Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 13 K 3658/13
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2013 (Ziffer I) aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Teil der S. Unternehmensgruppe, die u.a. aus der Klägerin und der S. Textilhandels- und -recycling GmbH besteht. In der S. -Gruppe übernimmt die Klägerin die Organisation und Durchführung der Sammlungen von Altkleidern und -schuhen und die S. Textilhandels- und -recycling GmbH die Sortierung und Vermarktung der Textilien. Im gesamten Bundesgebiet betreibt die Klägerin ca. 7.000 Altkleidercontainer und sammelt jährlich ca. 22.000 t Alttextilien, weitere Alttextilien werden von anderen Sammlern zugekauft.
3Die Klägerin zeigte der Beklagten gemäß § 18 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) an, dass sie im Stadtgebiet der Beklagten eine gewerbliche Sammlung von Textilien und Schuhen aus privaten Haushalten durchführt. Die Sammlung erfolge durch Container, die wöchentlich geleert würden. Sie betreibe bislang zwei Container und erfasse dort 7 t Ware pro Jahr. Sie beabsichtige, weitere 50 Container für die Dauer von 10 Jahren zur Erfassung aufzustellen und damit ca. 175 t jährlich zu erfassen. Sie legte einen Handelsregisterauszug, eine Kopie der Anzeige nach § 53 KrWG, Auszüge aus dem Gewerbezentralregister für ihren Geschäftsführer, den für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung zuständigen Mitarbeiter und sie selbst, die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb, eine Übersicht über die Verwertungswege und eine Kopie der Genehmigung der vom Vertragspartner (der S. Textilhandels- und -recycling GmbH) betriebenen Abfallsortieranlage bei.
4Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben ihres Fachbereichs Umwelt vom 17. Januar 2013 auf, zur Vervollständigung der Anzeige noch nähere Angaben zum Jahresumschlag und eventuell vorhandenen Sondernutzungserlaubnissen zu machen und Führungszeugnisse der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen vorzulegen. Die Klägerin übersandte daraufhin die geforderten Führungszeugnisse und gab an, derzeit mit insgesamt drei Containern an zwei verschiedenen Stellplätzen ca. 6 t Alttextilien und -schuhe im Jahr zu sammeln. Die Sammelcontainer stünden auf Privatgrundstücken, die Stellplatzvereinbarungen mit den jeweiligen Eigentümern fügte die Klägerin bei.
5Mit Schreiben vom 11. Februar 2013 nahm der Fachbereich Finanzen/Beteiligungen der Beklagten in ihrer Funktion als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zu der Anzeige der Klägerin gemäß § 18 Abs. 4 KrWG Stellung: Die Sammlung und Erfassung von Alttextilien erfolge im Stadtgebiet der Beklagten über Sammelcontainer der B. GmbH & Co. KG. Die B. GmbH & Co. KG sei von der Beklagten seit dem 1. Januar 2012 vertraglich mit der Erfassung und Verwertung von Alttextilien und -schuhen im Stadtgebiet beauftragt. Durch die angezeigte Sammlung der Klägerin würde die Entsorgungssicherheit und Funktionsfähigkeit des vom beauftragten Unternehmen eingerichteten nutzerfreundlichen Rücknahmesystems beeinträchtigt. Die Klägerin könne eine vollständige Erfassung und Sammlung von Alttextilien im Stadtgebiet nicht sicherstellen. Es müsse daher von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers ausgegangen werden, da insoweit auch die gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zu berücksichtigen sei.
6Die B. GmbH & Co. KG nahm mit Schreiben vom 25. Februar 2013 zu der angezeigten Sammlung der Klägerin Stellung. Nach § 1 Abs. 1 der Abfallsatzung der Beklagten sei sie als Beauftragte des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers mit der Erfüllung der entsprechenden Entsorgungspflichten beauftragt. Die Entsorgungspflicht umfasse das Einsammeln, Befördern, Verwerten und Beseitigen der im Stadtgebiet anfallenden und zu überlassenden Abfälle. Zur Einsammlung und Erfassung von Alttextilien und -schuhen würden gemäß § 9 Abs. 2 lit. f der Abfallsatzung Altkleidercontainer zur Verfügung gestellt. Seit dem Jahr 2000 unterhalte die B. ein flächendeckendes Sammelsystem im gesamten Stadtgebiet. An derzeit 205 Standorten hätten die Bürger die Möglichkeit, Alttextilien schnell und bequem zu entsorgen. Die Container würden im ein- oder zweiwöchigen Entsorgungsturnus geleert. Die Standorte würden regelmäßig kontrolliert, gesäubert und defekte Container ausgetauscht. Die Bürger könnten größere Mengen an Alttextilien auch im Wertstoffzentrum der B. abgeben. Für Bürgeranfragen und Beschwerden in Zusammenhang mit der Alttextilverwertung stehe die Hotline der B. Abfallberatung kontinuierlich zur Verfügung. Jährlich würden ca. 850 t Altkleider von der B. im Stadtgebiet gesammelt. Die gesammelten Textilien würden einem zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb zur Verwertung übergeben. Langfristige Entsorgungsverträge mit den Entsorgungspartnern gewährleisteten eine kontinuierliche Sicherstellung des Entsorgungsangebotes unabhängig von der aktuellen Weltmarktlage für Alttextilien. Als unmittelbar von der Stadtverwaltung beauftragter Dritter seien die Erträge der Sammlung gebührenrelevant und die erwirtschafteten Erlöse flössen vollständig in die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung der Beklagten ein. Die Sammlung der Klägerin sei nicht leistungsfähiger als die von der B. zur Zeit konkret durchgeführte Sammlung. Nach ihrer Ansicht stünden der gewerblichen Sammlung der Klägerin überwiegende öffentliche Interessen entgegen, da die Funktionsfähigkeit der B. durch die wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung gefährdet werde.
