Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - A 8 K 7069/19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen Verschweigens wesentlicher Tatsachen im Anerkennungsverfahren, die nach Auffassung des Beklagten einen gesetzlichen Ausschlusstatbestand verwirklichen.
Der im September 1981 in Aleppo (Syrische Arabische Republik; kurz: Syrien) geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Bekenntnisses. Er reiste nach eigenen Angaben im Mai 2014 aus Syrien aus und hielt sich zeitweise in der Republik Türkei und dem Staat Libyen auf, bevor er im November 2015 in Begleitung seiner nach ihm aus Syrien in die Türkei ausgereisten Ehefrau und seiner zwei minderjährigen Kinder in das Bundesgebiet einreiste. Am 9. Mai 2016 stellten der Kläger und seine Familie Asylanträge, die sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkten.
Im Rahmen seiner am 4. Oktober 2016 in arabischer Sprache durchgeführten persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ab hier: Bundesamt) gab der Kläger an, dass er im Zeitraum von 2000 bis 2002 den Wehrdienst in Syrien abgeleistet habe und als Maler und Gipser gearbeitet habe. Er sei weder Berufssoldat noch Mitglied einer nichtstaatlichen, bewaffneten Gruppierung oder einer sonstigen politischen Organisation gewesen und sei abgesehen von Bombardierungen, die u.a. das Haus und das Geschäft des Klägers betroffen hätten, nicht Augenzeuge, Opfer oder Täter von Völkermord, Kriegsverbrechen oder Übergriffen von kämpfenden Einheiten auf die Zivilbevölkerung geworden. Ihm seien auch auf dem Weg nach Deutschland oder in Deutschland keine Personen bekannt geworden, die er als Unterstützer oder Mitglieder extremistischer oder terroristischer Organisationen oder als Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes einschätze. Zu den Hintergründen seines Schutzgesuchs gab er im Wesentlichen an, dass sein in der Nähe des Flughafens gelegenes Haus durch Bomben zerstört worden sei. Nach seinem Umzug in ein kleines Dorf sei es dort zu Kämpfen zwischen Angehörigen der Rebellen und des „Islamischen Staats“ gekommen, die das ursprünglich von Rebellen beherrschte Dorf besetzt hätten. Unter dem „Islamischen Staat“ habe es Entführungen, Festnahmen und Rekrutierungsversuche gegeben, wobei man bei verweigerter Kooperation getötet worden sei. Bei einer Rückkehr nach Syrien fürchte der Kläger, von Angehörigen des Islamischen Staats getötet oder seitens des Assad-Regimes eingezogen zu werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers vom 4. Oktober 2016 verwiesen (Erstantragsakte [EA], S. 55 ff.).
Mit Ziffer 1 des Bescheids vom 7. Oktober 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger und seiner Familie die Flüchtlingseigenschaft zu, da aufgrund des ermittelten Sachverhaltes davon auszugehen sei, dass die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG begründet sei. Von Feststellungen zum subsidiären Schutz sowie zu Abschiebungsverboten werde abgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 7. Oktober 2016 verwiesen (EA, S. 66 ff.). Aus einem in der Erstantragsakte enthaltenen Vermerk des Bundesamts vom 7. Oktober 2016 (EA, S. 72) ergibt sich, dass die Zuerkennungsentscheidung auf dem Umstand beruhe, dass in allen Landesteilen Syriens Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG in hohem Maße stattfinde, die von der Regierung oder von Rebellen ausgehe, die einzelne Landesteile beherrschten. Auch sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Rückkehrern nach längeren Auslandsaufenthalt eine oppositionelle, regimefeindliche Haltung unterstellt werde. Die vom Kläger glaubhaft gemachte Furcht vor einer Rekrutierung zum Militärdienst lasse zudem regelmäßig auf eine Verfolgung mit unterstellter oppositioneller politischer Überzeugung schließen, so dass ihm und seiner Familie internationaler Flüchtlingsschutz zuzuerkennen sei. Der Bescheid vom 7. Oktober 2016 wurde dem Kläger und seiner Ehefrau am 15. Oktober 2016 zugestellt.
Nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG durch die zuständige Ausländerbehörde ließ sich der Kläger mit seiner Familie in der Stadt B. im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nieder, wo er nach Presseberichten ein unauffälliges Leben führte (vgl. Schwarzwälder Bote vom 3. oder 4. August 2018, Rücknahmeakte [RA], S. 31). Am 2. August 2018 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2018 (RA, S. 6 ff.) in Untersuchungshaft genommen und in die JVA Offenburg verbracht, wo er sich jedenfalls bis zur Klageerhebung aufhielt.
Mit an den Kläger persönlich gerichtetem Schreiben vom 9. Oktober 2018 und dem Bevollmächtigten des Klägers zugestelltem weiterem Schreiben vom 13. März 2019 hörte das Bundesamt den Kläger zu einer beabsichtigten Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an, da aufgrund des Haftbefehls schwerwiegende Gründe für die Annahme vorlägen, dass er den Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt habe und nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 und Satz 2 AufenthG von der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes ausgeschlossen gewesen sei (RA, S. 40 f.). Nach erfolgter Akteneinsicht trug der Bevollmächtigte des Klägers daraufhin vor, dass in Ermangelung einer Verurteilung oder eines Geständnisses nicht feststehe, dass der Kläger Tatsachen verschwiegen habe, die zur Ablehnung des Schutzstatus geführt hätten.
Nach Anklageerhebung durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof mit Anklageschrift vom 2. Januar 2019 (EA, S. 105 ff., WA, S. 52 ff.), die dem Bundesamt mit Schreiben vom 11. Januar 2019 nachrichtlich übermittelt worden war, wurde der Kläger mit Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2019 – 7-2 StE 1/19 – wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Urteil erging aufgrund der Hauptverhandlung vom 17. Mai 2019 bis zum 24. Juli 2019, in der neben der Ehefrau des Klägers eine Vielzahl weiterer Zeugen vernommen wurden, denen der Kläger überwiegend aus Syrien bekannt war. In der insgesamt 61-seitigen Urteilsbegründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls im Zeitraum von Anfang Oktober 2012 bis mindestens November 2013 der Al-Nusra-Front („Jabhat al-Nusra“), einer der im Tatzeitraum größten und schlagkräftigsten islamistischen Gruppierungen in Syrien, angehört habe und für diese in herausgehobener Stellung tätig geworden sei. Auch wenn sich keine Anhaltspunkte für eine unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an den von dieser begangenen Katalogtaten des § 129a StGB ergeben hätten, sei er als Leiter der Scharia-Polizei in der Stadt Tabka (aht-Thaura; auch at-Tabqa; im Gouvernement ar-Raqqa) mit der Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betraut worden und während seiner Betätigung für diese regelmäßig mit einem Sturmgewehr oder einer Pistole bewaffnet aufgetreten. Die Schuld des Klägers sei dabei nicht als gering und sein Tatbeitrag nicht als von untergeordneter Bedeutung einzustufen, da sich insbesondere die sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Ausübung der Leitung der Scharia-Polizei schon für sich genommen nicht als mitgliedschaftliche Betätigung von nur untergeordneter Bedeutung darstelle und die Anzahl der festgestellten Betätigungsakte sowie die Dauer der festgestellten Mitgliedschaft gegen eine geringe Schuld des Klägers sprächen. Für den Kläger spreche allerdings der Umstand, dass sich in Deutschland keine Anhaltspunkte für das Fortbestehen seiner jihadistischen Einstellung ergeben hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsgründe wird auf die Seiten 113 – 173 der Rücknahmeakte des Bundesamts verwiesen. Nach Mitteilung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 1. April 2020 an das Bundesamt ist das Urteil des Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2019 rechtskräftig geworden (Gerichtsakte [GA], S. 61 ff.).
Mit hier angegriffenem Bescheid vom 9. Oktober 2019 nahm das Bundesamt die mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurück (Ziffer 1), lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Ziffer 2) und stellte ein Abschiebungsverbot hinsichtlich der Syrischen Arabischen Republik nach § 60 Abs. 5 AufenthG fest (Ziffer 3). Zur Begründung ist im Wesentlichen (vgl. im Übrigen RA, S. 174 ff.) ausgeführt, dass die Anerkennung als Flüchtling gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AsylG zurückzunehmen sei, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden sei und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht als Flüchtling anerkannt werden könne. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, weil der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung zwar von Kämpfen, Bombardierungen und der Eroberung seiner Heimatstadt durch den Islamischen Staat und Rebellengruppen berichtet, seine Mitgliedschaft und herausgehobene Stellung in der „Jabhat al Nusra“ und seine islamistische Einstellung aber verschwiegen habe. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts habe er sich spätestens Anfang Oktober 2012 der ausländischen terroristischen Vereinigung „Jabhat al-Nusra“ unter Billigung ihrer Ziele und Methoden angeschlossen und als Mitglied in deren hierarchische Struktur eingegliedert. Er habe ihr zumindest bis zur Eroberung des Waffenlagers in Mahin im November 2013 angehört, sei im Zeitraum von April bis Juli 2013 für die Organisation als Leiter der Scharia-Polizei in der Stadt Tabka tätig geworden und habe so innerhalb der Organisation eine bedeutende Stellung eingenommen. Bei der „Jabhat al Nusra“ handele es sich um eine terroristische Vereinigung im Ausland, die sich – geleitet von radikal-islamistischen Anschauungen – zum Ziel gesetzt habe, das Regime Assad auch unter Inkaufnahme ziviler Opfer zu stürzen und in der historischen Region ash-Sham (d.h. Syrien, Libanon, Palästina und Jordanien) einen Gottesstaat unter Geltung der Scharia zu errichten. Ihre Ziele verfolge sie mittels militärischer Operationen, Sprengstoffanschlägen, Selbstmordattentaten, Entführungen sowie gezielter Tötungen von Angehörigen des syrischen Militärs, wobei der Gruppierung allein bis Ende 2014 mehr als 2.000 Anschläge mit mindestens 10.000 Todesopfern zugerechnet worden seien. Somit habe der Kläger durch seine Zugehörigkeit zur „Jabhat al-Nusra“ gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und so den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht, da die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stünden und die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung hierzu auch dann im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stünden, wenn der Betroffene keine Machtposition in einer entsprechenden Organisation innegehabt habe. Der Kläger sei zudem nicht nur einfaches Mitglied in der Terrororganisation „Jabhat al-Nusra“ gewesen, sondern habe seine islamistische Gesinnung durch das Tragen entsprechender Kleidung zur Schau getragen und aufgrund seiner Tätigkeit als Leiter der Scharia-Polizei und der herausgehobenen Position in Propagandavideos eine bedeutende Rolle in deren Struktur in seiner Heimatregion gespielt. Weiterhin habe er seit Sommer 2012 den Kontakt zu Abu Issa, einer Führungsperson der „Jabhat al-Nusra“ in seiner Heimatregion, gepflegt, was ebenfalls auf eine herausgehobene Position des Klägers schließen lasse. Dass vom Kläger möglicherweise aktuell keine Gefahr mehr ausgehe, sei unerheblich, da der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG der Ahndung von in der Vergangenheit liegender Handlungen diene und keine fortbestehende, von dem Betreffenden ausgehende Gefahr erfordere. Die Flüchtlingseigenschaft sei somit gem. § 73 Abs. 2 AsylG zurückzunehmen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, da der Kläger den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirkliche. Allerdings liege ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syriens vor.
Gegen den am 15. Oktober 2019 als Einschreiben zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger am 28. Oktober 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben.
10 
Er trägt im Wesentlichen vor, dass die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht genüge, um einen Entzug der Flüchtlingseigenschaft zu rechtfertigen. Vielmehr müssten schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes oder den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufende Handlungen begangen habe, bevor er als Flüchtling aufgenommen worden sei. Die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung genügen diesen Anforderungen nicht. Vielmehr bedürfte es einer individuellen der genauen tatsächlichen Umstände, die das Bundesamt im Rahmen der bloßen Bezugnahme auf die Gründe der strafgerichtlichen Verurteilung unterlassen habe. Insbesondere fehle es an einer Prüfung der individuellen Verantwortung des Klägers für die Verwirklichung seitens der Organisation begangener Straftaten. Allein eine herausragende Stellung in einer Organisation entbinde nicht von dieser Pflicht zur individuellen Prüfung, die auch das Verwaltungsgericht nicht an Stelle des Bundesamts durchführen dürfe.
