Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 3356/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die am 00.00.1982 in Batumi, Georgien, geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Georgien. Mit der Klage begehrt sie die Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin unter Einbeziehung ihres Ehemannes E. B. und der Töchter O. , geb. 2008 und B1. , geb. 2014.
3Die Klägerin hielt sich von Oktober 2015 bis April 2017 zeitweilig in G. auf. Dort wurde ihre Tochter O. im Universitätsklinikum wegen eines Gehirntumors behandelt.
4Am 16.11.2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin. Nach den Angaben im Aufnahmeantrag stammt sie von O1. G. (geb. am 00.00.1939 in Sovran, Odessa) und N. G. (geb. am 00.00.1943 in Batumi, Adscharien) ab. Zur Nationalität, den Sprachkenntnissen, den beruflichen Tätigkeiten und Wohnorten der Eltern wurden keine Angaben gemacht. Zum Nachweis der Geburt legte die Klägerin die Kopie einer maschinenschriftlichen Bescheinigung, ausgestellt am 09.06.1982, vor. Darin ist der Vater mit der Nationalität „Ukrainer“, die Mutter mit der Nationalität „Russin“ eingetragen. Als Ort der Ausstellung wurde das Standesamt der Stadt Batumi angegeben. Das Schriftstück gibt den Namen des Standesbeamten nicht an, es trägt keine erkennbare Unterschrift sowie keinen Behördenstempel.
5Als Großeltern väterlicherseits werden im Antrag J. (K. ) G. (geb. in Sovran, Odessa ohne Geburtsdatum) und B2. G. (geb. in Sovran, Odessa ohne Geburtsdatum) genannt. Auch bei diesen werden keine Angaben zur Nationalität oder zu den Sprachkenntnissen gemacht. Zum Nachweis wird eine unbeglaubigte Fotokopie einer Geburtsurkunde, ausgestellt am 26.09.1951 in Novosibirsk, vorgelegt. Die Nationalität von J. und B2. G. wird darin mit „Ukrainer“ und „Ukrainerin“ angegeben. Im russisch-sprachigen Dokument befindet sich eine nachträgliche Überschreibung der Angabe zur Nationalität beim Großvater der Klägerin.
6Zum Familienschicksal wurde angegeben, der Großvater J. G. , die Großmutter B2. und der Vater O1. seien in der Zeit von 1940 bis 1953 nach Sibirien zwangsumgesiedelt worden.
7Die Klägerin erklärte, im ersten Inlandspass sei die Nationalität „Georgien“ eingetragen gewesen. Zur Sprachvermittlung und Sprachbeherrschung wurden keine Angaben gemacht.
8Einer Einladung des BVA zum Sprachtest vom 27.01.2016 kam die Klägerin nicht nach. Ihr Prozessbevollmächtigter beantragte mit Schreiben vom 05.02.2016, sie vom Sprachtest zu befreien, da die Klägerin auf ihr krankes Kind aufpassen müsse und es ihr wegen der seelischen Belastung auch nicht möglich sei, zu reisen.
9Mit Schreiben vom 13.04.2016 trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, der Großvater und Vater der Klägerin seien in die deutsche Volksliste eingetragen gewesen. Hierzu seien ihm Unterlagen vorgelegt worden. Er wolle die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit beantragen.
10Mit einem weiteren Schreiben vom 24.04.2017 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein Tonband, auf dem sich eine Sprachaufnahme der Klägerin befinden soll. Er erklärte, die Klägerin habe ausreichende deutsche Sprachkenntnisse. Diese habe sie von ihrem Großvater erworben, den sie bis zu ihrem 5. Lebensjahr stets in den Ferien besucht habe und wo Deutsch gesprochen worden sei. Auch mit dem Vater sei bis zu dessen Tod Deutsch gesprochen worden. Er bat angesichts der lebensbedrohlichen Krankheit der Tochter um eine umgehende Entscheidung.
11Am 19.07.2017 nahm die Klägerin in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tiflis an einem Sprachtest teil. Der Sprachtester stellte fest, dass mit der Klägerin ein Gespräch in deutscher Sprache trotz gelegentlicher Mängel problemlos möglich gewesen sei.