7Die Beklagte hörte die Klägerin unter dem 15. März 2013 zu der beabsichtigten Beschränkung und Befristung der Sammlung an.
8Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 gab die Beklagte der Klägerin auf, nicht mehr als die bereits bestehenden drei Altkleidercontainer aufzustellen, und befristete die Durchführung der angezeigten Sammlung auf den Zeitraum bis zum 1. Januar 2014. Weiter wurde der Klägerin aufgegeben, Standortwechsel unter Vorlage des Mietvertrages schriftlich mitzuteilen, jede Veränderung des Verwertungsweges schriftlich anzuzeigen und die Sammelcontainer mit Namen und Anschrift des Unternehmens zu kennzeichnen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie Zwangsgelder in unterschiedlicher Höhe an. Zur Begründung führte sie aus: Nach § 18 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 62 KrWG könne die zuständige Behörde die angezeigte gewerbliche Sammlung von Bedingungen abhängig machen, sie zeitlich befristen oder Auflagen für sie vorsehen, soweit dies erforderlich sei, um die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sicherzustellen. Überwiegende öffentliche Interessen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG ständen einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenhang mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährde. Eine Gefährdung sei anzunehmen, wenn u.a. die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt werde. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst würden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von ihm beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführe. Durch die gewerbliche Sammlung der Klägerin würden Abfälle erfasst, für die die Beklagte bzw. der von ihr beauftragte Dritte ein hochwertiges, flächendeckendes Sammelsystem eingerichtet habe. Die B. GmbH & Co. KG habe an derzeit 205 Standorten im Stadtgebiet Altkleidercontainer aufgestellt. Größere Mengen Alttextilien könnten im Wertstoffzentrum der B. abgegeben werden. Für Bürgeranfragen und Beschwerden stehe die Hotline der B. -Abfallberatung kontinuierlich zu Verfügung. Die Sammelstellen würden regelmäßig gereinigt. Die Erträge der Sammlung flössen vollständig in die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgungsgebühren der Beklagten ein und führten so zu einer Entlastung der Bürger. Bei der Bewertung sei auch das Zusammenwirken der gewerblichen Sammlung der Klägerin mit einer Vielzahl weiterer angezeigter Sammlungen zu berücksichtigen. Die von der Klägerin angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle sei auch nicht wesentlich leistungsfähiger als diejenige des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von ihm beauftragten Dritten. Das schutzwürdige Vertrauen in den Fortbestand der angezeigten Sammlung sei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit den Interessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers an einer kommunalen Sammlung unter wirtschaftlich ausgewogenen Verhältnissen abzuwägen. Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, werde von der Möglichkeit der Befristung sowie der Erteilung von Auflagen Gebrauch gemacht. Mit der Befristung wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klägerin bereits Investitionen in Form der Mietzahlungen an die Grundstückseigentümer getätigt habe. Durch die Befristung habe sie die Möglichkeit, die Mietverträge fristgerecht zu kündigen und bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin das Grundstück für ihre gewerbliche Sammlung zu nutzen. Die Auflagen seien erforderlich, um sicherzustellen, dass eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Alttextilien erfolge. Durch die Kennzeichnungspflicht solle nachvollzogen werden können, ob es sich bei dem aufgestellten Sammelcontainer um eine zulässige Sammlungstätigkeit handele. Die Androhung der Zwangsgelder sei erforderlich und geboten, um den Belangen einer geordneten Abfallentsorgung Rechnung zu tragen.
9Die Klägerin hat am 17. Juni 2013 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage führt sie unter anderem aus, dass die Beklagte nicht die zuständige Behörde im Sinne des § 18 Abs. 5 KrWG sei, da sie nicht gleichzeitig die Aufgaben der unteren Umweltschutzbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wahrnehmen könne. Die Verfügung der Beklagten sei außerdem verfristet, da sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anzeige erlassen worden sei. Eine nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 18 Abs. 1 KrWG vorgenommene Verfügung könne aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht auf Grund von Tatsachen erfolgen, die innerhalb dieses Dreimonatszeitraums bekannt gewesen seien. Die gesammelten Alttextilien seien zudem nicht als Abfall einzustufen. Die Kleidung solle nicht verwertet, sondern wiederverwendet werden. Ein Verbraucher, der seine Altkleidung in einen Altkleidercontainer einwerfe, gebe die ursprüngliche Zweckbestimmung des Kleidungsstückes nicht auf. Er werfe das Kleidungsstück in den Altkleidercontainer, damit es weiter seinen Zweck als Kleidungsstück erfülle. Diese Zweckbestimmung könne auch nicht deshalb verneint werden, weil die tatsächliche Verwendung durch den neuen Besitzer nicht kontrolliert werden könne. Auch der Verkäufer einer Sache könne nie sicherstellen, dass sie vom Käufer zweckentsprechend verwendet werde. Die Einordnung als Abfall widerspreche im Übrigen der europäischen Abfallrahmenrichtlinie.
