Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 7 L 512/21
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Die Anträge,
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1. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, allein auf Basis eines positiven PCR-Testergebnisses eine „Neuinfektion“ oder eine „Infektion“ oder eine „Covid-19-Erkrankung“ oder einen „Fall“ o.ä. mit dem SARS-CoV-2Virus i.S.d. § 28a Abs. 3 IfSG zu behaupten und entsprechende „Fallzahlen“ an das Sozialministerium, an das RKI oder an andere Institutionen zum Zwecke der Berechnung des Schwellenwerts (Inzidenzwerts) nach § 28 a IfSG weiterzuleiten.
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2. den Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu verpflichten, eine Neuinfektion mit dem Coronavirus SARS-CoV2 i.S.d. § 28a Abs. 3 IfSG nur nach labordiagnostischem Nachweis der Anzucht eines vermehrungsfähigen SARS-CoV-2-Virus (Krankheitserreger) i.S.d. § 2 Abs. 1 IfSG und nur nach anschließendem labordiagnostischem Ausschluss anderer Viren (insbesondere Influenza, Rhino, Adeno usw.) als „Neuinfektion“ an das Sozialministerium, an das RKI oder an andere Institutionen weiterzuleiten.
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3. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, eine nach Punkt 2 dieses Antrags mehrfach getestete und diagnostizierte Person mehr als einmal in die Berechnung des Inzidenzwerts aufzunehmen.
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4. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, Personen, die bis zu 4 Wochen nach einer Corona-Impfung positiv getestet werden, in die Berechnung des Inzidenzwertes aufzunehmen.
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5. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, Verstorbene, die nicht obduziert wurden, als angebliche „Coronafälle“ und damit als „Neuinfektion“ an das Sozialministerium, an das RKI oder an andere Institutionen weiterzuleiten.
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6. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig aufzuerlegen, sämtliche Verpflichtungen aus den Anträgen 1-5 auch bei Nachweis eventueller Mutationen des SARS-CoV-2-Virus zu erfüllen.
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7. dem Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig aufzuerlegen, sämtliche Verpflichtungen aus den Anträgen 1-5 auch bei Nachweis eventueller Mutationen des SARS-CoV-2-Virus zu erfüllen.
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8. Hilfsweise: den Antragsgegner zu verpflichten, an Eides statt zu versichern oder durch einen medizinischen Experten an Eides statt versichern zu lassen, dass alle PCR-Tests – sowie alle weiteren angebotenen Testformen wie Schnelltest, PoC-Test u.a.- sicher imstande sind, ein vermehrungsfähiges SARS-CoV-2-Virus und damit eine akute Infektion im Sinne des § 2 Nr. 1, Nr. 5 i.v.m. § 7 Abs. 1 IfSG nachzuweisen.
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9. bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig festzustellen, dass der Schwellenwert innerhalb von sieben Tagen im S. -F. -L1. weniger als 10 je 100.000 Einwohner beträgt.
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10. festzustellen, dass es der Antragstellerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gestattet ist, ihr Yogastudio „H. Z. X. “ in O. . 00, 00000 L. uneingeschränkt zu öffnen und zu nutzen.
haben keinen Erfolg. Sie sind insgesamt unzulässig.
15Die Anträge zu 1. bis 9. sind schon mangels Antragsbefugnis unzulässig. Wie das Klageverfahren dient auch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO dem Individualrechtsschutz. Bezugspunkt ist das subjektive Recht der Antragstellerin, welches der Absicherung oder der vorläufigen Regelung bedarf. Die Antragsbefugnis ist gegeben, wenn eine Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte der Antragstellerin unter Zugrundelegung ihres Vorbringens möglich erscheint. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn die geltend gemachten Rechte offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise nicht bestehen oder nicht der Antragstellerin zustehen können.
16Vgl. Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 42 Rn. 123; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 881, 882; Schoch/Schneider, VwGO-Kommentar (Losebl. Stand 39. EL Juli 2020) § 42 Rn. 45, § 123 Rn. 107, jeweils m.w.N.
17Gemessen hieran fehlt der Antragstellerin hinsichtlich der Anträge zu 1. bis 9. die Antragsbefugnis. Mit diesen Anträgen begehrt die Klägerin im Grunde die Feststellung, dass das Gesundheitsamt des Beklagten nicht berechtigt ist, einen positiven PCR-Test als „Neuinfektion“, als „Infektion“ oder als „Fall“ an das zuständige Sozialministerium oder das Robert Koch-Institut zu übermitteln, beziehungsweise dass das Gesundheitsamt des Beklagten nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Meldung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus nach § 11 IfSG an die betreffenden Einrichtungen tätigen darf. Meldete die beklagte Behörde nur in der von der Antragstellerin beschriebenen Art und Weise, fiele in der Konsequenz der für den S. -F. -L1. geltende Inzidenzwert geringer aus. Hierauf zielt der Antrag zu 9. ausdrücklich ab. Hiermit wird aber nicht unmittelbar eine Rechtsposition der Antragstellerin angesprochen. Deren Rechtsbeeinträchtigung kann nur aus einer gesetzlichen Vorschrift oder einer Verwaltungsentscheidung folgen, die an Inzidenzwerte anknüpft. Soweit die Antragstellerin mit den Anträgen zu 1. bis 9. die Verletzung von Meldepflichten nach §§ 6 und 7 IfSG geltend macht, zielt der Antrag auch nicht auf drittschützende Normen. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, d.h. sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen.