12Bei der vorherigen Anhörung erklärte sie, sie habe die deutsche Sprache von ihrem Vater und Großvater erlernt. Ferner habe sie einen A1-Kurs beim Goethe-Institut in Tiflis besucht und sich Kenntnisse im Selbststudium mit Büchern und CDs angeeignet. Sie erwähnte außerdem, dass sie keine Familie in Deutschland habe. Ihre Verwandten lebten in der Ukraine, sie habe aber wenig Kontakt. Der Vater sei 13 Jahre in Sibirien umgesiedelt gewesen. Der Opa sei 5 Jahre im Gefängnis gewesen und dann nach Sibirien umgesiedelt worden. Er habe für die deutsche Polizei gearbeitet.
13Bei der Anhörung legte sie weitere Urkunden und Unterlagen, teilweise mit deutscher Übersetzung vor. Darunter befinden sich Dokumente über ein Strafverfahren gegen einen Bewohner des Dorfes T. mit dem Namen K1. G. aus dem Jahr 1944. Dieser wurde beschuldigt, seinen sowjetischen Pass bei der deutschen Besatzungsbehörde des Gebietes Odessa abgegeben zu haben und die deutsche Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Er habe unter der Kategorie der „Volksdeutschen“ gestanden. Der Betroffene, der in den Unterlagen als „Pole“ bezeichnet wird, wurde zu 5 Jahren im Arbeitslager in Chernogorsk, Gebiet Krasnodar, verurteilt.
14Ferner legte die Klägerin einen Beschluss des Zivilkollegiums des Stadtgerichts Batumi vom 11.09.2017 vor. Darin wurde – ohne nähere Begründung – festgestellt, dass die Klägerin die Enkelin mit Nationalität Deutsch des K1. (J. ) G. , Vatersname L. , geb. 1908 in der Vinitsky Region, Dorf Q. , gestorben 1988, sei.
15Mit Bescheid vom 11.10.2017 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmeantrag ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin eine deutsche Abstammung nicht belegt habe. Es gebe keinen Nachweis dafür, dass sich der Großvater der Klägerin im Juni 1941 zum deutschen Volkstum bekannt habe oder die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.
16Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 02.11.2017 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 06.12.2017 begründete. Darin wurde ausgeführt, dass der Großvater bei den deutschen Besatzungsbehörden einen Antrag auf Einbürgerung gestellt habe. Hierdurch habe er sich zum deutschen Volkstum bekannt. Es sei deshalb irrelevant, ob er tatsächlich eingebürgert worden sei.
17Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, die Klägerin habe keinen Nachweis für ihre biologische Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder Staatsangehörigen erbracht. Maßgeblich sei insofern allein der Großvater J. G. . Es gebe keine Nachweise für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im maßgeblichen Zeitpunkt im Juni 1941 und für ein objektives Bestätigungsmerkmal. Vielmehr werde der Großvater in den Unterlagen zur Strafsache als Pole bezeichnet. Es gebe auch keinen Beleg dafür, dass sich K1. G. um eine Einbürgerung bemüht habe. Selbst wenn die Vorwürfe in der sowjetischen Anklageschrift zutreffend seien, gäben sie jedoch keine Auskunft über das Bekenntnisverhalten im Juni 1941, zumal K1. G. in der Geburtsurkunde des Sohnes O1. von 1951 als Ukrainer bezeichnet werde. Der Bescheid wurde am 03.04.2018 zugestellt.
18Hiergegen hat die Klägerin am 03.05.2018 Klage erhoben, mit der sie ihren Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides weiterverfolgt. Zur Begründung wird vorgetragen, der Großvater K1. G. habe sich durch die Eintragung in die deutsche Volksliste zum deutschen Volkstum bekannt. Diese habe nur deutschen Volkszugehörigen offen gestanden. Die Angabe der polnischen Nationalität in den Unterlagen über das Strafverfahren sei darauf zurückzuführen, dass die sowjetischen Behörden automatisch die Herkunftsnationalität eingetragen hätten. Im Übrigen sei diese Angabe unter den dort gegebenen Zwängen nicht relevant gewesen. Auch die Eintragung der Nationalität des Vaters als „Ukrainer“ sei allein aufgrund der Herkunft aus der Ukraine erfolgt. Die Vornamen „Iwan“ und „K1. “ seien identisch. Es handele sich um Übersetzungen des Namens „Johann“.
19Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde durch Beschluss der Einzelrichterin vom 14.12.2020 abgelehnt. In der Begründung wurde eine deutsche Volkszugehörigkeit der Klägerin verneint, weil sie mangels beweisgeeigneter Urkunden ihre biologische Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder Volkszugehörigen nicht belegt habe. Insbesondere fehle es jedenfalls an objektiven Bestätigungsmerkmalen für eine deutsche Volkszugehörigkeit des vermeintlichen Großvaters K1. G. . Schließlich habe sich die Klägerin selbst nicht zum deutschen Volkstum bekannt. Ein Ersatzbekenntnis durch eine familiäre Vermittlung der deutschen Sprache sei nicht glaubhaft.
20Mit der Beschwerde vom 28.12.2020 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, die Beweiserhebung dürfe nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorgezogen werden. Die vom Gericht genannten Fälschungsmerkmale der Geburtsurkunde der Klägerin seien aus der Luft gegriffen. Der Gerichtsbeschluss der letzten Instanz über die Abstammung sei auch ohne Begründung wirksam und rechtmäßig. K1. G. sei auch – unabhängig von einer Eintragung in die Deutsche Volksliste – ein deutscher Volkszugehöriger gewesen. Auch in den rumänisch besetzten Gebieten von Odessa seien die deutschen Volkszugehörigen nach den Umsiedlungsvereinbarungen der rumänischen Regierung mit dem Deutschen Reich erfasst worden. Das Bekenntnis von K1. G. sei durch die Benutzung der deutschen Sprache objektiv bestätigt worden. Gerade weil das Schicksal der Familie – wie bei vielen Spätaussiedlern – im Dunkeln bleibe, müsse die Klägerin angehört werden. Es werde bestritten, dass die Klägerin ihre deutschen Sprachkenntnisse erst durch den Aufenthalt in Freiburg zur medizinischen Behandlung der Tochter erworben habe.
21Durch Beschluss vom 13.01.2021 – 11 E 985/20 – wies das OVG NRW die Beschwerde zurück. Es wies insbesondere darauf hin, dass es sich bei der Bescheinigung über die Geburt der Klägerin nicht um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO handele, weil diese den Aussteller nicht erkennen lasse. Der Gerichtsbeschluss könne die Abstammung der Klägerin von K1. G. nicht nachweisen, weil unklar sei, wie das Gericht zu dieser Feststellung gelangt sei, zumal keine Angaben zum Vater der Klägerin gemacht worden seien. Die Klägerin habe beim Sprachtest angegeben, sie habe einen A1-Kurs beim Goethe-Institut in Tiflis besucht. Die Belegung eines Anfängerkurses deute darauf hin, dass keinerlei familiär erworbene Sprachkenntnisse vorgelegen hätten.
22Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss des OVG NRW vom 16.02.2021 ebenfalls zurückgewiesen.
23Der Anhörungsrüge war offenbar eine weitere Geburtsurkunde beigefügt. Diese ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt. Auf Anforderung des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine unbeglaubigte Kopie der Urkunde, die am 09.09.1982 ausgestellt wurde, mit Schriftsatz vom 29.10.2021 vorgelegt.
24Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein ungeordnetes Konvolut von Kopien ohne Übersetzung eingereicht. Auf diesen befindet sich eine Namensliste in russischer Sprache, offenbar aus den Jahren 1945 und 1946. Nach Angaben der Klägerin soll es sich um eine Erfassungsliste der sowjetischen Behörden für deutsche Volkszugehörige handeln. Unter der Ziff. 7 sollen G. , K1. und G. , O1. mit den Geburtsjahren 1908 und 1939 sowie der deutschen Volkszugehörigkeit eingetragen sein.
25Die Klägerin beantragt,
26die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 11.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2018 zu verpflichten, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen,
27hilfsweise,
28Beweis zu erheben, über die Tatsache, dass die Klägerin die deutsche Sprache von ihrem Vater und Großvater in dem in der Familie gesprochenen Dialekt vermittelt bekommen hat und heute noch deutlich hörbar spricht, durch Anhörung der Klägerin,
29weiter hilfsweise,
30zum Beweis, dass sich aus den vorgelegten Urkunden ergibt, dass es sich um Personen deutscher Volkszugehörigkeit handelt, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und macht geltend, die in den Archivbescheinigungen genannte Person sei nicht mit dem Großvater der Klägerin identisch. Die Person werde dort „K1. “ genannt, in der Geburtsurkunde des Vaters der Klägerin aber „J1. “. Außerdem seien die Großeltern nach den Antragsangaben im Jahr 1940, gemeint wohl im Jahr 1941, nach Sibirien umgesiedelt worden. K1. G. sei jedoch im Jahr 1944 in Odessa verhaftet worden.
34Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf den von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 11.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG.
37Nach dieser Bestimmung wird Personen ein Aufnahmebescheid erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler ist gemäß § 4 Abs. 1 BVFG ein deutscher Volkszugehöriger, der im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übergesiedelt ist, wenn er zuvor seit dem 8. Mai 1945 (Nr. 1) oder nach seiner Vertreibung oder Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 (Nr. 2) oder seit seiner Geburt seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte, wenn er vor dem 01.01.1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen nach Nr. 1 oder Nr. 2 erfüllt (Nr. 3).
38Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie ist keine deutsche Volkszugehörige. Die deutsche Volkszugehörigkeit der im Jahr 1982 geborenen Klägerin bestimmt sich nach § 6 Abs. 2 BVFG. Danach besitzt die deutsche Volkszugehörigkeit, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat. Das Bekenntnis muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.
39Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin nicht vor, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin von einem deutschen Staatsangehörigen oder einem deutschen Volkszugehörigen abstammt, der die Stichtagsvoraussetzungen nach § 4 Nr. 1 oder Nr. 2 BVFG erfüllt.
40Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris Rn 12 ff.
42liegt dem Bundesvertriebenengesetz ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde, der neben den Eltern auch die Voreltern erfasst. Demnach kommen hier als Personen, von denen die Abstammung abgeleitet werden kann, nur der 1939 geborene vermeintliche Vater, O1. G. , als auch der im Jahr 1908 oder 1909 geborene vermeintliche Großvater väterlicherseits, K1. G. , in Betracht, die beide zum Stichtag am 08.05.1945 im Aussiedlungsgebiet lebten.
43Die Klägerin hat jedoch bereits nicht die biologische Abstammung von O1. G. nachweisen können. Das Gericht hat hierzu im PKH-Beschluss vom 14.12.2000 das Folgende ausgeführt:
44„Die vorgelegte Kopie der Geburtsurkunde der Klägerin, die am 09.06.1982 in Batumi ausgestellt wurde, ist nicht geeignet, die biologische Abstammung der Klägerin von dem dort genannten Vater O1. G. , und damit von dem vermeintlichen Großvater K1. G. zu belegen. Schon die äußere Form begründet erhebliche Zweifel an der Echtheit der Urkunde. Es handelt sich lediglich um eine maschinengeschriebene Bescheinigung, die nicht auf dem in der ehemaligen Sowjetunion üblichen Formular ausgestellt wurde, keinen erkennbaren Namenszug als Unterschrift des zuständigen Beamten und kein Siegel des ausstellenden Standesamts aufweist.
45Auch die Geburtsurkunde des vermeintlichen Vaters O1. G. , die am 26.09.1951 in Nowosibirsk (nicht dem Geburtsort) ausgestellt wurde, weist äußere Anzeichen einer Verfälschung auf. Die Nationalität des Vaters „Ukrainer“ wurde ganz offensichtlich nachträglich unter Überschreibung der ursprünglichen Eintragung vorgenommen.
46Schließlich kann die Abstammung der Klägerin von K1. G. auch nicht durch den Beschluss des Stadtgerichts Batumi vom 11.09.2017 bewiesen werden. Der Beschluss enthält keine Begründung und lässt daher nicht erkennen, auf Grund welcher Dokumente und Nachweise er zustande gekommen ist. Es handelt sich somit offensichtlich um eine Gefälligkeitsentscheidung.“
47An dieser Begründung wird in vollem Umfang festgehalten. Sie konnte durch die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Beschwerdeverfahren nicht entkräftet werden (vgl. Beschlüsse des OVG NRW vom 13.01.2021 – 11 E 985/20 – und vom 16.02.2021 – 11 E 61/21 –).
48Auch die nunmehr vorgelegte unbeglaubigte Fotokopie einer Geburtsurkunde auf dem amtlichen Formular, die das Ausstellungsdatum 09.09.1982 trägt, ist nicht beweisgeeignet. Zwar stimmen die Eintragungen mit denen in der früher eingereichten Geburtsbescheinigung vom 09.06.1982 überein. Jedoch ist auch auf dieser Urkunde ein lesbarer Namenszug des ausstellenden Beamten nicht erkennbar, und das Siegel ist unleserlich. Es wurde insbesondere keinerlei Begründung dafür vorgebracht, warum zunächst eine Bescheinigung von zweifelhaftem Beweiswert vorgelegt wurde, wenn die Klägerin im Besitz einer später ausgestellten formgerechten Geburtsurkunde war.