10Weiterhin werde die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht beeinträchtigt. Mögliche Überkapazitäten rechtfertigten keine Untersagung konkurrierender gewerblicher Sammlungen. Die Einnahmeausfälle der Beklagten beliefen sich bei derzeit 6 t im Jahr auf höchstens 2.400,00 Euro jährlich, bei 175 t im Jahr auf 70.000,00 Euro jährlich; dem stünden jährliche Einnahmen der Beklagten von rund 27 Mio. Euro gegenüber. Im Übrigen sei § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG schon deshalb nicht einschlägig, weil der von der Beklagten beauftragte Dritte die Altkleider nicht selbst verwerte, sondern nur erfasse und an einen Dritten weitergebe. Der Verkauf der Alttextilien sei zudem schon begrifflich keine Verwertung, sondern eine Vermarktung. Jedenfalls sei die Sammlung der Klägerin wesentlich leistungsfähiger im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG, weil die Beklagte keine Sortierung und Verwertung anbiete, sondern sich insoweit Dritter bedienen müsse.
11Die Ungleichbehandlung von gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen sei weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich zu rechtfertigen, da die Auswirkungen für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht davon abhingen, mit welchem Ziel die private Sammlung durchgeführt werde und sich eine Bewertung der verschiedenartigen Zielsetzungen verbiete. Europarechtliche Bedenken bestünden auch im Hinblick auf Art. 106 Abs. 1 AEUV, da die Ausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nur für gemischte Siedlungsabfälle greife, nicht aber für getrennt gesammelte Wertstoffe. Zur Klärung dieser Rechtsfragen werde die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof beantragt. Darüber hinaus sei Art. 12 GG zu beachten, da die Überlassungspflicht für gewerbliche Sammler von Alttextilien einen Eingriff in ihren ausgeübten Beruf mit sich bringe, der ihnen im schlimmsten Fall bei gleichartiger Reaktion aller Kommunen unmöglich gemacht werde und sie in die Insolvenz treibe (sog. Summationseffekt).
12In der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2014 hat die Beklagte Ziffern II. und III. der Verfügung vom 24. Mai 2013 aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
13Die Klägerin beantragt,
14den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2013 in Ziffer I aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte beruft sich auf die Begründung der Untersagungsverfügung und macht ergänzend unter anderem geltend, dass sie nach § 1 Abs. 3 ZustVU als untere Umweltschutzbehörde sachlich zuständig sei. Die Funktionen der unteren Umweltschutzbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers würden von getrennten Organisationseinheiten wahrgenommen, die Funktion des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers obliege dem Fachbereich Finanzen im Dezernat II, die untere Abfallwirtschaftsbehörde sei hingegen dem Fachbereich Umwelt im Dezernat III zugeordnet. Es finde somit eine organisatorische wie auch personelle Trennung dieser beiden Aufgabenbereiche statt. Die dreimonatige Frist des § 18 Abs. 1 KrWG beziehe sich auf die Anzeige der Sammlung, nicht auf Maßnahmen der Behörde. Im Übrigen sei die Klägerin noch innerhalb von drei Monaten nach Eingang der vollständigen Anzeige zum beabsichtigten Erlass der streitgegenständlichen Verfügung angehört worden. Alttextilien unterfielen dem Abfallbegriff des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, der Einwurf in den Altkleidercontainer sei eine Entledigung im Sinne des § 3 KrWG. Altkleider seien nur dann kein Abfall, wenn sie persönlich bei einer Kleiderkammer abgegeben würden. Ein großer Teil der über Container gesammelten Alttextilien werde nicht wiederverwendet, sondern anderweitig verwertet. Die notwendige Sortierung sei als Vorbereitung zur Wiederverwendung bereits eine Verwertungsmaßnahme (§ 3 Abs. 24 KrWG).
18Das Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG sei erfüllt, die Beklagte habe die dahingehende Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren. Die Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers könne auch nicht als nur geringfügig angesehen werden, da auch das Zusammenwirken mit anderen Sammlungen berücksichtigt werden müsse und für das Stadtgebiet der Beklagten eine Vielzahl gewerblicher Altkleidersammlungen angezeigt worden sei. Die Auswirkungen der angezeigten Sammlungen seien schwer einzuschätzen, bei einer vollständigen Aufstellung der Container durch Dritte würde aber voraussichtlich mindestens die Hälfte der Einsammelmenge der B. GmbH & Co. KG wegfallen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war es entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
22Die Klage ist im Übrigen zulässig und begründet. Die Beschränkung der Sammlung in Ziffer I des Bescheides der Beklagten vom 24. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23I. Rechtsgrundlage des Erweiterungsverbots ist § 18 Abs. 5 Satz 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324). Danach kann die zuständige Behörde die angezeigte Sammlung von Bedingungen abhängig machen, sie zeitlich befristen oder Auflagen für sie vorsehen, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sicherzustellen. Letztere Norm ist als Ausnahmeregelung zu den grundsätzlich bestehenden Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 KrWG) konzipiert. Die Überlassungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG für Abfälle aus privaten Haushaltungen besteht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen.
241. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG steht im Einklang mit dem Grundgesetz. Zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerregelung (§ 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 134, 154 <163>.
26Diese Rechtsprechung trifft auch für das geltende Recht zu, zumal sich gewerbliche Entsorgungsunternehmen um Aufträge nach § 22 KrWG bemühen können. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung (§ 20 KrWG) rechtfertigt die gesetzliche Statuierung von Überlassungspflichten, von denen nur ausnahmsweise und unter Wahrung öffentlicher Interessen zu Gunsten gewerblicher Sammlungen abgesehen wird.
27Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris, Rn. 10; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 15. August 2013 - 20 A 2798/11-, juris, Rn. 109 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 41 ff.
28Die Privilegierung gemeinnütziger Sammlungen in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrWG stellt keine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung gewerblicher und gemeinnütziger Sammler dar, da die Förderung gemeinnütziger Sammlungen ein legitimes gesetzgeberisches Ziel und die Gemeinnützigkeit der Sammlung daher ein zulässiges Differenzierungskriterium ist.
292. Bei europarechtskonformer Anwendung der § 18 Abs. 5, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG bestehen auch keine Zweifel an der Vereinbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen mit dem EU-Recht. Zwar stellen gesetzliche Überlassungspflichten im Abfallrecht Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) und der Wettbewerbsfreiheit (Art. 101 ff. AEUV) dar, diese sind jedoch europarechtlich gerechtfertigt. Denn nach Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV gelten die Vorschriften der Verträge nicht für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, soweit die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Abfallentsorgung aus privaten Haushalten ist eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV. Dies gilt für die Entsorgung gemischter Haushaltsabfälle ebenso wie für die Entsorgung getrennt erfasster Abfallsorten, welche für den Abfallsammler einen wirtschaftlichen Wert haben, da insoweit in gleicher Weise ein öffentliches Interesse an einer kontinuierlichen und verlässlichen Aufgabenerfüllung besteht, um eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung sicherstellen und die gesetzliche Überlassungspflicht aufrechterhalten zu können.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <165>; VGH BW, Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris, Rn. 12; Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 23. Mai 2000 - C-209/98 -, Rn. 74 ff.; Urteil vom 10. November 1998 - C-360/96 -, Rn. 52.
31Bei der Beurteilung der Frage, ob die Anwendung der Vertragsbestimmungen die Erfüllung dieser Aufgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindert, kommt den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum zu. Beschränkungen sind unter anderem auch dann gerechtfertigt, wenn die öffentliche Aufgabe unter den Voraussetzungen des freien Wettbewerbs nicht mehr zu wirtschaftlich vertretbaren bzw. ausgewogenen Bedingungen erfüllt werden kann, wobei auch die Möglichkeit einer Quersubventionierung zwischen rentablen und weniger rentablen Tätigkeitsbereichen als Voraussetzung ausgewogener wirtschaftlicher Bedingungen der Aufgabenerfüllung anerkannt wird.
32Vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 19. Mai 1993, - C-320/91 -, Rn. 16 ff., vom 23. Mai 2000 - C-209/98 -, Rn. 77 ff., vom 25. Oktober 2001 - C-475/99 -, Rn. 57 ff., und vom 15. November 2007, - C-162/06 -, Rn. 34 ff.; BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <165>.
33Die Gesetzesfassung greift eben diesen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Maßstab auf, indem § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KrWG präzisiert, dass einer gewerblichen Sammlungen öffentliche Interessen entgegenstehen, wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährdet wird, was anzunehmen ist, wenn die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll das Gesetz mit dieser Schranke ausdrücklich der vom Europäischen Gerichtshof konkretisierten Grenzziehung des Art. 106 Abs. 2 AEUV folgen und für die Auslegung von § 17 Abs. 3 KrWG primär die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 106 Abs. 2 AEUV heranzuziehen sein.
34Vgl. BTDrucks 17/6052, S. 87.
35Das Gesetz weicht zwar vom Regierungsentwurf insoweit ab, als die Auswirkungen auf die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung zu einem „eigenständigen Schutzobjekt“ aufgewertet wurden und in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG Fallgruppen genannt werden, in denen eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung anzunehmen sein soll. Auch die Begründung der diesbezüglichen Beschlussempfehlung des Bundestagsauschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hält aber daran fest, dass sichergestellt werden soll, dass sich die Erweiterung des Schutzkatalogs innerhalb der EU-rechtlichen Grenzen bewegt.
36Vgl. BTDrucks 17/7505 (neu), S. 43.
37Die verschiedenen Differenzierungen in § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 KrWG bleiben aus europarechtlicher Sicht damit Konkretisierungen der Schrankenregelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV und stellen insoweit nur mit der gebotenen Bestimmtheit klar, dass die Aufgabe der Abfallentsorgung auch dann nicht im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zu wirtschaftlichen ausgewogenen Bedingungen erfüllt werden kann, wenn die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt ist. Mit dem Begriff der Planungssicherheit orientiert sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das bereits unter Geltung des früheren Rechts festgestellt hatte, dass die kontinuierliche und verlässliche Aufgabenerfüllung der Hausmüllentsorgung durch den öffentlichen Entsorgungsträger ein Mindestmaß an Planbarkeit voraussetzt, das bei einem ungehinderten Zugriff privater Dritter nicht gewährleistet wäre.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <165>.
39Das Gesetz trifft mit anderen Worten keine starren Festlegungen, sondern verwendet auslegungsfähige unbestimmte Rechtsbegriffe, die sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 106 Abs. 2 AEUV orientieren. Eine europarechtskonforme Auslegung und Anwendung des Gesetzes drängt sich vor diesem Hintergrund geradezu auf, so dass Zweifel an der Vereinbarkeit mit EU-Recht nicht bestehen.
40Vgl. VGH BW, Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris, Rn. 18, 41; VG Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013 - AN 11 K 12.01588 -, juris, Rn. 67 ff.
