Beschluss vom Verwaltungsgericht Koblenz (4. Kammer) - 4 L 2/20.KO
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage – gerichtliches Aktenzeichen 4 K 581/17.KO – gegen den Vorbescheid des Beklagten für zwei Windkraftanlagen in der Gemarkung A. vom 19. September 2016 zugunsten der Firma B., Az.: 61.1/620-38/13 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 – Aktenzeichen des Kreisrechtsausschusses: RA-W16/212 – wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg. Der Antrag ist bereits unzulässig.
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Gegen den der Beigeladenen am 19. September 2016 erteilten Vorbescheid für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen in der Gemarkung A. hat der Antragsteller am 24. Oktober 2016 Widerspruch und gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid am 24. Mai 2017 Klage erhoben. Der Antragsgegner hat unter dem 19. Dezember 2019 die sofortige Vollziehung des Vorbescheides angeordnet. Der Antrag des Antragstellers im hiesigen Eilverfahren ist sachdienlich als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Vorbescheid auszulegen, da auch bei einer anschließenden Klageerhebung der Widerspruch die Vollziehung des Vorbescheides mit ex-tunc-Wirkung hindert und damit Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entfaltet.
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Der Antrag ist unzulässig, weil es dem Antragsteller an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. An einem solchen fehlt es dann, wenn der Eilantrag dem Antragsteller unter keinem Gesichtspunkt einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 24. Auflage 2018, Vorb. § 40 Rn. 37 f.). So liegt der Fall hier.
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Im Baurecht kann ein Antrag nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bauvorbescheid die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern, da ein Bauvorbescheid nicht den Beginn der Bauarbeiten ermöglicht (vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 26. August 1996 – 1 L 2757/96.KO –; OVG Rh-Pf, Beschluss vom 19. September 1996 – 1 B 12692/96.OVG –, NVwZ 1998, 651). Zwar ermöglicht bzw. erleichtert ein Bauvorbescheid die Stellung eines Bauantrages. Er ist hierfür jedoch nicht Voraussetzung, sodass ein entsprechender Antrag auch unabhängig von dem Vorliegen eines Vorbescheides eingereicht werden kann (vgl. VG Koblenz, a.a.O.). Einem Vorbescheid kommt im (Voll-)Genehmigungsverfahren nur ein feststellender Charakter zu, der seinen Sofortvollzug von vornherein ausschließt. Die rechtlichen Interessen des Antragstellers sind ausreichend durch die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe im Verfahren über die Erteilung der Baugenehmigung gewahrt (vgl. OVG Rh-Pf, a.a.O.).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Inhalt eines noch nicht bestandskräftigen Vorbescheides in der Baugenehmigung erneut geregelt werden (sog. Zweitregelung, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 – 4 C 14.85 –, NVwZ 1989, 863). Dem Drittbetroffenen ist es dann möglich, mit seinem Widerspruch bzw. seiner Klage die Baugenehmigung vollumfänglich anzugreifen; aufgrund der Zweitregelung des Vorbescheidinhaltes in dieser Genehmigung hat das weitere Schicksal des Vorbescheides für den Drittbetroffenen keine Bedeutung mehr (BVerwG, a.a.O., NVwZ 1989, 863, 864).
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Diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes gelten entsprechend für einen immissionsrechtlichen Vorbescheid nach § 9 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – BImSchG – (so wohl auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. April 2011 – 12 ME 8/11 –, juris, Rn. 11). Das Verhältnis von baurechtlichem und immissionsrechtlichem Vorbescheid ist insbesondere nicht deshalb grundlegend anders zu beurteilen, weil gegen immissionsrechtliche Vorbescheide regelmäßig Widerspruch erhoben und – würde man eine sofortige Vollziehung desselben ausschließen – ein Vorbescheid nach § 9 BImSchG seine Funktion verlieren würde (so aber Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 90. EL Juni 2019, BImSchG, § 9 Rn. 98). Diesem Ansatz kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dem Vorhabenträger durch eine sofortige Vollziehung des Vorbescheides nach den bereits dargelegten Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts kein Vorteil erwächst (vgl. Weber, DÖV 1980, 397, 404). Einen solchen Vorteil kann ihm nur ein bestandskräftiger Vorbescheid verschaffen. Würde man den mit Sofortvollzug versehenen, von einem Dritten angefochtenen Vorbescheid als Voraussetzung für die Erteilung einer auf diesen Vorbescheid gestützten Vollgenehmigung ansehen (so Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Stand 146. EL Juni 2006, § 9 Rn. E 5), könnte der Drittbetroffene aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes die im Vorbescheid geregelten, von ihm angegriffenen Aspekte gleichwohl auch im Rahmen der Anfechtung der Genehmigung geltend machen (vgl. Storost, a.a.O., Rn. E 6). Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen eine Anordnung der sofortigen Vollziehung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids ist folglich aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes des Dritten nicht notwendig (a.A. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 8 S 1457/14 –, juris; Storost, a.a.O., Rn. E 5 f.; Kugelmann, in: Kotulla, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 3. Lfg. Juli 2004, § 9 Rn. 120 ff.; Dietlein, a.a.O., Rn. 96 ff.; Peschau, in: Feldhaus, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Stand 203. EL Juni 2008, § 9 Rn. 41 f.).
