1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
| |
| Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2019 nicht vertreten war. Denn die Ladung, die aufgrund des allgemeinen Verzichts der Beklagten auf die Förmlichkeiten der Ladung für diese formlos erfolgen konnte, enthielt einen entsprechenden Hinweis (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). |
|
| Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn der Bescheid des Bundesamts vom 23.05.2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Folgeantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt (I.). Die Ablehnung des Antrags, den Bescheid des Bundesamts vom 18.03.2011 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abzuändern, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des vorliegenden Bescheids (II.). Auch die Ausreiseaufforderung, die Abschiebungsandrohung nach Afghanistan, sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen keinen rechtlichen Bedenken (III.). |
|
| |
| 1. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5, 1. Alt. AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Das im Folgeantrag enthaltene Wiederaufgreifensgesuch muss zulässig und begründet sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris). |
|
| a) Die Zulässigkeit des Wiederaufgreifensgesuchs („erste Stufe“) bestimmt sich wesentlich nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG, deren Voraussetzungen ggf. näher darzulegen sind (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris). Dabei setzt die Zulässigkeit jeden Folgeantragsvorbringens nach § 51 Abs. 2 VwVfG zunächst voraus, dass der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren geltend zu machen. Derartiges Verschulden ist dann anzunehmen, wenn dem Folgeantragsteller das Bestehen des Wiederaufnahmegrundes bekannt war oder sich ihm nach den ihm bekannten Umständen aufdrängen musste und wenn er sich dennoch unter Verletzung seiner Sorgfaltspflichten, insbesondere seiner Mitwirkungsobliegenheit (§§ 25 Abs. 2, 71 Abs. 3 AsylG), nicht darum gekümmert hat. Der Antrag muss ferner binnen drei Monaten gestellt werden; die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG). |
|
| b) Das Wiederaufgreifensgesuch ist begründet („zweite Stufe“), wenn die Voraussetzungen für das begehrte Wiederaufgreifen tatsächlich vorliegen, der Ausländer mithin darlegen konnte, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Für die vorliegend allein in Betracht kommende Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens eines Folgeantrags wegen nachträglicher Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist es notwendig und allerdings auch ausreichend, dass der Asylbewerber eine Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt. Dagegen ist es insoweit nicht von Bedeutung, ob der neue Vortrag im Hinblick auf das glaubhafte persönliche Schicksals des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse im angeblichen Verfolgerland tatsächlich zutrifft, ob der neue Vortrag die Verfolgungsfurcht begründet erscheinen lässt und die Annahme einer asylrechtlich relevanten politischen Verfolgung rechtfertigt. Dies ist in dem neuen Anerkennungsverfahren zu prüfen. Wird danach eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Asylbewerbers geltend gemacht, genügt es freilich nicht, dass lediglich eine entsprechende Behauptung aufgestellt wird. Vielmehr muss sich aus dem Vorbringen des Antragstellers eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zu dem früher geltend gemachten Sachverhalt ergeben. Dabei ist die Geeignetheit der neuen Tatsachen, für eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung, schlüssig darzutun. Freilich kann dementsprechend dann, wenn das glaubhafte und substantiierte Vorbringen von vornherein nach jeder vernünftigen vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet ist, zur Asylanerkennung zu führen, das Verwaltungsgericht den Folgeantrag als unbeachtlich ansehen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris; Urt. v. 23.03.2000 - A 12 S 423/00 -, juris). |
|
| |
| Wie das Bundesamt zutreffend festgestellt hat, ist das Wiederaufgreifensgesuch des Klägers bereits unzulässig, da dieser nicht ohne grobes Verschulden außerstande war, den von ihm vorgebrachten Wiederaufgreifensgrund in seinem früheren Asylverfahren geltend zu machen. Denn nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, an denen sich der Kläger insoweit festhalten lassen muss, hat er bereits seit seiner Ausreise aus Afghanistan von seinem früheren schiitisch-muslimischen Glauben Abstand genommen und diesen seitdem in keiner Weise mehr praktiziert. Zudem ist er schon vor seiner Einreise nach Deutschland, nämlich in Griechenland, mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen. Bereits dort hat er den Entschluss gefasst, zum christlichen Glauben zu konvertieren; es habe ihm lediglich an der Möglichkeit gefehlt diesen Entschluss in die Tat umzusetzen. Vor diesem Hintergrund aber hatte der Kläger bereits während seines ersten Asylverfahrens Kenntnis von dem nunmehr als Wiederaufgreifensgrund geltend gemachten Umstand und es wäre ihm bei Beachtung seiner asylrechtlichen Mitwirkungspflichten auch ohne weiteres möglich gewesen, diesen Umstand bereits im Rahmen seines ersten Asylverfahrens vorzutragen. Dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht förmlich getauft war, ist insoweit schon deshalb unerheblich, weil bereits der bloße Abfall vom muslimischen Glauben einen Umstand darstellt, der potentiell geeignet ist, einen Anspruch auf internationalen Schutz zu begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris) und der Kläger es auch unterlassen hat, diesen Umstand zu erwähnen. |
|
| Auch die in Ziffer 2 des Bescheids vom 23.05.2017 getroffene Ablehnung, den Bescheid des Bundesamts vom 18.03.2011 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abzuändern, begründet nicht die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids. |
|
| 1. Es spricht einiges dafür, dass es das Bundesamt zu Recht abgelehnt hat, über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG erneut inhaltlich zu entscheiden, da weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG noch Gründe für ein Wiederaufgreifen nach den § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 49 Abs. 1 VwVfG vorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit in dem vom Bundesamt in seinem streitgegenständlichen Bescheid zitierten Urteil vom 21.03.2000 (- 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940) zu der damaligen Rechtslage das Folgende ausgeführt: |
|
| „Hat das Bundesamt, wie vorliegend, im ersten Asylverfahren bereits unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht bestehen, kann auf den Asylfolgeantrag des Ausländers hin eine erneute Prüfung und Entscheidung des Bundesamts zu § 53 AuslG nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Ausländer auf Abschiebungshindernisse beruft, die erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens eingetreten sind; dem steht auch nicht die Rechtskraft einer die ursprüngliche (negative) Feststellung bestätigenden Gerichtsentscheidung entgegen. Die Entscheidung des Bundesamts über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf Dauer angelegt. Späteren Entwicklungen kann daher grundsätzlich nicht ohne Aufhebung bzw. Änderung der Entscheidung des Bundesamts Rechnung getragen werden. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 42 Satz 2 AsylVfG, der ersichtlich davon ausgeht, dass das Bundesamt den späteren Eintritt oder Wegfall eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG nur unter Aufhebung oder Änderung seiner früheren ablehnenden Entscheidung feststellen kann, sofern es sich nicht um einen Fall des § 53 AuslG handelt. Dem entspricht es, dass bei Änderung der Sachlage auch eine positive Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungshindernissen nur im Wege des förmlichen Widerrufs durch das Bundesamt nach § 73 Abs. 3 AsylVfG außer Kraft gesetzt werden kann (zur gesetzlich intendierten „Dauerhaftigkeit” abschiebungsbezogener Entscheidungen vgl. ferner §§ 71 Abs. 5 und 42 Satz 1 AsylVfG sowie §§ 50 Abs. 3 und 70 Abs. 3 AuslG).“ |
|
| Demgegenüber wird in der Rechtsprechung der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte seit Inkrafttreten von Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) am 6. August 2016 die Auffassung vertreten, dass das Bundesamt in Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen der bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage unabhängig davon zu treffen habe, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder des § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG gegeben seien. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des durch Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes geänderten § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG habe das Bundesamt in allen Entscheidungen über unzulässige Asylanträge – und damit auch bei Folgeanträgen nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorlägen (etwa Sächsisches OVG, Urt. v. 21.06.2017 - 5 A 109/15.A -, juris; VG Würzburg, Beschl. v. 25.02.2019 - W 8 S 19.30348 -, juris). |
|
