015 - wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG seien die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf Antrag zu befristen, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankomme und eine Befristung auf über fünf Jahre nur erfolgen dürfe, wenn Grund der Ausweisung eine strafrechtliche Verurteilung gewesen sei oder der Ausländer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle. Grundsätzlich reiche nicht jede strafrechtliche Verurteilung; vielmehr müsse die Wiedereinreise eine schwerwiegende Gefahr für ein gewichtiges öffentliches Rechtsgut mit sich bringen. Für die Prognose, die angesichts der vielseitigen möglichen Entwicklungsrichtungen grundsätzlich für höchstens zehn Jahre gestellt werden könne, sei maßgeblich auf den Grund und den Zweck der Ausweisung abzustellen. Der Fall des Klägers unterfalle zeitlich angesichts des seit 1998 fortdauernden Einreiseverbots der neuen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.09.2013 - C-297/12 -, juris Rn. 41 ff.), wonach grundsätzlich und auch ohne Antrag eine Befristung zu erfolgen habe und diese nur im Ausnahmefall fünf Jahre überschreiten dürfe. Dabei sei auch der Zeitraum vor Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG zu berücksichtigen. Vorliegend sei Grund der Ausweisung die mit langen Haftstrafen geahndete Begehung schwerwiegender Straftaten gewesen. Der Schutz vor weiteren Straftaten derartigen Gewichts sei bezweckt gewesen, um erneuten erheblichen Schaden an der Gesellschaft sowie an Individualrechtsgütern zu verhindern. Die Abschiebung sei drei Jahre nach Erlass der Ausweisungsverfügung und unmittelbar nach Erteilung der Freigabe gemäß § 456a StPO vollzogen worden. Insofern liege eine unfreiwillige Ausreise vor, was nach § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG bei Bestimmung der Fristlänge ebenfalls Beachtung finde. Vom Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung aus betrachtet, erscheine aufgrund der Schwere der Straftaten eine fünf Jahre überschreitende Befristung ab Ausreise sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen durchaus legitim. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der Kläger während der Sperrfrist erneut Straftaten begangen habe. Zum einen sei er ohne das erforderliche Einreisevisum wieder in die Bundesrepublik eingereist und habe sich nach eigenen Angaben bereits ca. zwei Jahre zuvor illegal im Schengen-Gebiet aufgehalten. Dies allein stelle eine Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AufenthG dar, so dass bereits wieder der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt sei. Auch seine Verurteilung durch das Amtsgericht Schwelm verwirkliche diesen Ausweisungstatbestand. Die Tatsache, dass sich der Kläger durch die Ausweisung, die verbüßte Strafhaft, die Abschiebung und die Drohung mit der Verbüßung der Reststrafe nicht davon habe abhalten lassen, weitere einschlägige Straftaten zu begehen, belege, dass eine lange Sperrfrist aus spezialpräventiven Gründen geboten sei. Ein Höchstmaß für eine Befristungsentscheidung auf zehn Jahre habe auch das Bundesverwaltungsgericht nicht aufgestellt, sondern lediglich ausgesprochen, dass angesichts der vielseitigen Entwicklungsrichtungen eine Prognose grundsätzlich für höchstens zehn Jahre gestellt werden könne. Im Falle des Klägers beginne - lege man als maßgeblichen Zeitpunkt die Entscheidung über die Befristung zugrunde - der Prognosezeitraum am 17.09.2013. Für den davor zurückliegenden Zeitraum liege keine Prognose vor, sondern die dargestellten Tatsachen. Zudem habe sich der Kläger nicht mehr als zehn Jahre, sondern nur von 1998 bis 2005, also ca. sieben Jahre außerhalb der Bundesrepublik aufgehalten. Aufgrund dieses Sachverhalts sei eine erneute Befristung der Ausweisungsverfügung für einen längeren Zeitraum denkbar, der aber im Zweifel fünf Jahre nicht übersteigen dürfe. Daneben habe die zuständige Ausländerbehörde zweifelsfrei die Möglichkeit, eine erneute Ausweisung auszusprechen, die eine neue Sperrfrist nach § 11 AufenthG nach sich zöge. Unter Einbeziehung all dieser Gesichtspunkte sei die mit der Verfügung des Landratsamts vom 17.09.2013 vorgenommene Befristung der Ausweisung und Abschiebung auf den Tag der erneuten Ausreise als geringstes Mittel anzusehen. Dem Kläger sei insbesondere zuzumuten, aus dem Bundesgebiet auszureisen und mit einem gültigen Aufenthaltstitel wieder einzureisen. Belange, die zugunsten des Klägers sprächen, seien nicht vorgetragen worden und blieben mangels Offenkundigkeit bzw. Bekanntsein nach Fristsetzung gemäß § 82 Abs. 2, Abs. 1 Satz 4 AufenthG unberücksichtigt.