49Das Gericht hat daher schon wegen des Fehlens einer beweisgeeigneten Geburtsurkunde nach wie vor erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin die leibliche Tochter von O1. G. ist. Diese Zweifel werden dadurch erhärtet, dass die Klägerin im Aufnahmeantrag kaum Angaben zu ihrem vermeintlichen Vater gemacht hat. Dort fehlen sowohl Angaben zu den Sprachkenntnissen als auch zur Ausbildung, den beruflichen Tätigkeiten und den Wohnorten. Schließlich stimmen die Angaben im Aufnahmeantrag zur Zwangsumsiedlung der väterlichen Familie in den Jahren 1940 bis 1953 nicht mit den später vorgelegten Unterlagen über die Verurteilung des vorgeblichen Großvaters überein. Der Großvater K1. G. ist nach den vorgelegten historischen Dokumenten im Juni 1944 in seiner Heimat im Gebiet Odessa verhaftet und wegen Volksverrates zu 5 Jahren Arbeitslager in Sibirien verurteilt worden, was die Klägerin im Aufnahmeantrag überhaupt nicht erwähnt. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn er in diesem Zeitpunkt schon umgesiedelt gewesen wäre.
50Die Abstammung der Klägerin von O1. und B2. G. ist auch deshalb fraglich, weil sie nach eigenen Angaben im ersten Inlandspass mit der georgischen Volkszugehörigkeit eingetragen gewesen ist. Ihre Eltern sind aber ausweislich der eingereichten Geburtsbescheinigungen ukrainischer und russischer Volkszugehörigkeit. Eine plausible Erklärung für diese Abweichung liegt nicht vor. Auch fehlt eine Heiratsurkunde der Eltern, die ein Indiz für die leibliche Abstammung sein könnte.
51Fehlt es aber am Nachweis einer Abstammung von O1. G. , so kann die Klägerin sich auch nicht auf die Abstammung von K1. G. , dem Vater von O1. G. berufen.
52Ungeachtet dessen ist das Gericht auch nicht von der deutschen Staatsangehörigkeit oder der deutschen Volkszugehörigkeit von O1. G. oder von K1. G. überzeugt.
53Die Behauptung, dass K1. und O1. G. in die deutsche Volksliste der Ukraine eingetragen waren und hierdurch die deutsche Staatsangehörigkeit durch Sammeleinbürgerung erworben haben, konnte nicht durch Vorlage entsprechende Dokumente belegt werden. Insbesondere handelt es sich bei den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Listen in russischer Sprache offensichtlich nicht um die von den deutschen Besatzungsbehörden geführten Volkslisten.
54Eine Eintragung in die deutsche Volksliste ist schon deswegen unmöglich, weil K1. G. im maßgeblichen Zeitraum im Rayon Safran, Kreis Balta, Gebiet Odessa, gelebt hat, welcher seinerzeit zum rumänisch besetzten Territorium Transnistrien, und nicht zum Reichskommissariat Ukraine gehörte. Für die Bewohner Transnistriens fand aber die Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste Ukraine eingetragenen Personen vom 19.05.1943 keine Anwendung,
55vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 13.05.1996 – 16 S 158/96 – juris, Rn. 7.
56Es lässt sich auch nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen, dass K1. oder O1. G. deutsche Volkszugehörige waren.
57Ob die für die Abstammung in Frage kommende Bezugsperson deutscher Volkszugehöriger ist, beurteilt sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers und ist keinen Veränderungen im weiteren Zeitverlauf zugänglich,
58vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris, Rn. 25 ff. ; OVG NRW, Urteil vom 13.11.2019 – 11 A 648/18 – ; VG Köln, Urteil vom 03.03.2019 – 7 K 5609/17 –.