| Dem Argument des vermeintlich eindeutigen Wortlauts ist indes entgegenzuhalten, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nichts darüber aussagt, unter welchen Voraussetzungen – d. h. nach welchem Maßstab – die Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu erfolgen hat (VG Sigmaringen, Urt. v. 10.03.2017 - A 3 K 3493/15 -, juris). Zudem lässt sich den Gesetzesmaterialien zu Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber das Bundesamt mit der textlichen Neufassung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „In Absatz 3 Satz 1 wird das Wort ‚unbeachtliche‘ durch das Wort ‚unzulässige‘ ersetzt“ (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 18) – unter voraussetzungsloser Aufgabe der Bestandskraft der vorangegangenen Entscheidung dazu verpflichten wollte, das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote umfassend erneut zu prüfen. Vielmehr ist in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung allein von einer „Folgeänderung“ die Rede (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 52), was gegen einen solch weitreichenden Änderungswillen des Gesetzgebers spricht. Darüber hinaus würde auch das gesetzgeberische Ziel, eine faktische Aufenthaltsverfestigung durch das Stellen immer neuer Asylanträge zu verhindern, auf diese Weise konterkariert. Denn Vorbringen, welches unter den engen Voraussetzungen des § 51 VwVfG eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens nicht begründet, wäre nunmehr im Rahmen der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote vollständig zu berücksichtigen, obwohl auch diesbezüglich bereits eine bestandskräftige Entscheidung getroffen worden ist (Dickten, in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 22. Edition, Stand: 01.05.2019, AsylG § 71 Rn. 28). Und schließlich ist der genannten Auffassung entgegenzuhalten, dass § 29 Abs. 1 Nr. 5 AslyG im Rahmen der §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG insoweit eine Sonderstellung einnimmt, als sich die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote in den übrigen Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG – anders als in denen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AslyG – nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern vielmehr auf den Zielstaat der Überstellung bezieht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.04.2017 - 1 C 9/16 -, NVwZ 2017, 1207) und schon deshalb stets die erste Entscheidung über nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich dieses Zielstaat darstellen wird. Sinn und Zweck des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bestehen somit aber ersichtlich darin, sicherzustellen, dass eine die Ausländerbehörde bindende (vgl. § 42 Satz 1 AsylG) Entscheidung des Bundesamts über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote überhaupt ergeht. Hingegen zielt er nicht darauf ab, die Bestandskraft einer solchen bereits zuvor ergangenen Entscheidung des Bundesamts und damit die „gesetzlich intendierte Dauerhaftigkeit abschiebungsbezogener Entscheidungen“ (BVerwG, Urt. v. 21.03.2000 - 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940) ohne erkennbaren Grund zu unterlaufen. |
|
| 2. Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn der genannten Auffassung zu folgen wäre und das Bundesamt vorliegend eine erneute inhaltliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG hätte treffen müssen, hätte dies nicht die Rechtswidrigkeit der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge. Denn fehlt ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG oder ist die Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote ganz unterblieben, so ergibt sich allein hieraus nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung – gegebenenfalls auch erstmals – selbst vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.04.2017 - 1 C 9.16 -, NVwZ 2017, 1207). Vor diesem Hintergrund aber ist der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Falle des Klägers nicht gegeben sind. |
|
| |
| Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. |
|
| Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht. |
|
| aa) Dem Kläger droht in der Provinz Kabul – dem Zielort einer etwaigen Abschiebung – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der von ihm vorgetragenen Konversion zum christlichen Glauben. Denn nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck ist das erkennende Gericht bei wertender Gesamtschau – unter besonderer Berücksichtigung der Persönlichkeit und der intellektuellen Disposition des Klägers – nicht davon überzeugt, dass dessen formaler Übertritt zum christlichen Glauben auf einer festen Glaubensüberzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. |
|
| (1) Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. |
|
| Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. |
|
| Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden. |
|
| Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.01.2018 - A 11 S 1265/17 -, juris m.w.M.). |
|
| Auch die Tatsache, dass er eine unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nachweisen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67; Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). Dabei trägt der Konvertit die Darlegungs- und Beweislast für die sich in seinem persönlichen Bereich abspielenden Vorgänge (Hessischer VGH, Urt. v. 26.07.2007 - 8 UE 3140/05.A -, juris). Das Gericht ist an kirchliche Bescheinigungen und Einschätzungen, insbesondere einen kirchenrechtlich formal wirksam vollzogenen Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe, nicht gebunden (BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). |
|
| Ist der Schutzsuchende nicht bereits wegen seiner Religion verfolgt oder unmittelbar mit Verfolgung bedroht worden, muss er glaubhaft machen, dass ihm wegen seiner Religionsausübung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung droht, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt. Entscheidend ist insoweit, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2007 - 1 C 21.06 -, BVerwGE 128, 199; Urt. v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, NVwZ 1992, 582; Beschl. v. 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, DVBl 2008, 1255). Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Dabei lässt sich die religiöse Identität als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). Entscheidend ist, ob die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2004 - 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.11.2012 - 13 A 19999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575). |
|
| Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.06.2017 - 13 A 1120/17.A -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 03.05.2017 - A 11 S 941/17 -, juris). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.11.2012 - 13 A 19999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575). |
|
| (2) Hieran gemessen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der formale Übertritt des Klägers zum christlichen Glauben auf einer festen Glaubensüberzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. |
|
| Der Kläger vermochte dem Gericht weder in überzeugender Weise zu erklären, was seine Motive und Beweggründe dafür waren, dass er sich vom muslimischen Glauben ab- und dem christlichen Glauben zugewandt hat, noch weshalb er dem christlichen Glauben einen solch hohen Stellenwert für sein Leben beimisst, dass er sich dazu entschlossen hat, sich taufen zu lassen. Denn auch auf mehrfache Nachfrage des Gerichts sowie des Prozessbevollmächtigten, nannte der Kläger letztlich keinen Grund, der für seine Hinwendung zum christlichen Glauben ursächlich war. Vielmehr gab er auf die dahingehenden Fragen im Wesentlichen an, dass er sich seit seiner Taufe glücklich und frei fühle und der Islam eine durch Autorität und Gewalt geprägte und sich der Idee rationaler Erkenntnis verschließende Religion sei. Doch vermag das Gericht hierin schon deshalb keine nachvollziehbaren Gründe für die Konversion des Klägers zu sehen, weil die Idee individueller Freiheit in erster Linie der Vorstellungswelt der Aufklärung, nicht aber der des Christentums entstammt und allein die Ablehnung des muslimischen Glaubens noch keinen Grund dafür darstellt, sich dem Christentum zuzuwenden. Im Übrigen mögen die von dem Kläger dem Islam zugeschriebenen Eigenschaften zwar möglicherweise auf den in manchen Regionen Afghanistans tatsächlich gelebten Islam zutreffen, sind aber nicht ohne weiteres der Verallgemeinerung fähig. Denn jedenfalls nach eigenem Selbstverständnis ist der Islam nicht nur die Religion des Friedens, in welcher der Mensch seinen Frieden mit sich und der Welt durch freiwillige Hingabe zu Gott findet. Vielmehr fordere die islamische Lehre den Menschen auch immer wieder dazu auf, von seiner Vernunft und Beobachtungsgabe Gebrauch zu machen und sei damit aufklärerisch und von ernsthaften Konflikten zwischen Religion und Naturwissenschaften verschont geblieben (vgl.Grundsatzerklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) zur Beziehung der Muslime zum Staat und zur Gesellschaft, abrufbar unter: http://zentralrat.de/3035.php). |
|
| Das Gericht hat nach dem Vortrag des Klägers auch nicht den Eindruck gewonnen, dass der christliche Glaube für diesen ein zentrales und unverzichtbares Element seiner Identität bildet und es für ihn unerlässliche wäre, seinen christlichen Glauben auch in seiner Heimat Afghanistan öffentlich zu leben. Dass er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Wertvorstellungen und Normen des christlichen Glaubens ausgerichtet hätte, war dem klägerischen Vortrag schon deshalb nicht zu entnehmen, weil der Kläger nicht den Eindruck zu vermitteln vermochte, mit den Inhalten des christlichen Glaubens hinreichend vertraut zu sein. Zwar waren ihm die zentralen Feste des Christentums nicht gänzlich fremd. Doch konnte er weder zur Person des Jesus Christus Wesentliches berichten, noch auf Anhieb sagen, welches christliche Fest im April dieses Jahres gefeiert wird und wie die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern heißt. Letzteres erstaunt umso mehr, als die mündliche Verhandlung am 22. März und damit nur einen Monat vor Ostern sowie während der Fastenzeit stattfand. Darüber hinaus hat das Gericht auch durchgreifende Zweifel daran, dass der Beschäftigung des Klägers mit dem christlichen Glauben eine intrinsische und auf spirituellen Gründen beruhende Motivation zugrunde liegt. Vielmehr hat es aufgrund des Vortrags des Klägers den Eindruck gewonnen, dass sich der Kläger in erster Linie aufgrund der Initiative und unter Anleitung anderer Personen mit Fragen des christlichen Glaubens auseinandersetzt und dies vor allem aus sozialen und integrativen Gründen geschieht. |