11 
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt (vgl. zur sachdienlichen Auslegung des Antrags unten II. 1.),
12 
den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2019 hinsichtlich Ziffer 1 und 2 aufzuheben.
13 
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Zur Begründung trägt sie vor, dass das Bundesamt die vom EuGH geforderte individuelle Prüfung der Verantwortlichkeit des Klägers für Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der vereinten Nationen zuwiderliefen, vorgenommen habe. Dass es sich hierbei zur Vermeidung von Wiederholungen zum Teil auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts bezogen habe, sei unschädlich, da dieses dezidiert Aussagen zur individuellen Verantwortlichkeit des Klägers getroffen und hierbei herausgearbeitet habe, dass er als zeitweiliger Leiter der Scharia-Polizei eine herausgehobene Position innerhalb der „Jabhat al-Nusra“ eingenommen und sich mit deren Weltanschauung identifiziert habe. Die Leitung der Scharia-Polizei sei als Ausdruck einer Vertrauensstellung anzusehen, die tadelloses Verhalten und Loyalität im Sinne der Organisation voraussetze und Personalführung und verantwortliches Handeln bei der Kontrolle der von der „Jabhat-al-Nusra“ verkündeten Regeln umfasse. Der Kläger habe daher den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht.
16 
Mit Schriftsätzen vom 25. Oktober 2019 und vom 20. Juli 2021 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt und mit weiteren Schriftsätzen vom 5. Juli 2021 und vom 5. Februar 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
17 

Das Gericht hat die Anerkennungs- und die Rücknahmeakte des Bundesamts sowie das Aktenwerk des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof bis zur Anklageerhebung beigezogen, die einen vollständigen Abdruck des Haftbefehls des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof vom 25. Juli 2018, der Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 2. Januar 2019 und des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2019 enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die vorgenannten Behördenakten und Dokumente verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
18 
1. Gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten an Stelle der Kammer sowie ohne mündliche Verhandlung. Der Berichterstatter macht von den durch die vorgenannten Vorschriften bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen eröffneten Möglichkeiten Gebrauch, weil die maßgeblichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung geklärt sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch persönliche Anhörung des Klägers nicht – insbesondere auch nicht im Hinblick auf eine aktuelle Gefährlichkeitsprognose [unten III. 1. c) cc) (3) (f)] – erforderlich erscheint.
19 
2. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ergibt sich aus § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO. Zwar ist nach § 52 Nr. 2 Hs. 1 VwGO in Streitigkeiten nach dem AsylG das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; der Kläger unterlag im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) mit Erhebung der Klage (§ 90 Satz 1 VwGO) jedoch keiner solchen Wohn- oder Aufenthaltsverpflichtung nach dem Asylgesetz. Denn auch wenn die Bindungswirkung der das Asylerstantragsverfahren abschließenden Anerkennungsentscheidung des Bundesamts vom 7. Oktober 2016 aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit der Rücknahmeentscheidung vom 9. Oktober 2019 nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG mit deren Bekanntgabe entfallen war, hatte der Kläger seinen Aufenthalt nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr nach dem Asylgesetz, sondern allenfalls infolge einer auf § 12a Abs. 2 AufenthG beruhenden Wohnsitzauflage an einem bestimmten Ort zu nehmen, die im Kontext des § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO nicht zuständigkeitsbegründend wirkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 1 AV 6.19 –, juris, Rn. 7; Röder, in: BeckOK Migrationsrecht, § 50 AsylG Rn. 40). Er verfügte im Zeitpunkt des Eintritts der Vollziehbarkeit der Rücknahmeentscheidung zudem über eine gültige Aufenthaltserlaubnis, deren Wirksamkeit von der Rücknahme der Zuerkennungsentscheidung unberührt blieb (§ 43 Abs. 2 LVwVfG).
20 
Zuständigkeitsbegründend ist daher nach § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO der Wohnsitz des Klägers, weil sich die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge als selbstständiger Bundesoberbehörde (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG) auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Da auch die Inhaftierung des Klägers in der JVA Offenburg ab August 2018 keinen Wohnsitz im Sinne des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO begründet (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 19.8.2021 – 7 K 1566/21.DA.A –, juris, Rn. 10; VG Karlsruhe, Beschluss vom 20.12.2019 – A 19 K 10472/18 –, juris, Rn. 8; VG Karlsruhe, Beschluss vom 16.7.2018 – A 4 K 6435/18 –, juris, Rn. 2; Berstermann, BeckOK VwGO, § 52 Rn. 9 sowie allgemein BGH, Beschluss vom 19.6.1996 – XII ARZ 5/96 –, juris, Rn. 2) und nicht ersichtlich ist, dass der Kläger, der von Mai 2016 bis zur Inhaftierung gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Mietwohnung in B. lebte, diesen Wohnsitz im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 28. Oktober 2019 aufgegeben haben könnte, ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Stadt B. liegt.
II.
21 
Die Klage ist zulässig (sogleich II. 1, 2.), aber nicht begründet (unten III., IV.).
22 
1. Die innerhalb der gesetzlichen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG erhobene Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019, mit der der Kläger sich gegen die Rücknahme der mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 erfolgten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wendet, ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23 
Soweit der Kläger sich darüber hinaus auch gegen die mit Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids erfolgte Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wendet, ist der Antrag bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§ 88 VwGO) zunächst – entsprechend dem ausdrücklich formulierten Klageantrag – als isolierter Anfechtungsantrag auszulegen, der im Fall einer Aufhebung der Entscheidung über die Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch die Bindungswirkung der negativen Entscheidung des Bundesamts über die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus beseitigt. Denn im Fall einer Aufrechterhaltung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre das Bundesamt schon verfahrensrechtlich nicht berechtigt gewesen, über die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu entscheiden (vgl. § 73 Abs. 3 AsylG sowie allgemein Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 31 AsylG Rn. 32), so dass ein anerkennenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung der Ablehnungsentscheidung besteht (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2021 – A 8 K 349/19 –, Umdruck, S. 6).
24 
2. Darüber hinaus ist der Klageantrag jedoch bei der nach § 88 VwGO gebotenen sachdienlichen Auslegung als hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit dem primären Klageantrag gestellter Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus auszulegen, da der Kläger in der Sache auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus begehrt, über den sie aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 zunächst nicht entschieden hatte (vgl. § 73 Abs. 3 AsylG). Denn insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der anwaltlich vertretene Kläger seinen Rechtsschutzantrag bewusst auf eine bloße Aufhebung beschränken und auf einen Ausspruch über den subsidiären Schutzstatus verzichten oder das Erreichen dieses sekundär verfolgten Rechtsschutzziels von einer erneuten Sachprüfung durch das Bundesamt abhängig machen wollte, zumal dieses die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus aus denselben Gründen abgelehnt hat, die auch die Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung tragen. Dieses Rechtsschutzziel kann der Kläger mit einem bloßen Aufhebungsantrag jedoch nicht erreichen.
25 
Die Auslegung als bloßer Hilfsantrag ist sachdienlich, da die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus neben der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft schon begrifflich („subsidiär“) der Systematik der Qualifikationsrichtlinie widerspräche (vgl. Art. 2 lit. f) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Neufassung] – Qualifikationsrichtlinie [QRL] 2011) und auch nach nationalem Recht dem Grundsatz der – hier allerdings verfahrensrechtlich ausgestalteten – Subsidiarität unterliegt (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 31 AsylG Rn. 32).
III.
26 
Der auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019 gerichtete Hauptantrag des Klägers ist jedoch nicht begründet, da das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der Sache zu Recht zurückgenommen hat und folglich gemäß § 73 Abs. 3 AsylG auch zu einer Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes berechtigt und verpflichtet war. Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019 sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
1. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 AsylG ist Satz 1 auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entsprechend anzuwenden. Diese Voraussetzungen liegen vor, so dass Ziffer 1 des Bescheids vom 9. Oktober 2019 rechtmäßig ist.
28 
a) aa) Nach den auf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch das Oberlandesgericht – u.a. im Rahmen der Auswertung von Zeugenaussagen, von eindeutig den Kläger zeigenden Propagandavideos der „Jabhat al-Nusra“ und eines u.a. seine Identität mit der in den Videos dargestellten Person umfassenden Teilgeständnisses des Klägers – beruhenden Feststellungen des Oberlandesgerichts, denen der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) entgegengetreten ist, gehörte der auch unter den Kampfnamen „Al XXX“, „Abu XXX“ bzw. „Abu XXX al-Frirkh“ (Abu XXX, der Bombeningenieur; OLG, S. 36, 38) bekannte Kläger jedenfalls im Zeitraum seit Anfang Oktober 2012 bis mindestens November 2013 der Al-Nusra-Front („Jabhat al-Nusra“), einer der im Tatzeitraum größten und schlagkräftigsten islamistischen Gruppierungen in Syrien, an (OLG, S. 12 ff., 35 ff.). Er wirkte für diese u.a. Anfang Oktober 2012 an der Überführung eines von ihr aus einer Regierungskaserne befreiten Häftlings in die zum damaligen Zeitpunkt von der „Jabhat al-Nusra“ besetzten Stadt Tabka (aht-Thaura; auch at-Tabqa; im Gouvernement ar-Raqqa) mit, war für diese jedenfalls von Anfang April bis Juli 2013 als Leiter der ca. zwanzig Mitglieder umfassenden, ihm unterstellten Scharia-Polizei in der Stadt Tabka tätig, versah für diese regelmäßig bewaffnete Wachpostentätigkeiten an strategisch bedeutsamen Objekten und nahm unmittelbar nach der Eroberung eines Munitionsdepots durch Angehörige der „Jabhat al-Nusra“ im November 2013 als zentraler Darsteller an einem professionell erstellen, mit islamistischen Kampfgesängen unterlegten Propagandavideo der Organisation teil, in dem er innerhalb des eroberten Depots in der Kleidung eines Jihadisten mit eroberten Kriegswaffen posierte und diese den Adressaten des Propagandavideos präsentierte (OLG, S. 12 ff.). Während dieser Zeiträume trat der Kläger regelmäßig mit einem Sturmgewehr oder einer Pistole bewaffnet und in Begleitung (weiterer) uniformierter Kämpfer der „Jabhat al-Nusra“ auf (OLG, S. 13 f.). Im April 2014 wurde er in Tabka von Mitgliedern des „Islamischen Staates“ wegen Verdachts der Mitgliedschaft bei der „Jabhat al-Nusra“ festgenommen und im Mai 2014 unter nicht im Einzelnen geklärten Umständen entlassen, woraufhin der Kläger das Land verließ (OLG, S. 5). Wegen der Einzelheiten des nach Verurteilung des Klägers auch insgesamt nicht mehr bestrittenen Sachverhalts wird auf die Feststellung des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2019 – 7 – 2 StE 1/19 – verwiesen. Das Verwaltungsgericht folgt insoweit der ausführlichen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts (vgl. im Einzelnen OLG, S. 18 ff.). Dieses hat sich insbesondere auch mit den (zuletzt im Strafverfahren erhobenen) Einwänden des Klägers, er habe die in der Sache überwiegend eingeräumten Tätigkeiten lediglich „als Privatperson“ bzw. im Auftrag ziviler Organisationen entfaltet, könne als nachweislich tätowierter Mensch kein Repräsentant einer islamistischen Gruppierung gewesen sein bzw. wäre bei einer nachweisbaren Zugehörigkeit zur „Jabhat al-Nusra“ im Mai 2014 nicht aus der Haft des „Islamischen Staates“ entlassen, sondern hingerichtet worden, auseinandergesetzt und diese nachvollziehbar wiederlegt (OLG, S. 43 ff.).
