Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 13 K 15354/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Herausgabe von Positionsdaten (für zwei Tage) des Tenders „Rhein“, eines Versorgungsschiffes der Deutschen Marine, das im Rahmen der bis März 2020 laufenden Militäroperation „Sophia“, die sich u.a. gegen Schleuser im Mittelmeer richtete, tätig war.
3Mit Email vom 10. Juli 2017 beantragte der Kläger gestützt auf das IFG/UIG beim Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) die Übersendung der AIS-Daten des Tenders „Rhein“ vom 15. und 16. April 2017.
4Das BMVg gab dem Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2017 insoweit statt, als er sich auf die Auflistung der AIS-Daten des Tenders „Rhein“ nach Schiffstyp, Rufzeichen (Call Sign), Maritime Mobile Service Identity (MMSI) - Nummer, Abmessungen des Schiffes und Status des Tenders bezog. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab.
5Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, Zugang zu den Geokoordinaten (einschließlich Kurs und Geschwindigkeit) der durch Schiffe der Deutschen Marine durchgeführten Seenotrettung könne nicht gewährt werden, da dem die Versagungsgründe des § 3 Nr. 1 lit. b) und § 3 Nr. 4 IFG entgegenstünden. Die erbetenen Geokoordinaten seien durch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr als Verschlusssache im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) eingestuft. Die Gründe für die Einstufung bestünden fort. Aus der Kenntnis der Geokoordinaten ließen sich Rückschlüsse über die Operationsführung im Rahmen des mandatierten Auftrages zur Schleuserbekämpfung und Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen, die Patrouillengebiete der Einsatzkräfte (z.B. Zeit und Ort der Aufklärung in Vorbereitung anderer militärischer Aktivitäten) sowie Fähigkeiten der Schiffe der Deutschen Marine ableiten, die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftig seien. Auch bei Anfragen nach einem einzelnen Datum müsse diese Einstufung aufrechterhalten werden, da das IFG Folgefragen nach anderen Daten zulasse und eine Verkettung der entsprechenden Einzelantworten die Erstellung einer Gesamtlage ermögliche. Letztlich seien nachteilige Auswirkungen für sicherheitsempfindliche Belange der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Partner im Rahmen EUNAVFOR MED Operation „Sophia“ bei Offenlegung zu erwarten.
6Seinen Widerspruch vom 1. August 2017 begründete der Kläger zum einen damit, dass eine formale Einstufung als Verschlusssache für die Annahme des Versagungsgrundes § 3 Nr. 4 IFG nicht ausreiche. Vielmehr komme es darauf an, ob materielle Gründe für
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8Der Begriff Automatic Identification System (AIS; zu Deutsch: Automatisches Identifikationssystem) oder Universal Automatic Identification System (UAIS) bezeichnet ein Funksystem, das durch den Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit und die Lenkung des Schiffsverkehrs verbessert.
9eine solche Einstufung vorlägen, was hier nicht substantiiert dargelegt worden sei. Zum anderen sei auch nicht nachvollziehbar, inwiefern bei der Herausgabe der Geokoordinaten der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 1 lit. b) IFG vorliege. Der allgemeine Verweis auf mögliche Rückschlüsse auf die Operationsführung der Deutschen Marine sei nicht ausreichend. Nachteilige Auswirkungen seien nicht belegt worden. Schon jetzt seien im Übrigen die AIS-Daten des Tenders minutengenau über Webseiten wie marinetraffic.com für die gesamte Öffentlichkeit abrufbar. Diese Möglichkeit stehe auch Schleusern offen. Es sei daher nicht belegt, inwiefern sich die Herausgabe bestimmter historischer Daten davon unterscheide.