41II. Die Verfügung der Beklagten ist formell rechtmäßig. Die Beklagte war hier nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) vom 11. Dezember 2007 (GV. NRW. S. 662), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2010 (GV. NRW. S. 700), in Verbindung mit Teil A des Verzeichnisses zu dieser Verordnung für den Vollzug des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes als untere Umweltschutzbehörde sachlich zuständig. Dies gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ZustVU auch für die Zeit nach Erlass des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und damit auch für die streitgegenständliche Untersagungsverfügung, weil die in Rede stehende Aufgabe nicht wesentlich in ihrem Inhalt geändert worden ist.
42Die Zuständigkeitsbedenken, die die Klägerin aus dem Umstand herleitet, dass die Beklagte nach § 5 Abs. 1 des LAbfG zugleich öffentlich rechtlicher Entsorgungsträger (auch im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes) ist, sind nicht stichhaltig. Weder ergibt sich aus den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ein Verbot, ein und dieselbe Stelle der öffentlichen Verwaltung als für den Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zuständige Behörde und als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zu bestimmen, noch ergibt sich aus den von der Klägerin geltend gemachten rechtsstaatlichen Bedenken ein Zwang, unterschiedliche Rechtsträger mit den beiden Aufgabenbereichen zu betrauen. Eine vollständige Trennung der Zuständigkeiten mag rechtspolitisch wünschenswert sein, bildet aber grundsätzlich keine notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit der an Recht und Gesetz gebunden öffentlichen Verwaltung. Vielmehr kann diesen Bedenken auch durch eine verwaltungsinterne organisatorische und personelle Trennung der Aufgabenbereiche einerseits der unteren Umweltschutzbehörden und andererseits des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers Rechnung getragen werden.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 -, BVerwGE 133, 239 <245>; OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 - 20 2798/11 -, juris, Rn. 40 ff. und Beschlüsse vom 20. Januar 2014 - 20 B 331/13 -, juris, Rn. 5 ff., vom 11. Dezember 2013 - 20 B 444/13 -, juris, Rn. 8 und vom 19. Juli 2013 - 20 B 530/13 -, juris, Rn. 25; VGH BW, Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris, Rn. 19 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 16. Juni 2014 - 20 ZB 14.885 -, juris, Rn. 2.
44Dabei ist von einer solchen Trennung dann auszugehen, wenn behördenintern unterschiedliche Sachbearbeiter und Organisationseinheiten die Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger einerseits bzw. untere Umweltschutzbehörde andererseits erfüllen und zumindest die unmittelbaren Vorgesetzten der jeweils zuständigen Bediensteten unterschiedlich sind.
45Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. August 2014 - 17 K 5343/13 -, juris, Rn. 40.
46Gemessen an diesen Grundsätzen sind die beiden Funktionen bei der Beklagten voneinander getrennt. Die Funktion des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers obliegt nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten und dem im Internet abrufbaren Organigramm dem Fachbereich Finanzen, Abteilung Beteiligungen im Dezernat II. Die untere Umweltschutzbehörde ist hingegen dem Fachbereich Umwelt im Dezernat III zugeordnet. Die Dezernate werden von unterschiedlichen Personen geleitet. So sind auch unterschiedliche Sachbearbeiter mit der Stellungnahme einerseits und dem Erlass der angegriffenen Verfügung andererseits befasst gewesen.
47Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auch nicht darauf an, ob die Verfügung der Beklagten innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anzeige ergangen ist. Dem Gesetz lässt sich eine derartige Ausschlussfrist nicht entnehmen. Eine derartige „Genehmigungsfiktion“ wäre auch mit dem Regelungssystem des § 18 KrWG nicht zu vereinbaren, da sich die Notwendigkeit eines Einschreitens auch erst während des Sammelbetriebs ergeben kann, insbesondere wenn Tatsachen bekannt werden, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden bzw. der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben, aber auch soweit es um die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Voraussetzungen geht.
48Vgl. VGH BW, Beschluss vom 4. März 2014 - 10 S 1127/13 -, juris, Rn. 17.
49III. Die Beschränkung der Sammlung auf die bereits bestehenden drei Altkleidercontainer ist jedoch materiell rechtswidrig, da sie nicht dazu dient, die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 genannten Voraussetzungen sicherzustellen. Die gewerbliche Sammlung der Klägerin muss sich zwar an den Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG messen lassen, da es sich bei den gesammelten Alttextilien und ‑schuhen um Abfall im Sinne des KrWG handelt. Der Sammlung der Klägerin stehen jedoch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen.
501. Bei einer Altkleidersammlung handelt es sich um eine Sammlung von Abfällen im Sinne des § 3 Abs. 1, 2 KrWG. Gebrauchte, vom bisherigen Besitzer nicht mehr verwendete und an eine Sammelorganisation abgegebene Kleidungsstücke fallen unter den Abfallbegriff des KrWG. Der Besitzer hat sich dieser beweglichen Sachen durch Aufgabe der Sachherrschaft unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung entledigt. Die Entscheidung über die weitere Verwendung oder Verwertung der Altkleider und ‑schuhe wird durch den bisherigen Besitzer nicht vorgegeben, sondern bleibt dem Sammelunternehmen überlassen. Die Abgabe von Kleidungsstücken in einer Kleiderkammer kann gegebenenfalls mit einer gegenüber dem neuen Besitzer verbindlichen Zweckbestimmung verbunden werden, nicht jedoch der bloße Einwurf in einen öffentlich zugänglichen Sammelcontainer.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1998 - 7 C 31.97 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1999, 1111; OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014 - 20 B 331/13 -, juris, Rn. 11 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 56 ff.