29 
bb) Diese zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts feststehenden Umstände hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am 4. Oktober 2016, auf der die Anerkennungsentscheidung vom 7. Oktober 2016 maßgeblich beruhte, verschwiegen. Denn der Kläger hat hier zwar eingeräumt, u.a. aus Sorge vor einer Rekrutierung durch den „Islamischen Staat“ aus Syrien geflohen zu sein, hat eine eigene Zugehörigkeit zu Sicherheitsbehörden bzw. der Polizei bzw. Mitgliedschaft in einer nichtstaatlichen, bewaffneten Gruppierung oder in einer sonstigen politischen Organisation aber ebenso ausdrücklich verneint wie eigene Kenntnisse über Kriegsverbrechen oder die Identität von Unterstützern bzw. Mitgliedern extremistischer bzw. terroristischer Organisationen (vgl. Nrn. 14 – 17 der Niederschrift über die Anhörung vom 4. Oktober 2016; EA, S. 57).
30 
b) Diese unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben des Klägers sind auch im Rechtssinne kausal für die mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da der beschriebene Sachverhalt den Schutzunwürdigkeitstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht, der – selbst bei objektivem Bestehen einer tatsächlichen Verfolgungssituation im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG – bereits die Annahme der Flüchtlingseigenschaft zwingend ausschließt.
31 
aa) Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (Nr. 1), vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (Nr. 2), oder den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (Nr. 3). § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG gilt nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.
32 
bb) Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 AsylG dient der Umsetzung der Schutz-unwürdigkeitstatbestände des Art. 1 Abschnitt F des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) und des Art. 12 Abs. 2 QRL 2011. Er ist daher übereinstimmend mit diesen unions- bzw. völkerrechtskonform auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 41 f. m.w.N.). Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 entspricht dabei wortwörtlich der Vorgängerfassung des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie [QRL] 2004), so dass die einschlägige Rechtsprechung zur Qualifikationsrichtlinie 2004 auf die hier anzuwendende Neufassung der Qualifikationsrichtlinie 2011 übertragbar ist.
33 
cc) Art. 12 Abs. 2 QRL konkretisiert das Erfordernis des „Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen“ auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 43 f.). Nach dem 31. Erwägungsgrund der QRL 2011, der mit dem 22. Erwägungsgrund der QRL 2004 übereinstimmt, sind die in Art. 12 Abs. 2 lit. c) der Richtlinie genannten Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, u. a. „in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, ‚dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘ und ‚dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘“. Zu diesen Resolutionen zählt die Resolution 1377 (2001) des Sicherheitsrats, aus der hervorgeht, dass nicht nur „Akte des internationalen Terrorismus“, sondern auch „die Finanzierung, Planung und Vorbereitung sowie jegliche andere Form der Unterstützung von Akten des internationalen Terrorismus“ im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen. Aus der Resolution 1624 (2005) des Sicherheitsrats abgeleitet werden, dass die Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, nicht auf die „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus“ beschränkt sind. Der Sicherheitsrat fordert die Staaten darin nämlich auf, zur Bekämpfung des Terrorismus im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht „alle[n] Personen, die die Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen unterstützen, erleichtern, sich daran beteiligen oder sich daran zu beteiligen versuchen oder den Tätern Unterschlupf gewähren“, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern und sie vor Gericht zu bringen. Außerdem werden die Staaten in Ziff. 1 lit. c) dieser Resolution aufgefordert, allen Personen, zu denen glaubwürdige und sachdienliche Informationen vorliegen, die ernsthaften Grund zu der Annahme geben, dass sie sich der Aufstachelung zur Begehung einer terroristischen Handlung oder terroristischer Handlungen schuldig gemacht haben, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Daraus ergibt sich, dass der in Art. 1 Abschnitt F lit. c) GFG und in Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL 2011 enthaltene Begriff der „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“, nicht auf die Begehung terroristischer Handlungen beschränkt ist und keine strafrechtliche Verurteilung wegen einer solchen Straftat voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 45 ff.). Vielmehr kann die Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling auch dann rechtfertigen, wenn nicht erwiesen ist, dass die betreffende Person eine terroristische Handlung begangen, zu begehen versucht oder angedroht hat. Für die Einzelprüfung der Tatsachen, anhand deren beurteilt werden kann, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sich eine Person Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, zuschulden kommen ließ, zu solchen Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat, sind sowohl der Umstand, dass diese Person von den Gerichten eines Mitgliedstaats wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist, als auch die Feststellung, dass diese Person ein führendes Mitglied dieser Vereinigung war, von besonderer Bedeutung, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass diese Person selbst zu einer terroristischen Handlung angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (EuGH, a.a.O., Rn. 79).
34 
dd) Allerdings stellt etwa der Umstand, dass eine Person einer Organisation angehört hat, die wegen ihrer Beteiligung an terroristischen Handlungen in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführt ist, und den von dieser Organisation geführten bewaffneten Kampf aktiv unterstützt hat, nicht automatisch einen schwerwiegenden Grund dar, der zu der Annahme berechtigt, dass diese Person Handlungen begangen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Vielmehr setzt eine solche Feststellung eine Beurteilung der genauen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls voraus, um zu ermitteln, ob von der betreffenden Organisation begangene Handlungen die in den genannten Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllen und ob der betreffenden Person eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 verlangten Beweisniveau der „schwerwiegenden Gründe für die Annahme“ Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 99). Diese individuelle Verantwortung ist anhand sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien zu beurteilen. Hierfür hat die zuständige Stelle insbesondere die Rolle zu prüfen, die die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, ihre Position innerhalb dieser Organisation, den Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, die etwaigen Pressionen, denen sie ausgesetzt gewesen wäre, oder andere Faktoren, die geeignet waren, ihr Verhalten zu beeinflussen. Eine staatliche Stelle, die bei dieser Prüfung feststellt, dass die betreffende Person eine hervorgehobene Position in einer sich terroristischer Methoden bedienenden Organisation innehatte, kann vermuten, dass diese Person eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt, jedoch bleibt nichtsdestoweniger die Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände erforderlich, bevor die Entscheidung erlassen werden kann, die betreffende Person gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL 2011 von der Anerkennung als Flüchtling auszuschließen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 96 ff.). Jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG dabei auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.2011 – 10 C 26/10 –, BVerwGE 140, 114 = juris, Rn. Rn. 28). Die Schwere der begangenen Handlungen muss dabei jedoch einen solchen Grad erreichen, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz erheben kann, der mit der Flüchtlingseigenschaft verbunden ist (EuGH, a.a.O., Rn. 108).
35 
ee) Ausgehend hiervon geht der Berichterstatter davon aus, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt den zwingenden Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht hatte.
36 
(1) Bei der „Jabhat al-Nusra“, der der Kläger jedenfalls im Zeitraum von Oktober 2012 bis November 2013 angehörte, handelte es sich in diesem Zeitraum um eine internationale terroristische Vereinigung.
37 
(a) Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im Urteil vom 24. Juli 2019, denen das Verwaltungsgericht nach eigener Prüfung folgt, hatte sich die jihadistische „Jabhat al-Nusra“ als syrische Tochterorganisation des Islamischen Staates im Irak (ISI) im Laufe des Jahres 2012 zu einer der prominentesten islamistischen Gruppierungen in der Arabischen Republik Syrien entwickelt (OLG, S. 6). Sie war etwa Ende September 2012 an der Einnahme eines bedeutenden, auch als Gefängnis genutzten Militärstützpunktes des Regimes im Osten Aleppos maßgeblich beteiligt und richtete dort am 10. November 2012 in Kooperation mit anderen islamistischen Gruppierungen eine aus einem Scharia-Gericht und einer Scharia-Polizei bestehende „Scharia-Autorität“ ein, um ihren Machtanspruch in den eroberten Stadtteilen von Aleppo zu sichern und durchzusetzen. Nach diesem Vorbild wurden in der Folge in weiteren von der „Jabhat al-Nusra“ und ihren islamistischen Bündnispartnern eroberten Städten – so auch in Tabka – weitere Scharia-Autoritäten gegründet. Anfang Februar 2013 begannen die Aufständischen eine Offensive in der Provinz Rakka unter Beteiligung der „Jabhat al-Nusra“, die am 11. Februar 2013 in der Einnahme der Stadt Tabka und des nahe gelegenen Euphrat-Staudammes mündete, denen auch nach Auffassung des syrischen Regimes erhebliche strategische Bedeutung für die Stromversorgung Nordsyriens und die Sicherung einer der zwei großen Verbindungslinien aus dem syrischen Westen in den Osten zukam. Im November 2013 wurde das unweit der Kleinstadt Mahin gelegene zweitgrößte Waffen- und Munitionsdepot der syrischen Armee von islamistischen Rebellen – unter Beteiligung von Angehörigen der „Jabhat al-Nusra“ – erobert, wobei zahlreiche Regierungssoldaten getötet und erhebliche Mengen an Munition und Waffen, darunter Panzer-, Artillerie- und Handgranaten sowie Raketen, erbeutet wurden (OLG, S. 6 ff.).
38 
(b) Das politische Ziel der „Jabhat al-Nusra“ war der Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die „Befreiung" des historischen Großsyrien, d.h. Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen, gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. So verübte die „Jabhat al-Nusra" beispielsweise am 10. Februar 2012 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der syrischen Armee in Aleppo, am 17. März 2012 ein Attentat auf die Geheimdienstzentrale der Luftwaffe und das Hauptquartier der Polizei in Damaskus sowie Ende 2012 einen mehrstufigen Angriff auf vier Ziele in
39 
Aleppo, darunter den „Offiziers-Klub“ der Stadt und zwei Touristenhotels. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2.000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10.000 Menschen getötet wurden. Auch im Anschluss war die „Jabhat al-Nusra“ in Syrien in vergleichbarer Weise tätig, wobei sie ab April 2013 zeitweilig als offizieller Arm der internationalen Terrororganisation „Al-Quaeda“ firmierte. Die „Jabhat al-Nusra“ war dabei militärisch-hierarchisch organisiert und wurde in der Region Tabka von Sommer 2012 bis zu seinem Tod im Februar 2015 von einem Abu Issa al Brej alias Abu Issa al-Tabqa (im Weiteren: Abu Issa) als regionalem Anführer geführt, der als „Emir“ der mittleren Führungsebene der „Jabhat al-Nusra“ angehörte (OLG, S. 11 ff.). Insoweit begegnet die Annahme des Bundesamts, dass die Handlungen der „Jabhat al-Nusra“ während der festgestellten Dauer der Zugehörigkeit des Klägers dem internationalen Terrorismus zuzuordnen waren und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen widersprachen, keinen durchgreifenden Zweifeln, zumal sie vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits im Mai 2013 – wenngleich zunächst als Aliasname der internationalen Terrororganisation „Al-Quaeda“ – als internationale Terrororganisation eingestuft wurde (vgl. UN Security Council Resolution 11019 vom 30. Mai 2013). Sie unterscheidet sich insoweit insbesondere von Gruppierungen wie der im hier relevanten Zeitraum mit der „Jabhat al-Nusra“ verbündeten „Ahrar al-Sham“, die im maßgeblichen Zeitraum lediglich in Syrien aktiv waren und daher möglicherweise nicht dem internationalen Terrorismus zugerechnet werden können (vgl. hierzu VG München, Urteil vom 7.3.2019 – M 22 K 17.48782 –, juris, Rn. 69).