10Mit Bescheid vom 3. November 2017 wies das BMVg den Widerspruch zurück. Der Informationsfreigabe stehe § 3 Nr. 1 lit. b) IFG entgegen. Eine minutengenaue Nachverfolgung der Bewegungen des Tenders „Rhein“ für die Öffentlichkeit sei – anders als der Kläger meine – nicht möglich. Wie alle Einheiten des Einsatzverbundes EUNAVFOR MED Operation „Sophia“ betreibe auch der Tender „Rhein“ auf Befehl der Operationsführung das AIS während des Aufenthaltes im Operationsgebiet ausschließlich auf Empfangsmodus. Im Sendemodus und damit für die Öffentlichkeit zugänglich seien ausschließlich Bewegdaten beim Befahren der italienischen Hoheitsgewässer sowie in dicht befahrenen Seegebieten außerhalb des Einsatzgebietes. Positionsdaten würden im Schiffstagebuch händisch in regelmäßigen Abständen hinterlegt. Diese Daten unterlägen der Vertraulichkeit, um nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des mandatierten Auftrages zu vermeiden. Solche nachteiligen Auswirkungen seien bei Bekanntgabe der Positionsdaten mit Blick auf die Operation „Sophia“ im Rahmen der mandatierten Operation zur Unterbindung der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen und zentralen Mittelmeer sowie der Durchsetzung des VN-Waffenembargos gegenüber Libyen auf Hoher See zu erwarten. Würde ein an der Operation beteiligtes Schiff seine Position übermitteln, könnten Menschenschmuggler und Embargobrecher diese Position weiträumig umfahren, um eine Entdeckung oder Verfolgung zu vermeiden. Diese sicherheitsrechtliche Gefährdungslage bestehe ebenso mit Blick auf Positionsdaten aus der Vergangenheit, da anhand dieser Informationen Operationsmuster und –verfahren der beteiligten Schiffe des Einsatzverbundes nachvollzogen und Bewegungsprognosen erstellt werden könnten. Die auf diesem Wege möglichen Wahrscheinlichkeitsprofile durch Menschenschmuggler und Embargobrecher müssten auch mit Blick auf die Effektivität des Einsatzes sowie die angestrebte Gefahrenabwehr durch die bezeichneten Personengruppen sowie aufgrund des vorgegebenen Einsatzprofils verhindert werden. Aus diesen Gründen stehe auch § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG der Offenlegung entgegen. Die Kenntnisnahme der Geokoordinaten durch Unbefugte führe zu Nachteilen für die Bundesrepublik Deutschland. Es handele sich hierbei um Informationen, die zu schützende Belange Dritter beträfen. Insbesondere seien aus den Positionen des deutschen Schiffes Rückschlüsse auf die Positionen der anderen Schiffe des Einsatzverbandes zu ziehen.
11Der Kläger hat am 1. Dezember 2017 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, die Beklagte habe bezüglich des Versagungsgrundes des § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG bislang nicht konkret nachvollziehbar dargelegt, inwieweit konkrete materiell-rechtliche Geheimhaltungsbedürfnisse vorlägen. Von einer sicherheitsrelevanten Gefährdungslage könne bei der Bekanntgabe von Geokoordinaten zweier Tage in der Vergangenheit hinsichtlich eines Schiffes, das im Mittelmeerraum unter anderem zur Bekämpfung des Menschenhandels eingesetzt werde, nicht die Rede sein, wie sich schon daran zeige, dass die norwegische Behörde National Criminal Investigation Service (NCIS) auf eine vergleichbare Anfrage die AIS-Positionsdaten des Schiffes „Siem Pilot“, das im Zuge der EU-Rettungsmission „Triton“, die von „Frontex“ koordiniert werde, zur Bekämpfung krimineller Menschenschmugglernetzwerke im Mittelmeerraum eingesetzt gewesen sei, offengelegt habe. Die EU-Maßnahmen „Triton“ und „Sophia“ seien eng verzahnt und vergleichbar. Die „Siem Pilot“ und der Tender „Rhein“ operierten unter dem gleichen Kernauftrag. Norwegen unterstütze die Operation „Sophia“ und unterstehe damit den gleichen sicherheitspolitischen Geheimhaltungspflichten wie Deutschland. Zudem sei es allein auf der Grundlage der hier in Rede stehenden Daten gar nicht möglich, die Positionierung sämtlicher an der Operation „Sophia“ beteiligter Schiffe zu bestimmen. Das Einsatzgebiet von „Sophia“ sei ohnehin allgemein bekannt. Er, der Kläger, habe nicht vor, Folgeanträge zu stellen. Jedenfalls nach Abschluss der Operation „Sophia“ seien die Daten herauszugeben. Die Beklagte komme ihrer Substantiierungspflicht nicht nach, wenn sie sich lediglich auf die abstrakte Möglichkeit eines zukünftigen Rückgriffs auf die vom Informationsbegehren umfassten Daten berufe. Ein zeitlich unbegrenzter Geheimhaltungsschutz dieser Daten könne auf diese Weise nicht begründet werden. Dies zeige sich auch daran, dass die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage selbst die Positionsdaten von Schiffen der Operation „Sophia“ anlässlich eines Vorfalls vom 10. Mai 2017 auf libyschem Hoheitsgebiet preisgegeben habe.
