Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 746/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides.
3Er ist am 00.00.1980 in B. , Kasachstan, geboren.
4In seinem Antrag vom 21.07.2016 gab er an: Er sei deutscher Volkszugehörigkeit. In seinem ersten und im aktuellen Inlandspass, ausgestellt am 19.10.2007, sei die deutsche Nationalität eingetragen. Er habe ab seiner Geburt Deutsch gelernt und verstehe fast alles auf Deutsch. Sein Vater, W. T. , sei Russe. Seine Mutter, M. T. , geborene L. , sei deutscher Volkszugehörigkeit und am 00.00.1959 geboren. Sein Großvater mütterlicherseits, L1. L. , geboren 1935, sei deutscher Volkszugehörigkeit, seine Großmutter mütterlicherseits sei Russin. Sein Urgroßvater, O. L. , und sein Großvater L1. L. seien von 1941 bis 1953 zwangsumgesiedelt worden. Er fühle sich als Deutscher und habe seine Wurzeln nicht vergessen. In seinen Unterlagen sowie der Geburtsurkunde seines Kindes sei die deutsche Nationalität eingetragen. Er fügte dem Antrag unter anderem bei seine Geburtsurkunde, ausgestellt im Jahr 2001, seinen Personalausweis, ausgestellt 2007, mit deutscher Nationalitäteneintragung, seinen 1998 ausgestellten Wehrpass mit deutscher Nationalitäteneintragung, die Geburtsurkunde seines Sohnes aus dessen Geburtsjahr 2011, die Geburtsurkunde seiner Mutter, ausgestellt 1997, sowie eine Archivbescheinigung vom 20.09.2016 über die Zwangsumsiedelung des Großvaters.
5Die Mutter des Klägers führte unter dem Aktenzeichen 7 K 745/19 ein Gerichtsverfahren gegen die Ablehnung eines Aufnahmebescheides. Sie hatte am 05.11.1997 erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gestellt, der aufgrund fehlender Sprachkenntnisse mit bestandskräftigem Bescheid vom 23.04.2002 abgelehnt wurde. Ihrem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens vom 04.05.2016 wurde entsprochen, die Erteilung eines Aufnahmebescheides allerdings mit Hinweis auf den fehlenden Nachweis der Abstammung abgelehnt. Im Laufe des Gerichtsverfahrens legte die Beklagte eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vor, wonach die Klägerin im Geburtsregistereintrag ihres Sohnes Nr. 000 vom 00.00.1980 ursprünglich mit der russischen Nationalität eingetragen gewesen sei. Am 25.02.1997 sei der Nationalitätseintrag aufgrund einer Bescheinigung der Passabteilung der Stadt B. in Deutsch geändert worden. In dem Verfahren legte die Klägerin unter anderem vor eine Archivkopie mit einem Stempel aus dem Jahr 1935 über den Geburtseintrag Nr. 0000 von Herrn L1. L. , geboren 1935 und eine Geburtsurkunde ihres Sohnes aus dem Jahr 1997. Die Klägerin hat die Klage am 07.06.2022 zurückgenommen.
6Mit Bescheid vom 27.08.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Er könne nicht nachweisen, dass er von einem deutschen Staats- oder Volkszugehörigen abstamme. Die 1997 erstellte Geburtsurkunde des Klägers, in welcher seine Mutter mit deutscher Nationalität angeführt sei, könne die deutsche Abstammung nicht belegen. Auch für die geltend gemachte Abstammung von dem deutschen Großvater oder Urgroßvater fehle jeder Nachweis. Alle Bescheinigungen seien nach 1993 vorgelegt worden. Nach 1990 seien jedoch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion Einträge häufig allein aufgrund von Angaben der Antragssteller vorgenommen worden. Die Zweifel würden durch die Archivbescheinigung von 2016 noch erhärtet. Es sei für deutsche Volkszugehörige schon ungewöhnlich, dass der Großvater 1935 in B. geboren sei. Unmöglich sei aber, dass er zusammen mit den Urgroßeltern des Klägers 1941 aufgrund einer Verordnung aus dem Jahr 1945 zur Sondersiedlung angemeldet worden sein soll. Außerdem hätten deutsche Volkszugehörige bis 1956 unter Kommandantur gestanden. Dass der Urgroßvater und seine Familie bereits 1953 aus der Sondersiedlung entlassen worden sein sollen, spreche gegen eine deutsche Volkszugehörigkeit.
7Am 13.09.2018 legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus: Die Geburtsurkunde seiner Mutter sei auf Grund des Auszugs aus dem Geburtsregister erstellt worden. Auch sei es nicht unwahrscheinlich, dass der Großvater des Klägers in B. geboren sei. Vor dem zweiten Weltkrieg hätten die Deutschen überall in der Sowjetunion wohnen können. Die Archivbescheinigungen bewiesen, dass der Urgroßvater mit seiner Familie 1941 in eine Sondersiedlung zwangsumgesiedelt worden sei.