|
| Hinzu kommt, dass der Kläger weder seinen Taufspruch aufsagen konnte, noch zu sagen vermochte, an welchem Tag seine Taufe war. Denn auf die dahingehende Frage des Gerichts erklärte er, dass er die Gemeinde in Frankfurt – gemeint ist wohl die zu Offenbach gehörende Gemeinde Dietzenbach – im September 2013 zum ersten Mal besucht und seine Taufe im November 2013 stattgefunden habe. Indes geht aus dem Schreiben der Jesus-Gemeinde-Dietzenbach e.V. vom 16.10.2013 hervor, dass der Kläger bereits am 15.09.2013 getauft worden ist. |
|
| Die Angaben der in der mündlichen Verhandlung informell angehörten Frau ... rechtfertigen insoweit keine andere Beurteilung. Denn zum einen haben sich der Kläger und Frau ... nach eigenem Bekunden erst im Jahr 2014 kennen gelernt, sodass Frau ... letztlich keinen Angaben dazu machen konnte, was die damaligen Motive und Beweggründe des Klägers für seinen Glaubenswechsel waren. Und zum anderen haben sich die beiden auch innerhalb des letzten Jahres nur sporadisch gesehen, weshalb Frau ... auch dazu keine gesicherten Erkenntnisse hatte, inwieweit der Kläger den christlichen Glauben in den letzten Monaten tatsächlich gelebt hat und dieser für ihn ein zentrales und unverzichtbares Element seiner Identität bildet. |
|
| Auch das Schreiben der Jesus-Gemeinde-Dietzenbach e.V. vom 16.10.2013 gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn zum einen handelt es sich hierbei um kein individuell gefertigtes Schreiben, sondern vielmehr um einen Vordruck, in den lediglich der Name und das Geburtsdatum des Täuflings einzutragen waren, was dafür spricht, dass in dieser Gemeinde offenbar Taufen in großer Zahl und weitestgehend anonym durchgeführt werden und Zweifel an deren Ernsthaftigkeit und Seriosität aufkommen lässt. Und zum anderen ist es die ureigene Aufgabe des Gerichts, die Glaubhaftigkeit der vorgetragenen Konversion auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks zu beurteilen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weshalb es, sofern dieser Eindruck negativ ausfällt, auf die gegenteilige Auffassung Dritter nicht entscheidungserheblich ankommt. Insbesondere ist das Gericht an die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pfarrer oder Pastor nicht gebunden (BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 457; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.02.2018 - 13 A 125/18.A -, juris). |
|
| Der Kläger muss in Afghanistan auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen des nur formalen Übertritts zum Christentum durch die Taufe befürchten. Denn da eine ernsthafte Hinwendung zum christlichen Glauben bei ihm nicht festzustellen ist, ist es ihm zuzumuten und auch prognostisch zu erwarten, dass er im Falle seiner Rückkehr nicht von der Taufe berichten wird. Ohne Kenntnis von der Taufe bei den in Betracht kommenden Verfolgungsakteuren droht dem Kläger von diesen aber auch keine Verfolgungshandlung auf Grund des formalen Taufakts. Darüber sind für eine derartige Verfolgungspraxis in Afghanistan auch keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 09.06.2017 - 13 A 1120/17.A -, juris; Hessischer VGH, Urt. v. 26.07.2007 - 8 UE 3140/05.A -, juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.2016 - A 2 K 3605/16 -, juris; VG Würzburg, Urt. v. 30.09.2016 - W 1 K 16.31087-, juris). |
|
| bb) Auch die allgemeine Gefahrenlage in der Provinz Kabul begründet für den Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. |
|
| Eine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund allgemeiner Gefahr ist nur dann anzunehmen, wenn sich die allgemeine Gefahr in der Person des jeweiligen Ausländers derart verdichtet, dass es zu einer Individualisierung der Gefahr im Sinne einer unmenschlichen oder erniedrigenden „Behandlung“ kommt. Fehlen individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des jeweiligen Ausländers, so ist eine solche Individualisierung – entsprechend dem Maßstab des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG – nur ausnahmsweise bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation anzunehmen, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.; sowie VGH Baden Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris, Rn. 77 zu § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK). |
|
| Bei einer Einwohnerzahl von (mindestens) 4.860.880 und 1.866 zivilen Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) lag die Wahrscheinlichkeit im Jahr 2018 in der Provinz Kabul als Zivilperson ein Opfer willkürlicher Gewalt zu werden bei 1:2605 bzw. 0,038 % (vgl. (CSO) Afghanistan: Afghanistan Population Estimates for the year 1397 (2018 -19), Juni 2018; UNAMA, Afghanistan Protection of Civilians in Armed Conflict Annual Report 2018, Februar 2019) und damit noch weit unter dem Wert von 1:800 bzw. 0,125 %, der noch nicht einmal bei wertender Gesamtabwägung die Annahme einer „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 1704/17 -, juris). Dabei kann dahinstehen, ob bei einer Gefahrenwahrscheinlichkeit von 1:2605 bzw. 0,038 % das vom Bundesverwaltungsgericht geforderte hohe Niveau willkürlicher Gewalt bereits erreicht ist, das auch dann gegeben sein muss, wenn individuell gefahrerhöhende Umstände hinzutreten. Denn selbst wenn man dies bejahte, sind in der Person des Klägers keine individuell gefahrerhöhenden Umstände von solcher Art und solchem Gewicht ersichtlich, aufgrund derer sich die allgemeine ungezielte Gewalt in seiner Person derart stark verdichten würde, dass eine „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ im Sinne des Art. 3 EMRK anzunehmen wäre. |
|
| cc) Auch unter dem Aspekt der allgemein schlechten sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse in Afghanistan besteht für den Kläger kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. |
|
| (1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) haben die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nicht notwendigerweise eine Bedeutung und mit Sicherheit keine entscheidende Bedeutung („certainly not a decisive bearing“) für die Frage, ob der Ausländer dort tatsächlich der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt ist. Denn die Rechte, die die EMRK dem Einzelnen vermittelt, können zwar soziale und ökonomische Auswirkungen haben. Doch zielt die EMRK in erster Linie darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Darüber hinaus beruht Art. 3 EMRK – wie die gesamte Konvention – auf dem Prinzip, dass ein gerechter Ausgleich („fair balance“) zwischen dem öffentlichen Interesse des jeweiligen Gemeinwesens und den Erfordernissen des Schutzes der Rechte des Einzelnen gesucht werden muss. Deshalb verpflichtet Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten etwa nicht dazu, Unterschiede, die im Bereich der Gesundheitsversorgung gegenüber den Zielstaaten bestehen, durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen. Ausländer, gegen die eine Abschiebung angeordnet worden ist, können nicht allein deshalb ein Recht auf Verbleib in dem betreffenden Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe zu erhalten. Allein der Umstand, dass im Fall einer Ausweisung die Lage des Betroffenen, einschließlich seiner Lebenserwartung, erheblich beeinträchtigt wird, reicht nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Hier anders zu entscheiden würde die Konventionsstaaten übermäßig belasten (so EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334 Rn. 42 ff.; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681 Rn. 278; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 20017, 1187 Rn. 178). |
|
| Um der grundlegenden Bedeutung und dem absoluten Charakter von Art. 3 EMRK Rechnung zu tragen, ist jedoch eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. |
|
| (a) Nach dem vom EGMR in seinem Urteil - M.S.S./Belgien und Griechenland - entwickelten Maßstab, sind die im Zielstaat der Abschiebung allgemein herrschenden schlechten humanitären Verhältnisse allein dann unmittelbar in den Blick zu nehmen und daraufhin zu überprüfen, ob der betroffene Ausländer dort die Möglichkeit findet, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatliches Handeln oder das Handeln eines relevanten nichtstaatlichen Akteurs zurückzuführen sind (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681). |
|
| (b) Sind die schlechten humanitären Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hingegen weder dem Handeln des Staats noch dem eines relevanten nichtstaatlichen Akteurs zurechenbar, so ist der vom EGMR in seinem Urteil - N./Vereinigtes Königreich - entwickelte Maßstab heranzuziehen, wonach die schlechten humanitären Verhältnisse nur in solchen „besonderen Ausnahmefällen“ („very exceptional cases“) eine Verletzung von Art. 3 EMRK begründen, in denen die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend („compelling“) sind (EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187; sowie bereits Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 - D/Vereinigtes Königreich, NVwZ 1998, 161; vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 23 u. 25; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 82; sowie EuGH, Urt. v. 18.12.2014 - C-542/13 - M. Bodj, NVwZ-RR 2015, 158, der insoweit unter Rn. 39 sogar von „absoluten“ Ausnahmefällen spricht). Den entsprechenden Urteilen des EGMR lässt sich hierbei entnehmen, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK in diesen Fällen nur dann in Betracht kommt, wenn in der Person des Ausländers ein „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ vorhanden ist (vgl. Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 - D/Vereinigtes Königreich, NVwZ 1998, 161 [Aidserkrankung]; Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334 [Aidserkrankung]; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187 [chronische lymphatische Leukämie]; Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich [Amputation von Bein und Penis]; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 71 u. 80 f.). Nur wenn ein solcher „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ in der Person des Ausländers gegeben ist, sind in einem zweiten Schritt die allgemein schlechten humanitären Verhältnisse des Zielstaats in den Blick zu nehmen und bezogen auf diesen individuellen Umstand des Ausländers daraufhin zu überprüfen, ob sie sich deshalb in dessen Person derart stark verdichten, dass sie einen „besonderen Ausnahmefall“ begründen, der einer Abschiebung aus humanitären Gründen zwingend entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine solche Verdichtung dann geben, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme sprechen, dass dem betroffenen Ausländer im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Lebensgefahr droht oder er tatsächlich der Gefahr ausgesetzt ist, dass sich sein Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung seiner Lebenserwartung (vgl. EGMR, Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187 Rn. 183, 187 u. 189; sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2018 - 9 LA 64/18 -, juris, das insoweit das Hinzutreten spezifischer individueller Einschränkungen und Handicaps fordert, die sich zu einer außergewöhnlichen Situation verdichten). |