12Soweit sich die Beklagte auf § 3 Nr. 1 lit. b) IFG berufe, seien schon keine militärischen Belange ersichtlich, die durch die Bekanntgabe der AIS-Daten berührt sein könnten. Die Tatsache, dass der Tender „Rhein“ auch im Bereich der Seenotrettung tätig sei, lasse nicht darauf schließen, dass dies auch Teil einer militärischen Zielsetzung der Bundeswehr sei. Jedenfalls aber lägen keine nachteiligen Auswirkungen auf solche Belange vor. Die allein begehrten Positionsdaten für die Vergangenheit ließen keine Rückschlüsse auf die aktuelle oder zukünftige Positionierung zu. Ein allgemeiner Verweis auf mögliche Rückschlüsse auf die Operationsführung der Deutschen Marine sei nicht ausreichend. Konkrete nachteilige Auswirkungen seien nicht belegt worden.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Verteidigung vom
1531. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2017 zu verpflichten, ihm alle Geokoordinaten (einschließlich Kurs und Geschwindigkeit) des Tenders „Rhein“ vom 15. und 16. April 2017 zu übermitteln.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen
18Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und stellt nochmals klar, dass die vom Kläger begehrten Geokoordinaten (einschließlich Kurs und Geschwindigkeit) lediglich in Gestalt von Positionsdaten, die händisch im Abstand von etwa 15 Minuten im Schiffstagebuch hinterlegt würden, existieren. AIS-Daten würden lediglich beim Befahren der italienischen Hoheitsgewässer sowie in dicht befahrenen Seegebieten außerhalb des Einsatzgebietes gesendet. AIS-Daten in Gestalt von Sendedaten während des Aufenthaltes im Einsatzgebiet existierten folglich nicht.
19Das Schiffstagebuch des Tenders „Rhein“ sei – wie jedes Schiffstagebuch eines deutschen Kriegsschiffes – als „Verschlusssache“ eingestuft. Dies stehe gemäß § 3 Nr. 4 IFG dem Informationsanspruch des Klägers entgegen. Die angefragten Positionsdaten beträfen sowohl die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland als auch deren äußere Sicherheit. An der Operation „Sophia“ hätten 27 EU-Mitgliedsstaaten teilgenommen, von denen vier Schiffe bereitgestellt hätten. Der Tender „Rhein“ sei im fraglichen Zeitraum von europäischen Vorgesetzten geführt worden und habe als Kriegsschiff i.S.d. Art. 29 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen an der Operation teilgenommen. Sein Bewegungsmuster sei den multinationalen Vorgaben der europäischen Militäroperation gefolgt. Es seien Rückschlüsse nicht nur auf deutsche, sondern auch auf Einsatzverfahren des europäischen Marineverbandes möglich gewesen. Eine Preisgabe derartiger Informationen führe zu negativen Auswirkungen auf das Vertrauen der EU-Partner in die Bundesrepublik Deutschland. Ein Bekanntwerden der Informationen sei auch nachteilig für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik, da die Funktions- und Bündnisfähigkeit der Streitkräfte gefährdet werde. Schleuser oder Embargobrecher könnten aus den Daten nicht nur Rückschlüsse auf die Einsatztaktik deutscher Kriegsschiffe ziehen, sondern auch auf deren technische Möglichkeiten, wie z.B. die Reichweite von Radaranlagen. An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand nichts, dass der norwegische NCIS AIS-Daten der „Siem Pilot“ an den Kläger übermittelt habe. Norwegen beteilige sich nicht an der Operation „Sophia“. Zwischen „Sophia“ und „Frontex“, an der Norwegen beteiligt gewesen sei, bestünden signifikante Unterschiede hinsichtlich Auftrag (Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Waffenschmuggel einerseits, Grenzsicherung andererseits) und Führung (militärisch/zivil). Für den NCIS und die Beklagte gälten unterschiedliche Sicherheitsstandards. Zudem sei die „Siem Pilot“ kein Kriegsschiff, sondern ein Bohrinselversorger. Auch eine Beendigung der Operation führe nicht zu einer abweichenden Bewertung. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der technischen Fähigkeiten eines Schiffes der Deutschen Marine bestehe auch nach dem Ende eines konkreten Einsatzes fort. Das gleiche gelte für Umstände, die Rückschlüsse auf einzelne, in einem konkreten Einsatz angewandte Verfahren zuließen, sofern die taktischen Vorgaben der konkreten Operation in Bezug auf taktische Vorgaben zukünftiger Operationen universellen Charakter besäßen. Die bei einer Mission gewonnenen Daten würden regelmäßig im Rahmen der Einsatzauswertung analysiert und in Bezug auf ihre Verwendung in Vorschriften und ständigen Vorgaben für vergleichbare zukünftige Operationen verwendet.