40 
(2) Innerhalb der terroristischen Vereinigung der „Jabhat al-Nusra“ nahm der Kläger nach Überzeugung des Berichterstatters im maßgeblichen Zeitraum eine herausgehobene Position ein. Zwar haben sich die ursprünglich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe, er habe innerhalb der Organisation selbst den Rang eines „Emir“ bekleidet und sei persönlicher Assistent des stellvertretenden Leiters, obersten Religionsgelehrten und Kommandeur der Nusra-Front Abu Maria al-Qahtani gewesen (vgl. Anklageschrift vom 2.1.2019, S. 53, 81 [RA, S. 52 ff.]), im Rahmen der nachvollziehbaren Beweiswürdigung durch das Oberlandesgericht nicht bestätigt (vgl. OLG, S. 143, 169). Nach den im Nachgang nicht mehr bestrittenen und auch in der Sache vollständig nachvollziehbaren Feststellungen des Oberlandesgerichts war der Kläger indes von Anfang April bis Juli 2013 für die „Jabhat al-Nusra“ als Leiter der Scharia-Polizei in Tabka tätig, wobei er gegenüber ca. 20 bewaffneten Mitgliedern der Scharia-Polizei weisungsbefugt war und selbst unmittelbar den Weisungen des „Scharia-Gerichts“ unterlag. Er war hierbei für die Einrichtung von Kontrollstellen und die Einteilung der Wachposten vor einzelnen, zum Teil strategisch bedeutsamen Schutzobjekten verantwortlich, verantwortete die Festnahme und anschließende Zuführung von Personen an die „Scharia-Richter“ und fuhr selbst regelmäßig mit einem roten Fahrzeug der Marke Hyundai Sonata Patrouille, wobei er jeweils sichtbar mit einem Sturmgewehr oder einer Pistole bewaffnet auftrat (OLG, S. 13 f.). Er war damit zentral in die Organisationsstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ eingebunden, war für die Sicherung der zeitweilig etablierten Machtstrukturen verantwortlich (OLG, S. 13, 49, 170 f.) und nahm innerhalb der Organisation eine zumindest herausgehobene Stellung ein (OLG, S. 172). Hierfür spricht insbesondere, dass ihm die für den Machterhalt der „Jabhat al-Nusra“ auch über die Ortschaft Tabka hinaus zentrale Verantwortung für den Schutz strategisch bedeutsamer Objekte anvertraut wurde und er durch seine sichtbare Bewaffnung und die nach Angaben von Zeugen zum Teil mit dem Schriftzug „Scharia-Polizei“ gekennzeichneten Kraftfahrzeuge auch nach außen als Repräsentant der „Jabhat al-Nusra“ in Tabka auftrat. Letztes wird durch die von mehreren Zeugen unabhängig voneinander geäußerte Einschätzung bekräftigt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der Organisation in der ganzen Stadt „allgemein bekannt“ gewesen sei (OLG, S. 34, 36 f., 56). Hierfür spricht weiterhin der Umstand, dass der Kläger als zentraler Akteur in einem nach Eroberung des Munitionsdepots im November 2013 erstellten, professionellen Propagandavideo in Erscheinung getreten ist. Die herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der Organisation wird weiterhin durch ein bereits im August 2012 erstelltes Propagandavideo bestätigt, in dem der Kläger in Erscheinung tritt und im Rahmen der gemeinsam gesungenen Kampflieder in einem Atemzug mit einem regionalen Anführer der „Jabhat al-Nusra“ genannt wird, der als „Emir“ jedenfalls der mittleren Führungsebene der „Jabhat al-Nusra“ angehörte (vgl. OLG, S. 40 f.: „Nehmt mir mein Herz und gebt mir eine Waffe. Mit Standhaftigkeit marschierten wir nach Aleppo, um den verdammten Hund, den Tyrann zu vernichten. Abu XXX und Abu Issa sind hinter uns und Abu XXX mit dem Pickup hinter uns.“). Dieses Video hat das Oberlandesgericht – entgegen den insoweit nicht überzeugenden Einlassungen des Klägers im Strafverfahren – angesichts der Gesamtumstände und unter Einbeziehung eines Sachverständigen nachvollziehbar nicht als Scherz-, sondern als Propagandavideo eingeordnet, zumal der Kläger auch auf einem Gruppenbild mit der Führungsperson Abu Issa abgebildet ist (OLG, S. 55 f.). Der Berichterstatter teilt daher die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass der Kläger innerhalb der „Jabhat al-Nusra“ eine zumindest herausgehobene Position einnahm (OLG, S. 55 f., 60, 62).
41 
(3) In Verbindung mit der erfolgten Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung rechtfertigt die mithin anzunehmende herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der „Jabhat al-Nusra“ die tatsächliche Vermutung, dass dieser eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 98). Nichtsdestotrotz ist die individuelle Verantwortung des Betroffenen anhand sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien zu beurteilen individuell zu prüfen, wobei neben der Rolle, die die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, auch ihre Position innerhalb dieser Organisation, der Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, die etwaigen Pressionen, denen sie ausgesetzt gewesen wäre, oder andere Faktoren, die geeignet waren, ihr Verhalten zu beeinflussen zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 96 ff.). Auch bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ist vorliegend jedoch aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger im Rahmen seiner Mitgliedschaft für die „Jabhat al-Nusra“ den Zielen und Grundsätzen der vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
42 
(a) Im Ausgangspunkt spricht dabei für den Kläger, dass sich im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung keine belastbaren Hinweise darauf ergeben haben, dass er im fraglichen Zeitraum selbst an konkreten Kampfhandlungen beteiligt war oder selbst terroristische Handlungen – wie z.B. die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Anschläge oder der Vollstreckung von Todesurteilen oder Auspeitschungen des „Scharia-Gerichts“ – begangen hat (OLG, S. 9, 16 f., 58 f.). Insbesondere hat sich der auch ursprünglich im Raum stehende Vorwurf, der Kläger habe sich als „Bombeningenieur“ der „Jabhat al-Nusra“ an der Vorbereitung konkreter Anschläge beteiligt oder Zivilisten getötet (vgl. OLG, S. 23), nicht bestätigt (OLG, S. 38, 58 f.). Zugleich berücksichtigt der Berichterstatter jedoch auch, dass der Begriff der „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“, nicht auf die Begehung terroristischer Handlungen beschränkt ist und keine strafrechtliche Verurteilung wegen einer solchen Straftat voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 45 ff.). Darüber hinaus berücksichtigt der Berichterstatter, dass die Vollstreckung von Sanktionen des Scharia-Gerichts auch nach den Organisationsstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ nicht der „Scharia-Polizei“, sondern – zur Vermeidung von Racheakten der lokalen Bevölkerung – externen „Auspeitschern“ oblag (OLG, S. 9 f., 16 f.), während die „Scharia-Polizei“ nur für die Zuführung der Verurteilten verantwortlich war. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass 2013 in Tabka auf Geheiß der „Scharia-Richter“ öffentlich vollstreckte Hinrichtungen stattgefunden hätten (OLG, S. 9).
43 
(b) Objektiv gegen den Kläger spricht demgegenüber, dass er durch die Übernahme von Verantwortung für die Bewachung auch strategisch bedeutsamer Objekte, durch die hierarchische Einbindung in die lokalen, der von Akteuren der „Jabhat al-Nusra“ aber landesweit innerhalb ihres Einflussbereichs spiegelbildlich errichteten Organisationsstrukturen von „Scharia-Gericht“ und „Scharia-Polizei“ und sein öffentliches Auftreten als bewaffneter „Ordnungshüter“ innerhalb der strategisch nicht unbedeutenden Stadt Tabka erheblich zur Erhaltung und Verfestigung auch der überregionalen Machtstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ beigetragen hat, die – unabhängig von einer Mitwirkung an konkreten Konflikthandlungen oder Gewalttaten – eine Verwirklichung der von der „Jabhat al-Nusra“ als zum damaligen Zeitpunkt schlagkräftigster islamistischer Gruppierung in Syrien landesweit mit terroristischen Mitteln verfolgten politischen Ziele überhaupt erst als möglich erscheinen ließen (vgl. OLG, S. 12 ff., 35 ff., 49). Darüber hinaus hat der Kläger sowohl durch seine Mitwirkung an der Überführung eines von der „Jabhat al-Nusra“ aus einer Regierungskaserne befreiten Häftlings in die besetzte Stadt Tabka im Oktober 2012 als auch im Rahmen mehrerer Propagandavideos, in denen er namentlich bezeichnet wurde oder jedenfalls in zentraler Funktion auftrat, er zum Teil – teils demonstrativ – selbst bewaffnet und uniformiert in Erscheinung trat, in Begleitung bewaffneter und uniformierter Kämpfer auftrat oder mit erbeuteten Kriegswaffen hantierte, erheblich zur Steigerung von Ansehen und Autorität der „Jabhat al-Nusra“ und damit zur Festigung ihrer Machtposition beigetragen (vgl. OLG, S. 14, 55). Insoweit können gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG auch dann auslösen, wenn ein konkreter Bezug zur Ausführung spezifischer terroristischer Taten nicht hergestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2013 – 10 C 26.12 –, juris, Rn. 15 f.). Zwar bedarf der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG schon aufgrund seines geringen Maßes an Bestimmtheit einer restriktiven Auslegung, um die einschränkenden Wertungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AsylG nicht zu überspielen (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 3 AsylG, Rn. 53). Gerade die auch hier vorliegende, für den internationalen Terrorismus typische Einbindung in organisatorische Strukturen kann jedoch jedenfalls dann, wenn sie sich nicht auf ein bloßes Mitläufertum beschränkt, das im Vergleich zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AsylG geringere Maß der Verantwortung des Einzelnen für konkret nachweisbare individuelle Rechtsgutsverletzungen kompensieren, ohne die § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylG zugrundeliegenden Mindestanforderungen zu überspielen (ähnlich BVerwG, Urteil vom 19.11.2013 – 10 C 26.12 –, juris, Rn. 15 f.; Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 32).
44 
(c) Im Hinblick auf die subjektive Verantwortung des Klägers für die von der „Jabhat al-Nusra“ im relevanten Zeitraum begangenen Handlungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im vollen Bewusstsein und in ausdrücklicher Billigung der Methoden und Ziele der Organisation gehandelt hat (vgl. OLG, S. 57 f.). Ob – wie das Oberlandesgericht aus dem Auftreten des Klägers in „afghanischer Kampfmontur“ und der in einem Propagandavideo gezeigten Gestik gefolgert hat – das Tätigwerden des Klägers auf dessen eigener radikalislamischer Gesinnung beruhte (OLG, S. 56 f.), kann demgegenüber dahinstehen. Demnach ist ebenfalls ohne Bedeutung, dass der Kläger nach den u.a. auf die Ergebnisse einer Telefonüberwachung, einer Hausdurchsuchung und die Angaben des Leiters einer Landeserstaufnahmeeinrichtung gestützten Feststellungen des Oberlandesgerichts im Bundesgebiet keine jihadistischen Überzeugungen geäußert oder anderweitig zu erkennen gegeben hat (OLG, S. 58). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Organisation nur aufgrund äußeren Drucks unterstützt haben könnte, sind aufgrund der persönlichen Bekanntschaft des Klägers mit Abu Issa und der Tatsache, dass er seine Wohnregion (erst) unmittelbar nach der Machtübernahme der mit „Jabhat al-Nusra“ konkurrierenden Terrororganisation des Islamischen Staats verlassen hatte, zuvor aber ohne erkennbare Hinderungsgründe dort verblieben war, nicht ersichtlich. Soweit die Ehefrau des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht angegeben hat, dass er zum Tragen der „Kampfmontur“ ebenso gezwungen worden sei wie zur Anwesenheit bei der Erstellung des Propagandavideos nach Eroberung des Waffenlagers in Mahin, ist das Oberlandesgericht diesen Angaben aus ohne weiteres nachvollziehbaren Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht gefolgt (OLG, S. 53, 57).
45 
(d) In der erforderlichen Gesamtschau aller tatsächlichen Umstände ist daher die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger im Rahmen seines Aufenthalts in Syrien den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und somit im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht hatte. Insbesondere erreicht die Schwere der individuell begangenen Handlungen einen solchen Grad, dass der Kläger nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz erheben könnte, der mit der Flüchtlingseigenschaft verbunden ist.
