Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 16 K 6226/13
Tenor
Der Wohngeldbescheid vom 2. September 2013 wird aufgehoben.
Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 wird aufgehoben, soweit die Beklagte den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. März 2013 um mehr als 50,00 Euro monatlich und für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Juli 2013 um mehr als 88,00 Euro monatlich zurückgenommen hat und einen Betrag von mehr als 974,00 Euro zurückfordert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin bezog von der Beklagten laufend Wohngeld als Zuschuss zur Miete für ihre Wohnung X.-------weg 0 in 00000 Köln, die sie gemeinsam mit ihrem 1993 geborenen Sohn bewohnt.
3Soweit im vorliegenden Zusammenhang von Belang ergeben sich die Einzelheiten der Wohngeldbewilligung aus der nachfolgend dargestellten tabellarischen Übersicht.
4Wohngeldantrag |
Wohngeldbescheid |
Bewilligungszeitraum |
Betrag (monatlich) |
28.01.2011 |
01.03.2011 01.03.2011 |
01.02.2011 – 28.02.2011 01.03.2011 – 31.01.2012 |
201,00 Euro 194,00 Euro |
17.01.2012 |
01.03.2012 |
01.02.2012 – 31.01.2013 |
190,00 Euro |
17.01.2013 |
01.02.2013 |
01.02.2013 – 31.07.2013 |
177,00 Euro |
Durch einen automatisierten Datenabgleich am 17. Juni 2013 erfuhr die Beklagte, dass der Sohn der Klägerin bislang nicht deklariertes Erwerbseinkommen aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit der Firma „D. GmbH“ vom 1. Mai 2011 bis 31. März 2013 und der Firma „T. OHG“ laufend ab dem 6. März bezog. Nach Anhörung der Klägerin und Einholung von Verdienstbescheinigungen der Arbeitgeber regelte die Beklagte den Wohngeldanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens des Sohnes der Klägerin neu.
6Mit einem Neubescheidungs- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 hob die Beklagte zunächst gestützt auf § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wohngeldgesetz -WoGG- den Wohngeldbescheid vom 1. März 2011 für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis 31. Januar 2012 auf, bewilligte der Klägerin für diesen Zweitraum nunmehr Wohngeld in Höhe von 108,00 Euro monatlich und forderte von der Klägerin nach § 50 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch -SGB X- einen Betrag von 774,00 Euro überzahlten Wohngeldes zurück.
7Mit einem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 nahm die Beklagte die Wohngeldbescheide vom 1. März 2012 und 1. Februar 2013 gestützt auf § 45 SGB X teilweise in einem durch den Bescheid im Einzelnen näher bezeichneten Umfang zurück und forderte von der Klägerin gestützt auf § 50 Abs. 1 und 3 SGB X die Erstattung eines Betrages von insgesamt 1.322,00 Euro überzahlten Wohngeldes. Dem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid fügte die Beklagte drei als „Berichtigter Wohngeldbescheid“ (Ordnungsnummern 0000 und 0000) bzw. „Wohngeldbescheid“ (Ordnungsnummer 0000) bezeichnete Bescheide bei, aus denen sich die Berechnung des nach Auffassung der Beklagten zutreffenden Wohngeldanspruchs der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2013 (145,00 Euro monatlich), 1. Februar 2013 bis 28. Februar 2013 (145,00 Euro monatlich) und 1. März 2013 bis 31. Juli 2013 (27,00 Euro monatlich) ergab.
8Eine erste Ausfertigung des dem Rücknahme- und Rückforderungsbescheides vom 23. September 2013 beigefügten „Wohngeldbescheides“ mit der Ordnungsnummer 0000 wurde versehentlich schon vorab unter dem Datum des 2. September 2013 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt und ging dort am 3. September 2013 ein. Die o.g. Bescheide nebst Anlagen wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin sodann am 26. September 2013 zugestellt.
9Am 4. Oktober 2013 hat die Klägerin zunächst gegen den „Wohngeldbescheid“ vom 2. September 2013 Klage erhoben – 16 K 6226/13 –. Am 25. Oktober 2013 hat die Klägerin gegen den Neubescheidungs- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 und den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 nebst den beigefügten „Wohngeldbescheiden“ Klage erhoben – 16 K 6676/13 –. Das Gericht hat beide Verfahren mit Beschluss vom 12. Juni 2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
10Die Klägerin, die ihre Klage trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht begründet hat und für die im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt schriftsätzlich und sinngemäß,
11den Wohngeldbescheid vom 2. September 2013, den Neubescheidungs- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 und den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie tritt der Klage unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung der angefochtenen Bescheide entgegen.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- zur Entscheidung übertragen hat.