20Daneben sei der Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 lit. a) IFG einschlägig. Der Einsatz des Tenders „Rhein“ sei im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union erfolgt und damit Ausdruck der Einbettung der Bundesrepublik in die Europäische Union als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Die militärische Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union sei auf den vertrauensvollen Umgang der Mitgliedsstaaten untereinander angewiesen. Der Schutz von Verschlusssachen richte sich dabei nach dem Ratsbeschluss 2013/488 vom 23. September 2013. Es seien nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen zu erwarten, wenn sich die Beklagte als nicht in der Lage erweise, aus militärischen Gründen geheimhaltungsbedürftige Vorgänge vor einer Offenbarung gegenüber Jedermann wirkungsvoll zu schützen. Es sei zu besorgen, dass die Beklagte von dem erforderlichen Zugang zu sensiblen Informationen abgeschnitten werde.
21Schließlich stehe dem Informationsanspruch des Kläger § 3 Nr. lit. b) IFG entgegen. Das Bekanntwerden der Positionsdaten habe nachteilige Auswirkungen auf militärische Belange der Bundeswehr. Schon die Kenntnis von der Position eines Kriegsschiffes könne dazu führen, dass Dritte mit Gefährdungsansicht sich entweder durch eigene Positionierung im Raum dem Zugriff entzögen oder sogar Kriegsschiffe zum Ziel von beispielsweise terroristischen Angriffen machten.
22Sie verweist darauf, dass im Rahmen der von der Klägerseite angeführten Kleinen Anfrage nicht die Offenlegung der Positionsdaten von an der Operation „Sophia“ beteiligten Einheiten erfolgt sei, sondern vielmehr das Positionsdatum eines Vorfalls benannt worden sei, an dem ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache beteiligt gewesen sei.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist unbegründet.
26Der Bescheid des BMVg vom 31. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2017 ist – im angegriffenen Umfang - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
27Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Offenlegung der begehrten Positionsdaten.
28Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Danach hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
29Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Bei den von der Beklagten verweigerten Unterlagen handelt es sich auch um amtliche Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 IFG. Dabei ist das BMVg anspruchsverpflichtete Behörde.
30Einem Anspruch auf Zugang zu den verwehrten Positionsdaten steht aber die Regelung des § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG entgegen.
31Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung – VSA) geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Nach § 2 Abs. 2
32Nr. 4 VSA i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen, Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG - erfolgt eine Einstufung als „VS-NfD“, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Geschützt werden insbesondere Informationen, die die innere oder äußere Sicherheit oder auswärtige Beziehungen des Bundes oder eines Landes betreffen, Anlage III Nr. 1 VSA. In erster Linie kommt eine Einstufung daher zugunsten von Schutzgütern in Betracht, die der Existenz und Funktionstüchtigkeit staatlicher Einrichtungen und Aufgaben dienen,
33vgl. Warg, in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019 § 4 SÜG Rdn. 6.
34Dabei muss nicht der sichere Nachweis eines Nachteils erbracht werden. Es genügt insofern die Möglichkeit einer Beeinträchtigung. Diese Möglichkeit darf aber nicht nur eine theoretische sein. Eher fernliegende Befürchtungen scheiden aus,
35vgl. Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urteil vom 29. April 2021 – 2 K 262.19 -, juris Rdn. 26.
36In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die formale Einstufung als Verschlusssache nicht ausreicht. Es kommt vielmehr auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache an. Denn den öffentlichen Belangen drohen keine Nachteile, wenn eine als Verschlusssache eingestufte Information bekannt wird, es sei denn die Einstufung entspricht den materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen,
37so: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom
3829. Oktober 2009 - 7 C 22.08 -, juris Rdn. 47 ff.; BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2012 ‑ 20 F 1.11 ‑, juris Rdn. 9.
39Insoweit muss die informationspflichtige Stelle plausibel darlegen, welche konkreten Gefahren die Einstufung eines Vorgangs als Verschlusssache rechtfertigen. Die informationspflichtige Stelle ist zu der Prüfung verpflichtet, ob die materiellen Voraussetzungen für die seitens der herausgebenden Stelle (§ 15 Abs. 1 VSA) erfolgte Einstufung als Verschlusssache (noch) vorliegen,
40vgl. Schoch, IFG Kommentar, 2. Auflage 2016,
41§ 3 Rdn. 230.
42Hinsichtlich des Ausschlussgrundes gilt - wie für die anderen hier im Raum stehenden gesetzlichen Ausschlussgründe auch -, dass die informationspflichtige Stelle, soweit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen möglich ist, Tatsachen darlegen muss, aus denen sich im jeweiligen Fall die Geheimhaltungsbedürftigkeit ergibt,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20.17 -, juris Rdn. 38; VG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2013 – 2 K 282.12 -, juris Rdn. 37 f.