12 
Am 02.03.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Ausweisung habe seinerzeit zwar keine Befristung enthalten. Wäre dies jedoch der Fall gewesen, so hätte sie zehn Jahre betragen. Diese angenommenen zehn Jahre wären 2005 abgelaufen. Durch die nunmehr erfolgte Befristung auf den Tag der Ausreise komme eine Frist von insgesamt 20 Jahren zustande. Diese lange Frist sei unverhältnismäßig, auch wenn er zwischenzeitlich unerlaubt in die Bundesrepublik wieder eingereist und erneut strafrechtlich verurteilt worden sei. Wäre bereits im Jahr 1995 befristet worden, wäre es möglicherweise gar nicht zu einer unerlaubten Einreise und zur Begehung einer Straftat gekommen. Nach seiner Abschiebung habe er sich bemüht, in der Türkei Fuß zu fassen, was ihm allerdings nicht gelungen sei. Mit Ausnahme seiner Geburt habe er zur Türkei keinerlei Beziehungen mehr. Dort sei es nach seiner Abschiebung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Familie seiner geschiedenen Ehefrau gekommen. Bei einer Abschiebung in die Türkei sei daher mit einem gegen ihn gerichteten Gewaltdelikt zu rechnen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
den Bescheid des Landratsamts Enzkreis vom 17.09.2013 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29.01.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit sofortiger Wirkung zu befristen.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Zur Begründung führt er aus, das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei nach der neuen Fassung des Aufenthaltsgesetzes von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginne gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Ausreise. Entgegen der Ansicht des Klägers wäre bei einer angenommenen Frist von 10 Jahren eine erneute Einreise erst im Jahr 2008 möglich gewesen. Er sei jedoch zuvor unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Hierbei habe er einen gefälschten Reisepass benutzt, um seine wahre Identität zu vertuschen. Seine erneute Verurteilung betreffe überdies Straftaten, die nicht nur von Ausländern verwirklicht werden könnten. Im Übrigen sei das Einreise- und Aufenthaltsverbot durchaus befristet worden. Es sei lediglich erforderlich, dass der Kläger seiner Ausreiseverpflichtung nachkomme, um mit einem entsprechenden Visum wieder einreisen zu können. Dies sei dem Kläger auch zumutbar. Bei den von ihm vorgetragenen Problemen mit der Familie seiner geschiedenen Ehefrau handele es sich nicht um eine Gefahr, die vom Staat ausgehe. Es sei dem Kläger durchaus zuzumuten, sich an einem anderen Ort in der Türkei, abseits dieser Familie aufzuhalten, bis über den von ihm zu stellenden Visumsantrag entschieden sei.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die den Kläger betreffende Ausländerakte, die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit sofortiger Wirkung. Der Bescheid des Landratsamts Enzkreis, der die Befristung von einer vorherigen Ausreise des Klägers abhängig macht, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der begehrten Befristung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 -, NVwZ 2014, 1107), namentlich hier § 11 Abs. 1 bis 6, Abs. 8 und 9 AufenthG in der seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG ist über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In Altfällen, in denen - wie vorliegend - die Ausweisung noch unter einer hiervon abweichenden Rechtslage erfolgte, kann dies naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung in diesen Fällen nachzuholen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2015 - 11 S 1857/15 -, InfAuslR 2016, 138).