46 
(e) Ohne Erfolg beruft der Kläger sich insoweit auf den Umstand, dass das Bundesamt die erforderliche Gesamtbetrachtung im Rahmen des Rücknahmeverfahrens nicht selbst vorgenommen hätte. Zwar könnte die einschlägige Rechtsprechung des EuGH, der von der erforderlichen Einzelfallprüfung „durch die zuständige Behörde“ spricht (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 78; EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109), tatsächlich dahingehend verstanden werden, dass die jeweilige Prüfung alleine der zuständigen nationalen Behörde obliegt und nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann. In der Sache formuliert der EuGH hiermit jedoch keine über die in Art. 44 ff. der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung; Verfahrensrichtlinie [VRL] 2013) normierten Vorgaben hinausgehenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, sondern eine aus Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt F GFK abgeleitete, materiell-rechtliche Voraussetzung, deren Einhaltung im Rücknahme-  oder Widerrufsverfahren nach Art. 14 Abs. 3 lit. b) QRL 2011 den Organen „der Mitgliedsstaaten“ aufgetragen ist. Insoweit obliegt die endgültige Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz jedoch „den zuständigen nationalen Behörden unter der Kontrolle der nationalen Gerichte“ (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 73; ähnlich EuGH, Urteil vom 13.9.2018 – C-369/17 [Shajin Ahmed] –, juris, Rn. 58), ohne dass der zuständigen Behörde insoweit ein gerichtlich nicht überprüfbarer Ermessens- oder Entscheidungsspielraum zukäme (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109, BVerwG, Urteil vom 7.7.2011 – 10 C 26.10 –, BVerwGE 140, 114 = juris, Rn. 21; Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 36, 39). Unabhängig davon hat das Bundesamt die erforderliche Einzelfallprüfung im vorliegenden Fall in noch ausreichender Weise (auch) selbst vorgenommen, auch wenn sie sich dabei in wesentlichen Teilen auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts bezogen hat.
47 
(f) Insoweit ist in der Rechtsprechung weiterhin geklärt, dass die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG, die auf Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 bzw. Art. 1 Abschnitt F GFK zurückgehen, keine fortbestehende Gefährlichkeit des Betroffenen voraussetzen, da ihnen der Gedanke der Schutzunwürdigkeit aufgrund vergangenen Verhaltens zugrunde liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 100). Auch einer nachgelagerten Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Rücknahmeentscheidung, die sich alleine auf die flüchtlingsrechtliche Statusentscheidung bezieht, bedarf es nicht, da die Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung der betreffenden Person bereits auf Tatbestandsseite der Ausschlussgründe abschließend zu prüfen ist (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 109).
48 
ff) Im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt hatte der Kläger daher den zwingenden Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf den unrichtigen Angaben des Klägers bzw. dessen Verschweigens wesentlicher Tatsachen beruhte.
49 
d) Dem Kläger könnte die Flüchtlingseigenschaft im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) auch aus anderen Gründen nicht (wieder) zuerkannt werden. Zwar wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur zum Teil vertreten, dass ein nachträglicher Wegfall der Schutzunwürdigkeit etwa dann in Betracht komme, wenn die betroffene Person sich von den Taten nicht nur distanziere, sondern in der Zwischenzeit aktiv an der Verhinderung weiterer Terrorakte mitgewirkt hat oder es sich bei den vorgeworfenen Handlungen um eine Jahrzehnte zurückliegende „Jugendsünde“ gehandelt habe (vgl. Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 36). Die zum Beleg dieser Auffassung zitierten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts aus einem Vorlagebeschluss vom 14.10.2008 – 10 C 48.07 – beziehen sich jedoch auf eine seitens des Bundesverwaltungsgerichts angedachte, über die bereits auf Tatbestandsseite der jeweiligen Ausschlussklauseln erforderliche Prüfung der Schwere und Zurechenbarkeit der jeweiligen Handlungen hinausgehende individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Rechtsfolgenseite (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 31 ff.), der der Europäische Gerichtshof im Nachgang ausdrücklich eine Absage erteilt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109). Zwar mag es in Extremfällen in Betracht kommen, die bereits auf Tatbestandsseite zu prüfende „individuelle Verantwortung“ des Betroffenen für in der Vergangenheit liegende Handlungen durch erheblichen Zeitablauf, Strafverbüßung und dessen individuelles Nachtatverhalten als gemindert anzusehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.1. 2015 – A 9 S 314/12 –, juris, Rn. 52 ff.); hierfür bestehen vorliegend jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Denn der Kläger hat zwar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet keine weiteren islamistischen Bestrebungen entfaltet und nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführten „Strukturverfahren Syrien gegen Unbekannt“ Angaben als Zeuge gemacht, die jedoch weder neue Ermittlungsansätze ergeben noch vorhandene Erkenntnisse bestätigt haben (OLG, S. 59). Auch wenn das Oberlandesgericht diese – auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht näher spezifizierten – Angaben im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Klägers gewürdigt hat (OLG, S. 62), kann von einem Nachtatverhalten, das eine Gleichstellung des Klägers mit einem „bona fide“-Flüchtling rechtfertigen könnte, vorliegend nicht die Rede sein. Alleine die partielle oder vollständige Verbüßung der erst im Jahr 2019 verhängten mehrjährigen Haftstrafe und der seit Begehung des Organisationsdelikts vergangene Zeitraum von weniger als zehn Jahren können insoweit nicht genügen, zumal Nachfolgeorganisationen der vom Kläger mit erheblichen individuellen Tatbeiträgen unterstützten internationalen Terrororganisation auch weiter im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs operieren.
50 
e) Nach § 73 Abs. 2 AsylG war das Bundesamt daher verpflichtet, die unter dem 7. Oktober 2016 erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückzunehmen.
51 
2. Ziffer 1 des hier angegriffenen Bescheids vom 9. Oktober 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch der auf Aufhebung der mit Ziffer 2 desselben Bescheids erfolgten Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gerichtete Klageantrag (vgl. oben II. 1.) bleibt daher ohne Erfolg, da das Bundesamt nach § 73 Abs. 3 AsylG zur Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes berechtigt und verpflichtet war.
IV.
52 
Da der vom Kläger gestellte Hauptantrag auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 9. Oktober 2019 erfolglos bleibt, ist vorliegend über den hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag zu entscheiden. Auch dieser Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet, da der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG entgegensteht, der inhaltlich dem (bereits geprüften) Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG entspricht (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 4 AsylG, Rn. 89 ff. sowie allgemein EuGH, Urteil vom 13.9.2018 – C-369/17 [Shajin Ahmed] –, juris, Rn. 44 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.1.2022 – A 4 S 108/22 –, juris, Rn. 9). Er bedarf insbesondere – anders als der gefahrenabwehrrechtlich motivierte Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 9) – ebenfalls keiner Feststellung einer vom Betroffenen ausgehenden konkreten und aktuellen Gefährdung. Auch die Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus mit Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids vom 9. Oktober 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
V.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 167 VwGO. Von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils, der nur wegen der Kosten erfolgen könnte (§ 167 Abs. 2 VwGO), sieht das Gericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ab. Gerichtskosten werden in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz nicht erhoben (§ 83b AsylG).
54 
Zu einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht in Verfahren nach dem Asylgesetz nicht befugt (§ 78 Abs. 2 AsylG). Zu einer auch im Asylverfahren möglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Zulassung der Sprungrevision von Amts wegen besteht kein Anlass (§ 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO), zumal die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO nicht vorliegen dürften.

Gründe

 
I.
18 
1. Gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten an Stelle der Kammer sowie ohne mündliche Verhandlung. Der Berichterstatter macht von den durch die vorgenannten Vorschriften bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen eröffneten Möglichkeiten Gebrauch, weil die maßgeblichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung geklärt sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch persönliche Anhörung des Klägers nicht – insbesondere auch nicht im Hinblick auf eine aktuelle Gefährlichkeitsprognose [unten III. 1. c) cc) (3) (f)] – erforderlich erscheint.
19 
2. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ergibt sich aus § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO. Zwar ist nach § 52 Nr. 2 Hs. 1 VwGO in Streitigkeiten nach dem AsylG das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; der Kläger unterlag im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) mit Erhebung der Klage (§ 90 Satz 1 VwGO) jedoch keiner solchen Wohn- oder Aufenthaltsverpflichtung nach dem Asylgesetz. Denn auch wenn die Bindungswirkung der das Asylerstantragsverfahren abschließenden Anerkennungsentscheidung des Bundesamts vom 7. Oktober 2016 aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit der Rücknahmeentscheidung vom 9. Oktober 2019 nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG mit deren Bekanntgabe entfallen war, hatte der Kläger seinen Aufenthalt nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr nach dem Asylgesetz, sondern allenfalls infolge einer auf § 12a Abs. 2 AufenthG beruhenden Wohnsitzauflage an einem bestimmten Ort zu nehmen, die im Kontext des § 52 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO nicht zuständigkeitsbegründend wirkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 1 AV 6.19 –, juris, Rn. 7; Röder, in: BeckOK Migrationsrecht, § 50 AsylG Rn. 40). Er verfügte im Zeitpunkt des Eintritts der Vollziehbarkeit der Rücknahmeentscheidung zudem über eine gültige Aufenthaltserlaubnis, deren Wirksamkeit von der Rücknahme der Zuerkennungsentscheidung unberührt blieb (§ 43 Abs. 2 LVwVfG).
20 
Zuständigkeitsbegründend ist daher nach § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO der Wohnsitz des Klägers, weil sich die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge als selbstständiger Bundesoberbehörde (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG) auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Da auch die Inhaftierung des Klägers in der JVA Offenburg ab August 2018 keinen Wohnsitz im Sinne des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO begründet (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 19.8.2021 – 7 K 1566/21.DA.A –, juris, Rn. 10; VG Karlsruhe, Beschluss vom 20.12.2019 – A 19 K 10472/18 –, juris, Rn. 8; VG Karlsruhe, Beschluss vom 16.7.2018 – A 4 K 6435/18 –, juris, Rn. 2; Berstermann, BeckOK VwGO, § 52 Rn. 9 sowie allgemein BGH, Beschluss vom 19.6.1996 – XII ARZ 5/96 –, juris, Rn. 2) und nicht ersichtlich ist, dass der Kläger, der von Mai 2016 bis zur Inhaftierung gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Mietwohnung in B. lebte, diesen Wohnsitz im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 28. Oktober 2019 aufgegeben haben könnte, ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Stadt B. liegt.
II.
21 
Die Klage ist zulässig (sogleich II. 1, 2.), aber nicht begründet (unten III., IV.).
22 
1. Die innerhalb der gesetzlichen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG erhobene Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019, mit der der Kläger sich gegen die Rücknahme der mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 erfolgten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wendet, ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23 
Soweit der Kläger sich darüber hinaus auch gegen die mit Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids erfolgte Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wendet, ist der Antrag bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§ 88 VwGO) zunächst – entsprechend dem ausdrücklich formulierten Klageantrag – als isolierter Anfechtungsantrag auszulegen, der im Fall einer Aufhebung der Entscheidung über die Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch die Bindungswirkung der negativen Entscheidung des Bundesamts über die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus beseitigt. Denn im Fall einer Aufrechterhaltung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre das Bundesamt schon verfahrensrechtlich nicht berechtigt gewesen, über die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu entscheiden (vgl. § 73 Abs. 3 AsylG sowie allgemein Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 31 AsylG Rn. 32), so dass ein anerkennenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung der Ablehnungsentscheidung besteht (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2021 – A 8 K 349/19 –, Umdruck, S. 6).
24 
2. Darüber hinaus ist der Klageantrag jedoch bei der nach § 88 VwGO gebotenen sachdienlichen Auslegung als hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit dem primären Klageantrag gestellter Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus auszulegen, da der Kläger in der Sache auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus begehrt, über den sie aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 zunächst nicht entschieden hatte (vgl. § 73 Abs. 3 AsylG). Denn insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der anwaltlich vertretene Kläger seinen Rechtsschutzantrag bewusst auf eine bloße Aufhebung beschränken und auf einen Ausspruch über den subsidiären Schutzstatus verzichten oder das Erreichen dieses sekundär verfolgten Rechtsschutzziels von einer erneuten Sachprüfung durch das Bundesamt abhängig machen wollte, zumal dieses die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus aus denselben Gründen abgelehnt hat, die auch die Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung tragen. Dieses Rechtsschutzziel kann der Kläger mit einem bloßen Aufhebungsantrag jedoch nicht erreichen.