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Für diese Auffassung streitet bei einer systematischen Auslegung auch der § 11 BImSchG. Aus ihm ergibt sich nach Eintritt der Unanfechtbarkeit eines Vorbescheides eine Präklusion bestimmter Einwendungen in einem späteren Genehmigungsverfahren. Mit dieser Vorschrift, deren analoge Anwendung auf einen mit Sofortvollzug versehenen Vorbescheid nach dem bereits Gesagten schon dem Grunde nach ausscheidet (vgl. hierzu Weber, DÖV 1980, 397, 404; im Übrigen str., s. hierzu Jarass, BImSchG, Kommentar, 12. Auflage 2017, Rn. 9), bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass sich bei einer Drittanfechtung des Vorbescheides die Prüfung der Rechtmäßigkeit der von ihm geregelten Aspekte auf das weitere Genehmigungsverfahren verlagert.
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Auch aus Sicht des Vorhabenträgers ist dieses Ergebnis interessengerecht. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum baurechtlichen Vorbescheid, welche die Kammer auf das Immissionsschutzrecht überträgt, sind die verschiedenen Rechtswirkungen des Vorbescheides zwischen den Beteiligten streng zu unterscheiden. Der Vorhabenträger hat nach dem Erlass des Vorbescheides gegenüber der Behörde einen Anspruch darauf, dass diese auch nach einer Drittanfechtung dieses Vorbescheides in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren den Inhalt des Vorbescheides vollumfänglich im Wege einer Zweitregelung übernimmt (vgl. BVerwG, a.a.O., NVwZ 1989, 863, 864). Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung des Vorbescheides ist nicht notwendig, um diese Bindungswirkung zu entfalten (a.A. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 4; Peschau, a.a.O., Rn. 41; Feldhaus, a.a.O., Rn. 41).
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Dem Antrag kann auch nicht zum Erfolg verhelfen, dass ein etwaiger Rechtsschein, welcher durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Vorbescheides durch den Antragsgegner entstanden sein könnte, beseitigt werden müsste (vgl. OVG Rh-Pf, a.a.O.). Da – wie bereits dargestellt – die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers bei Ablehnung des vorliegenden Eilantrages unter keinem Gesichtspunkt verringert werden, besteht für die Beseitigung eines etwaigen Rechtsscheins kein Anlass. Anders als in Fällen des sog. faktischen Vollzuges, in denen die Behörde durch ihr Handeln zum Ausdruck bringt, im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung den Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs nicht beachten zu wollen, droht im vorliegenden Fall kein den Antragsteller in seiner Rechtsposition beeinträchtigender Vollzug des Vorbescheides.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da es nicht der Billigkeit i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO entspricht, dieser einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsteller zuzuerkennen. Die Beigeladene hat beim Antragsgegner unter dem 2. Mai 2017 die Anordnung des Sofortvollzuges des Vorbescheides beantragt und damit maßgeblich das hier unzulässige Eilverfahren mit verursacht.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Anlehnung an die Empfehlungen in den Nrn. 1.5, 2.2.2 und 19.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169).
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Referenzen
- 8 S 1457/14 1x (nicht zugeordnet)
- 12 ME 8/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 11 Einwendungen Dritter bei Teilgenehmigung und Vorbescheid 1x
- 1 L 2757/96 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 1x
- VwGO § 162 2x
- BImSchG § 9 Vorbescheid 1x
- 4 K 581/17 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 12692/96 1x (nicht zugeordnet)