21 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen (Abs. 2 Satz 1), wobei die Frist zehn Jahre nicht überschreiten soll (Abs. 3 Satz 3) und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Abs. 3 Satz 2). Ob über die Länge der Frist entsprechend dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden ist (so etwa VG Berlin, Urteil vom 05.01.2016 - 27 K 339.14 -, juris) oder ob es sich bei der Befristung eines auf einer Ausweisung beruhenden Einreise- und Aufenthaltsverbots trotz des Wortlauts der seit dem 01.08.2015 geltenden Normfassung nach wie vor um eine gebundene Entscheidung handelt (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das Landratsamt hat im angegriffenen Bescheid der Sache nach keine bestimmte Länge der Frist definiert, sondern lediglich die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots an die vorherige Ausreise des Klägers geknüpft. Dass damit nicht die erstmalige Ausreise des Klägers durch seine Abschiebung im Jahr 1998 gemeint ist, sondern seine erneute Ausreise gefordert wird, ergibt sich ohne Weiteres in Zusammenschau mit den Gründen des angegriffenen Bescheids sowie des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums. Anderenfalls wäre der Kläger durch die Regelung nicht mehr beschwert.
22 
Das Landratsamt hat die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Überzeugung der Kammer zu Recht auf den Tag der Ausreise des Klägers festgesetzt und damit die Aufhebung des Verbots von der erneuten Ausreise abhängig gemacht. In § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hat der Gesetzgeber ausdrücklich formuliert, dass die Frist (erst) mit der Ausreise zu laufen beginnt, wobei darunter sowohl eine freiwillige als auch eine erzwungene Ausreise fällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 -, BVerwGE 141, 325). Eine Ausreise in diesem Sinne liegt damit zwar grundsätzlich schon in der im Jahr 1998 durchgeführten Abschiebung des Klägers in die Türkei. Die Ausweisung und Abschiebung entfalteten bereits zu diesem Zeitpunkt die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG. Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer ähnlichen Konstellation - allerdings noch unter Geltung der vor dem 01.08.2015 anwendbaren Fassung des § 11 AufenthG - geschlossen, dass der Beginn der Frist auch nach unerlaubter Wiedereinreise des Ausländers nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden könne (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 -, DVBl 2013, 189). Dem ist jedoch nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 11 AufenthG in seiner seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung nicht zu folgen.
23 
Nach der neu eingefügten Regelung des § 11 Abs. 9 Satz 1 AufenthG wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt, wenn der Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet einreist. In Zusammenschau mit § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zeigt dies, dass der Gesetzgeber ein Abwarten des Ablaufs der Frist im Inland in jedem Fall vermeiden will (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Ohne dass es einer gesonderten Entscheidung der Ausländerbehörde bedarf, ist damit nach der derzeitigen Rechtslage der weitere Ablauf der festgesetzten Frist und damit die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bedingt durch die erneute Ausreise des unerlaubt wiedereingereisten Ausländers. War eine Frist vor der ersten Ausreise noch nicht festgesetzt worden und reist der Ausländer - wie hier - entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG unerlaubt wieder in das Bundesgebiet ein, kann jedenfalls dann nichts anderes gelten, wenn der Zweck der Sperrwirkung fortbesteht. Dies ist hier der Fall.
24 
Die Ausweisung und die mit ihr verbundene Sperrwirkung verfolgen den Zweck, die Allgemeinheit vor dem Ausländer wegen der Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe zu schützen (Spezialprävention) und andere Ausländer von der Verwirklichung der Ausweisungsgründe abzuschrecken (Generalprävention). Die Sperrwirkung darf so lange fortbestehen, wie es dieser ordnungsrechtliche Zweck im Einzelfall erfordert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003 - 11 S 59/03 -, InfAuslR 2003, 333). Dies zugrunde gelegt, zeigt sich im vorliegenden Fall ein Fortbestehen des Ausweisungszwecks. Die Ausweisung wurde seinerzeit wegen der besonderen Gefährlichkeit des Klägers im Hinblick auf die von ihm verübten gravierenden Straftaten - davon teilweise im Betäubungsmittelbereich - verfügt. Dass diese vom Kläger ausgehende Gefahr in der Folge nicht entfallen ist, zeigt sich durch seine erneute Verurteilung im Jahr 2009 zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe wegen weiterer einschlägiger Straftaten nach seiner unerlaubten Wiedereinreise. Die zuvor erfolgten Verurteilungen haben ihn von der erneuten Begehung von Straftaten ebenso wenig abgehalten wie die nachfolgende Ausweisung und Abschiebung. Mithin besteht nach wie vor ein öffentliches Fernhaltungsinteresse, das mit der Ausweisung verwirklicht werden sollte und das das Landratsamt berechtigt, das Entfallen des Einreise- und Aufenthaltsverbots von einer erneuten Ausreise abhängig zu machen.