25 
Die Auslegung als bloßer Hilfsantrag ist sachdienlich, da die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus neben der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft schon begrifflich („subsidiär“) der Systematik der Qualifikationsrichtlinie widerspräche (vgl. Art. 2 lit. f) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Neufassung] – Qualifikationsrichtlinie [QRL] 2011) und auch nach nationalem Recht dem Grundsatz der – hier allerdings verfahrensrechtlich ausgestalteten – Subsidiarität unterliegt (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 31 AsylG Rn. 32).
III.
26 
Der auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019 gerichtete Hauptantrag des Klägers ist jedoch nicht begründet, da das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der Sache zu Recht zurückgenommen hat und folglich gemäß § 73 Abs. 3 AsylG auch zu einer Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes berechtigt und verpflichtet war. Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2019 sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
1. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 AsylG ist Satz 1 auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entsprechend anzuwenden. Diese Voraussetzungen liegen vor, so dass Ziffer 1 des Bescheids vom 9. Oktober 2019 rechtmäßig ist.
28 
a) aa) Nach den auf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung durch das Oberlandesgericht – u.a. im Rahmen der Auswertung von Zeugenaussagen, von eindeutig den Kläger zeigenden Propagandavideos der „Jabhat al-Nusra“ und eines u.a. seine Identität mit der in den Videos dargestellten Person umfassenden Teilgeständnisses des Klägers – beruhenden Feststellungen des Oberlandesgerichts, denen der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) entgegengetreten ist, gehörte der auch unter den Kampfnamen „Al XXX“, „Abu XXX“ bzw. „Abu XXX al-Frirkh“ (Abu XXX, der Bombeningenieur; OLG, S. 36, 38) bekannte Kläger jedenfalls im Zeitraum seit Anfang Oktober 2012 bis mindestens November 2013 der Al-Nusra-Front („Jabhat al-Nusra“), einer der im Tatzeitraum größten und schlagkräftigsten islamistischen Gruppierungen in Syrien, an (OLG, S. 12 ff., 35 ff.). Er wirkte für diese u.a. Anfang Oktober 2012 an der Überführung eines von ihr aus einer Regierungskaserne befreiten Häftlings in die zum damaligen Zeitpunkt von der „Jabhat al-Nusra“ besetzten Stadt Tabka (aht-Thaura; auch at-Tabqa; im Gouvernement ar-Raqqa) mit, war für diese jedenfalls von Anfang April bis Juli 2013 als Leiter der ca. zwanzig Mitglieder umfassenden, ihm unterstellten Scharia-Polizei in der Stadt Tabka tätig, versah für diese regelmäßig bewaffnete Wachpostentätigkeiten an strategisch bedeutsamen Objekten und nahm unmittelbar nach der Eroberung eines Munitionsdepots durch Angehörige der „Jabhat al-Nusra“ im November 2013 als zentraler Darsteller an einem professionell erstellen, mit islamistischen Kampfgesängen unterlegten Propagandavideo der Organisation teil, in dem er innerhalb des eroberten Depots in der Kleidung eines Jihadisten mit eroberten Kriegswaffen posierte und diese den Adressaten des Propagandavideos präsentierte (OLG, S. 12 ff.). Während dieser Zeiträume trat der Kläger regelmäßig mit einem Sturmgewehr oder einer Pistole bewaffnet und in Begleitung (weiterer) uniformierter Kämpfer der „Jabhat al-Nusra“ auf (OLG, S. 13 f.). Im April 2014 wurde er in Tabka von Mitgliedern des „Islamischen Staates“ wegen Verdachts der Mitgliedschaft bei der „Jabhat al-Nusra“ festgenommen und im Mai 2014 unter nicht im Einzelnen geklärten Umständen entlassen, woraufhin der Kläger das Land verließ (OLG, S. 5). Wegen der Einzelheiten des nach Verurteilung des Klägers auch insgesamt nicht mehr bestrittenen Sachverhalts wird auf die Feststellung des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2019 – 7 – 2 StE 1/19 – verwiesen. Das Verwaltungsgericht folgt insoweit der ausführlichen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts (vgl. im Einzelnen OLG, S. 18 ff.). Dieses hat sich insbesondere auch mit den (zuletzt im Strafverfahren erhobenen) Einwänden des Klägers, er habe die in der Sache überwiegend eingeräumten Tätigkeiten lediglich „als Privatperson“ bzw. im Auftrag ziviler Organisationen entfaltet, könne als nachweislich tätowierter Mensch kein Repräsentant einer islamistischen Gruppierung gewesen sein bzw. wäre bei einer nachweisbaren Zugehörigkeit zur „Jabhat al-Nusra“ im Mai 2014 nicht aus der Haft des „Islamischen Staates“ entlassen, sondern hingerichtet worden, auseinandergesetzt und diese nachvollziehbar wiederlegt (OLG, S. 43 ff.).
29 
bb) Diese zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts feststehenden Umstände hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am 4. Oktober 2016, auf der die Anerkennungsentscheidung vom 7. Oktober 2016 maßgeblich beruhte, verschwiegen. Denn der Kläger hat hier zwar eingeräumt, u.a. aus Sorge vor einer Rekrutierung durch den „Islamischen Staat“ aus Syrien geflohen zu sein, hat eine eigene Zugehörigkeit zu Sicherheitsbehörden bzw. der Polizei bzw. Mitgliedschaft in einer nichtstaatlichen, bewaffneten Gruppierung oder in einer sonstigen politischen Organisation aber ebenso ausdrücklich verneint wie eigene Kenntnisse über Kriegsverbrechen oder die Identität von Unterstützern bzw. Mitgliedern extremistischer bzw. terroristischer Organisationen (vgl. Nrn. 14 – 17 der Niederschrift über die Anhörung vom 4. Oktober 2016; EA, S. 57).
30 
b) Diese unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben des Klägers sind auch im Rechtssinne kausal für die mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da der beschriebene Sachverhalt den Schutzunwürdigkeitstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht, der – selbst bei objektivem Bestehen einer tatsächlichen Verfolgungssituation im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG – bereits die Annahme der Flüchtlingseigenschaft zwingend ausschließt.
31 
aa) Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (Nr. 1), vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (Nr. 2), oder den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (Nr. 3). § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG gilt nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.
32 
bb) Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 AsylG dient der Umsetzung der Schutz-unwürdigkeitstatbestände des Art. 1 Abschnitt F des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) und des Art. 12 Abs. 2 QRL 2011. Er ist daher übereinstimmend mit diesen unions- bzw. völkerrechtskonform auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 41 f. m.w.N.). Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 entspricht dabei wortwörtlich der Vorgängerfassung des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie [QRL] 2004), so dass die einschlägige Rechtsprechung zur Qualifikationsrichtlinie 2004 auf die hier anzuwendende Neufassung der Qualifikationsrichtlinie 2011 übertragbar ist.
33 
cc) Art. 12 Abs. 2 QRL konkretisiert das Erfordernis des „Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen“ auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 43 f.). Nach dem 31. Erwägungsgrund der QRL 2011, der mit dem 22. Erwägungsgrund der QRL 2004 übereinstimmt, sind die in Art. 12 Abs. 2 lit. c) der Richtlinie genannten Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, u. a. „in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, ‚dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘ und ‚dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘“. Zu diesen Resolutionen zählt die Resolution 1377 (2001) des Sicherheitsrats, aus der hervorgeht, dass nicht nur „Akte des internationalen Terrorismus“, sondern auch „die Finanzierung, Planung und Vorbereitung sowie jegliche andere Form der Unterstützung von Akten des internationalen Terrorismus“ im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen. Aus der Resolution 1624 (2005) des Sicherheitsrats abgeleitet werden, dass die Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, nicht auf die „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus“ beschränkt sind. Der Sicherheitsrat fordert die Staaten darin nämlich auf, zur Bekämpfung des Terrorismus im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht „alle[n] Personen, die die Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen unterstützen, erleichtern, sich daran beteiligen oder sich daran zu beteiligen versuchen oder den Tätern Unterschlupf gewähren“, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern und sie vor Gericht zu bringen. Außerdem werden die Staaten in Ziff. 1 lit. c) dieser Resolution aufgefordert, allen Personen, zu denen glaubwürdige und sachdienliche Informationen vorliegen, die ernsthaften Grund zu der Annahme geben, dass sie sich der Aufstachelung zur Begehung einer terroristischen Handlung oder terroristischer Handlungen schuldig gemacht haben, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Daraus ergibt sich, dass der in Art. 1 Abschnitt F lit. c) GFG und in Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL 2011 enthaltene Begriff der „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“, nicht auf die Begehung terroristischer Handlungen beschränkt ist und keine strafrechtliche Verurteilung wegen einer solchen Straftat voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 45 ff.). Vielmehr kann die Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling auch dann rechtfertigen, wenn nicht erwiesen ist, dass die betreffende Person eine terroristische Handlung begangen, zu begehen versucht oder angedroht hat. Für die Einzelprüfung der Tatsachen, anhand deren beurteilt werden kann, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sich eine Person Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, zuschulden kommen ließ, zu solchen Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat, sind sowohl der Umstand, dass diese Person von den Gerichten eines Mitgliedstaats wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist, als auch die Feststellung, dass diese Person ein führendes Mitglied dieser Vereinigung war, von besonderer Bedeutung, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass diese Person selbst zu einer terroristischen Handlung angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (EuGH, a.a.O., Rn. 79).
34 
dd) Allerdings stellt etwa der Umstand, dass eine Person einer Organisation angehört hat, die wegen ihrer Beteiligung an terroristischen Handlungen in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführt ist, und den von dieser Organisation geführten bewaffneten Kampf aktiv unterstützt hat, nicht automatisch einen schwerwiegenden Grund dar, der zu der Annahme berechtigt, dass diese Person Handlungen begangen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Vielmehr setzt eine solche Feststellung eine Beurteilung der genauen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls voraus, um zu ermitteln, ob von der betreffenden Organisation begangene Handlungen die in den genannten Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllen und ob der betreffenden Person eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 verlangten Beweisniveau der „schwerwiegenden Gründe für die Annahme“ Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 99). Diese individuelle Verantwortung ist anhand sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien zu beurteilen. Hierfür hat die zuständige Stelle insbesondere die Rolle zu prüfen, die die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, ihre Position innerhalb dieser Organisation, den Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, die etwaigen Pressionen, denen sie ausgesetzt gewesen wäre, oder andere Faktoren, die geeignet waren, ihr Verhalten zu beeinflussen. Eine staatliche Stelle, die bei dieser Prüfung feststellt, dass die betreffende Person eine hervorgehobene Position in einer sich terroristischer Methoden bedienenden Organisation innehatte, kann vermuten, dass diese Person eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt, jedoch bleibt nichtsdestoweniger die Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände erforderlich, bevor die Entscheidung erlassen werden kann, die betreffende Person gemäß Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL 2011 von der Anerkennung als Flüchtling auszuschließen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 96 ff.). Jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG dabei auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.2011 – 10 C 26/10 –, BVerwGE 140, 114 = juris, Rn. Rn. 28). Die Schwere der begangenen Handlungen muss dabei jedoch einen solchen Grad erreichen, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz erheben kann, der mit der Flüchtlingseigenschaft verbunden ist (EuGH, a.a.O., Rn. 108).
35 
ee) Ausgehend hiervon geht der Berichterstatter davon aus, dass der Kläger im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt den zwingenden Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht hatte.
36 
(1) Bei der „Jabhat al-Nusra“, der der Kläger jedenfalls im Zeitraum von Oktober 2012 bis November 2013 angehörte, handelte es sich in diesem Zeitraum um eine internationale terroristische Vereinigung.