59Maßgeblich ist somit die Definition der deutschen Volkszugehörigkeit in § 6 BVFG in der bis zum 01.01.1993 gültigen Fassung und die hierzu von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze. Diese unterschieden zwischen bekenntnisfähigen Personen, mithin solchen, die zu Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen im Juni 1941 für ein Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum reif genug waren (Bekenntnisgeneration) und solchen Personen, die zu diesem Zeitpunkt diese Reife noch nicht erlangt hatten (sog. bekenntnisunfähige Frühgeborene) oder die noch nicht geboren waren (sog. Spätgeborene),
60vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris, Rn. 29 unter Bezug-
61nahme auf BVerwG, Urteil vom 29.08.1995 – 9 C 391.94 – BVerwGE 99, 133,
62136 f.
63Der im Jahr 1908 oder 1909 geborene K1. G. war im Zeitpunkt des Beginns der Verfolgungsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerungsgruppe bekenntnisfähig. Seine Volkszugehörigkeit richtet sich somit nach der in § 6 BVFG a.F. enthaltenen Vorschrift, die der jetzt in § 6 Abs. 1 BVFG normierten Regelung entspricht.
64Danach war deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur bestätigt wurde.
65Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum besteht in dem von einem entsprechenden Bewusstsein getragenen, nach außen hin verbindlich geäußerten Willen, Angehöriger des deutschen Volkes als einer national geprägten Kulturgemeinschaft zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören. Das Bekenntnis kann durch eine ausdrückliche Erklärung oder durch ein schlüssiges Gesamtverhalten erfolgen, wobei auch das Vorliegen der genannten Bestätigungsmerkmale eine Bedeutung als Indiz für ein Bekenntnis hat,
66vgl. BVerwG, Urteile vom 17.10.1989 – 9 C 18.89 – und vom 13.06.1995 – 9 C 293.94 –.
67Das Bekenntnis musste von Angehörigen der sog. „Erlebnisgeneration“ bis kurz vor dem Einsetzen der gegen die deutsche Bevölkerungsgruppe gerichteten Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die ehemalige Sowjetunion im Juni 1941 abgegeben worden sein. Nach diesem Zeitpunkt war eine Erklärung zur deutschen Volkszugehörigkeit wegen der damit verbundenen Repressalien nicht mehr zumutbar.
68Allerdings ist für deutsche Volkszugehörige aus dem sog. Gouvernement Transnistrien auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen.
69Das in der südlichen Ukraine gelegene Transnistrien wurde von deutschen und rumänischen Streitkräften bereits im Sommer 1941 besetzt. Deshalb kam es dort zunächst nicht zu Vertreibungsmaßnahmen des sowjetischen Staates. Transnistrien stand in der Folge unter rumänische Verwaltung, die den dort sesshaften deutschen Volkszugehörigen eine gewisse Vorzugsstellung einräumte. Beim Heranrücken der sowjetischen Truppen ab Mai 1944 wurden die Deutschen in Trecks in den damaligen Warthegau gebracht und dort nach Einzelfallprüfung eingebürgert,
70vgl. VG Köln, Urteil vom 06.02.2018 – 7 K 2674/16 – juris, Rn. 41 unter Hinweis auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.05.1996 – 16 S 158/96 – juris, Rn. 7.
71Ein Bekenntnis von K1. G. zum deutschen Volkstum könnte somit darin liegen, dass dieser sich nach den vorliegenden Dokumenten zu seiner Verurteilung im Jahr 1944 als Volksdeutscher bei den Besatzungstruppen gemeldet und einen deutschen Ausweis erhalten haben soll.
72Es kann dahinstehen, ob dieser Vorgang durch die vorgelegten Unterlagen nachgewiesen ist und als Bekenntnisverhalten gewertet werden kann. Denn ein Bekenntnis setzt nicht nur eine äußere Erklärung voraus, einer bestimmten Volksgruppe als Kulturgemeinschaft anzugehören, sondern erfordert auch ein damit übereinstimmendes inneres Bewusstsein. Ob dieses Bewusstsein bei K1. G. tatsächlich vorlag, ist fraglich, da eine Meldung als Deutscher in einem besetzten Gebiet auch von anderen Motiven bestimmt sein kann, beispielsweise von der Furcht, von der Besatzungsmacht im Fall einer slawischen Volkszugehörigkeit drangsaliert zu werden.
73Es fehlt jedenfalls an objektiven Bestätigungsmerkmalen, die K1. G. eindeutig der deutschen Volksgruppe zuordnen würden.
