Urteil vom Verwaltungsgericht Koblenz (5. Kammer) - 5 K 751/14.KO

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu IHK-Beiträgen für die Jahre 2009 bis 2013.

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Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von Besen und Bürsten. Der östliche Teil des Betriebsgeländes, der mit einem Verwaltungsgebäude bebaut ist, liegt in Rheinland-Pfalz auf dem Gebiet der Ortsgemeinde L.. Die Produktionsgebäude befinden sich – unmittelbar angrenzend – auf dem westlich hiervon gelegenen Teilbereich des Betriebsgrundstücks auf hessischem Gebiet. Die Zufahrt zu dem Gelände erfolgt über die Kreisstraße 98, die östlich des Betriebsgrundstücks in Rheinland-Pfalz verläuft. In den die Klägerin betreffenden gewerbesteuerlichen Zerlegungsbescheiden der Finanzämter R. bzw. W. II sind Zerlegungsanteile sowohl für den Bezirk der Beklagten wie auch für den Bezirk der IHK W. ausgewiesen. In der Vergangenheit entrichtete die Klägerin IHK-Beiträge ausschließlich an die IHK W..

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Mit Beitragsbescheid vom 15. November 2013 veranlagte die Beklagte die Klägerin vorläufig zu einem Grundbeitrag für das Jahr 2013 in Höhe von 138,00 €. Für die Jahre 2009 bis 2011 rechnete sie Grundbeiträge in Höhe von 280,00 €, für das Jahr 2012 einen Grundbeitrag in Höhe von 250,00 € ab.

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Mit Schreiben vom 22. November 2013 legte der Steuerberater der Klägerin sinngemäß Widerspruch gegen den Beitragsbescheid ein. Er machte geltend, steuerlich und rechtlich handele es sich zwar um zwei Betriebsstätten (Betriebsstätten L.. und N.); nach außen trete das Betriebsgelände aber nur als eine Betriebsstätte in Erscheinung, die zufällig durch die bestehende Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Hessen geteilt werde. Die Belastung der Klägerin mit zwei Grundbeiträgen sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) vermeide ebenso wie die Beitragsordnung der Beklagten (BeitragsO) eine doppelte Beitragspflicht. Der vorliegende Fall unterscheide sich von der Konstellation, dass zwei räumlich getrennte Betriebsstätten in zwei verschiedenen IHK-Bezirken lägen. Es sei auch denkbar, einen IHK-Beitrag zwischen der Beklagten und der IHK W. aufzuteilen. Bereits 1996 habe die Beklagte schriftlich auf die Erhebung des Beitrags verzichtet. Das Dokument lasse sich aber nicht mehr auffinden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Beitragspflicht der Klägerin folge ihrer Gewerbesteuerpflicht, die sich ihrerseits aus der Rechtsform der Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ergebe. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschriften des IHK-Gesetzes sowie der Beitragsordnung seien vorliegend nicht einschlägig. § 3 Abs. 4 IHKG betreffe den Fall, dass Beitragspflichtige zugleich Mitglied in der Handwerkskammer bzw. als Angehörige eines freien Berufs einer oder mehrerer anderer Kammern seien. § 2 Abs. 2 BeitragsO komme nur zur Anwendung, wenn in einem IHK-Bezirk mehrere Betriebsstätten existierten. In dem Widerspruchsbescheid machte die Beklagte zudem Gebühren für die Zurückweisung des Widerspruchs in Höhe von 25,00 € und Auslagen in Höhe von 3,45 € geltend.