37 
(a) Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im Urteil vom 24. Juli 2019, denen das Verwaltungsgericht nach eigener Prüfung folgt, hatte sich die jihadistische „Jabhat al-Nusra“ als syrische Tochterorganisation des Islamischen Staates im Irak (ISI) im Laufe des Jahres 2012 zu einer der prominentesten islamistischen Gruppierungen in der Arabischen Republik Syrien entwickelt (OLG, S. 6). Sie war etwa Ende September 2012 an der Einnahme eines bedeutenden, auch als Gefängnis genutzten Militärstützpunktes des Regimes im Osten Aleppos maßgeblich beteiligt und richtete dort am 10. November 2012 in Kooperation mit anderen islamistischen Gruppierungen eine aus einem Scharia-Gericht und einer Scharia-Polizei bestehende „Scharia-Autorität“ ein, um ihren Machtanspruch in den eroberten Stadtteilen von Aleppo zu sichern und durchzusetzen. Nach diesem Vorbild wurden in der Folge in weiteren von der „Jabhat al-Nusra“ und ihren islamistischen Bündnispartnern eroberten Städten – so auch in Tabka – weitere Scharia-Autoritäten gegründet. Anfang Februar 2013 begannen die Aufständischen eine Offensive in der Provinz Rakka unter Beteiligung der „Jabhat al-Nusra“, die am 11. Februar 2013 in der Einnahme der Stadt Tabka und des nahe gelegenen Euphrat-Staudammes mündete, denen auch nach Auffassung des syrischen Regimes erhebliche strategische Bedeutung für die Stromversorgung Nordsyriens und die Sicherung einer der zwei großen Verbindungslinien aus dem syrischen Westen in den Osten zukam. Im November 2013 wurde das unweit der Kleinstadt Mahin gelegene zweitgrößte Waffen- und Munitionsdepot der syrischen Armee von islamistischen Rebellen – unter Beteiligung von Angehörigen der „Jabhat al-Nusra“ – erobert, wobei zahlreiche Regierungssoldaten getötet und erhebliche Mengen an Munition und Waffen, darunter Panzer-, Artillerie- und Handgranaten sowie Raketen, erbeutet wurden (OLG, S. 6 ff.).
38 
(b) Das politische Ziel der „Jabhat al-Nusra“ war der Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die „Befreiung" des historischen Großsyrien, d.h. Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen, gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. So verübte die „Jabhat al-Nusra" beispielsweise am 10. Februar 2012 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der syrischen Armee in Aleppo, am 17. März 2012 ein Attentat auf die Geheimdienstzentrale der Luftwaffe und das Hauptquartier der Polizei in Damaskus sowie Ende 2012 einen mehrstufigen Angriff auf vier Ziele in
39 
Aleppo, darunter den „Offiziers-Klub“ der Stadt und zwei Touristenhotels. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2.000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10.000 Menschen getötet wurden. Auch im Anschluss war die „Jabhat al-Nusra“ in Syrien in vergleichbarer Weise tätig, wobei sie ab April 2013 zeitweilig als offizieller Arm der internationalen Terrororganisation „Al-Quaeda“ firmierte. Die „Jabhat al-Nusra“ war dabei militärisch-hierarchisch organisiert und wurde in der Region Tabka von Sommer 2012 bis zu seinem Tod im Februar 2015 von einem Abu Issa al Brej alias Abu Issa al-Tabqa (im Weiteren: Abu Issa) als regionalem Anführer geführt, der als „Emir“ der mittleren Führungsebene der „Jabhat al-Nusra“ angehörte (OLG, S. 11 ff.). Insoweit begegnet die Annahme des Bundesamts, dass die Handlungen der „Jabhat al-Nusra“ während der festgestellten Dauer der Zugehörigkeit des Klägers dem internationalen Terrorismus zuzuordnen waren und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen widersprachen, keinen durchgreifenden Zweifeln, zumal sie vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits im Mai 2013 – wenngleich zunächst als Aliasname der internationalen Terrororganisation „Al-Quaeda“ – als internationale Terrororganisation eingestuft wurde (vgl. UN Security Council Resolution 11019 vom 30. Mai 2013). Sie unterscheidet sich insoweit insbesondere von Gruppierungen wie der im hier relevanten Zeitraum mit der „Jabhat al-Nusra“ verbündeten „Ahrar al-Sham“, die im maßgeblichen Zeitraum lediglich in Syrien aktiv waren und daher möglicherweise nicht dem internationalen Terrorismus zugerechnet werden können (vgl. hierzu VG München, Urteil vom 7.3.2019 – M 22 K 17.48782 –, juris, Rn. 69).
40 
(2) Innerhalb der terroristischen Vereinigung der „Jabhat al-Nusra“ nahm der Kläger nach Überzeugung des Berichterstatters im maßgeblichen Zeitraum eine herausgehobene Position ein. Zwar haben sich die ursprünglich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe, er habe innerhalb der Organisation selbst den Rang eines „Emir“ bekleidet und sei persönlicher Assistent des stellvertretenden Leiters, obersten Religionsgelehrten und Kommandeur der Nusra-Front Abu Maria al-Qahtani gewesen (vgl. Anklageschrift vom 2.1.2019, S. 53, 81 [RA, S. 52 ff.]), im Rahmen der nachvollziehbaren Beweiswürdigung durch das Oberlandesgericht nicht bestätigt (vgl. OLG, S. 143, 169). Nach den im Nachgang nicht mehr bestrittenen und auch in der Sache vollständig nachvollziehbaren Feststellungen des Oberlandesgerichts war der Kläger indes von Anfang April bis Juli 2013 für die „Jabhat al-Nusra“ als Leiter der Scharia-Polizei in Tabka tätig, wobei er gegenüber ca. 20 bewaffneten Mitgliedern der Scharia-Polizei weisungsbefugt war und selbst unmittelbar den Weisungen des „Scharia-Gerichts“ unterlag. Er war hierbei für die Einrichtung von Kontrollstellen und die Einteilung der Wachposten vor einzelnen, zum Teil strategisch bedeutsamen Schutzobjekten verantwortlich, verantwortete die Festnahme und anschließende Zuführung von Personen an die „Scharia-Richter“ und fuhr selbst regelmäßig mit einem roten Fahrzeug der Marke Hyundai Sonata Patrouille, wobei er jeweils sichtbar mit einem Sturmgewehr oder einer Pistole bewaffnet auftrat (OLG, S. 13 f.). Er war damit zentral in die Organisationsstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ eingebunden, war für die Sicherung der zeitweilig etablierten Machtstrukturen verantwortlich (OLG, S. 13, 49, 170 f.) und nahm innerhalb der Organisation eine zumindest herausgehobene Stellung ein (OLG, S. 172). Hierfür spricht insbesondere, dass ihm die für den Machterhalt der „Jabhat al-Nusra“ auch über die Ortschaft Tabka hinaus zentrale Verantwortung für den Schutz strategisch bedeutsamer Objekte anvertraut wurde und er durch seine sichtbare Bewaffnung und die nach Angaben von Zeugen zum Teil mit dem Schriftzug „Scharia-Polizei“ gekennzeichneten Kraftfahrzeuge auch nach außen als Repräsentant der „Jabhat al-Nusra“ in Tabka auftrat. Letztes wird durch die von mehreren Zeugen unabhängig voneinander geäußerte Einschätzung bekräftigt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der Organisation in der ganzen Stadt „allgemein bekannt“ gewesen sei (OLG, S. 34, 36 f., 56). Hierfür spricht weiterhin der Umstand, dass der Kläger als zentraler Akteur in einem nach Eroberung des Munitionsdepots im November 2013 erstellten, professionellen Propagandavideo in Erscheinung getreten ist. Die herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der Organisation wird weiterhin durch ein bereits im August 2012 erstelltes Propagandavideo bestätigt, in dem der Kläger in Erscheinung tritt und im Rahmen der gemeinsam gesungenen Kampflieder in einem Atemzug mit einem regionalen Anführer der „Jabhat al-Nusra“ genannt wird, der als „Emir“ jedenfalls der mittleren Führungsebene der „Jabhat al-Nusra“ angehörte (vgl. OLG, S. 40 f.: „Nehmt mir mein Herz und gebt mir eine Waffe. Mit Standhaftigkeit marschierten wir nach Aleppo, um den verdammten Hund, den Tyrann zu vernichten. Abu XXX und Abu Issa sind hinter uns und Abu XXX mit dem Pickup hinter uns.“). Dieses Video hat das Oberlandesgericht – entgegen den insoweit nicht überzeugenden Einlassungen des Klägers im Strafverfahren – angesichts der Gesamtumstände und unter Einbeziehung eines Sachverständigen nachvollziehbar nicht als Scherz-, sondern als Propagandavideo eingeordnet, zumal der Kläger auch auf einem Gruppenbild mit der Führungsperson Abu Issa abgebildet ist (OLG, S. 55 f.). Der Berichterstatter teilt daher die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass der Kläger innerhalb der „Jabhat al-Nusra“ eine zumindest herausgehobene Position einnahm (OLG, S. 55 f., 60, 62).
41 
(3) In Verbindung mit der erfolgten Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung rechtfertigt die mithin anzunehmende herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der „Jabhat al-Nusra“ die tatsächliche Vermutung, dass dieser eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 98). Nichtsdestotrotz ist die individuelle Verantwortung des Betroffenen anhand sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien zu beurteilen individuell zu prüfen, wobei neben der Rolle, die die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, auch ihre Position innerhalb dieser Organisation, der Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, die etwaigen Pressionen, denen sie ausgesetzt gewesen wäre, oder andere Faktoren, die geeignet waren, ihr Verhalten zu beeinflussen zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 96 ff.). Auch bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ist vorliegend jedoch aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger im Rahmen seiner Mitgliedschaft für die „Jabhat al-Nusra“ den Zielen und Grundsätzen der vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
42 
(a) Im Ausgangspunkt spricht dabei für den Kläger, dass sich im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung keine belastbaren Hinweise darauf ergeben haben, dass er im fraglichen Zeitraum selbst an konkreten Kampfhandlungen beteiligt war oder selbst terroristische Handlungen – wie z.B. die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Anschläge oder der Vollstreckung von Todesurteilen oder Auspeitschungen des „Scharia-Gerichts“ – begangen hat (OLG, S. 9, 16 f., 58 f.). Insbesondere hat sich der auch ursprünglich im Raum stehende Vorwurf, der Kläger habe sich als „Bombeningenieur“ der „Jabhat al-Nusra“ an der Vorbereitung konkreter Anschläge beteiligt oder Zivilisten getötet (vgl. OLG, S. 23), nicht bestätigt (OLG, S. 38, 58 f.). Zugleich berücksichtigt der Berichterstatter jedoch auch, dass der Begriff der „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“, nicht auf die Begehung terroristischer Handlungen beschränkt ist und keine strafrechtliche Verurteilung wegen einer solchen Straftat voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 45 ff.). Darüber hinaus berücksichtigt der Berichterstatter, dass die Vollstreckung von Sanktionen des Scharia-Gerichts auch nach den Organisationsstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ nicht der „Scharia-Polizei“, sondern – zur Vermeidung von Racheakten der lokalen Bevölkerung – externen „Auspeitschern“ oblag (OLG, S. 9 f., 16 f.), während die „Scharia-Polizei“ nur für die Zuführung der Verurteilten verantwortlich war. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass 2013 in Tabka auf Geheiß der „Scharia-Richter“ öffentlich vollstreckte Hinrichtungen stattgefunden hätten (OLG, S. 9).