74Als objektive Bestätigungsmerkmale kommen die Abstammung von ethnischen Deutschen, die muttersprachliche oder vorzugsweise Benutzung der deutschen Sprache, deutsche Erziehung und Kultur, die Namensgebung, die Zugehörigkeit zu bestimmten Religionsgemeinschaften oder auch das Vorliegen staatlicher Verfolgungsmaßnahmen in Betracht. Nach der Rechtsprechung zu § 6 BVFG a.F. genügt es im Fall eines ausdrücklichen oder schlüssigen Bekenntnisses, wenn wenigstens ein objektives Bestätigungsmerkmal vorliegt,
75vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.1979 – 8 C 61.78 – Buchholz, § 6 Nr. 37; Urteil vom 15.07.1986 – 9 C 8.86 – , Buchholz, § 6 Nr. 45.
76Dies lässt sich jedoch für K1. G. nicht feststellen. Das Gericht hat hierzu im PKH-Beschluss vom 14.12.2020 bereits ausgeführt:
77„Denn dieser wird in allen Unterlagen als Pole bezeichnet. Dafür spricht auch seine Herkunft aus dem Gebiet Vinnitsk (=Winniyzja) in der Landschaft Podolien im Norden Transnistriens, das lange zu Polen gehörte. Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Angabe der polnischen Nationalität sei durch die seinerzeitigen Behörden willkürlich oder unter Zwang erfolgt, ist eine reine Vermutung. Denn umgekehrt gibt es keine Indizien, die dafür sprechen, dass K1. G. aus einer deutschen Familie stammte, deutsch als Muttersprache oder bevorzugte Umgangssprache beherrschte und deutsche Sitten und Gebräuche pflegte. Er wurde auch nicht, wie andere Transnistrien-Deutsche, im März 1944 in den Warthegau umgesiedelt, sondern blieb bei Abzug der deutschen Wehrmacht aus dem Gebiet vor Ort. Es gibt schließlich auch keine Belege dafür, dass K1. G. nach Verbüßung seiner 5-jährigen Haftstrafe unter der für die deutsche Volksgruppe angeordneten Kommandanturverwaltung stand. Insgesamt bleibt das ganze Schicksal der Familie im Dunkeln. Wichtige Personenstandsdokumente, wie beispielsweise die Heiratsurkunde der Eltern und die Sterbeurkunden von Vater und Großvater, wurden nicht vorgelegt.
78An diesen Ausführungen wird auch in Anbetracht der vorgelegten Listen mit der angeblichen Eintragung der deutschen Volkszugehörigkeit von K1. G. festgehalten. Das Gericht sieht insbesondere keine Veranlassung, dem diesbezüglich hilfsweise gestellten Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache, dass die in den Listen eingetragenen Personen deutsche Volkszugehörige sind, nachzukommen.
79Zum einen sind die Listeneintragungen als Indizien für die deutsche Volkszugehörigkeit von K1. G. nicht entscheidungserheblich, weil es bereits an der biologischen Abstammung der Klägerin von O1. G. und damit auch von K1. G. fehlt.
80Zum anderen kommt eine Beweiserhebung auch deshalb nicht in Betracht, weil die Frage, ob sich aus den Listeneintragungen die deutsche Volkszugehörigkeit von K1. G. ergibt, eine Rechtsfrage, und keine dem Beweis zugängliche Tatsachenfrage ist. Denn die Feststellung, ob hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von objektiven Bestätigungsmerkmalen eines deutschen Volkstumsbekenntnisses vorliegen, erfordert eine komplexe Bewertung, die dem Gericht, und nicht einem Sachverständigen obliegt.
81Der einzige objektive Hinweis auf die Zugehörigkeit zur deutschen Bevölkerungsgruppe ist letztlich der Nachname „G. “, was allein für die Zuordnung nicht ausreicht. Die Behauptung der Klägerin, dass ihr Großvater die deutsche Sprache beherrschte und ihr vermittelte, lässt sich nicht belegen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sind deutsche Sprachkenntnisse in einem Gebiet wie Transnistrien, in dem zahlreiche Nationalitäten ansässig waren, kein maßgebliches Kriterium für die Zuordnung zur deutschen Volksgruppe. Ob der Großvater die deutsche Sprache muttersprachlich beherrschte oder jedenfalls im Zeitraum bis 1944 als bevorzugte Umgangssprache einsetzte,
82vgl. von Schenckendorff, Vertriebenenrecht, Loseblattslg., Stand: 6/2014, § 6 BVFG n.F., Rn. 128 – 135.