18Das Gericht hat gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden können, weil die Klägerin ordnungsgemäß unter Hinweis auf diese Möglichkeit zum Termin geladen worden ist.
19Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
20Der Wohngeldbescheid vom 2. September 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei dem Wohngeldbescheid vom 2. September 2013 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X, obwohl die Beklagte ihn lediglich als unselbständige, allein der Erläuterung der Berechnung dienende Anlage zum Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 hat erlassen wollen. Denn nach dem für die Auslegung behördlicher Erklärungen maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts,
21vgl. zuletzt etwa Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 22. März 2012 – 1 D. 3/11 – ,BVerwGE 142, 179-195; OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2009 – 1 B 264/09 –, juris, jeweils m.w.N.,
22musste die Klägerin den ihr isoliert bekanntgemachten Wohngeldbescheid vom 2. September 2013 ausweislich der Bezeichnung als Wohngeldbescheid und der beigefügten Rechtsmittelbelehrung als eine eigenständige Regelung durch Verwaltungsakt verstehen. Als Verwaltungsakt ist der Wohngeldbescheid vom 2. September 2013 indes schon deshalb rechtswidrig, weil er entgegen § 35 Abs. 1 SGB X nicht die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe benennt, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Es wird weder eine Ermächtigungsgrundlage benannt, noch wird – außer der Berechnung selbst – auf sonstige Weise mitgeteilt, aus welchen Gründen sich die Beklagte zu einer abändernden Bescheidung der Klägerin ermächtigt sieht.
23Der Neubescheidungs- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Ermächtigungsgrundlage für die Änderung einer Wohngeldbewilligung aufgrund einer – wie hier mit der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses des Sohnes der Klägerin bei der Firma „C. GmbH“ – nach der Wohngeldbewilligung eintretenden Änderung der Einkommensverhältnisse ist § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 WoGG. Hiernach ist von Amts wegen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an neu über das Wohngeld zu entscheiden, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorrübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert. Entsprechendes gilt, wenn sich die Änderung auf einen bereits abgelaufenen Bewilligungsabschnitt bezieht, längstens jedoch für 3 Jahre vor Kenntnis der wohngeldberechtigten Person von der Änderung der Verhältnisse. Aufgrund der in der Neubescheidung liegenden Aufhebung des bisherigen Wohngeldbescheides verliert dieser ab der Bekanntgabe des neuen, ändernden Wohngeldbescheides und nach dessen Maßgabe seine Wirkung. Die Regelung des § 27 Abs. 2 WoGG stellt wie bereits die Vorgängervorschrift des § 29 Abs. 3 WoGG a.F. eine wohngeldrechtliche Sonderregelung mit abschließendem Charakter dar, die eine Aufhebung der Wohngeldbewilligung nach den allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten bei Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch -SGB I- ausschließt. Insbesondere findet keine Vertrauensschutzprüfung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X statt. Ergibt sich in Anwendung von § 27 Abs. 2 WoGG ein Erstattungsanspruch, ist gestützt auf § 50 Abs. 1 und 3 SGB X ein Erstattungsbescheid zu erlassen und das zu viel gezahlte Wohngeld zurückzufordern;
25vgl. Urteile der Kammer vom 13. Dezember 2012 – 16 K 1665/12 –, juris, und vom 31. Januar 2013 – 16 K 7038/11 –; jeweils mit Hinweis auf u.a. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 5 C 4/01 – BVerwGE 116, 161-168; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen -OVG NRW-, Urteil vom 9. Januar 2008 – 14 A 4640/06 –, NWVBl. 2008, 325-316; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. Juli 2012 - 4 LA 316/10 -, juris.
26Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für eine Neubescheidung des Wohngeldantrags der Klägerin vom 28. Januar 2011 für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis 31. Januar 2012 unter entsprechender Aufhebung des Wohngeldbescheides vom 1. März 2011 lagen vor. Die Neuberechnung des Wohngeldanspruchs der Klägerin und der sich daraus ergebende Rückforderungsbetrag erweisen sich nach gerichtlicher Prüfung als zutreffend. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung der Bescheide Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
27Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28Die durch die Beklagte in Anspruch genommene Ermächtigungsgrundlage des § 45 SGB X trägt die angefochtene Entscheidung, soweit die Beklagte den Wohngeldbescheid vom 1. März 2012 für die Zeit vom 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2013 und den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 28. Februar 2013 (teilweise) zurückgenommen hat. Nach § 45 Abs. 1 SGB X kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach § 45 Abs. 4 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
29Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Wohngeldbescheide vom 1. März 2012 und 1. Februar 2013 dem Grunde nach vor, soweit die Beklagte bei deren Einlass das Erwerbseinkommen des Sohnes der Klägerin aus dessen Beschäftigungsverhältnis mit der Firma „C. GmbH“ nicht berücksichtigt und in der Folge einen zu hohen Wohngeldanspruch der Klägerin ermittelt hat. Auch kann sich die Klägerin insoweit nicht mit Erfolg auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Wohngeldbescheide berufen, weil diese auf Angaben beruhen, die Klägerin jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig gemacht hat. Denn die Klägerin hat in den zugrunde liegenden Wohngeldanträgen vom 17. Januar 2012 und 17. Januar 2013 das Erwerbseinkommen ihres Sohnes nicht angegeben, obwohl das Antragsformular unter Ziffer 9 ausdrücklich die Angabe aller Einkünfte auch der sonstigen Haushaltsmitglieder verlangt.
30Auch der Höhe nach hält die Rücknahme insoweit einer gerichtlichen Prüfung stand, auch wenn die Beklagte den wahren Wohngeldanspruch – methodisch fehlerhaft – anhand der tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Sohnes der Klägerin im jeweiligen Bewilligungsabschnitt ermittelt hat. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG sind nicht die tatsächlichen Einkommensverhältnisse im jeweiligen Bewilligungsabschnitt für die Berechnung des Wohngeldanspruchs maßgeblich, sondern diejenigen, die im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungsabschnitt zu erwarten sind. Hilfsweise können nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WoGG hierzu die Verhältnisse vor dem Zeitpunkt der Antragstellung herangezogen werden. Hiernach konnte die Beklagte die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Sohnes der Klägerin im jeweiligen Bewilligungsabschnitt nicht zur Berechnung des Wohngeldanspruchs heranziehen, weil das Einkommen der Höhe monatlich schwankte und daher vom jeweiligen Zeitpunkt der Antragstellung am 17. Januar 2012 bzw. 17. Januar 2013 nicht präzise hat prognostiziert werden können. Die Beklagte hätte vielmehr nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 2 WoGG auf das in der Zeit vor der jeweiligen Antragstellung durchschnittlich erzielte Einkommen zurückgreifen müssen. Gleichwohl ist die Rücknahme der Höhe nach im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil bei Zugrundelegung des in der Zeit vor der jeweiligen Antragstellung erzielten Einkommens von einem noch höheren Einkommen und damit von einem noch niedrigeren wahren Wohngeldanspruch der Klägerin auszugehen ist als von dem durch die Beklagte errechneten Betrag von 145,00 Euro monatlich. So ergibt sich für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. Januar 2013 aus den erzielten Einkünften des Sohnes vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses am 1. Mai 2011 bis zum 31. Dezember 2011 ein prognostiziertes jährliches Einkommen von 2.974,16 Euro brutto statt – wie zugrunde gelegt – von nur 1.945,08 Euro brutto. Hieraus folgt im Ergebnis ein Wohngeldanspruch von nur 108,00 Euro monatlich. Für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013 ergibt sich aus den Einkünften des Sohnes im Vorjahreszeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 ein prognostiziertes jährliches Einkommen von 2.027,02 Euro brutto statt – wie zugrunde gelegt – von nur 1.524,60 Euro brutto. Hieraus folgt im Ergebnis ein Wohngeldanspruch von nur 127,00 Euro monatlich.
31Soweit die Beklagte den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. Juli 2013 über einen Wohngeldanspruch von 127,00 Euro monatlich hinaus unter Berücksichtigung des aus dem zum 6. März 2013 aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma „T. OHG“ erzielten Einkommens zurückgenommen und nur noch von einem wahren Wohngeldanspruch in Höhe von 27,00 Euro monatlich ausgegangen ist, ist die Rücknahmeentscheidung fehlerhaft und kann auch im Wege der Umdeutung gemäß § 43 Abs. 1 SGB X nur teilweise aufrechterhalten bleiben.