6

Die Klägerin hat am 5. August 2014 Klage erhoben. Sie vertieft ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, es bestehe eine planwidrige Regelunglücke, da der Gesetzgeber den seltenen Fall einer sich auf zwei IHK-Bezirke erstreckenden Betriebsstätte nicht gesehen habe. Ein Vergleich mit den Vorschriften des IHKG sowie der Beitragsordnung mache deutlich, dass eine Doppel- oder Mehrbelastung der Beitragsschuldner vermieden werden solle. Schließlich könne sie sich auf Vertrauensschutz berufen. Auch wenn die Verzichtserklärung aus dem Jahr 1996 nicht mehr auffindbar sei, habe die Beklagte über rund 17 Jahre auf die Erhebung des Beitrags verzichtet.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2014 aufzuheben, soweit darin die Grundbeiträge für die Jahre 2009 bis 2012 und die Vorausleistung auf den Grundbeitrag für das Jahr 2013 festgesetzt werden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheids und führt aus, bei der Klägerin handele es sich um eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des Privatrechts. Durch die Zerlegung des Gewerbeertrags könne es zu einer Beitragspflicht in zwei Kammerbezirken kommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge (1 Heft) Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. November 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht zu IHK-Beiträgen für die Jahre 2009 bis 2013 veranlagt.

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Die Heranziehung zu den in Rede stehenden Grundbeiträgen findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) i. V. m. der Beitragsordnung der Beklagten vom 4. Dezember 2013 (BeitragsO) sowie der jeweiligen Ziff. II 3)2 der Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die Geschäftsjahre 2009 bis 2013. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer unter anderem juristische Personen des privaten Rechts, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind und im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige). Maßgeblich für die Beitragspflicht ist damit die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 19.01.2005, BVerwGE 122, 344; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.04.2004 – 6 A 10101/04.OVG –, esovgrp, m. w. N.; Urt. v. 03.11.2010 – 6 A 10884/10.OVG –, esovgrp), der auch die Klägerin unterfällt.

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Darüber hinaus unterhält die Klägerin eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten. Aufgrund der ihr gegenüber ergangenen Zerlegungsbescheide steht bestandskräftig fest, dass in der zum Kammerbezirk der Beklagten gehörenden Ortsgemeinde L. bzw. der Verbandsgemeinde N. in den Jahren 2009 bis 2013 eine Betriebsstätte der Klägerin vorhanden war. Durch die Festsetzung des Zerlegungsbetrages nach § 188 Abgabenordnung entscheidet das Finanzamt unter anderem über die sachliche Steuerpflicht, die hinsichtlich der Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG) an die Unterhaltung einer Betriebsstätte im Inland anknüpft. Die Bestandskraft des Zerlegungsbescheides umfasst die darin getroffene Feststellung über die Unterhaltung einer Betriebsstätte. Da der steuerliche Begriff der Betriebsstätte dem des Kammerrechts i.S.v. § 2 Abs. 1 IHKG entspricht (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 C 19.97 –, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschl. v. 27.06.2013 – 17 A 974/13 –, juris, Rn. 4), ist mit der Bestandskraft des Zerlegungsbescheides sogleich über das Vorliegen des Merkmals "Betriebsstätte" im Sinne der genannten Vorschrift entschieden. Hinsichtlich des Vorliegens dieses Merkmals ist damit sowohl die Industrie- und Handelskammer als auch das Gericht an die Feststellungen der Steuerverwaltung gebunden (vgl. OVG NRW, Urt. v. 24.02.1997 – 25 A 4720/94 –, juris, Rn. 4 und Ls. 1; VG Hamburg, Urt. v. 01.09.1998 – 16 VG 438/98 –, juris, Rn. 22 und Ls. 1). Auf sonstige außerhalb des (Steuer-)Rechts liegende Gesichtspunkte kommt es vorliegend nicht an. Daher ist insbesondere unerheblich, ob sich das Betriebsgelände der Klägerin bei tatsächlicher bzw. natürlicher Betrachtung als eine einheitliche Betriebsstätte darstellt.