8Der Kläger überreichte weiterhin eine Archivbescheinigung vom 20.11.2018 betreffend den Urgroßvater und dessen Verfolgungsschicksal.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus: Der Kläger habe die Abstammungskette nicht nachgewiesen. Für ihn selbst habe er nur eine Geburtsurkunde von 2001 vorgelegt, für seine Mutter nur eine Geburtsurkunde aus 1997. Nach eigenem Vorbringen seien sowohl sein Großvater als auch sein Urgroßvater in Kasachstan verstorben. Dies indiziere, dass in die 1996 ausgestellte Geburtsurkunde der Mutter für den Großvater erst post mortem die deutsche Nationalität eingetragen worden sei. Für den Großvater liege keine Geburtsurkunde vor. Auch die im Verfahren seiner Mutter vorgelegte Archivbescheinigung von 2018 beweise nicht die Abstammung, da mangels authentischer Geburtsurkunden die Verwandtschaft zwischen ihm und dem Urgroßvater nicht nachgewiesen sei.
10Am 07.02.2019 hat der Kläger Klage erhoben.
11Zur Begründung führt er aus: Die 1996 neu ausgestellte Geburtsurkunde seiner Mutter entspreche dem Auszug aus dem Geburtsregister. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, um an der Echtheit der Geburtsurkunde zu zweifeln.
12Der Kläger überreichte weiterhin ein Sprachzertifikat B1 Modul Hören, eine Geburtsbescheinigung für ihn, ausgestellt 2021, eine Geburtsbescheinigung für seine Mutter, ausgestellt 2021, sowie eine Ersatzgeburtsurkunde für seine Mutter, ausgestellt 2001.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.12.2018 zu verpflichten, dem Kläger einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung führte sie aus: Die Kopie des originären Geburtsregisterauszugs Nr. 0000 betreffend den Großvater sei kaum lesbar. Im Übrigen fehle in der Abschrift aus dem Geburtsregister betreffend die Mutter der übliche Vermerk, dass keine Änderungen oder Ergänzungen an der Geburtsregistereintragung vorgenommen worden seien. Die 2021 ausgestellten Geburtsbescheinigungen überzeugten nicht. Der Tag des Geburtsregistereintrages divergiere (00.00.1959 und 00.00.1959). Die Abstammung der Mutter von dem 1935 geboren L1. L. bleibe weiterhin unklar. Hinsichtlich der Sprache sei nur das Modul Hören, nicht aber das Modul Sprechen durch ein Zertifikat belegt worden.
18Das Gericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass ein geeigneter Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse bisher nicht erbracht sei und ihn zur Vorlage entsprechender Nachweise sowie zur Vorlage urkundlicher Belege der biologischen Abstammung von der Mutter aus der Zeit um das Geburtsjahr aufgefordert.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und auf den Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren 7 K 745/19 sowie die dortigen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 27.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedler.
22Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufnahmebescheides sind die §§ 26 und 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Fassung des BVFG vom 19.06.2020 (BGBl. I S. 1328). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler ist gemäß § 4 Abs. 1 BVFG ein deutscher Volkszugehöriger, der im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übergesiedelt ist, wenn er zuvor seit dem 08.05.1945 (Nr. 1) oder nach seiner Vertreibung oder Vertreibung eines Elternteils seit dem 31.03.1952 (Nr. 2) oder seit seiner Geburt seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte, oder, wenn er vor dem 01.01.1993 geboren ist, von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen nach Nr. 1 oder Nr. 2 erfüllt (Nr. 3).
23Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, da er kein deutscher Volkszugehöriger ist. Die deutsche Volkszugehörigkeit des im Jahr 1980 geborenen Klägers bestimmt sich nach § 6 Abs. 2 BVFG. Danach besitzt die deutsche Volkszugehörigkeit, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat. Das Bekenntnis muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.
24Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers nicht vor.
25Es fehlt bereits an einem Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können. An einem Sprachtest an einer deutschen Botschaft oder einem Konsulat hat der Kläger nicht teilgenommen. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger ein B1-Zertifikat vom 19.12.2018 überreicht, welches jedoch allein das Modul Hören erfasst. Den Nachweis über das Bestehen der übrigen Module hat der Kläger trotz der gerichtlichen Aufforderung hierzu nicht erbracht.
26Außerdem kann nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger von einem deutschen Staatsangehörigen oder einem deutschen Volkszugehörigen abstammt, der die Stichtagsvoraussetzungen nach § 4 Nr. 1 oder Nr. 2 BVFG erfüllt.
27Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
28vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris Rn 12 ff.,
29dem das Gericht folgt, liegt dem Bundesvertriebenengesetz ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde, der neben den Eltern auch die Voreltern erfasst.
30Demnach kommen hier als Personen, von denen die Abstammung abgeleitet werden kann, die vermeintliche Mutter des Klägers, die 1959 geborene M. T. , der vermeintliche Großvater des Klägers, der 1935 geborene L1. L. , sowie der vermeintliche Urgroßvater des Klägers, der 1902 geborene O. L. , und die vermeintliche Urgroßmutter des Klägers, die 1912 geborene F. L. , in Betracht.
