Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 19 K 6787/14
Tenor
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der am 00. 00. 0000 geborene Kläger ließ sich, vertreten durch seine Eltern, am 26. 02. 2013 für einen Betreuungsplatz in einer städtischen Kindertageseirichtung (Kita) vormerken.
3Mit Bescheid vom 17. 01. 2014 teilte die Beklagte dem Kläger und seinen Eltern mit, dass dem Kläger kein Betreuungsplatz in einer städtischen Kindertageseinrichtung angeboten werden könne. Die Beklagte verwies den Kläger auf zuzahlungsfreie Plätze in der Kindertagespflege und benannte Vermittlungsstellen für Betreuungsplätze in der Kindertagespflege. Klage gegen den mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid wurde nicht erhoben.
4Ab dem 01. 02. 2014 wurde der Kläger in der privaten Kindertageseinrichtung „M. C. “ betreut. Die Betreuungskosten dort beliefen sich in den Monaten Februar und März 2014 auf jeweils 600,- €, in den Monaten April bis September 2014 auf jeweils 1.050,- €.
5Am 08. 12. 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Erstattung des finanziellen Mehraufwandes für die private Kinderbetreuung geltend macht.
6Zur Begründung der Klage beruft sich der Kläger auf § 36a Abs. 3 SGB VIII und führt unter anderem aus, die Beklagte habe ihm weder einen Platz in einer Kindertageseinrichtung noch eine bedarfsgerechte Tagespflegeperson vermitteln können. Die Betreuung habe wegen der Berufstätigkeit der Eltern auch keinen Aufschub geduldet, weshalb die Eltern des Klägers selbst eine Betreuungseinrichtung beschafft hätten.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, ihm 4.479,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. 11. 2014 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie macht unter anderem geltend, dem geltend gemachten Erstattungsanspruch stehe der Vorrang des Primärrechtsschutzes entgegen.
12Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Das Gericht konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
16Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
17Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte die für seine Betreuung in der privaten Kindertageseinrichtung „M. C. “ entstandenen Mehrkosten erstattet.
18Der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch setzt in analoger Anwendung des § 36 a Abs.3 SGB VIII
19vgl. BVerwG, Urteil vom 12.09.2013 – 5 C 35.12 -, juris
20voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung der Behörde über die Gewährung der Leistung oder bis zur Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
21Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
22Der Kläger hat die Beklagte zwar durch seinen Aufnahmeantrag vom 26. 02. 2013 und auch in der Folgezeit von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt und die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen vor.
23Dem Anspruch auf Erstattung der Selbstbeschaffungskosten steht aber der in § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII zum Ausdruck kommende Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes entgegen. Der Kläger hat es versäumt, seinen Primäranspruch auf Zuweisung eines zumutbaren Betreuungsplatzes in einer städtischen Kindertageseinrichtung im Klageweg weiter zu verfolgen. Er hat gegen den Bescheid vom 17. 01. 2014, mit dem sein Antrag abgelehnt wurde, keine Klage erhoben. Auch den alternativ bestehenden Anspruch auf Zuweisung einer bedarfsgerechten Tagespflegeperson hat der Kläger nicht klageweise weiterverfolgt.
24Ausgehend von dem Wortlaut der Regelung in § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3b SGB VIII ist es erforderlich, dass der Leistungsberechtigte die zulässigen Rechtsmittel gegen eine zu Unrecht ablehnende Entscheidung in Anspruch nimmt und für die Zeitspanne, für die er Erstattung des Mehraufwandes begehrt, auch aufrecht erhält. Ist die Bedarfsdeckung während des Rechtsbehelfsverfahrens eilbedürftig, begründet dies die Zulässigkeit einer Selbstbeschaffung, wenn die Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren festgestellt wird,
25vgl. Wiesner, in: ders.(Hrsg.), Kommentar zum SGB VIII, 4. Auflage 2011,
26§ 36a Rn. 53; Kunkel/Pattar, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014,
27§ 36a Rn. 2.
28Wird die Entscheidung des Jugendhilfeträgers hingegen hingenommen und nicht (mehr) mit Rechtsmitteln angegriffen, ist der Weg der Selbstbeschaffung wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes verschlossen. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes soll und muss ein Leistungsberechtigter grundsätzlich unmittelbar gegen einen als rechtswidrig angesehenen Rechtsakt mit den verfügbaren Rechtsbehelfen vorgehen, wenn er sich dagegen wehren will. Wer von den Rechtsschutzmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, kann wegen eines etwaigen, von ihm selbst herbeigeführten Rechtsverlustes nicht anschließend von der öffentlichen Hand Geldersatz verlangen.
29Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
30Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 101 1x
- VwGO § 188 1x
- § 36a Abs. 3 SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- § 36 a Abs.3 SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3b SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)