25 
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger schon seit 1995 beziehungsweise 1998 und damit bereits seit einem vergleichsweise langen Zeitraum dem aus der Ausweisung und Abschiebung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Zwar bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, dass die Frist zehn Jahre nicht überschreiten soll. Diese Regelung beruht jedoch auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 36), wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 14/12 -, InfAuslR 2013, 131). Weiter in die Zukunft lässt sich - so das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung - die Persönlichkeitsentwicklung des Betreffenden kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, a.a.O.). Demnach ist dem Kläger zwar darin zuzustimmen, dass - wäre bereits seinerzeit mit der Ausweisungsverfügung gleichzeitig eine Befristung der Sperrwirkung ausgesprochen worden - diese Frist rechtmäßigerweise zunächst höchstens zehn Jahre hätte betragen können. Da sich in den Folgejahren die vom Kläger ausgehende Gefahr jedoch erneut durch die Begehung weiterer Straftaten realisiert hat, ist für die heute vorzunehmende Befristung nicht auf eine hypothetische Prognose zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung abzustellen. Vielmehr sind die tatsächlich in der Zwischenzeit eingetretenen Umstände in die Beurteilung einzubeziehen. Hiermit korrespondiert auch die durch § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG eröffnete Möglichkeit, eine bereits festgesetzte Frist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verlängern.
26 
Auch der mit der Abschiebung und der damit einhergehenden Sperrwirkung verbundene Zweck ist nicht entfallen, so dass auch insoweit die erneute Ausreise des Klägers zu fordern ist. Das mit der Abschiebung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot soll den Ausländer deswegen treffen, weil er Anlass für Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass dies bei einem künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet erneut der Fall sein könnte. Insofern hat die Abschiebesperrfrist eine spezialpräventive Zielrichtung. Sie soll den abgeschobenen Ausländer zur Beachtung des deutschen Aufenthaltsrechts im Allgemeinen und der Ausreisepflichten im Besonderen anhalten, um erneuten Zwangsvollstreckungsbedarf zu verhindern. Der Abschiebesperrwirkung kommt zudem eine wichtige generalpräventive Zielrichtung zu. Sie bezweckt, andere ausreisepflichtige Ausländer von der Missachtung, Umgehung und Verzögerung der Ausreisepflicht abzuhalten und dadurch Zwangsmittel zu vermeiden (zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003, a.a.O.). Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall der Zweck fortwirkt, kommt einer unerlaubten Wiedereinreise nicht unerhebliche Bedeutung zu. Diese belegt regelmäßig, dass der spezialpräventive wie der generalpräventive Zweck der Sperrwirkung noch nicht erreicht ist, die Sperrfrist daher aus öffentlichem Interesse noch eine gewisse Zeit fortzudauern hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003, a.a.O). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger ist trotz der Sperrwirkung unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Dabei hat er durch Verwendung eines gefälschten Reisepasses eine besondere Missachtung des Aufenthaltsrechts an den Tag gelegt. Von einem Wegfall des Zwecks der Sperrwirkung der Abschiebung kann daher nicht gesprochen werden. Eine erneute Ausreise des Klägers erscheint vor diesem Hintergrund geradezu zwingend.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
28 
Die Berufung ist zuzulassen, da die Frage, ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach der seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 AufenthG nach unerlaubter Wiedereinreise von einer erneuten Ausreise abhängig gemacht werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
29 
Beschluss
30 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
31 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit sofortiger Wirkung. Der Bescheid des Landratsamts Enzkreis, der die Befristung von einer vorherigen Ausreise des Klägers abhängig macht, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der begehrten Befristung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 -, NVwZ 2014, 1107), namentlich hier § 11 Abs. 1 bis 6, Abs. 8 und 9 AufenthG in der seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG ist über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In Altfällen, in denen - wie vorliegend - die Ausweisung noch unter einer hiervon abweichenden Rechtslage erfolgte, kann dies naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung in diesen Fällen nachzuholen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2015 - 11 S 1857/15 -, InfAuslR 2016, 138).