52Zudem kann – wie die Klägerin selbst dargelegt hat – ein großer Anteil der abgegebenen Alttextilien nicht mehr als Kleidung wiederverwendet werden, sondern wird zu Putzlappen verarbeitet oder der thermischen Verwertung zugeführt. Die notwendige Prüfung und Sortierung der Altkleider ist als Vorbereitung zur Wiederverwendung bereits eine Maßnahme der Abfallverwertung, vgl. § 3 Abs. 24 KrWG.
532. Der gewerblichen Sammlung der Klägerin stehen aber keine überwiegenden öffentlichen Interessen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen, welche die im Bescheid vom 24. Mai 2013 angeordnete Beschränkung der Sammlung rechtfertigen könnten.
54Gemäß § 17 Abs. 3 KrWG stehen überwiegende öffentliche Interessen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des von diesem beauftragten Dritten oder des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet (Satz 1). Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten ist anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird (Satz 2). Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (Nr. 1), die Stabilität der Gebühren gefährdet wird (Nr. 2) oder die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird (Nr. 3).
55Die Beklagte beruft sich in zutreffender Weise darauf, dass die von ihr als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger beauftragte B. GmbH & Co. KG (B. ) im Stadtgebiet eine eigene hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung von Alttextilien und ‑schuhen durchführt. Nach der Gesetzesbegründung sollen insbesondere Erfassungssysteme geschützt werden, die nach ihrer räumlichen Ausgestaltung, ihrer Beschaffenheit und ihrem konkreten Betrieb die werthaltigen Abfälle aus den privaten Haushalten in gleichem Umfang, gleicher Qualität und gleicher Effizienz wie Holsysteme erfassen können.
56Vgl. BTDrucks 17/7505 (neu), S. 44.
57Die B. hat ein flächendeckendes Netz zur Erfassung von Alttextilien und -schuhen mit insgesamt 205 Sammelcontainern eingerichtet. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es rechtlich nicht von Bedeutung, ob die B. als vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger beauftragte Dritte die Abfälle nur einsammelt oder auch selbst verwertet. Ebenso wie der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sich nach § 22 Satz 1 KrWG Dritter bedienen kann, um seine Verwertungspflichten zu erfüllen, kann auch der mit der Sammlung und Verwertung beauftragte Dritte seinerseits ein weiteres Unternehmen mit der Verwertung beauftragen. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG kann vor diesem Hintergrund nicht dahingehend verstanden werden, dass zwar Sammlung und Verwertung gemeinsam auf einen Dritten übertragen werden können, mit der Verwertung aber nicht anschließend ein darauf spezialisierter Entsorgungsfachbetrieb beauftragt werden kann.
58Allein die Existenz eines vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder einem beauftragten Dritten durchgeführten haushaltsnahen bzw. sonstigen hochwertigen Entsorgungssystems führt jedoch nicht dazu, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch eine auf die gleichen Abfälle gerichtete gewerbliche Sammlung im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG wesentlich beeinträchtigt wird.
59Der Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG legt ein derartiges Verständnis bei isolierter Betrachtung zwar nahe. Für eine enge Orientierung am Gesetzeswortlaut spricht nicht zuletzt auch das nach der Gesetzesbegründung mit der Regelung des Satz 3 verfolgte Ziel, die Schwelle zu konkretisieren, ab der eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung angenommen werden kann, und den Betroffenen und den Behörden eine klare Leitlinie vorzugeben.
60Vgl. BTDrucks 17/7505 (neu), S. 44.
61Doch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG gesetzessystematisch als Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG fungiert. Danach wird in einem materiellen Sinne vorausgesetzt, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung „wesentlich beeinträchtigt wird“. In dem „Kaskadenmodell“ des § 17 Abs. 3 KrWG stellt jene Bestimmung ihrerseits eine Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG dar; die dort geschützte Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten kann sinnvollerweise nicht bereits auf Grund des bloßen Nebeneinanders von gewerblicher und kommunaler Sammlung gleicher Abfallarten ohne inhaltliche Würdigung der konkurrierenden Entsorgungssysteme als „gefährdet“ angesehen werden.
62Vgl. VGH BW, Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris, Rn. 40; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 128.
63Im Gesetzgebungsverfahren war umstritten, ob sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG innerhalb der europarechtlichen Grenzen bewegt. Die Bundesregierung war der Auffassung, die vorgenommene Auslegung des Begriffs der „entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen“ korrigieren zu müssen. Der federführende Ausschuss des Bundesrats hielt dies dagegen nicht für notwendig, da auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer gewerblichen Sammlung erst dann überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, wenn die Sammlung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich zieht.
64Vgl. BTDrucks 17/6645, S. 5; BRDrucks 216/1/11, S. 20 ff.; BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <163>.
65Jedoch wurde von keiner Seite geltend gemacht, dass der Begriff der „entgegenstehenden öffentlichen Interessen“ vom Bundesverwaltungsgericht zu eng ausgelegt worden wäre und unabhängig von den konkreten Auswirkungen auf die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gewerbliche Abfallsammlungen stets untersagt werden sollten, wenn bereits öffentlich-rechtliche Entsorgungsstrukturen bestehen. Ein formales, am Wortlaut orientiertes Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG stände letztlich im Widerspruch zu dem Begriff der „wesentlichen Beeinträchtigung“ in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG und dem in § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KrWG zum Ausdruck kommenden Ziel, die Konkurrenzsituation zwischen gewerblichen Sammlungen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern entsprechend der in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 106 Abs. 2 AEUV gezogenen Grenzen zu regeln.
66Vgl. BTDrucks 17/6052, S. 87; BTDrucks 17/7505 (neu), S. 43.
67Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird die Erbringung einer im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Dienstleistung bereits dann im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindert, wenn die betreffende Aufgabe unter den Voraussetzungen des freien Wettbewerbs nicht mehr zu wirtschaftlich vertretbaren bzw. ausgewogenen Bedingungen erfüllt werden kann. Bei der Konkretisierung dieser Vorgabe kommt den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum zu. Insbesondere kann es auch zulässig sein, den Wettbewerb in wirtschaftlich attraktiven Geschäftsfeldern einzuschränken, um eine Quersubventionierung unrentabler Tätigkeitsbereiche zu ermöglichen. Die Beschränkung muss aber erforderlich sein, es darf kein milderes Mittel zur Verfügung stehen, mit dem die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in gleicher Weise gewährleistet werden kann.
68Vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - C-475/99 -, Rn. 57 ff.; Urteil vom 25. Juni 1998 - C-203/96 -, Rn. 67.
69Wenn eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers stets angenommen würde, wenn ein öffentlich-rechtlich organisiertes Entsorgungssystem überhaupt besteht und zwar unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vorliegt, führte dies mithin zu einem europarechtlich nicht gerechtfertigten absoluten Konkurrentenschutz.
70Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 115.
71Der europarechtlich vorgegebene und in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG ausdrücklich aufgegriffene Maßstab, nach dem zu prüfen ist, ob die Aufgabenerfüllung zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert wird, muss daher auch bei der Anwendung der Regelbeispiele des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG Beachtung finden.
72Dabei begegnet es zunächst keinen Bedenken, dass der Gesetzgeber sich letzten Endes nicht darauf beschränkt hat, die europarechtlichen Vorgaben wiederzugeben, sondern die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung zu einem „eigenständigen Schutzobjekt“ aufgewertet hat. Damit wird lediglich klargestellt, dass die Aufgabenerfüllung zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen aus innerstaatlicher Sicht stets dann im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindert wird, wenn die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wesentlich beeinträchtigt wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin weichen die Begriffe der „Gefährdung“ in § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG und der „wesentlichen Beeinträchtigung“ in § 17 Abs. 3 Satz 2, 3 KrWG nicht in rechtswidriger Weise vom Begriff des „Verhinderns“ in Art. 106 Abs. 2 AEUV ab, da sich der Begriff des „Verhinderns“ nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die Aufgabenerfüllung zu wirtschaftlichen ausgewogenen Bedingungen bezieht.
73Das Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG muss dagegen vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen einschränkend ausgelegt werden. Die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers muss konkret und spürbar beeinträchtigt sein. Anderenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erfüllung der Entsorgungspflichten im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindert und die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährdet wird.
74Die Bedeutung der Regelbeispiele des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG erschließt sich letztlich vor dem Hintergrund der Altpapier-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009. In dieser Entscheidung werden verschiedene Fallgestaltungen angesprochen, die nunmehr ihren Niederschlag in § 17 Abs. 3 KrWG gefunden haben. Deshalb ist davon ausgehen, dass sich der Gesetzgeber des Kreislaufwirtschaftsgesetzes an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG orientiert hat.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 - 20 A 2798/11-, juris, Rn. 129, 170 ff.
76Der Gesetzgeber greift mit dem Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG zunächst ausdrücklich den in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts genannten Fall auf, dass die Ausschreibung von Entsorgungsleistungen erschwert bzw. Ausschreibungsverfahren unterlaufen würden.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <163>.
78In Abgrenzung hierzu nimmt das Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG die möglichen nachteiligen Auswirkungen auf eine vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger organisierte, nach Abfallsorten getrennte Sammlung in den Blick, auf die das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls hingewiesen hatte. Eine spürbare Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung ist insoweit gegeben, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zu einer wesentlichen Änderung und Anpassung seiner Entsorgungsstruktur - zum Beispiel durch Vorhaltung von Personal für den Fall, dass der gewerbliche Sammler infolge veränderter Marktbedingungen seine Tätigkeit einstellen und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger deshalb möglicherweise unvermittelt zur Übernahme der Entsorgungstätigkeit genötigt sein sollte - gezwungen würde.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2009 - 7 C 16.08 -, BVerwGE 134, 154 <163>.
80Mit dem Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG wird dementsprechend klargestellt, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung auch beeinträchtigt sein kann, wenn die vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger getrennt oder gemischt durchgeführte Abfallsammlung in ihrer Struktur unverändert aufrechterhalten werden könnte, aber eine erhebliche Gebührenerhöhung droht.
81Demnach ist aus Sicht des erkennenden Gerichts vorliegend nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass die angezeigte Sammlung der Klägerin im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Altkleideraufkommens im Entsorgungsgebiet erfassen würde. Das Gesetz nimmt in § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG gerade nicht auf den Entzug bestimmter Abfallmengen Bezug, sondern verwendet die Begriffe der „Planungssicherheit“ und „Organisationsverantwortung“.
82Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist im Fall des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG vielmehr nur anzunehmen, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bzw. der beauftragte Dritte wegen der gewerblichen Sammlungen gezwungen ist, seine Entsorgungsstruktur wesentlich zu ändern oder anzupassen.
83Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 138; Urteil vom 12. Juni 2014 - 17 K 2816/13 -, juris, Rn. 110; VG Ansbach, Urteil vom 18. Juni 2014 - AN 11 K 14.00407 -, juris, Rn. 36.
84Vor diesem Hintergrund gibt es keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass die gewerbliche Sammlung der Klägerin – auch im Zusammenwirken mit den anderen angezeigten Sammlungen – die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung der Beklagten als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger bzw. der von ihr beauftragten B. wesentlich beeinträchtigen und damit deren Funktionsfähigkeit gefährden würde.
85Die Beklagte macht geltend, durch die Konkurrenz gewerblicher Sammler würden die möglichen Sammelmengen stark zurückgehen, da durch das vorhandene System der B. das Sammlungspotential in Leverkusen nahezu vollständig abgeschöpft werde. Es sei zu erwarten, dass bei einer vollständigen Aufstellung der Sammelcontainer durch Dritte mindestens die Hälfte der Einsammelmenge der B. wegfalle. Dieser allgemein gehaltene Vortrag bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für konkret drohende nachteilige Auswirkungen auf die bestehende Sammlung der B. . Es liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass das bisherige System nicht auch bei stark zurückgehenden Sammelmengen weiter betrieben werden könnte. Die Sammlung über Container im Bringsystem verursacht relativ geringen Aufwand und kann ohne weiteres an steigende oder fallende Sammelmengen angepasst werden, indem die Container z.B. häufiger oder seltener geleert werden. Es bleibt letztlich unklar, welche konkreten Änderungen aus Sicht der Beklagten aufgrund der angezeigten Sammlungen zukünftig erforderlich werden. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bzw. der von ihm beauftragte Dritte muss sich zudem immer auf gewisse Schwankungen in den Abfallmengen einstellen.
86Es ist von der Beklagten letztlich weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Sammlung der Klägerin Konsequenzen in technischer, organisatorischer, personeller und wirtschaftlicher Hinsicht nach sich zöge, die zu einer wesentlichen Änderung oder Anpassung der kommunalen Strukturen im Bereich der Entsorgung von Alttextilien im Stadtgebiet führten. Allein die Abschöpfung eines bestimmten Anteils des nach Angaben der Beklagten vorhandenen Potenzials an Wertstoffen muss nicht korrelierend mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung sein. Hinreichende Angaben darüber, wie sich der Verlust der Sammelmenge auf die Planungssicherheit bzw. die Organisationsverantwortung auswirken, fehlen indes. Es ist zurzeit konkret nichts dafür ersichtlich, dass die B. ihre Sammlung von Alttextilien neben den gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen nicht wie bisher wird weiterführen können, zumal die B. über „gesicherte“ Stellplätze für ihre Container verfügt.
87Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass die Auswirkungen der gewerblichen Sammlungen schwer abzuschätzen seien, insbesondere bei ungenauen Angaben zum geplanten Umfang der Sammlung. Doch rechtfertigt dies nicht den Erlass einer vorsorglichen Untersagungsverfügung, wenn noch gar nicht absehbar ist, ob überhaupt eine Änderung der Entsorgungsstrukturen erforderlich werden könnte. Insoweit bleibt die zukünftige Entwicklung abzuwarten.
88Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Abfallgebühren erhöht werden müssten, steht eine Gefährdung der Gebührenstabilität im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG im Raum. Es fehlen jedoch substantielle Angaben dazu, unter welchen Voraussetzungen mit welchen Gebührenveränderungen zu rechnen wäre. Es liegt zwar auf der Hand, dass sich ein Rückgang der kommunalen Sammelmengen wegen der zu erwartenden Einnahmeausfälle auch auf die Gebührenhöhe auswirken könnte. Eine Gefährdung der Gebührenstabilität ist jedoch nicht schon bei jeder nur geringfügigen Gebührenerhöhung anzunehmen. Die Gebührenhöhe unterliegt ohnehin gewissen Schwankungen, entscheidend ist wiederum, ob die Planungssicherheit in wesentlichem Umfang beeinträchtigt wird. Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.
89Vgl. zum Merkmal der Gebührenstabilität im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 - 20 A 2798/11-, juris, Rn. 178 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2014 - 17 K 3013/13 -, juris, Rn. 148 ff.; Urteil vom 12. Juni 2014 - 17 K 2816/13 -, juris, Rn. 119 ff.
90Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von ihm beauftragten Dritten aus einem sonstigen Grund beeinträchtigt wird, der nicht von den Regelbeispielen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG erfasst wird. Die maßgeblichen Gesichtspunkte sind nach den vorstehenden Ausführungen der durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG gewährleistete Schutz der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstruktur und die in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG geregelten Auswirkungen auf die Gebührenstabilität.
91Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen vorliegend aus Gründen verhindert wird, die nicht bereits dem besonders genannten Fall der wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung und den diesbezüglichen Regelbeispielen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG zuzuordnen sind.
92Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von ihm beauftragten Dritten wird durch die von der Klägerin angezeigte Sammlung mithin nicht gefährdet. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der gewerblichen Sammlung der Klägerin anderweitige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden.
93IV. Da das Erweiterungsverbot in Ziffer I des Bescheides der Beklagten vom 24. Mai 2013 aufgehoben wird, ist auch die diesbezügliche Zwangsgeldandrohung in Ziffer IV des Bescheides gegenstandlos.
94V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
95Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil unter anderem die Frage der einschränkenden Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG von grundsätzlicher Bedeutung ist.
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