43 
(b) Objektiv gegen den Kläger spricht demgegenüber, dass er durch die Übernahme von Verantwortung für die Bewachung auch strategisch bedeutsamer Objekte, durch die hierarchische Einbindung in die lokalen, der von Akteuren der „Jabhat al-Nusra“ aber landesweit innerhalb ihres Einflussbereichs spiegelbildlich errichteten Organisationsstrukturen von „Scharia-Gericht“ und „Scharia-Polizei“ und sein öffentliches Auftreten als bewaffneter „Ordnungshüter“ innerhalb der strategisch nicht unbedeutenden Stadt Tabka erheblich zur Erhaltung und Verfestigung auch der überregionalen Machtstrukturen der „Jabhat al-Nusra“ beigetragen hat, die – unabhängig von einer Mitwirkung an konkreten Konflikthandlungen oder Gewalttaten – eine Verwirklichung der von der „Jabhat al-Nusra“ als zum damaligen Zeitpunkt schlagkräftigster islamistischer Gruppierung in Syrien landesweit mit terroristischen Mitteln verfolgten politischen Ziele überhaupt erst als möglich erscheinen ließen (vgl. OLG, S. 12 ff., 35 ff., 49). Darüber hinaus hat der Kläger sowohl durch seine Mitwirkung an der Überführung eines von der „Jabhat al-Nusra“ aus einer Regierungskaserne befreiten Häftlings in die besetzte Stadt Tabka im Oktober 2012 als auch im Rahmen mehrerer Propagandavideos, in denen er namentlich bezeichnet wurde oder jedenfalls in zentraler Funktion auftrat, er zum Teil – teils demonstrativ – selbst bewaffnet und uniformiert in Erscheinung trat, in Begleitung bewaffneter und uniformierter Kämpfer auftrat oder mit erbeuteten Kriegswaffen hantierte, erheblich zur Steigerung von Ansehen und Autorität der „Jabhat al-Nusra“ und damit zur Festigung ihrer Machtposition beigetragen (vgl. OLG, S. 14, 55). Insoweit können gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG auch dann auslösen, wenn ein konkreter Bezug zur Ausführung spezifischer terroristischer Taten nicht hergestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2013 – 10 C 26.12 –, juris, Rn. 15 f.). Zwar bedarf der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG schon aufgrund seines geringen Maßes an Bestimmtheit einer restriktiven Auslegung, um die einschränkenden Wertungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AsylG nicht zu überspielen (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 3 AsylG, Rn. 53). Gerade die auch hier vorliegende, für den internationalen Terrorismus typische Einbindung in organisatorische Strukturen kann jedoch jedenfalls dann, wenn sie sich nicht auf ein bloßes Mitläufertum beschränkt, das im Vergleich zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AsylG geringere Maß der Verantwortung des Einzelnen für konkret nachweisbare individuelle Rechtsgutsverletzungen kompensieren, ohne die § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylG zugrundeliegenden Mindestanforderungen zu überspielen (ähnlich BVerwG, Urteil vom 19.11.2013 – 10 C 26.12 –, juris, Rn. 15 f.; Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 32).
44 
(c) Im Hinblick auf die subjektive Verantwortung des Klägers für die von der „Jabhat al-Nusra“ im relevanten Zeitraum begangenen Handlungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im vollen Bewusstsein und in ausdrücklicher Billigung der Methoden und Ziele der Organisation gehandelt hat (vgl. OLG, S. 57 f.). Ob – wie das Oberlandesgericht aus dem Auftreten des Klägers in „afghanischer Kampfmontur“ und der in einem Propagandavideo gezeigten Gestik gefolgert hat – das Tätigwerden des Klägers auf dessen eigener radikalislamischer Gesinnung beruhte (OLG, S. 56 f.), kann demgegenüber dahinstehen. Demnach ist ebenfalls ohne Bedeutung, dass der Kläger nach den u.a. auf die Ergebnisse einer Telefonüberwachung, einer Hausdurchsuchung und die Angaben des Leiters einer Landeserstaufnahmeeinrichtung gestützten Feststellungen des Oberlandesgerichts im Bundesgebiet keine jihadistischen Überzeugungen geäußert oder anderweitig zu erkennen gegeben hat (OLG, S. 58). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Organisation nur aufgrund äußeren Drucks unterstützt haben könnte, sind aufgrund der persönlichen Bekanntschaft des Klägers mit Abu Issa und der Tatsache, dass er seine Wohnregion (erst) unmittelbar nach der Machtübernahme der mit „Jabhat al-Nusra“ konkurrierenden Terrororganisation des Islamischen Staats verlassen hatte, zuvor aber ohne erkennbare Hinderungsgründe dort verblieben war, nicht ersichtlich. Soweit die Ehefrau des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht angegeben hat, dass er zum Tragen der „Kampfmontur“ ebenso gezwungen worden sei wie zur Anwesenheit bei der Erstellung des Propagandavideos nach Eroberung des Waffenlagers in Mahin, ist das Oberlandesgericht diesen Angaben aus ohne weiteres nachvollziehbaren Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht gefolgt (OLG, S. 53, 57).
45 
(d) In der erforderlichen Gesamtschau aller tatsächlichen Umstände ist daher die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger im Rahmen seines Aufenthalts in Syrien den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und somit im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht hatte. Insbesondere erreicht die Schwere der individuell begangenen Handlungen einen solchen Grad, dass der Kläger nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz erheben könnte, der mit der Flüchtlingseigenschaft verbunden ist.
46 
(e) Ohne Erfolg beruft der Kläger sich insoweit auf den Umstand, dass das Bundesamt die erforderliche Gesamtbetrachtung im Rahmen des Rücknahmeverfahrens nicht selbst vorgenommen hätte. Zwar könnte die einschlägige Rechtsprechung des EuGH, der von der erforderlichen Einzelfallprüfung „durch die zuständige Behörde“ spricht (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 78; EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109), tatsächlich dahingehend verstanden werden, dass die jeweilige Prüfung alleine der zuständigen nationalen Behörde obliegt und nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann. In der Sache formuliert der EuGH hiermit jedoch keine über die in Art. 44 ff. der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung; Verfahrensrichtlinie [VRL] 2013) normierten Vorgaben hinausgehenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, sondern eine aus Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt F GFK abgeleitete, materiell-rechtliche Voraussetzung, deren Einhaltung im Rücknahme-  oder Widerrufsverfahren nach Art. 14 Abs. 3 lit. b) QRL 2011 den Organen „der Mitgliedsstaaten“ aufgetragen ist. Insoweit obliegt die endgültige Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz jedoch „den zuständigen nationalen Behörden unter der Kontrolle der nationalen Gerichte“ (vgl. EuGH, Urteil vom 31.1.2017 – C-573/14 [Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides / Lounani] –, juris, Rn. 73; ähnlich EuGH, Urteil vom 13.9.2018 – C-369/17 [Shajin Ahmed] –, juris, Rn. 58), ohne dass der zuständigen Behörde insoweit ein gerichtlich nicht überprüfbarer Ermessens- oder Entscheidungsspielraum zukäme (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109, BVerwG, Urteil vom 7.7.2011 – 10 C 26.10 –, BVerwGE 140, 114 = juris, Rn. 21; Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 36, 39). Unabhängig davon hat das Bundesamt die erforderliche Einzelfallprüfung im vorliegenden Fall in noch ausreichender Weise (auch) selbst vorgenommen, auch wenn sie sich dabei in wesentlichen Teilen auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts bezogen hat.
47 
(f) Insoweit ist in der Rechtsprechung weiterhin geklärt, dass die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG, die auf Art. 12 Abs. 2 QRL 2011 bzw. Art. 1 Abschnitt F GFK zurückgehen, keine fortbestehende Gefährlichkeit des Betroffenen voraussetzen, da ihnen der Gedanke der Schutzunwürdigkeit aufgrund vergangenen Verhaltens zugrunde liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 100). Auch einer nachgelagerten Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Rücknahmeentscheidung, die sich alleine auf die flüchtlingsrechtliche Statusentscheidung bezieht, bedarf es nicht, da die Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung der betreffenden Person bereits auf Tatbestandsseite der Ausschlussgründe abschließend zu prüfen ist (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 109).
48 
ff) Im Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt hatte der Kläger daher den zwingenden Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG verwirklicht, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf den unrichtigen Angaben des Klägers bzw. dessen Verschweigens wesentlicher Tatsachen beruhte.
49 
d) Dem Kläger könnte die Flüchtlingseigenschaft im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) auch aus anderen Gründen nicht (wieder) zuerkannt werden. Zwar wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur zum Teil vertreten, dass ein nachträglicher Wegfall der Schutzunwürdigkeit etwa dann in Betracht komme, wenn die betroffene Person sich von den Taten nicht nur distanziere, sondern in der Zwischenzeit aktiv an der Verhinderung weiterer Terrorakte mitgewirkt hat oder es sich bei den vorgeworfenen Handlungen um eine Jahrzehnte zurückliegende „Jugendsünde“ gehandelt habe (vgl. Hruschka, in: Huber/Mantel, AufenthG, § 3 AsylG Rn. 36). Die zum Beleg dieser Auffassung zitierten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts aus einem Vorlagebeschluss vom 14.10.2008 – 10 C 48.07 – beziehen sich jedoch auf eine seitens des Bundesverwaltungsgerichts angedachte, über die bereits auf Tatbestandsseite der jeweiligen Ausschlussklauseln erforderliche Prüfung der Schwere und Zurechenbarkeit der jeweiligen Handlungen hinausgehende individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Rechtsfolgenseite (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 31 ff.), der der Europäische Gerichtshof im Nachgang ausdrücklich eine Absage erteilt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2010 – C-57/09 und C-101/09 [B. und D. / Bundesrepublik Deutschland] –, juris, Rn. 109). Zwar mag es in Extremfällen in Betracht kommen, die bereits auf Tatbestandsseite zu prüfende „individuelle Verantwortung“ des Betroffenen für in der Vergangenheit liegende Handlungen durch erheblichen Zeitablauf, Strafverbüßung und dessen individuelles Nachtatverhalten als gemindert anzusehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.1. 2015 – A 9 S 314/12 –, juris, Rn. 52 ff.); hierfür bestehen vorliegend jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Denn der Kläger hat zwar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet keine weiteren islamistischen Bestrebungen entfaltet und nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geführten „Strukturverfahren Syrien gegen Unbekannt“ Angaben als Zeuge gemacht, die jedoch weder neue Ermittlungsansätze ergeben noch vorhandene Erkenntnisse bestätigt haben (OLG, S. 59). Auch wenn das Oberlandesgericht diese – auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht näher spezifizierten – Angaben im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Klägers gewürdigt hat (OLG, S. 62), kann von einem Nachtatverhalten, das eine Gleichstellung des Klägers mit einem „bona fide“-Flüchtling rechtfertigen könnte, vorliegend nicht die Rede sein. Alleine die partielle oder vollständige Verbüßung der erst im Jahr 2019 verhängten mehrjährigen Haftstrafe und der seit Begehung des Organisationsdelikts vergangene Zeitraum von weniger als zehn Jahren können insoweit nicht genügen, zumal Nachfolgeorganisationen der vom Kläger mit erheblichen individuellen Tatbeiträgen unterstützten internationalen Terrororganisation auch weiter im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs operieren.
50 
e) Nach § 73 Abs. 2 AsylG war das Bundesamt daher verpflichtet, die unter dem 7. Oktober 2016 erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückzunehmen.
51 
2. Ziffer 1 des hier angegriffenen Bescheids vom 9. Oktober 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch der auf Aufhebung der mit Ziffer 2 desselben Bescheids erfolgten Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gerichtete Klageantrag (vgl. oben II. 1.) bleibt daher ohne Erfolg, da das Bundesamt nach § 73 Abs. 3 AsylG zur Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes berechtigt und verpflichtet war.
IV.
52 
Da der vom Kläger gestellte Hauptantrag auf Aufhebung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 9. Oktober 2019 erfolglos bleibt, ist vorliegend über den hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag zu entscheiden. Auch dieser Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet, da der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG entgegensteht, der inhaltlich dem (bereits geprüften) Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG entspricht (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrationsrecht, § 4 AsylG, Rn. 89 ff. sowie allgemein EuGH, Urteil vom 13.9.2018 – C-369/17 [Shajin Ahmed] –, juris, Rn. 44 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.1.2022 – A 4 S 108/22 –, juris, Rn. 9). Er bedarf insbesondere – anders als der gefahrenabwehrrechtlich motivierte Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 9) – ebenfalls keiner Feststellung einer vom Betroffenen ausgehenden konkreten und aktuellen Gefährdung. Auch die Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus mit Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids vom 9. Oktober 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
V.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 167 VwGO. Von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils, der nur wegen der Kosten erfolgen könnte (§ 167 Abs. 2 VwGO), sieht das Gericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ab. Gerichtskosten werden in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz nicht erhoben (§ 83b AsylG).
54 
Zu einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht in Verfahren nach dem Asylgesetz nicht befugt (§ 78 Abs. 2 AsylG). Zu einer auch im Asylverfahren möglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Zulassung der Sprungrevision von Amts wegen besteht kein Anlass (§ 78 Abs. 6 AsylG i.V.m. § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO), zumal die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO nicht vorliegen dürften.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen