Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 16 K 3018/13
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der Antrag des Klägers,
3ihm Prozesskostenhilfe ratenfrei unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. zu bewilligen,
4ist abzulehnen, weil die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Rückforderungsbescheides der Beklagten vom 9. April 2013 über einen Betrag von 504,00 Euro begehrt, nach der Sach- und Rechtslage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).
5Der angefochtene Rückforderungsbescheid ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ermächtigungsgrundlage des Rückforderungsbescheides ist § 50 Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch -SGB X-. Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X geltenden die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend. Nach § 50 Abs. 3 SGB X ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs über einen Betrag von 504,00 Euro liegen vor.
6Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger in der Zeit vom 1. August 2012 bis 31. März 2013 ohne Verwaltungsakt zu Unrecht Wohngeld in Höhe von 504,00 Euro geleistet, weil der der Leistung ursprünglich zugrunde liegende Wohngeldbescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 Wohngeldgesetz -WoGG- mit Wirkung zum 1. August 2012 unwirksam geworden ist. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 WoGG wird ein Wohngeldbescheid immer dann im Laufe eines Bewilligungsabschnitts bzw. rückwirkend für einen abgelaufenen Bewilligungsabschnitt von dem Zeitpunkt an unwirksam, ab dem ein zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied nach den §§ 7 und 8 Abs. 1 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist, also nach näherer Maßgabe der dortigen Regelungen Transferleistungen im Sinne von § 7 Abs. 1 WoGG bezieht bzw. diese beantragt. Der Ausschluss (nur) eines Haushaltsmitglieds genügt. Die Unwirksamkeit des Wohngeldbescheides folgt unmittelbar aus dem Gesetz, ohne dass es einer Aufhebung des Wohngeldbescheides bedarf. Nach § 28 Abs. 3 Satz 2 WoGG bleibt der unwirksam gewordene Wohngeldbescheid aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch dann unwirksam, wenn eine Transferleistung im Ergebnis abgelehnt, versagt, entzogen oder ausschließlich als Darlehen bewilligt wird;
7vgl. statt vieler Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, Wohngeldgesetz, Loseblattsammlung, Stand: 65. Lieferung, Mai 2011, § 28 Rn. 36 – 41 m.w.N.
8Hiernach ist der Wohngeldbescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 schon deshalb mit Wirkung zum 1. August 2012 unwirksam geworden, weil der Kläger nach Lage der Akten am 20. August 2012 bei dem für ihn zuständigen Jobcenter Köln für die Zeit ab dem 1. August 2012 die Gewährung von Arbeitslosengeld II beantragt hat (vgl. §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1a) WoGG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch -SGB II-). Zudem folgt die Unwirksamkeit des Wohngeldbescheides der Beklagten vom 2. Juli 2012 für die Zeit ab dem 1. August 2012 auch daraus, dass der Kläger auf der Grundlage des Bescheides des Jobcenters Köln vom 3. April 2013 rückwirkend für die Zeit ab dem 1. August 2012 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der Kosten für die Unterkunft bezogen hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG);
9vgl. zur rückwirkenden Bewilligung auch VG Berlin, Urteil vom 27. August 2013 – 21 K 464/11 –, Juris.
10Schutzwürdiges Vertrauen des Klägers steht der Rückforderung voraussichtlich nicht entgegen. Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X gelten für die Erstattung ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachter Leistungen die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend. Das behördliche Erstattungsverlangen wird damit den gleichen Restriktionen unterworden, wie sie aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte (§ 45 SGB X) oder die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) vorgesehen sind. Da der Wohngeldbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2011 nicht von Anfang an rechtswidrig war, kommt im Rahmen des § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X hier nur eine entsprechende Anwendung von § 48 SGB X in Betracht. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Dauerverwaltungsakt im Falle einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse u.a. dann mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder groß fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
11Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss des gesetzlichen Vertrauensschutzes sind gegeben. Es spricht schon vieles dafür, dass der Kläger seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten in jedenfalls grobfahrlässiger Weise nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Das Merkmal der groben Fahrlässigkeit ist in diesem Zusammenhang dann erfüllt, wenn der Kläger aufgrund einfachster und naheliegendster Überlegungen hätte erkennen können und auch müssen, dass er die Beklagte von der Beantragung der streitgegenständlichen Transferleistungen bzw. deren Bezug unverzüglich hätte informieren müssen. Abzustellen ist insoweit auf die der jeweiligen Sachlage angemessene Sorgfalt, die nach allgemeiner Lebenserfahrung unter den besonderen Umständen des Einzelfalls und von der Person des Begünstigten erwartet werden darf. Dabei ist anerkannt, dass die Anforderungen an die an den Betroffenen zu stellenden Sorgfaltspflichten maßgeblich auch durch Antragsformulare, Merkblätter oder einem Bescheid beigefügte Erläuterungen bestimmt werden. Der Empfänger von Sozialleistungen ist gehalten, derartige unmissverständliche Hinweise zur Kenntnis zu nehmen. Andernfalls ist der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gerechtfertigt;
12vgl. speziell zum Wohngeldrecht zuletzt etwa Gerichtsbescheid der Kammer vom 8. Februar 2013 – 16 K 5975/11 –; VG Minden, Urteil vom 1. April 2011 – 6 K 2985/10 – und Urteil vom 25. Februar 2011 – 6 K 2631/10 –, Juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. November 2006 – 11 K 2398/06 –, Juris, jeweils m.w.N.
13So liegt der Fall hier. Denn der Kläger ist sowohl mit dem durch ihn unterzeichneten Antragsformular (dort Ziffer 16), als auch durch die im Wohngeldbescheid vom 2. Juli 2012 enthaltenen Hinweise (dort Ziffer 5) unmissverständlich auf seine Verpflichtung hingewiesen worden, der Wohngeldstelle unverzüglich mitzuteilen, wenn er Transferleistungen beantragt oder bezieht. Dieser Verpflichtung ist der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Beantragung von Arbeitslosengeld II am 20. August 2012 nicht nachgekommen.
14Unabhängig hiervon hat die Beklagte den Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens voraussichtlich auch zu Recht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X stützten können, weil der Kläger jedenfalls hätte erkennen können, dass der Wohngeldbescheid vom 2. Juli 2012 wegen der Beantragung bzw. des Bezugs von Arbeitslosengeld II mit Wirkung zum 1. August 2013 unwirksam wird und diese Unkenntnis auf einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße beruht. Mit dem Erfordernis einer Sorgfaltsverletzung in besonders schwerem Maße ist der Tatbestand der groben Fahrlässigkeit umschrieben. Dieses Merkmal ist im vorliegenden Zusammenhang dann erfüllt, wenn der Kläger aufgrund einfachster und naheliegendster Überlegungen hätte erkennen können und auch müssen, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch zum Ruhen kommt oder wegfällt. Auch hier werden die Anforderungen an die an den Betroffenen zu stellenden Sorgfaltspflichten nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung maßgeblich auch durch Antragsformulare, Merkblätter oder einem Bescheid beigefügte Erläuterungen bestimmt. Derartige Hinweise ergeben sich hier aus den – gerichtsbekannt standardmäßig – auf der letzten Seite eines Wohngeldbescheides unter der Überschrift „Weitere wichtige Hinweise zur Wohngeldbewilligung“ unter Nr. 4 „Wegfall des Wohngeldanspruchs“ abgedruckten Erläuterungen, nach denen der Wohngeldbescheid mit der Beantragung oder dem Bezug von Transferleistungen auch nur eines der bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigten Haushaltsmitglieder unwirksam wird. Die Zwischenüberschrift zu Nr. 4 „Wegfall des Wohngeldanspruchs“ ist durch Fettdruck optisch hervorgehoben. Das Wort „unwirksam“ ist zur stärken Betonung unterstrichen. Aus dem Verweis auf die Transferleistungen nach Nr. 2 der Erläuterungen ergibt sich zwangslos, dass zu den Transferleistungen auch das Arbeitslosengeld II gehört. Dem Kläger hätte es oblegen, bei Erhalt des Wohngeldbescheides von diesem Hinweis Kenntnis zu nehmen und im Falle etwaiger verbleibender Verständnisschwierigkeiten von der naheliegenden Möglichkeit, bei der Beklagten um eine Erläuterung zu bitten, Gebrauch zu machen.
15Schließlich ist der Rückforderungsbescheid auch nicht deshalb rechtswidrig, weil seine Begründung keine ausdrücklichen Ermessenserwägungen enthält. Die Beklagte ist im Ergebnis zu Recht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen, weil nach § 50 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X kein Ermessensspielraum der Beklagten bestanden hat;
16vgl. allgemein zur Frage eines Ermessensspielraums im Rahmen von § 50 Abs. 2 SGB X VG Minden, Urteil vom 1. April 2011 – 6 K 2985/10 – und Urteil vom 25. Februar 2011 – 6 K 2631/10 –, a.a.O., jeweils m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 27. August 2013 – 21 K 464/11 –, a.a.O., m.w.N.
17Soweit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Aufhebung des Verwaltungsakts vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an erfolgen „soll“, besteht in der Regel eine Pflicht zur rückwirkenden Aufhebung, während sich für die Behörde lediglich in atypischen Fällen ein Ermessensspielraum eröffnet. Für einen derartigen atypischen, im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile für den Betroffenen von den Normalfällen der § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X signifikant abweichenden Fall ist hier nichts ersichtlich.
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