32Die Entscheidung der Beklagten den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. Juli 2013 unter Berücksichtigung des aus dem zum 6. März 2013 aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma „T. OHG“ erzielten Einkommens über einen Wohngeldanspruch von 127,00 Euro monatlich hinaus nach § 45 SGB X zurückzunehmen, ist deshalb fehlerhaft, weil es sich bei diesem Einkommen gemessen am maßgeblichen Prognosezeitpunkt der Antragstellung am 17. Januar 2013 um eine objektiv nicht vorhersehbare nachträgliche Einkommenserhöhung gegenüber den im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 1. Februar 2013 zugrunde gelegten Einkommensverhältnissen handelt, die allein im Rahmen und nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WoGG Berücksichtigung finden kann.
33Die angefochtene Entscheidung kann im Wege der Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X als Neubescheidung im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB X teilweise aufrechterhalten werden, soweit die Beklagte den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Juli 2013 um weitere 38,00 Euro monatlich aufgehoben hat, was einem verbleibenden Wohngeldanspruch von 89,00 Euro monatlich entspricht. Die nach § 43 SGB X erforderlichen Voraussetzungen für eine Umdeutung einer auf § 45 SGB X gestützten Rücknahmeentscheidung in eine Neubescheidung im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB X liegen vor. Insbesondere erfordert die Neubescheidung keine Ermessensentscheidung der Behörde (§ 43 Abs. 3 SGB X). Auch sind die Voraussetzungen für eine Neubescheidung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB X im vorliegenden Fall gegeben, weil sich das dem ursprünglichen Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 zugrundeliegende wohngeldrechtliche Gesamteinkommen von 9.312,12 Euro durch die für die Zeit ab dem 6. März 2013 bezogenen Einkünfte für die Zeit ab dem 1. April 2013 (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 3 WoGG) um 23,89 % auf 11.536,51 Euro hat. Das neue wohngeldrechtliche Gesamteinkommen von 11.536,51 Euro ergibt sich dabei aus der Summe des voraussichtlichen Jahreseinkommens der Mutter in Höhe von 9.312,19 Euro und des voraussichtlichen Jahreseinkommens des Sohnes in Höhe von 2.824,32 Euro aus dem neuen Beschäftigungsverhältnis. Das voraussichtliche Jahreseinkommen des Sohnes folgt aus einer vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten von den geänderten Einkommensverhältnissen am 17. Juni 2013 aus vorzunehmenden Prognose, d.h. hier in Ermangelung anderweitiger hinreichender Anknüpfungspunkte aus dem Durchschnitt der bereits zu diesem Zeitpunkt objektiv bekannten Einkünften für die Monate März bis Mai 2013 (vgl. §§ 15 Abs. 1 Satz 1 und 2, 24 Abs. 2, 27 Abs. 2 Satz 5 WoGG) abzüglich des gesetzlichen Pauschalbetrages nach § 16 Abs. 2 WoGG. Bei einem Gesamteinkommen von 11.536,51 Euro stand der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Juli 2013 ein Wohngeldanspruch von 89,00 Euro monatlich zu.
34Soweit die Beklagte den Wohngeldbescheid vom 1. Februar 2013 für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. März 2013 um mehr als 50,00 Euro monatlich (d.h. Reduzierung des Wohngeldanspruchs auf weniger als 127,00 monatlich) und für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Juli 2013 um mehr als 88,00 Euro monatlich (d.h. Reduzierung des Wohngeldanspruchs auf weniger als 89,00 Euro monatlich) zurückgenommen hat, ist die angefochtene Entscheidung hingegen aufzuheben.
35Der mit dem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 23. September 2013 zugleich nach § 50 Abs. 1 und 3 SGB X festgesetzte Rückforderungsanspruch von 1.322,00 Euro ist damit zugleich um 348,00 Euro auf einen Betrag von 974,00 Euro zu reduzieren.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenquote entspricht dem Anteil des Obsiegens der Klägerin (348,00 Euro) am Gesamtstreitwert (2.096,00 Euro).
37Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.
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