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Die Kammer vermag vorliegend auch keine analogiebegründende planwidrige Regelungslücke zu erkennen. Eine richterliche Rechtsfortbildung durch analoge Anwendung nicht unmittelbar einschlägiger Bestimmungen verbietet sich, wenn der Normgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen hat (BVerfG, Beschl. v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 –, juris, Rn. 20; Beschl. v. 09.03.1995 – 2 BvR 1437/93 –, juris, Rn. 40). So liegt es hier. Der Gesetzgeber (IHKG) wie auch die Beklagte (BeitragsO) haben durch die verschiedentliche Bezugnahme auf Vorschriften des Gewerbesteuerrechts (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 3 und 4 IHKG; §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 2 BeitragsO) zum Ausdruck gebracht, dass Fragen der Beitragspflicht nach den Maßstäben des Gewerbesteuerrechts zu behandeln sind. Das Gewerbesteuerrecht kennt dabei den Fall zweier Betriebsstätten in mehreren Gemeinden (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Darüber hinaus regelt § 30 GewStG die Zerlegung für solche Konstellationen, in denen sich die Betriebsstätte – wie im Falle der Klägerin – auf das Gebiet mehrerer Gemeinden erstreckt. An diese Regelungen über die Zerlegung des Gewerbeertrags knüpft § 8 BeitragsO vollumfänglich an. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BeitragsO kann sich dabei die gewerbesteuerliche Zerlegung nach dem Willen des Normgebers zwar auf die Höhe des Grundbeitrags auswirken, da für die Bemessung des Grundbeitrags nur die auf den jeweiligen IHK-Bezirk entfallenden Zerlegungsanteile heranzuziehen sind. Eine Beitragsfreistellung für den Fall einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte (§ 30 GewStG) sieht die BeitragsO in Kenntnis der Regelungen der §§ 28 ff. GewStG indes gerade nicht vor. Die BeitragsO der Beklagten schweigt mithin nicht zu der Frage der Beitragspflicht von gewerbesteuerrechtlich zerlegten Unternehmen. Mittels der Verweisungstechnik werden Fragen der Beitragspflicht vielmehr umfänglich geregelt und Regelungslücken auf diese Weise vermieden.

17

Die doppelte Beitragspflicht der Klägerin stellt sich auch nicht als ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, dar. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (vgl. dazu bereits BVerfG, Urt. v. 23.10.1951, BVerfGE 1, 52; Urt. v. 16.03.1955, BVerfGE 4, 144) liegt nicht vor. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Vorschriften der §§ 3 Abs. 4 IHKG, 2 Abs. 2 BeitragsO verweist, fehlt es bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt. Denn die vorgenannten Vorschriften treffen Aussagen nur zu solchen beitragspflichtigen Kammermitgliedern, die im Bezirk der Beklagten entweder mehrere Betriebsstätten unterhalten oder (Zwangs-)Mitglied einer sonstigen Kammer (im Bezirk) sind. Angesprochen sind damit nur solche Sachverhalte, die räumlich innerhalb eines Kammerbezirks liegen. Grenzüberschreitende Sachverhalte, die mehrere IHK-Bezirke betreffen, erfassen die genannten Normen nicht.

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Die Klägerin kann schließlich auch nicht geltend machen, eine Zahlungsverpflichtung sei vorliegend aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes ausgeschlossen. Eine schriftliche Zusicherung über die Beitragsfreistellung konnte weder sie vorlegen, noch hat die Beklagte entsprechende Unterlagen auffinden können. Der bloße Umstand, dass die Klägerin in der Vergangenheit keine Beiträge an die Beklagte entrichtet hat, genügt für die Annahme einer besonderen Schutzwürdigkeit nicht. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, besondere Dispositionen im Vertrauen darauf getätigt zu haben, keine IHK-Beiträge an die Beklagte entrichten zu müssen. Sonstige Gründe, die ein besonderes Vertrauen der Klägerin begründen würden, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

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Die Klage bleibt schließlich auch im Hinblick auf die festgesetzten Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 28,45 € ohne Erfolg. Die Widerspruchsgebühr, bei der es sich gem. § 3 Abs. 7 IHKG, § 1, 24 Abs. 3 Landesgebührengesetz (LGebG) i. V. m. dem Gebührenverzeichnis der Beklagten um die vorgesehene Mindestgebühr handelt, ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Gleiches gilt im Hinblick auf die geltend gemachten Auslagen (§ 10 LGebG) für die nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO gesetzlich vorgeschriebene Zustellung des Widerspruchsbescheides.

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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO.

21

Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

22

Beschluss

23

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses auf 1.256,45 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz [GKG]).

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