|
| (2) Den für Afghanistan zur Anwendung kommenden Maßstab - N./Vereinigtes Königreich - zugrunde gelegt (vgl. EGMR, Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich; sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris), verstößt die Abschiebung des Klägers nicht gegen Art. 3 EMRK. |
|
| Allein die allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan begründen für sich genommen im Falle einer Abschiebung keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse in Afghanistan sind zwar zweifellos schwierig und angesichts der Verhältnisse in den 51 Ländern, die nach dem Human Development Index 2016 einen sehr hohen Stand menschlicher Entwicklung aufweisen („very high human development“), auch nur schwerlich zu ertragen. Dies gilt insbesondere für die schlechte wirtschaftliche Lage, die mangelhafte Versorgungslage, sowie das unzureichende Gesundheitswesen (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris). Doch handelt es sich hierbei nicht um „ganz außerordentliche individuelle Umstände“ im Sinne des „besonderen Ausnahmefalls“ (vgl. EGMR, Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich Rn. 90 ff.; sowie unter Bezugnahme hierauf EGMR, Urt. v. 12.1.2016 - 13442/08 - A.G.R./Niederlande, NVwZ 2017, 293; Urt. v. 05.07.2016 - 29094/09 - A.M./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 46051/13 - S.M.A./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 41509/12 - Soleimankheel u.a./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 43538/11 und 63104/11 - E.P. und A.R./Niederlande; sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2018 - 9 LA 64/18 -, juris). |
|
| Das Gericht vermag in der Person des Klägers auch im Übrigen keinen „ganz außerordentlichen individuellen Umstand“ zu erkennen, aufgrund dessen sich die in Afghanistan allgemein herrschenden schlechten humanitären Verhältnisse in dessen Person derart stark verdichten würden, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Lebensgefahr drohte oder er tatsächlich Gefahr liefe, dass sich sein Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung seiner Lebenserwartung. |
|
| Insbesondere ist ein „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ vorliegend nicht in etwaigen Gefahren zu sehen, die sich daraus ergeben, dass es sich beim Kläger – im Falle seiner Abschiebung – um einen „Rückkehrer aus dem westlichen Ausland“ handeln würde. Denn der Kläger hat weder vorgetragen, in besonderer Weise „verwestlicht“ zu sein, noch, weshalb speziell er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seines Aufenthalts in Europa mit unzumutbaren Schwierigkeiten zu rechnen habe. Dass ein jeder aus dem Westen in sein Herkunftsland zurückkehrender Afghane allein deshalb, der tatsächlichen – und nicht nur gefühlten oder mutmaßlichen – Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, lässt sich den dem erkennenden Gericht vorliegenden zuverlässigen und objektiven Quellen hingegen nicht entnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 249; wohl auch EGMR, Urt. v. 11.07.2017 - 41509/12 - Soleimankheel u.a./Niederlande Rn. 36, wo dieser Aspekt zwar vorgetragen wurde, der EGMR ihn im Folgenden aber nicht weiter problematisiert; sowie EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Individuals targeted under societal and legal norms, S. 92 ff.). |
|
| Da es somit vorliegend an einem „ganz außerordentlichen individuellen Umstand“ fehlt und der Maßstab des EGMR-Urteils - M.S.S./Belgien und Griechenland - für Afghanistan nicht zur Anwendung kommt, muss hier im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht positiv begründet zu werden, dass der Kläger in Afghanistan in der Lage sein wird, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen. Vielmehr ist die Frage, inwieweit dem Kläger aufgrund der in Afghanistan allgemein herrschenden humanitären Verhältnisse Abschiebungsschutz zu gewähren ist, allein anhand des nationalen Maßstabs der „Extremgefahr“ in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu beantworten (hierzu sogleich). |
|
| b) Der Kläger erfüllt schließlich auch nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. |
|
| aa) Dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Insbesondere hat er nicht glaubhaft gemacht, an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu leiden, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtert. |
|
| bb) Darüber hinaus ist auch keine allgemeine Gefahrenlage im Sinne einer „Extremgefahr“ gegeben, die es gebieten würde, dem Kläger Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Denn das erkennende Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger alsbald nach seiner Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit der sichere Tod oder schwerste Gesundheitsschäden drohen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451; Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167). Insbesondere geht es davon aus, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu sichern. Denn in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ist das erkennende Gericht nicht zuletzt aufgrund der Angaben der EASO in ihren Leitlinien aus Juni 2018 der Auffassung, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter grundsätzlich dazu in der Lage sind, in Afghanistan ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen wie insbesondere der Stadt Kabul zu leben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; Urt. v. 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris; Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris; Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris; Urt. v. 23.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris; Bayerischer VGH, Beschl. v. 04.08.2017 - 13a ZB 17.30791 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A -, juris; EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2018, S. 106 f.). |
|
| Der Kläger ist leistungsfähig, im arbeitsfähigen Alter und alleinstehend. Er trägt keine Unterhaltslasten. Zudem hat er – speziell im Falle freiwilliger Ausreise – die Möglichkeit, Rückkehr- und Starthilfen im Rahmen des REAG/GARP-, des StarhilfePlus- sowie des ERIN-Programms in Anspruch nehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris). Für einen alleinstehenden Mann umfasst das „REAG/GARP-Programm 2019“ neben der Übernahme der tatsächlich anfallenden Reise- und Transportkosten eine pauschale Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR sowie eine pauschale Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR (vgl. REAG/GARP-Programm 2019, Stand: Januar 2019). Ergänzend zu den Leistungen von REAG/GARP wird Einzelpersonen eine Reintegrationsunterstützung nach dem StarthilfePlus-Programm in Höhe von 1.000 EUR gewährt (vgl. BAMF, StarthilfePlus – Ergänzende Reintegrationsunterstützung im Zielland, Stand: Februar 2019). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm „ERIN“. Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Sachleistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR umfassen (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin#title, zuletzt abgerufen: 16.05.2019). Angesichts der Übernahme der tatsächlich anfallenden Reise- und Transportkosten, einer Rückkehr- und Starthilfe im Gegenwert von insgesamt bis zu 4.200 EUR sowie professioneller Unterstützung bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche liegen damit weitere stichhaltige Gründe dafür vor, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit dem sicheren Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert sein wird. |
|
| Hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung nach Afghanistan sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wurden rechtliche Bedenken weder seitens des Klägers vorgetragen, noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Insbesondere entspricht die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von lediglich einer Woche den rechtlichen Vorgaben des § 36 Abs. 1 i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG. |
|
| |
| |
| Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2019 nicht vertreten war. Denn die Ladung, die aufgrund des allgemeinen Verzichts der Beklagten auf die Förmlichkeiten der Ladung für diese formlos erfolgen konnte, enthielt einen entsprechenden Hinweis (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). |
|
| Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn der Bescheid des Bundesamts vom 23.05.2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Folgeantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt (I.). Die Ablehnung des Antrags, den Bescheid des Bundesamts vom 18.03.2011 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abzuändern, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des vorliegenden Bescheids (II.). Auch die Ausreiseaufforderung, die Abschiebungsandrohung nach Afghanistan, sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen keinen rechtlichen Bedenken (III.). |
|
| |
| 1. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5, 1. Alt. AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Das im Folgeantrag enthaltene Wiederaufgreifensgesuch muss zulässig und begründet sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris). |
|
| a) Die Zulässigkeit des Wiederaufgreifensgesuchs („erste Stufe“) bestimmt sich wesentlich nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG, deren Voraussetzungen ggf. näher darzulegen sind (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris). Dabei setzt die Zulässigkeit jeden Folgeantragsvorbringens nach § 51 Abs. 2 VwVfG zunächst voraus, dass der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren geltend zu machen. Derartiges Verschulden ist dann anzunehmen, wenn dem Folgeantragsteller das Bestehen des Wiederaufnahmegrundes bekannt war oder sich ihm nach den ihm bekannten Umständen aufdrängen musste und wenn er sich dennoch unter Verletzung seiner Sorgfaltspflichten, insbesondere seiner Mitwirkungsobliegenheit (§§ 25 Abs. 2, 71 Abs. 3 AsylG), nicht darum gekümmert hat. Der Antrag muss ferner binnen drei Monaten gestellt werden; die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG). |
|
| b) Das Wiederaufgreifensgesuch ist begründet („zweite Stufe“), wenn die Voraussetzungen für das begehrte Wiederaufgreifen tatsächlich vorliegen, der Ausländer mithin darlegen konnte, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Für die vorliegend allein in Betracht kommende Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens eines Folgeantrags wegen nachträglicher Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist es notwendig und allerdings auch ausreichend, dass der Asylbewerber eine Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt. Dagegen ist es insoweit nicht von Bedeutung, ob der neue Vortrag im Hinblick auf das glaubhafte persönliche Schicksals des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse im angeblichen Verfolgerland tatsächlich zutrifft, ob der neue Vortrag die Verfolgungsfurcht begründet erscheinen lässt und die Annahme einer asylrechtlich relevanten politischen Verfolgung rechtfertigt. Dies ist in dem neuen Anerkennungsverfahren zu prüfen. Wird danach eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Asylbewerbers geltend gemacht, genügt es freilich nicht, dass lediglich eine entsprechende Behauptung aufgestellt wird. Vielmehr muss sich aus dem Vorbringen des Antragstellers eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zu dem früher geltend gemachten Sachverhalt ergeben. Dabei ist die Geeignetheit der neuen Tatsachen, für eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung, schlüssig darzutun. Freilich kann dementsprechend dann, wenn das glaubhafte und substantiierte Vorbringen von vornherein nach jeder vernünftigen vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet ist, zur Asylanerkennung zu führen, das Verwaltungsgericht den Folgeantrag als unbeachtlich ansehen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.06.1999 - A 6 S 2766/98 -, juris; Urt. v. 23.03.2000 - A 12 S 423/00 -, juris). |
|
| |
| Wie das Bundesamt zutreffend festgestellt hat, ist das Wiederaufgreifensgesuch des Klägers bereits unzulässig, da dieser nicht ohne grobes Verschulden außerstande war, den von ihm vorgebrachten Wiederaufgreifensgrund in seinem früheren Asylverfahren geltend zu machen. Denn nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, an denen sich der Kläger insoweit festhalten lassen muss, hat er bereits seit seiner Ausreise aus Afghanistan von seinem früheren schiitisch-muslimischen Glauben Abstand genommen und diesen seitdem in keiner Weise mehr praktiziert. Zudem ist er schon vor seiner Einreise nach Deutschland, nämlich in Griechenland, mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen. Bereits dort hat er den Entschluss gefasst, zum christlichen Glauben zu konvertieren; es habe ihm lediglich an der Möglichkeit gefehlt diesen Entschluss in die Tat umzusetzen. Vor diesem Hintergrund aber hatte der Kläger bereits während seines ersten Asylverfahrens Kenntnis von dem nunmehr als Wiederaufgreifensgrund geltend gemachten Umstand und es wäre ihm bei Beachtung seiner asylrechtlichen Mitwirkungspflichten auch ohne weiteres möglich gewesen, diesen Umstand bereits im Rahmen seines ersten Asylverfahrens vorzutragen. Dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht förmlich getauft war, ist insoweit schon deshalb unerheblich, weil bereits der bloße Abfall vom muslimischen Glauben einen Umstand darstellt, der potentiell geeignet ist, einen Anspruch auf internationalen Schutz zu begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris) und der Kläger es auch unterlassen hat, diesen Umstand zu erwähnen. |
|
| Auch die in Ziffer 2 des Bescheids vom 23.05.2017 getroffene Ablehnung, den Bescheid des Bundesamts vom 18.03.2011 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abzuändern, begründet nicht die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids. |
|
| 1. Es spricht einiges dafür, dass es das Bundesamt zu Recht abgelehnt hat, über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG erneut inhaltlich zu entscheiden, da weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG noch Gründe für ein Wiederaufgreifen nach den § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 49 Abs. 1 VwVfG vorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit in dem vom Bundesamt in seinem streitgegenständlichen Bescheid zitierten Urteil vom 21.03.2000 (- 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940) zu der damaligen Rechtslage das Folgende ausgeführt: |
|
| „Hat das Bundesamt, wie vorliegend, im ersten Asylverfahren bereits unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht bestehen, kann auf den Asylfolgeantrag des Ausländers hin eine erneute Prüfung und Entscheidung des Bundesamts zu § 53 AuslG nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Ausländer auf Abschiebungshindernisse beruft, die erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens eingetreten sind; dem steht auch nicht die Rechtskraft einer die ursprüngliche (negative) Feststellung bestätigenden Gerichtsentscheidung entgegen. Die Entscheidung des Bundesamts über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf Dauer angelegt. Späteren Entwicklungen kann daher grundsätzlich nicht ohne Aufhebung bzw. Änderung der Entscheidung des Bundesamts Rechnung getragen werden. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 42 Satz 2 AsylVfG, der ersichtlich davon ausgeht, dass das Bundesamt den späteren Eintritt oder Wegfall eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG nur unter Aufhebung oder Änderung seiner früheren ablehnenden Entscheidung feststellen kann, sofern es sich nicht um einen Fall des § 53 AuslG handelt. Dem entspricht es, dass bei Änderung der Sachlage auch eine positive Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungshindernissen nur im Wege des förmlichen Widerrufs durch das Bundesamt nach § 73 Abs. 3 AsylVfG außer Kraft gesetzt werden kann (zur gesetzlich intendierten „Dauerhaftigkeit” abschiebungsbezogener Entscheidungen vgl. ferner §§ 71 Abs. 5 und 42 Satz 1 AsylVfG sowie §§ 50 Abs. 3 und 70 Abs. 3 AuslG).“ |
|
| Demgegenüber wird in der Rechtsprechung der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte seit Inkrafttreten von Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) am 6. August 2016 die Auffassung vertreten, dass das Bundesamt in Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen der bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage unabhängig davon zu treffen habe, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder des § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG gegeben seien. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des durch Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes geänderten § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG habe das Bundesamt in allen Entscheidungen über unzulässige Asylanträge – und damit auch bei Folgeanträgen nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG – festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorlägen (etwa Sächsisches OVG, Urt. v. 21.06.2017 - 5 A 109/15.A -, juris; VG Würzburg, Beschl. v. 25.02.2019 - W 8 S 19.30348 -, juris). |
|