44Dies erfordert eine auf einzelne Teile des Aktenbestands bezogene differenzierende Darstellung,
45vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, juris Rdn. 41; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rdn. 33.
46Die Angaben müssen allerdings nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann,
47vgl. VG Berlin, Urteil vom 1. Juni 2012 - VG 2 K 177.11 -, juris Rdn. 31.
48Angesichts des bei materiellen Geheimhaltungsgründen aus der Natur der Sache folgenden „Darlegungsnotstands“ der Behörde ist lediglich ein Mindestmaß an Plausibilität zu fordern,
49vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20.17 -, juris Rdn. 38.
50Es genügt demnach, wenn die zuständige Behörde ihre Wertung der Umstände, die die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründen, so einleuchtend darlegt, dass das Gericht diese Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann,
51vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1982 – 4 B 172/82 -, juris, zur Verweigerung der Vorlage nach § 99 Abs. 2 Satz1 VwGO.
52Dies ist hier geschehen.
53Das BMVg hat zunächst plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass die angefragten Positionsdaten die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betreffen, weil sich aus der Kenntnis der begehrten Geokoordinaten Rückschlüsse über die Operationsführung im Rahmen des mandatierten Auftrages zur Schleuserbekämpfung und Durchsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen, die Patrouillengebiete der Einsatzkräfte (z.B. Zeit und Ort der Aufklärung in Vorbereitung anderer militärischer Aktivitäten) sowie Fähigkeiten der Schiffe der Deutschen Marine ableiten ließen, die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftig seien. Schleuser oder Embargobrecher könnten aus den Daten nicht nur Rückschlüsse auf die Einsatztaktik deutscher Kriegsschiffe ziehen, sondern auch auf deren technische Möglichkeiten, wie z.B. die Reichweite von Radaranlagen. Die Positionsdaten unterlägen der Vertraulichkeit, um nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des mandatierten Auftrages zu vermeiden. Solche nachteiligen Auswirkungen seien bei Bekanntgabe der Positionsdaten mit Blick auf die Operation „Sophia“ im Rahmen der mandatierten Operation zur Unterbindung der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen und zentralen Mittelmeer sowie der Durchsetzung des VN-Waffenembargos gegenüber Libyen auf Hoher See zu erwarten. Würde ein an der Operation beteiligtes Schiff seine Position übermitteln, könnten Menschenschmuggler und Embargobrecher diese Position weiträumig umfahren, um eine Entdeckung oder Verfolgung zu vermeiden. Diese sicherheitsrechtliche Gefährdungslage bestehe ebenso mit Blick auf Positionsdaten aus der Vergangenheit, da anhand dieser Informationen Operationsmuster und –verfahren der beteiligten Schiffe des Einsatzverbundes nachvollzogen und Bewegungsprognosen erstellt werden könnten. Die auf diesem Wege möglichen Wahrscheinlichkeitsprofile durch Menschenschmuggler und Embargobrecher müssten auch mit Blick auf die Effektivität des Einsatzes sowie die angestrebte Gefahrenabwehr durch die bezeichneten Personengruppen sowie aufgrund des vorgegebenen Einsatzprofils verhindert werden. Zudem ließen sich aus den Positionen des deutschen Schiffes Rückschlüsse auf die Positionen der anderen Schiffe des Einsatzverbandes ziehen, was sogar die Gefahr terroristischer Angriffe auf die Kriegsschiffe berge,
54vgl. in diesem Zusammenhang auch: Gericht der EU, das auf die Gefahr hinweist, dass Schlepper nicht zögerten, („Frontex“-)Schiffe mit Kriegswaffen anzugreifen oder Manöver durchzuführen, die die Besatzungen und die Ausrüstung gefährden könnten, Urteil vom 27. November 2019 – T-31/18 -, Rdn. 73.
55Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, die Sorge des BMVg, durch eine Verkettung von herauszugebenden Daten könnten sich Rückschlüsse auf die Operationsführung ziehen lassen, sei unbegründet, da er nicht vorhabe, Folgefragen zu stellen und ein Bewegungsprofil zu erstellen, verfängt dies nicht:
56Denn die Frage, ob Informationszugang zu gewähren ist, hängt nicht von der Person des konkreten Antragstellers und seinen Absichten bezüglich der Verwendung bekannt gewordener Informationen ab. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Bekanntwerden der Information objektiv, also beispielsweise erst in der Hand anderer, geeignet ist, sich nachteilig auszuwirken. Insoweit sind alle in Betracht kommenden Möglichkeiten zu berücksichtigen, die einmal aus der Hand gegebenen Informationen zu nutzen. Die informationspflichtige Stelle kann nur für alle Anträge einheitlich beurteilen, ob ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 3 IFG vorliegt. Sie darf deshalb bei dem ersten gestellten Antrag die möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht ziehen,
57vgl. etwa: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 19. März 2013 – 8 A 1172/11 –, juris Rdn. 80 und vom 24. Mai 2016 – 15 A 2051/14 -, juris Rdn. 83, BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 –, juris Rdn. 24.
58Vorstehende Erwägungen gelten hier auch in Ansehung des Umstandes, dass von anderen Antragstellern bislang keine weiteren vergleichbaren Auskunftsanträge beim BMVg gestellt worden sind. Denn der Kläger hat bereits zwei Auskunftsanträge bei „Frontex“ gestellt. Der eine Antrag betraf den Zugang zu einer Liste von Schiffen, die im Juni 2017 im Rahmen der Operationen „Triton“ und „Poseidon“ eingesetzt worden waren (einschließlich Namen der Schiffe, ihrer Rufzeichen, der MMSI-Nummern, der Heimathäfen, Dienstgeschwindigkeiten, des Schiffstyps und der Treibstoffkapazität). Der andere hatte Informationen über den Namen, die Flagge und den Typ jedes zwischen dem 1. Juni und dem 30. August 2017 im Rahmen der Operation „Triton“ eingesetzten Schiffe zum Gegenstand,
59vgl. Gericht der EU, Urteil vom 27. November 2019 – T-31/18 -.
60Darüberhinaus hat der Kläger beim NCIS Norwegens eine Anfrage betreffend die Geokoordinaten der „Siem Pilot“, die im Rahmen der Operation „Triton“ von „Frontex“ eingesetzt war, betreffend den 15./16. April 2017 gestellt.
61Vor diesem Hintergrund überzeugt schon der Vortrag des Klägers, er habe nicht vor, (weiterhin mögliche) Folgeanträge zu stellen, nicht.
62Eine andere Beurteilung bedingt schließlich auch nicht der Umstand, dass der Kläger – wie erwähnt - von den norwegischen Behörden die Positionsdaten vom 15./16. April 2017 des Schiffes „Siem Pilot“ – einem Bohrinselversorger - übermittelt bekommen hat: Nach den substantiierten Angaben der Beklagten operierte dieses Schiff zunächst einmal nicht im Rahmen der Operation „Sophia“, sondern im Rahmen der Operation „Triton“ bzw. „Frontex“. Zwischen „Sophia“ und der Operation „Frontex“, an der Norwegen sich beteiligt hat, bestanden signifikante Unterschiede hinsichtlich Auftrag (Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Waffenschmuggel einerseits, Grenzsicherung andererseits) und Führung (militärisch/zivil). Des Weiteren besagt die (etwaige Fehl-)Einschätzung eines anderen Staates bezüglich der Frage der Offenlegung von Positionsdaten nichts für die vom BMVg zu treffenden Prognoseentscheidung und bindet dieses nicht. Im Übrigen – träfe die Behauptung des Klägers zur Vergleichbarkeit der Aufträge des Tenders „Rhein“ und der „Siem Pilot“ zu – würden mit der Beantwortung der streitgegenständlichen Frage bereits die zweiten „verwandten“ Positionsdaten offengelegt, was wiederum die vom BMVg befürchtete Erstellung von Bewegungsprofilen „näher rücken“ ließe.
63Angesichts des Umstandes, dass die ausgelaufene Operation „Sophia“ von der - zunächst bis zum 30. April 2022 laufenden – Operation „Irini“ abgelöst worden ist, ist auch plausibel, dass die Geheimhaltungsbedürftigkeit fortbesteht. Insofern hat das BMVg plausibel ausgeführt, die Geheimhaltungsbedürftigkeit der technischen Fähigkeiten eines Schiffes der Deutschen Marine bestehe auch nach dem Ende eines konkreten Einsatzes fort. Das gleiche gelte für Umstände, die Rückschlüsse auf einzelne, in einem konkreten Einsatz angewandte Verfahren zuließen, sofern die taktischen Vorgaben der konkreten Operation in Bezug auf taktische Vorgaben zukünftiger Operationen universellen Charakter besäßen. Die bei einer Mission gewonnenen Daten würden nämlich regelmäßig im Rahmen der Einsatzauswertung analysiert und in Bezug auf ihre Verwendung in Vorschriften und ständigen Vorgaben für vergleichbare zukünftige Operationen verwendet. Zwar hatte die Operation „Sophia“ den Auftrag zur Bekämpfung des Menschenschmuggels und der Menschenhandelsnetze, der Bekämpfung von Schleusern und deren Infrastruktur im südlichen und zentralen Mittelmeer, der Unterbindung des Waffenschmuggels, zur Lagebildgewinnung über den Ölschmuggel sowie den Aufbau einer wirksamen libyschen Küstenwache, während die Operation „Irini“ zwar grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie „Sophia“, jedoch mit unterschiedlichen Prioritäten hat. Die Kernaufgabe von „Irini“ ist die Umsetzung des Waffenembargos gegen Libyen. Zu ihren sekundären Aufgaben gehört jedoch auch die Unterbrechung des Menschenhandels, die Ausbildung der libyschen Küstenwache sowie der libyschen Marine und die Informationsgewinnung über illegale Exporte von Benzin aus Libyen.