21 
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen (Abs. 2 Satz 1), wobei die Frist zehn Jahre nicht überschreiten soll (Abs. 3 Satz 3) und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Abs. 3 Satz 2). Ob über die Länge der Frist entsprechend dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden ist (so etwa VG Berlin, Urteil vom 05.01.2016 - 27 K 339.14 -, juris) oder ob es sich bei der Befristung eines auf einer Ausweisung beruhenden Einreise- und Aufenthaltsverbots trotz des Wortlauts der seit dem 01.08.2015 geltenden Normfassung nach wie vor um eine gebundene Entscheidung handelt (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das Landratsamt hat im angegriffenen Bescheid der Sache nach keine bestimmte Länge der Frist definiert, sondern lediglich die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots an die vorherige Ausreise des Klägers geknüpft. Dass damit nicht die erstmalige Ausreise des Klägers durch seine Abschiebung im Jahr 1998 gemeint ist, sondern seine erneute Ausreise gefordert wird, ergibt sich ohne Weiteres in Zusammenschau mit den Gründen des angegriffenen Bescheids sowie des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums. Anderenfalls wäre der Kläger durch die Regelung nicht mehr beschwert.
22 
Das Landratsamt hat die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Überzeugung der Kammer zu Recht auf den Tag der Ausreise des Klägers festgesetzt und damit die Aufhebung des Verbots von der erneuten Ausreise abhängig gemacht. In § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hat der Gesetzgeber ausdrücklich formuliert, dass die Frist (erst) mit der Ausreise zu laufen beginnt, wobei darunter sowohl eine freiwillige als auch eine erzwungene Ausreise fällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.2012 - 1 C 1.11 -, BVerwGE 141, 325). Eine Ausreise in diesem Sinne liegt damit zwar grundsätzlich schon in der im Jahr 1998 durchgeführten Abschiebung des Klägers in die Türkei. Die Ausweisung und Abschiebung entfalteten bereits zu diesem Zeitpunkt die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG. Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer ähnlichen Konstellation - allerdings noch unter Geltung der vor dem 01.08.2015 anwendbaren Fassung des § 11 AufenthG - geschlossen, dass der Beginn der Frist auch nach unerlaubter Wiedereinreise des Ausländers nicht mehr von einer vorhergehenden - zweiten - Ausreise abhängig gemacht werden könne (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 -, DVBl 2013, 189). Dem ist jedoch nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 11 AufenthG in seiner seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung nicht zu folgen.
23 
Nach der neu eingefügten Regelung des § 11 Abs. 9 Satz 1 AufenthG wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt, wenn der Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet einreist. In Zusammenschau mit § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zeigt dies, dass der Gesetzgeber ein Abwarten des Ablaufs der Frist im Inland in jedem Fall vermeiden will (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Ohne dass es einer gesonderten Entscheidung der Ausländerbehörde bedarf, ist damit nach der derzeitigen Rechtslage der weitere Ablauf der festgesetzten Frist und damit die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bedingt durch die erneute Ausreise des unerlaubt wiedereingereisten Ausländers. War eine Frist vor der ersten Ausreise noch nicht festgesetzt worden und reist der Ausländer - wie hier - entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG unerlaubt wieder in das Bundesgebiet ein, kann jedenfalls dann nichts anderes gelten, wenn der Zweck der Sperrwirkung fortbesteht. Dies ist hier der Fall.