| Dem Argument des vermeintlich eindeutigen Wortlauts ist indes entgegenzuhalten, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nichts darüber aussagt, unter welchen Voraussetzungen – d. h. nach welchem Maßstab – die Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu erfolgen hat (VG Sigmaringen, Urt. v. 10.03.2017 - A 3 K 3493/15 -, juris). Zudem lässt sich den Gesetzesmaterialien zu Art. 6 Nr. 11 c) des Integrationsgesetzes kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber das Bundesamt mit der textlichen Neufassung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „In Absatz 3 Satz 1 wird das Wort ‚unbeachtliche‘ durch das Wort ‚unzulässige‘ ersetzt“ (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 18) – unter voraussetzungsloser Aufgabe der Bestandskraft der vorangegangenen Entscheidung dazu verpflichten wollte, das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote umfassend erneut zu prüfen. Vielmehr ist in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung allein von einer „Folgeänderung“ die Rede (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 52), was gegen einen solch weitreichenden Änderungswillen des Gesetzgebers spricht. Darüber hinaus würde auch das gesetzgeberische Ziel, eine faktische Aufenthaltsverfestigung durch das Stellen immer neuer Asylanträge zu verhindern, auf diese Weise konterkariert. Denn Vorbringen, welches unter den engen Voraussetzungen des § 51 VwVfG eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens nicht begründet, wäre nunmehr im Rahmen der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote vollständig zu berücksichtigen, obwohl auch diesbezüglich bereits eine bestandskräftige Entscheidung getroffen worden ist (Dickten, in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 22. Edition, Stand: 01.05.2019, AsylG § 71 Rn. 28). Und schließlich ist der genannten Auffassung entgegenzuhalten, dass § 29 Abs. 1 Nr. 5 AslyG im Rahmen der §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG insoweit eine Sonderstellung einnimmt, als sich die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote in den übrigen Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG – anders als in denen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AslyG – nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern vielmehr auf den Zielstaat der Überstellung bezieht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.04.2017 - 1 C 9/16 -, NVwZ 2017, 1207) und schon deshalb stets die erste Entscheidung über nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich dieses Zielstaat darstellen wird. Sinn und Zweck des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bestehen somit aber ersichtlich darin, sicherzustellen, dass eine die Ausländerbehörde bindende (vgl. § 42 Satz 1 AsylG) Entscheidung des Bundesamts über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote überhaupt ergeht. Hingegen zielt er nicht darauf ab, die Bestandskraft einer solchen bereits zuvor ergangenen Entscheidung des Bundesamts und damit die „gesetzlich intendierte Dauerhaftigkeit abschiebungsbezogener Entscheidungen“ (BVerwG, Urt. v. 21.03.2000 - 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940) ohne erkennbaren Grund zu unterlaufen. |
|
| 2. Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn der genannten Auffassung zu folgen wäre und das Bundesamt vorliegend eine erneute inhaltliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG hätte treffen müssen, hätte dies nicht die Rechtswidrigkeit der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge. Denn fehlt ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG oder ist die Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote ganz unterblieben, so ergibt sich allein hieraus nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung – gegebenenfalls auch erstmals – selbst vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.04.2017 - 1 C 9.16 -, NVwZ 2017, 1207). Vor diesem Hintergrund aber ist der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Falle des Klägers nicht gegeben sind. |
|
| |
| Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. |
|
| Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht. |
|
| aa) Dem Kläger droht in der Provinz Kabul – dem Zielort einer etwaigen Abschiebung – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der von ihm vorgetragenen Konversion zum christlichen Glauben. Denn nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck ist das erkennende Gericht bei wertender Gesamtschau – unter besonderer Berücksichtigung der Persönlichkeit und der intellektuellen Disposition des Klägers – nicht davon überzeugt, dass dessen formaler Übertritt zum christlichen Glauben auf einer festen Glaubensüberzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. |
|
| (1) Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auch im Asylverfahren muss die danach gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt bestehen, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit (nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit) des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Betroffene insbesondere hinsichtlich der von ihm vorgetragenen Vorgänge im vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, wodurch allerdings das Gericht nicht von einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist. Vielmehr darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen. Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. |
|
| Unter Berücksichtigung des beschriebenen Beweisnotstands kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft" sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. |
|
| Es ist demzufolge zunächst Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden. |
|
| Mit anderen Worten: Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.01.2018 - A 11 S 1265/17 -, juris m.w.M.). |
|
| Auch die Tatsache, dass er eine unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nachweisen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67; Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). Dabei trägt der Konvertit die Darlegungs- und Beweislast für die sich in seinem persönlichen Bereich abspielenden Vorgänge (Hessischer VGH, Urt. v. 26.07.2007 - 8 UE 3140/05.A -, juris). Das Gericht ist an kirchliche Bescheinigungen und Einschätzungen, insbesondere einen kirchenrechtlich formal wirksam vollzogenen Übertritt zum Christentum in Gestalt der Taufe, nicht gebunden (BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). |
|
| Ist der Schutzsuchende nicht bereits wegen seiner Religion verfolgt oder unmittelbar mit Verfolgung bedroht worden, muss er glaubhaft machen, dass ihm wegen seiner Religionsausübung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung droht, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt. Entscheidend ist insoweit, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2007 - 1 C 21.06 -, BVerwGE 128, 199; Urt. v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, NVwZ 1992, 582; Beschl. v. 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, DVBl 2008, 1255). Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Dabei lässt sich die religiöse Identität als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 1678). Entscheidend ist, ob die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2004 - 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.11.2012 - 13 A 19999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575). |
|
| Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.06.2017 - 13 A 1120/17.A -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 03.05.2017 - A 11 S 941/17 -, juris). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.11.2012 - 13 A 19999/07.A -, NVwZ-RR 2013, 575). |
|
| (2) Hieran gemessen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der formale Übertritt des Klägers zum christlichen Glauben auf einer festen Glaubensüberzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. |
|
| Der Kläger vermochte dem Gericht weder in überzeugender Weise zu erklären, was seine Motive und Beweggründe dafür waren, dass er sich vom muslimischen Glauben ab- und dem christlichen Glauben zugewandt hat, noch weshalb er dem christlichen Glauben einen solch hohen Stellenwert für sein Leben beimisst, dass er sich dazu entschlossen hat, sich taufen zu lassen. Denn auch auf mehrfache Nachfrage des Gerichts sowie des Prozessbevollmächtigten, nannte der Kläger letztlich keinen Grund, der für seine Hinwendung zum christlichen Glauben ursächlich war. Vielmehr gab er auf die dahingehenden Fragen im Wesentlichen an, dass er sich seit seiner Taufe glücklich und frei fühle und der Islam eine durch Autorität und Gewalt geprägte und sich der Idee rationaler Erkenntnis verschließende Religion sei. Doch vermag das Gericht hierin schon deshalb keine nachvollziehbaren Gründe für die Konversion des Klägers zu sehen, weil die Idee individueller Freiheit in erster Linie der Vorstellungswelt der Aufklärung, nicht aber der des Christentums entstammt und allein die Ablehnung des muslimischen Glaubens noch keinen Grund dafür darstellt, sich dem Christentum zuzuwenden. Im Übrigen mögen die von dem Kläger dem Islam zugeschriebenen Eigenschaften zwar möglicherweise auf den in manchen Regionen Afghanistans tatsächlich gelebten Islam zutreffen, sind aber nicht ohne weiteres der Verallgemeinerung fähig. Denn jedenfalls nach eigenem Selbstverständnis ist der Islam nicht nur die Religion des Friedens, in welcher der Mensch seinen Frieden mit sich und der Welt durch freiwillige Hingabe zu Gott findet. Vielmehr fordere die islamische Lehre den Menschen auch immer wieder dazu auf, von seiner Vernunft und Beobachtungsgabe Gebrauch zu machen und sei damit aufklärerisch und von ernsthaften Konflikten zwischen Religion und Naturwissenschaften verschont geblieben (vgl.Grundsatzerklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) zur Beziehung der Muslime zum Staat und zur Gesellschaft, abrufbar unter: http://zentralrat.de/3035.php). |
|
| Das Gericht hat nach dem Vortrag des Klägers auch nicht den Eindruck gewonnen, dass der christliche Glaube für diesen ein zentrales und unverzichtbares Element seiner Identität bildet und es für ihn unerlässliche wäre, seinen christlichen Glauben auch in seiner Heimat Afghanistan öffentlich zu leben. Dass er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Wertvorstellungen und Normen des christlichen Glaubens ausgerichtet hätte, war dem klägerischen Vortrag schon deshalb nicht zu entnehmen, weil der Kläger nicht den Eindruck zu vermitteln vermochte, mit den Inhalten des christlichen Glaubens hinreichend vertraut zu sein. Zwar waren ihm die zentralen Feste des Christentums nicht gänzlich fremd. Doch konnte er weder zur Person des Jesus Christus Wesentliches berichten, noch auf Anhieb sagen, welches christliche Fest im April dieses Jahres gefeiert wird und wie die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern heißt. Letzteres erstaunt umso mehr, als die mündliche Verhandlung am 22. März und damit nur einen Monat vor Ostern sowie während der Fastenzeit stattfand. Darüber hinaus hat das Gericht auch durchgreifende Zweifel daran, dass der Beschäftigung des Klägers mit dem christlichen Glauben eine intrinsische und auf spirituellen Gründen beruhende Motivation zugrunde liegt. Vielmehr hat es aufgrund des Vortrags des Klägers den Eindruck gewonnen, dass sich der Kläger in erster Linie aufgrund der Initiative und unter Anleitung anderer Personen mit Fragen des christlichen Glaubens auseinandersetzt und dies vor allem aus sozialen und integrativen Gründen geschieht. |