64Damit sind die Schnittmengen so groß, dass beide Operationen vergleichbar sind.
65Des Weiteren ist auch hinreichend dargelegt, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland durch eine Preisgabe derartiger Informationen, durch die sich die Beklagte als nicht in der Lage erwiese, aus militärischen Gründen geheimhaltungsbedürftige Vorgänge vor einer Offenbarung gegenüber Jedermann wirkungsvoll zu schützen, gefährdet wären bzw. dass die Offenlegung zu negativen Auswirkungen auf das Vertrauen der EU-Partner in die Bundesrepublik Deutschland führen würde. Auch erscheint die Befürchtung nicht fernliegend, dass die Beklagte künftig von dem erforderlichen Zugang zu sensiblen Informationen abgeschnitten werden könnte.
66Bei der Beurteilung der Frage, ob auswärtige Beziehungen gefährdet sind, müssen dieselben Maßstäbe gelten, wie sie bei der Prüfung des – ebenfalls einschlägigen – Versagungsgrundes des § 3 Nr. 1. lit. a) IFG gelten.
67Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
68Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 lit. a) IFG schützt die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen. Zu den internationalen Beziehungen gehören die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem anderen ausländischen Staat. Für die Regelung dieser auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung ein. Innerhalb dieses Spielraums bestimmt die Bundesregierung die außenpolitischen Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie. Welche Ziele die Bundesregierung mit Hilfe welcher Strategie verfolgen will, entzieht sich mangels hierfür bestehender rechtlicher Kriterien weithin einer gerichtlichen Kontrolle. Ob ein Nachteil für die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem auswärtigen Staat eintreten kann, hängt wiederum davon ab, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu diesem Staat verfolgt. Nur mit Blick auf diese Ziele und die insoweit verfolgte außenpolitische Strategie kann die Frage beantwortet werden, ob sich die Bekanntgabe von Informationen auf die auswärtigen Belange nachteilig auswirken kann. Nachteil ist, was den außenpolitischen Zielen und der zu ihrer Erreichung verfolgten außenpolitischen Strategie abträglich ist. Wann eine Auswirkung auf die Beziehungen zu einem ausländischen Staat ein solches Gewicht hat, dass sie in diesem Sinne als Nachteil anzusehen ist, hängt ebenfalls von der Einschätzung der Bundesregierung ab. Nur die Bundesregierung kann bestimmen, ob eine von ihr erwartete oder befürchtete Einwirkung auf die auswärtigen Beziehungen mit Blick auf die insoweit verfolgten Ziele hingenommen werden kann oder vermieden werden soll,
69BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22.08 -, juris Rdn. 14ff., unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 -.
70Nach § 3 Nr. 1 lit. a) IFG ist der Anspruch auf Informationszugang ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information diese nachteiligen Auswirkungen haben „kann“. Was den Grad der Gewissheit anlangt, lässt die Vorschrift damit die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen ausreichen. Eher fernliegende Befürchtungen scheiden hingegen aus,
71BVerwG, a.a.O., Rdn 19 ff..
72Die Beeinträchtigung muss von einem gewissen Gewicht sein, was aus dem Gebot der engen Auslegung der Ausnahmetatbestände folgt,
73BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 – 7 C 1.12 -, juris Rdn. 39 und vom 27. November 2014 – 7 C 12.13 -, juris, Rdn. 24.
74kritisch dazu: Schoch, § 3 Rdn. 18, der aber i.E. auch der Meinung ist, dem Begriff der „nachteiligen Auswirkungen“ sei eine gewisse Erheblichkeit immanent.
75Der mögliche Eintritt von Nachteilen für die internationalen Beziehungen kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Ob und wie sich das Bekanntwerden von Informationen auf die außenpolitischen Ziele auswirkt, hängt von auf die Zukunft bezogenen Beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden sind. Das Gericht kann insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat.