18Vgl. Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 42 Rn. 114 m.w.N.
19Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Vorschriften zur Übermittlung von meldepflichtigen Krankheiten und Nachweisen von Krankheitserregern dienen nicht dem Individualinteresse der infizierten Personen. Die Meldevorschriften haben vielmehr die Ermittlung des relevanten Sachverhaltes und das öffentliche Interesse im Blick. Die Meldung bestimmter Daten soll die zuständigen Behörden in die Lage versetzen zu beurteilen, ob Schutzmaßnahmen nach dem IfSG zu ergreifen sind und bejahendenfalls, welches die erforderlichen Schutzmaßnahmen sind.
20Die Frage, ob positive PCR-Tests und die daraus abgeleitete 7-Tage-Inzidenz ein taugliches Mittel für die Bewertung des Infektionsgeschehens sind, ist eine Vorfrage, die die Antragstellerin inzident in einer Klage gegen die sie tatsächlich belastenden Maßnahmen hätte überprüfen lassen können. Auch wenn es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt, weist die Kammer in der Sache noch darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des OVG NRW jedenfalls im Rahmen der Eilverfahren keine Bedenken gegen die Eignung von PCR-Tests sowie der 7-Tage-Inzidenz als Indikator für die Infektionszahlen bestehen. Der Umstand, dass nicht bei jedem Virusnachweis in einer Probe zwingend eine akute Infektiosität des Betroffenen angenommen werden könne, führe nicht dazu, dass PCR-Tests zur Ermittlung von Infiziertenzahlen ungeeignet seien.
21Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 05.08.2021 - 13 B 991/21 - juris Rn. 7 ff.
22Der Antrag zu 10. mit dem Ziel, das von der Antragstellerin betriebene Yogastudio uneingeschränkt zu nutzen und zu öffnen, ist ebenfalls unzulässig. Es fehlt für diesen Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, da die gerichtliche Entscheidung der Antragstellerin keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann. Der Antrag hat sich mittlerweile erledigt. Der Antragstellerin geht es ausweislich ihrer Antragsbegründung in erster Linie darum, ihr Yogastudio bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu öffnen und zu betreiben. Dieses Ziel ist mittlerweile erreicht. Denn das zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehende und von der Antragstellerin implizit angegriffene Betriebsverbot von sportlichen Anlagen nach § 9 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) in der Fassung vom 05.03.2021 ist mittlerweile außer Kraft getreten. Nach dem Regelungsregime der aktuellen CoronaSchVO vom 19.10.2021 dürfen alle Einrichtungen mit Kundenverkehr grundsätzlich geöffnet sein. Die Betreiber bestimmter Einrichtungen, Angebote und Veranstaltungen, unter die auch die Antragstellerin fällt, müssen (lediglich) bestimmte Hygienekonzepte umsetzen und auf die Einhaltung der nach wie vor geltenden Maskenpflicht durch die Nutzer achten, vgl. § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO. Zugangsbeschränkungen bestehen nur noch insoweit, als das Angebot der Antragstellerin nur von immunisierten bzw. von getesteten Personen in Anspruch genommen werden darf, vgl. § 4 Abs. 1 CoronaSchVO. Es ist nicht ersichtlich und von der Antragstellerin trotz Nachfrage des Gerichts nicht vorgetragen worden, dass sie sich mit dem hier zur Entscheidung stehenden Antrag auch gegen die noch bestehenden Betriebsmodalitäten der aktuellen Coronaschutzverordnung (u.a. Maskenpflicht für Besucher, 3-G-Regelung) wehren wollte. Sollte sich die Antragstellerin gegen die derzeit geltenden Zugangsbeschränkungen wehren wollen, wäre ohnehin nur ein Normenkontrollantrag beim OVG NRW statthaft, mit dem Ziel die Vorschrift - ggfs. auch vorläufig - außer Vollzug zu setzen, vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 109a JustG NRW.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
24Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Eine Herabsetzung des gesetzlichen Auffangstreitwertes mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit war nicht angezeigt, da die Anträge faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet waren.
25Rechtsmittelbelehrung
26Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
27Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
28Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
29Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
30Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
31Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
32Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
33Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
34Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- IfSG § 6 Meldepflichtige Krankheiten 1x
- IfSG § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern 2x
- § 28 a IfSG 1x (nicht zugeordnet)
- IfSG § 11 Übermittlung an die zuständige Landesbehörde und an das Robert Koch-Institut 1x
- § 109a JustG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x
- § 28a Abs. 3 IfSG 2x (nicht zugeordnet)
- IfSG § 2 Begriffsbestimmungen 1x
- § 3 Abs. 1 Nr. 2 CoronaSchVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 CoronaSchVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 47 1x
- VwGO § 154 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 991/21 1x (nicht zugeordnet)