|
| Hinzu kommt, dass der Kläger weder seinen Taufspruch aufsagen konnte, noch zu sagen vermochte, an welchem Tag seine Taufe war. Denn auf die dahingehende Frage des Gerichts erklärte er, dass er die Gemeinde in Frankfurt – gemeint ist wohl die zu Offenbach gehörende Gemeinde Dietzenbach – im September 2013 zum ersten Mal besucht und seine Taufe im November 2013 stattgefunden habe. Indes geht aus dem Schreiben der Jesus-Gemeinde-Dietzenbach e.V. vom 16.10.2013 hervor, dass der Kläger bereits am 15.09.2013 getauft worden ist. |
|
| Die Angaben der in der mündlichen Verhandlung informell angehörten Frau ... rechtfertigen insoweit keine andere Beurteilung. Denn zum einen haben sich der Kläger und Frau ... nach eigenem Bekunden erst im Jahr 2014 kennen gelernt, sodass Frau ... letztlich keinen Angaben dazu machen konnte, was die damaligen Motive und Beweggründe des Klägers für seinen Glaubenswechsel waren. Und zum anderen haben sich die beiden auch innerhalb des letzten Jahres nur sporadisch gesehen, weshalb Frau ... auch dazu keine gesicherten Erkenntnisse hatte, inwieweit der Kläger den christlichen Glauben in den letzten Monaten tatsächlich gelebt hat und dieser für ihn ein zentrales und unverzichtbares Element seiner Identität bildet. |
|
| Auch das Schreiben der Jesus-Gemeinde-Dietzenbach e.V. vom 16.10.2013 gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn zum einen handelt es sich hierbei um kein individuell gefertigtes Schreiben, sondern vielmehr um einen Vordruck, in den lediglich der Name und das Geburtsdatum des Täuflings einzutragen waren, was dafür spricht, dass in dieser Gemeinde offenbar Taufen in großer Zahl und weitestgehend anonym durchgeführt werden und Zweifel an deren Ernsthaftigkeit und Seriosität aufkommen lässt. Und zum anderen ist es die ureigene Aufgabe des Gerichts, die Glaubhaftigkeit der vorgetragenen Konversion auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks zu beurteilen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weshalb es, sofern dieser Eindruck negativ ausfällt, auf die gegenteilige Auffassung Dritter nicht entscheidungserheblich ankommt. Insbesondere ist das Gericht an die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pfarrer oder Pastor nicht gebunden (BVerwG, Beschl. v. 25.08.2015 - 1 B 40.15 -, NVwZ 2015, 457; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.02.2018 - 13 A 125/18.A -, juris). |
|
| Der Kläger muss in Afghanistan auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen des nur formalen Übertritts zum Christentum durch die Taufe befürchten. Denn da eine ernsthafte Hinwendung zum christlichen Glauben bei ihm nicht festzustellen ist, ist es ihm zuzumuten und auch prognostisch zu erwarten, dass er im Falle seiner Rückkehr nicht von der Taufe berichten wird. Ohne Kenntnis von der Taufe bei den in Betracht kommenden Verfolgungsakteuren droht dem Kläger von diesen aber auch keine Verfolgungshandlung auf Grund des formalen Taufakts. Darüber sind für eine derartige Verfolgungspraxis in Afghanistan auch keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 09.06.2017 - 13 A 1120/17.A -, juris; Hessischer VGH, Urt. v. 26.07.2007 - 8 UE 3140/05.A -, juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.2016 - A 2 K 3605/16 -, juris; VG Würzburg, Urt. v. 30.09.2016 - W 1 K 16.31087-, juris). |
|
| bb) Auch die allgemeine Gefahrenlage in der Provinz Kabul begründet für den Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. |
|
| Eine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund allgemeiner Gefahr ist nur dann anzunehmen, wenn sich die allgemeine Gefahr in der Person des jeweiligen Ausländers derart verdichtet, dass es zu einer Individualisierung der Gefahr im Sinne einer unmenschlichen oder erniedrigenden „Behandlung“ kommt. Fehlen individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des jeweiligen Ausländers, so ist eine solche Individualisierung – entsprechend dem Maßstab des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG – nur ausnahmsweise bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation anzunehmen, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454 zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.; sowie VGH Baden Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris, Rn. 77 zu § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK). |
|
| Bei einer Einwohnerzahl von (mindestens) 4.860.880 und 1.866 zivilen Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) lag die Wahrscheinlichkeit im Jahr 2018 in der Provinz Kabul als Zivilperson ein Opfer willkürlicher Gewalt zu werden bei 1:2605 bzw. 0,038 % (vgl. (CSO) Afghanistan: Afghanistan Population Estimates for the year 1397 (2018 -19), Juni 2018; UNAMA, Afghanistan Protection of Civilians in Armed Conflict Annual Report 2018, Februar 2019) und damit noch weit unter dem Wert von 1:800 bzw. 0,125 %, der noch nicht einmal bei wertender Gesamtabwägung die Annahme einer „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, 454; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 1704/17 -, juris). Dabei kann dahinstehen, ob bei einer Gefahrenwahrscheinlichkeit von 1:2605 bzw. 0,038 % das vom Bundesverwaltungsgericht geforderte hohe Niveau willkürlicher Gewalt bereits erreicht ist, das auch dann gegeben sein muss, wenn individuell gefahrerhöhende Umstände hinzutreten. Denn selbst wenn man dies bejahte, sind in der Person des Klägers keine individuell gefahrerhöhenden Umstände von solcher Art und solchem Gewicht ersichtlich, aufgrund derer sich die allgemeine ungezielte Gewalt in seiner Person derart stark verdichten würde, dass eine „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ im Sinne des Art. 3 EMRK anzunehmen wäre. |
|
| cc) Auch unter dem Aspekt der allgemein schlechten sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse in Afghanistan besteht für den Kläger kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. |
|
| (1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) haben die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nicht notwendigerweise eine Bedeutung und mit Sicherheit keine entscheidende Bedeutung („certainly not a decisive bearing“) für die Frage, ob der Ausländer dort tatsächlich der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt ist. Denn die Rechte, die die EMRK dem Einzelnen vermittelt, können zwar soziale und ökonomische Auswirkungen haben. Doch zielt die EMRK in erster Linie darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Darüber hinaus beruht Art. 3 EMRK – wie die gesamte Konvention – auf dem Prinzip, dass ein gerechter Ausgleich („fair balance“) zwischen dem öffentlichen Interesse des jeweiligen Gemeinwesens und den Erfordernissen des Schutzes der Rechte des Einzelnen gesucht werden muss. Deshalb verpflichtet Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten etwa nicht dazu, Unterschiede, die im Bereich der Gesundheitsversorgung gegenüber den Zielstaaten bestehen, durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen. Ausländer, gegen die eine Abschiebung angeordnet worden ist, können nicht allein deshalb ein Recht auf Verbleib in dem betreffenden Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe zu erhalten. Allein der Umstand, dass im Fall einer Ausweisung die Lage des Betroffenen, einschließlich seiner Lebenserwartung, erheblich beeinträchtigt wird, reicht nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Hier anders zu entscheiden würde die Konventionsstaaten übermäßig belasten (so EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334 Rn. 42 ff.; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681 Rn. 278; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 20017, 1187 Rn. 178). |
|
| Um der grundlegenden Bedeutung und dem absoluten Charakter von Art. 3 EMRK Rechnung zu tragen, ist jedoch eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. |
|
| (a) Nach dem vom EGMR in seinem Urteil - M.S.S./Belgien und Griechenland - entwickelten Maßstab, sind die im Zielstaat der Abschiebung allgemein herrschenden schlechten humanitären Verhältnisse allein dann unmittelbar in den Blick zu nehmen und daraufhin zu überprüfen, ob der betroffene Ausländer dort die Möglichkeit findet, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatliches Handeln oder das Handeln eines relevanten nichtstaatlichen Akteurs zurückzuführen sind (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681). |
|