24 
Die Ausweisung und die mit ihr verbundene Sperrwirkung verfolgen den Zweck, die Allgemeinheit vor dem Ausländer wegen der Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe zu schützen (Spezialprävention) und andere Ausländer von der Verwirklichung der Ausweisungsgründe abzuschrecken (Generalprävention). Die Sperrwirkung darf so lange fortbestehen, wie es dieser ordnungsrechtliche Zweck im Einzelfall erfordert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003 - 11 S 59/03 -, InfAuslR 2003, 333). Dies zugrunde gelegt, zeigt sich im vorliegenden Fall ein Fortbestehen des Ausweisungszwecks. Die Ausweisung wurde seinerzeit wegen der besonderen Gefährlichkeit des Klägers im Hinblick auf die von ihm verübten gravierenden Straftaten - davon teilweise im Betäubungsmittelbereich - verfügt. Dass diese vom Kläger ausgehende Gefahr in der Folge nicht entfallen ist, zeigt sich durch seine erneute Verurteilung im Jahr 2009 zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe wegen weiterer einschlägiger Straftaten nach seiner unerlaubten Wiedereinreise. Die zuvor erfolgten Verurteilungen haben ihn von der erneuten Begehung von Straftaten ebenso wenig abgehalten wie die nachfolgende Ausweisung und Abschiebung. Mithin besteht nach wie vor ein öffentliches Fernhaltungsinteresse, das mit der Ausweisung verwirklicht werden sollte und das das Landratsamt berechtigt, das Entfallen des Einreise- und Aufenthaltsverbots von einer erneuten Ausreise abhängig zu machen.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger schon seit 1995 beziehungsweise 1998 und damit bereits seit einem vergleichsweise langen Zeitraum dem aus der Ausweisung und Abschiebung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Zwar bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, dass die Frist zehn Jahre nicht überschreiten soll. Diese Regelung beruht jedoch auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 36), wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 14/12 -, InfAuslR 2013, 131). Weiter in die Zukunft lässt sich - so das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung - die Persönlichkeitsentwicklung des Betreffenden kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, a.a.O.). Demnach ist dem Kläger zwar darin zuzustimmen, dass - wäre bereits seinerzeit mit der Ausweisungsverfügung gleichzeitig eine Befristung der Sperrwirkung ausgesprochen worden - diese Frist rechtmäßigerweise zunächst höchstens zehn Jahre hätte betragen können. Da sich in den Folgejahren die vom Kläger ausgehende Gefahr jedoch erneut durch die Begehung weiterer Straftaten realisiert hat, ist für die heute vorzunehmende Befristung nicht auf eine hypothetische Prognose zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung abzustellen. Vielmehr sind die tatsächlich in der Zwischenzeit eingetretenen Umstände in die Beurteilung einzubeziehen. Hiermit korrespondiert auch die durch § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG eröffnete Möglichkeit, eine bereits festgesetzte Frist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verlängern.
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Auch der mit der Abschiebung und der damit einhergehenden Sperrwirkung verbundene Zweck ist nicht entfallen, so dass auch insoweit die erneute Ausreise des Klägers zu fordern ist. Das mit der Abschiebung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot soll den Ausländer deswegen treffen, weil er Anlass für Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass dies bei einem künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet erneut der Fall sein könnte. Insofern hat die Abschiebesperrfrist eine spezialpräventive Zielrichtung. Sie soll den abgeschobenen Ausländer zur Beachtung des deutschen Aufenthaltsrechts im Allgemeinen und der Ausreisepflichten im Besonderen anhalten, um erneuten Zwangsvollstreckungsbedarf zu verhindern. Der Abschiebesperrwirkung kommt zudem eine wichtige generalpräventive Zielrichtung zu. Sie bezweckt, andere ausreisepflichtige Ausländer von der Missachtung, Umgehung und Verzögerung der Ausreisepflicht abzuhalten und dadurch Zwangsmittel zu vermeiden (zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003, a.a.O.). Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall der Zweck fortwirkt, kommt einer unerlaubten Wiedereinreise nicht unerhebliche Bedeutung zu. Diese belegt regelmäßig, dass der spezialpräventive wie der generalpräventive Zweck der Sperrwirkung noch nicht erreicht ist, die Sperrfrist daher aus öffentlichem Interesse noch eine gewisse Zeit fortzudauern hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2003, a.a.O). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger ist trotz der Sperrwirkung unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Dabei hat er durch Verwendung eines gefälschten Reisepasses eine besondere Missachtung des Aufenthaltsrechts an den Tag gelegt. Von einem Wegfall des Zwecks der Sperrwirkung der Abschiebung kann daher nicht gesprochen werden. Eine erneute Ausreise des Klägers erscheint vor diesem Hintergrund geradezu zwingend.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
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Die Berufung ist zuzulassen, da die Frage, ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach der seit dem 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 AufenthG nach unerlaubter Wiedereinreise von einer erneuten Ausreise abhängig gemacht werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Beschluss
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Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
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Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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