76Wie bereits oben in anderem Zusammenhang ausgeführt, hängt die Frage, ob die Bekanntgabe einer Information sich auf die internationalen Beziehungen nachteilig auswirken kann, nicht von der Person des konkreten Antragstellers und seinen Ansichten ab. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Bekanntwerden der Information objektiv, also beispielsweise erst in der Hand anderer, geeignet ist, sich nachteilig auf die internationalen Beziehungen auszuwirken. Dafür sind alle in Betracht kommenden Möglichkeiten zu berücksichtigen, die einmal aus der Hand gegebenen Informationen zu nutzen. Die informationspflichtige Stelle kann nur für alle Anträge einheitlich beurteilen, ob ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 3 IFG vorliegt. Sie darf deshalb bei dem ersten gestellten Antrag die möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht ziehen.
77Besteht der mögliche Nachteil für die internationalen Beziehungen in der erwarteten oder befürchteten Reaktion eines auswärtigen Staates auf das Bekanntwerden einer Information, geht es wiederum um Einschätzungen und Erwartungen, deren tatsächliche Grundlage sich regelmäßig einer gerichtlichen Beweisaufnahme entzieht. Ob ein auswärtiger Staat das Bekanntwerden einer Information gelassen hinnehmen oder hierauf verstimmt reagieren wird, kann auch die Bundesregierung regelmäßig nicht auf der Grundlage einzelner konkreter Tatsachen prognostizieren und belegen. Dasselbe gilt für die Erwartung oder Befürchtung, der auswärtige Staat werde es der Bundesregierung als unfreundliches Verhalten anlasten, wenn sie zwar an sich sachliche Informationen gegeben hat, diese aber in der Öffentlichkeit, namentlich in der Presse zu Berichten und Behauptungen verwendet werden, die einen auswärtigen Staat in ein schlechtes Licht rücken. Der Einschätzung der Bundesregierung wird in solchen Fällen eine unbestimmte Vielzahl nicht benannter und benennbarer Einzeleindrücke und -beobachtungen zugrunde liegen, die sie im diplomatischen Verkehr mit dem auswärtigen Staat in der zurückliegenden Zeit gewonnen hat. Würde von der Behörde verlangt, sie müsse wenigstens beispielhaft einzelne Vorgänge oder Beobachtungen benennen, welche ihre Einschätzung stützen könnten, gewönnen diese Einzelumstände in ihrer Isolation nachträglich eine Bedeutung, die ihnen in Wahrheit nicht zukommt. Insoweit ist es möglich und nicht zu beanstanden, dass die Prognose ihrerseits nur wieder auf andere Einschätzungen zurückgeführt werden kann, die die Bundesregierung kraft ihrer Erfahrung im Umgang mit auswärtigen Staaten gewonnen hat. Es kann deshalb letztlich an einer im strengen Sinne beweisbaren Grundlage für ihre Prognose fehlen, ohne dass diese dadurch fehlerhaft würde.
78Das Gericht muss nachprüfen, ob der Versagungsgrund auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung der begehrten Erteilung von Auskünften (noch) entgegensteht,
79BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009, Rdn. 20ff.
80Wie dargelegt hat das BMVg ausgeführt, dass die Offenlegung der Positionsdaten zu Verstimmungen mit den EU-Partnern führen könnte.
81Diese Erwägungen halten sich gemessen an den oben dargelegten Anforderungen in dem weitgesteckten und gerichtlich nicht nachprüfbaren Spielraum außenpolitischer Gestaltung.
82Damit sind – auch - die Voraussetzungen des Versagungsgrundes des § 3 Nr. 1 lit. a) IFG auch heute noch gegeben.
83Hiernach kann dahinstehen, ob zusätzlich der Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 lit. b) IFG (militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr) ein-schlägig ist.
84Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
85Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
86Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht, § 124a Abs. 1 VwGO.
87Rechtsmittelbelehrung
88Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
96Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
97Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
98Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
99Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
100Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen der
101Beschluss
102Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
1035.000,-- €
104festgesetzt.
105Gründe
106Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG).
107Rechtsmittelbelehrung
108Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
109Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
110Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
111Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 ,-- € übersteigt.
112Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- § 4 SÜG 1x (nicht zugeordnet)
- 15 A 2051/14 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvE 1/03 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Nr. 1 IFG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Nr. 4 IFG 4x (nicht zugeordnet)
- § 3 IFG 2x (nicht zugeordnet)
- 4 B 172/82 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 99 1x
- § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 8 A 1172/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 1x