| (b) Sind die schlechten humanitären Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung hingegen weder dem Handeln des Staats noch dem eines relevanten nichtstaatlichen Akteurs zurechenbar, so ist der vom EGMR in seinem Urteil - N./Vereinigtes Königreich - entwickelte Maßstab heranzuziehen, wonach die schlechten humanitären Verhältnisse nur in solchen „besonderen Ausnahmefällen“ („very exceptional cases“) eine Verletzung von Art. 3 EMRK begründen, in denen die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend („compelling“) sind (EGMR, Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334; Urt. v. 28.06.2011 - 8319/07 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187; sowie bereits Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 - D/Vereinigtes Königreich, NVwZ 1998, 161; vgl. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167 Rn. 23 u. 25; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 82; sowie EuGH, Urt. v. 18.12.2014 - C-542/13 - M. Bodj, NVwZ-RR 2015, 158, der insoweit unter Rn. 39 sogar von „absoluten“ Ausnahmefällen spricht). Den entsprechenden Urteilen des EGMR lässt sich hierbei entnehmen, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK in diesen Fällen nur dann in Betracht kommt, wenn in der Person des Ausländers ein „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ vorhanden ist (vgl. Urt. v. 02.05.1997 - 146/1996/767/964 - D/Vereinigtes Königreich, NVwZ 1998, 161 [Aidserkrankung]; Urt. v. 27.05.2008 - 26565/05 - N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334 [Aidserkrankung]; Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187 [chronische lymphatische Leukämie]; Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich [Amputation von Bein und Penis]; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 71 u. 80 f.). Nur wenn ein solcher „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ in der Person des Ausländers gegeben ist, sind in einem zweiten Schritt die allgemein schlechten humanitären Verhältnisse des Zielstaats in den Blick zu nehmen und bezogen auf diesen individuellen Umstand des Ausländers daraufhin zu überprüfen, ob sie sich deshalb in dessen Person derart stark verdichten, dass sie einen „besonderen Ausnahmefall“ begründen, der einer Abschiebung aus humanitären Gründen zwingend entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine solche Verdichtung dann geben, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme sprechen, dass dem betroffenen Ausländer im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Lebensgefahr droht oder er tatsächlich der Gefahr ausgesetzt ist, dass sich sein Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung seiner Lebenserwartung (vgl. EGMR, Urt. v. 13.12.2016 - 41738/10 - Paposhvili/Belgien, NVwZ 2017, 1187 Rn. 183, 187 u. 189; sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2018 - 9 LA 64/18 -, juris, das insoweit das Hinzutreten spezifischer individueller Einschränkungen und Handicaps fordert, die sich zu einer außergewöhnlichen Situation verdichten). |
|
| (2) Den für Afghanistan zur Anwendung kommenden Maßstab - N./Vereinigtes Königreich - zugrunde gelegt (vgl. EGMR, Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich; sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris), verstößt die Abschiebung des Klägers nicht gegen Art. 3 EMRK. |
|
| Allein die allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan begründen für sich genommen im Falle einer Abschiebung keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse in Afghanistan sind zwar zweifellos schwierig und angesichts der Verhältnisse in den 51 Ländern, die nach dem Human Development Index 2016 einen sehr hohen Stand menschlicher Entwicklung aufweisen („very high human development“), auch nur schwerlich zu ertragen. Dies gilt insbesondere für die schlechte wirtschaftliche Lage, die mangelhafte Versorgungslage, sowie das unzureichende Gesundheitswesen (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris). Doch handelt es sich hierbei nicht um „ganz außerordentliche individuelle Umstände“ im Sinne des „besonderen Ausnahmefalls“ (vgl. EGMR, Urt. v. 29.01.2013 - 60367/10 - S.H.H./Vereinigtes Königreich Rn. 90 ff.; sowie unter Bezugnahme hierauf EGMR, Urt. v. 12.1.2016 - 13442/08 - A.G.R./Niederlande, NVwZ 2017, 293; Urt. v. 05.07.2016 - 29094/09 - A.M./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 46051/13 - S.M.A./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 41509/12 - Soleimankheel u.a./Niederlande; Urt. v. 11.07.2017 - 43538/11 und 63104/11 - E.P. und A.R./Niederlande; sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2018 - 9 LA 64/18 -, juris). |
|
| Das Gericht vermag in der Person des Klägers auch im Übrigen keinen „ganz außerordentlichen individuellen Umstand“ zu erkennen, aufgrund dessen sich die in Afghanistan allgemein herrschenden schlechten humanitären Verhältnisse in dessen Person derart stark verdichten würden, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Lebensgefahr drohte oder er tatsächlich Gefahr liefe, dass sich sein Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung seiner Lebenserwartung. |
|
| Insbesondere ist ein „ganz außerordentlicher individueller Umstand“ vorliegend nicht in etwaigen Gefahren zu sehen, die sich daraus ergeben, dass es sich beim Kläger – im Falle seiner Abschiebung – um einen „Rückkehrer aus dem westlichen Ausland“ handeln würde. Denn der Kläger hat weder vorgetragen, in besonderer Weise „verwestlicht“ zu sein, noch, weshalb speziell er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seines Aufenthalts in Europa mit unzumutbaren Schwierigkeiten zu rechnen habe. Dass ein jeder aus dem Westen in sein Herkunftsland zurückkehrender Afghane allein deshalb, der tatsächlichen – und nicht nur gefühlten oder mutmaßlichen – Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, lässt sich den dem erkennenden Gericht vorliegenden zuverlässigen und objektiven Quellen hingegen nicht entnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 249; wohl auch EGMR, Urt. v. 11.07.2017 - 41509/12 - Soleimankheel u.a./Niederlande Rn. 36, wo dieser Aspekt zwar vorgetragen wurde, der EGMR ihn im Folgenden aber nicht weiter problematisiert; sowie EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Individuals targeted under societal and legal norms, S. 92 ff.). |
|
| Da es somit vorliegend an einem „ganz außerordentlichen individuellen Umstand“ fehlt und der Maßstab des EGMR-Urteils - M.S.S./Belgien und Griechenland - für Afghanistan nicht zur Anwendung kommt, muss hier im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht positiv begründet zu werden, dass der Kläger in Afghanistan in der Lage sein wird, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen. Vielmehr ist die Frage, inwieweit dem Kläger aufgrund der in Afghanistan allgemein herrschenden humanitären Verhältnisse Abschiebungsschutz zu gewähren ist, allein anhand des nationalen Maßstabs der „Extremgefahr“ in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu beantworten (hierzu sogleich). |
|
| b) Der Kläger erfüllt schließlich auch nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. |
|
| aa) Dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Insbesondere hat er nicht glaubhaft gemacht, an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu leiden, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtert. |
|
| bb) Darüber hinaus ist auch keine allgemeine Gefahrenlage im Sinne einer „Extremgefahr“ gegeben, die es gebieten würde, dem Kläger Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Denn das erkennende Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger alsbald nach seiner Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit der sichere Tod oder schwerste Gesundheitsschäden drohen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urt. v. 29.09.2011 - 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451; Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167). Insbesondere geht es davon aus, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu sichern. Denn in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ist das erkennende Gericht nicht zuletzt aufgrund der Angaben der EASO in ihren Leitlinien aus Juni 2018 der Auffassung, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter grundsätzlich dazu in der Lage sind, in Afghanistan ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen wie insbesondere der Stadt Kabul zu leben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris; Urt. v. 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, juris; Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris; Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris; Urt. v. 23.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris; Bayerischer VGH, Beschl. v. 04.08.2017 - 13a ZB 17.30791 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A -, juris; EASO, Country Guidance: Afghanistan, Guidance note and common analysis, Juni 2018, S. 106 f.). |
|
| Der Kläger ist leistungsfähig, im arbeitsfähigen Alter und alleinstehend. Er trägt keine Unterhaltslasten. Zudem hat er – speziell im Falle freiwilliger Ausreise – die Möglichkeit, Rückkehr- und Starthilfen im Rahmen des REAG/GARP-, des StarhilfePlus- sowie des ERIN-Programms in Anspruch nehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris). Für einen alleinstehenden Mann umfasst das „REAG/GARP-Programm 2019“ neben der Übernahme der tatsächlich anfallenden Reise- und Transportkosten eine pauschale Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR sowie eine pauschale Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR (vgl. REAG/GARP-Programm 2019, Stand: Januar 2019). Ergänzend zu den Leistungen von REAG/GARP wird Einzelpersonen eine Reintegrationsunterstützung nach dem StarthilfePlus-Programm in Höhe von 1.000 EUR gewährt (vgl. BAMF, StarthilfePlus – Ergänzende Reintegrationsunterstützung im Zielland, Stand: Februar 2019). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm „ERIN“. Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Sachleistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR umfassen (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin#title, zuletzt abgerufen: 16.05.2019). Angesichts der Übernahme der tatsächlich anfallenden Reise- und Transportkosten, einer Rückkehr- und Starthilfe im Gegenwert von insgesamt bis zu 4.200 EUR sowie professioneller Unterstützung bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche liegen damit weitere stichhaltige Gründe dafür vor, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit dem sicheren Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert sein wird. |
|
| Hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung nach Afghanistan sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wurden rechtliche Bedenken weder seitens des Klägers vorgetragen, noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Insbesondere entspricht die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von lediglich einer Woche den rechtlichen Vorgaben des § 36 Abs. 1 i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG. |
|
| |