83dürfte sich der Kenntnis der 1982 geborenen Klägerin entziehen.
84Vor diesem Hintergrund sind die vorgelegten fotokopierten Listen nicht geeignet, die Zugehörigkeit von K1. G. zur deutschen Volksgruppe zu begründen, zumal sie nicht beglaubigt und von so schlechter Qualität sind, dass Manipulationen nicht ausgeschlossen werden können. Es ist – auch mangels Übersetzung – nicht erkennbar, wer diese Listen zu welchem Zweck angefertigt hat. Im Übrigen stehen sie in eindeutigem Widerspruch zu den vorgelegten Dokumenten zu dem im Jahr 1944 durchgeführten Strafverfahren gegen K1. G. , in dem dieser als Pole bezeichnet wurde.
85Lässt sich eine deutsche Volkszugehörigkeit von K1. G. nicht feststellen, kann auch eine deutsche Volkszugehörigkeit seines Sohnes O1. G. nicht angenommen werden. Der 1939 geborene O1. G. ist ein sog. bekenntnisunfähiger Frühgeborener, weil er im Zeitraum vor 1944 ein Kleinkind und damit nicht bekenntnisfähig war. Ein Kind wie O1. G. , das aus einer gemischtnationalen Familie stammte – die Mutter B2. war Ukrainerin – , konnte deutscher Volkszugehöriger sein, wenn der die Familie prägende Elternteil ein deutscher Volkszugehöriger war,
86vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43/18 – juris, Rn. 29.
87Da sich eine deutsche Volkszugehörigkeit des Vaters K1. G. mangels objektiver Bestätigungsmerkmale nicht feststellen ließ, kommt auch eine Übertragung einer volksdeutschen Bekenntnislage auf das bekenntnisunfähige Kind O1. nicht in Betracht.
88Auf die weiteren Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG kommt es daher nicht an. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass erhebliche Zweifel an dem erforderlichen Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum bestehen. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 muss sich der deutsche Volkszugehörige bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt haben. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 kann das Bekenntnis auf andere Weise insbesondere durch den Nachweis ausreichende deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Eine Nationalitätenerklärung zum deutschen Volkstum hat die Klägerin bisher nicht abgegeben. Nach eigenen Angaben war sie in ihrem ersten Inlandpass mit der georgischen Volkszugehörigkeit eingetragen. Ein B1-Zertifikat liegt bisher nicht vor. Ob der Klägerin durch ihren 1988 verstorbenen vermeintlichen Großvater K1. G. oder durch den vorgeblichen Vater O1. G. deutsche Sprachkenntnisse vermittelt worden sind, ist vor dem Hintergrund fehlender Angaben im Aufnahmeantrag fraglich, zumal die Klägerin durch immer neue Anträge ihres Prozessbevollmächtigten die Durchführung des Sprachtests so lange wie möglich hinausgezögert hat. Wie bereits das Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom 13.01.2021 hervorgehoben hat, spricht die Belegung eines Sprachkurses der Anfängerstufe A1 dagegen, dass bereits familiär vermittelte deutsche Sprachkenntnisse vorlagen. Hinweise auf die nun erstmalig behaupteten Dialektkenntnisse der Klägerin lassen sich dem Sprachtestprotokoll nicht entnehmen.
89Dies kann jedoch dahinstehen, da es bereits an der Abstammung von deutschen Volkszugehörigen fehlt. Eine Beweiserhebung zu familiär vermittelten deutschen Sprachkenntnissen in der Ausprägung eines deutschen Dialekts durch Anhörung der Klägerin vor Gericht war daher nicht veranlasst.
90Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
91Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
92Rechtsmittelbelehrung
93Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
101Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
102Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
103Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
104Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
105Beschluss
106Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
1075.000,00 €
108festgesetzt.
109Gründe
110Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
111Rechtsmittelbelehrung
112Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
113Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
114Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
115Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
116Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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- 11 A 648/18 1x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 27 Anspruch 1x
- 11 E 985/20 2x (nicht zugeordnet)
- BVFG § 4 Spätaussiedler 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen 1x
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 1 C 43/18 1x (nicht zugeordnet)
- 7 K 2674/16 1x (nicht zugeordnet)
- 16 S 158/96 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- 7 K 5609/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 E 61/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 1x