31Ob die für die Abstammung in Frage kommende Bezugsperson deutscher Volkszugehöriger ist, beurteilt sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers und ist keinen Veränderungen im weiteren Zeitverlauf zugänglich,
32vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris Rn. 25 ff. ; OVG NRW, Urteil vom 13.11.2019 – 11 A 648/18 – ; VG Köln, Urteil vom 03.03.2019 – 7 K 5609/17 –.
33Maßgeblich ist somit die Definition der deutschen Volkszugehörigkeit in § 6 BVFG in der bis zum 01.01.1993 gültigen Fassung und die hierzu von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze. Diese unterschieden zwischen bekenntnisfähigen Personen, mithin solchen, die zu Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen im Juni 1941 für ein Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum reif genug waren (Bekenntnisgeneration) und solchen Personen, die zu diesem Zeitpunkt diese Reife noch nicht erlangt hatten (sog. bekenntnisunfähige Frühgeborene) oder die noch nicht geboren waren (sog. Spätgeborene),
34vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 – 1 C 43.18 – juris Rn. 29 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 29.08.1995 – 9 C 391.94 – BVerwGE 99, 133,136 f.
35Der Kläger hat jedoch bereits nicht die biologische Abstammung von seiner vermeintlichen Mutter, M. T. , geboren am 00.00.1959, nachgewiesen.
36Die zum Nachweis der Abstammung vorgelegten Urkunden sind nicht beweisgeeignet.
37Nach § 98 VwGO in Verbindung mit § 438 Abs. 1 ZPO ist in jedem Einzelfall zu ermessen, ob Urkunden, die von einer ausländischen Behörde erstellt wurde, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sind. Im Fall der Echtheit kommt ihnen dieselbe Beweisfunktion zu wie inländischen Urkunden. Sie sind nur dann nicht beweisgeeignet, wenn konkrete Anhaltspunkte gegen ihre Echtheit oder ihre inhaltliche Unrichtigkeit sprechen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion die Beschaffung gefälschter oder inhaltlich unrichtiger Urkunden ohne weiteres möglich ist und auch in den bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Verfahren häufig zu beobachten ist,
38vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.09.2021 – 11 A 3811/19 – ; Urteile vom 22.02.2017 – 11 A 1298/15 – und vom 03.07.2014 – 11 A 166/13 – ; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 27.02.2019 – 19 A 1999/16 – juris Rn. 42 zur Rechtslage in der Russischen Föderation bez. Urkunden im Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren.
39Insbesondere konnten Eintragungen der Nationalität nach 1990 in Personenstandsurkunden auf Antrag der Betroffenen – auch bei bereits verstorbenen Personen – geändert werden, ohne dass die Änderung und frühere Eintragungen nachvollziehbar sind,
40vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.09.2021 – 11 A 3811/19 – .
41Vor diesem Hintergrund ist in jedem Einzelfall eine eingehende Prüfung der Urkunden erforderlich und ihr Beweiswert auch im Zusammenhang mit dem Sachvortrag zu bestimmen,
42vgl. auch VG Köln, Urteil vom 07.09.2020 – 7 K 4194/19 – .
43Dies zugrunde gelegt, vermag der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts die biologische Abstammung von seiner vermeintlichen Mutter und über diese von seinem Großvater und Urgroßvater sowie seiner Urgroßmutter darlegen.
44Der Kläger hat keine Geburtsurkunde aus seinem Geburtsjahr 1980 oder einen etwaigen, geeigneten Beweis dafür vorgelegt, dass seine Mutter die am 00.00.1959 geborene M. T. ist. Die vorgelegten Geburtsurkunden aus dem Jahr 1997 und 2001 und die Geburtsbescheinigung aus dem Jahr 2021 alleine genügen nicht. Sie belegen nur, was in diesem Zeitpunkt eingetragen worden war. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen ihm die Vorlage einer Geburtsurkunde aus seinem Geburtsjahr unmöglich sein sollte. Die Mutter des Klägers hat in ihrem ersten Antragsverfahren aus dem Jahr 1997 eine Geburtsurkunde des Klägers, ausgestellt am 15.02.1997, vorgelegt. In ihrem Sprachtest am 09.10.2001 in B. erklärte sie, ihre und die Geburtsurkunden ihrer beiden Kinder seien neu ausgestellt worden, weil sie sich von Juli bis September 2001 als Asylantin in Belgien befunden habe. Die Originalurkunden seien dort verblieben. Ungeachtet der Glaubhaftigkeit dieser Aussage, stellt es sich als widersprüchlich dar, dass in einem Asylverfahren im Jahr 2001 die Originale in Belgien verblieben sind, gleichwohl aber Urkunden, die 1997 ausgestellt worden sind, vorgelegt werden können. Auch fällt auf, dass die Urkunden allesamt nach 1996 ausgestellt wurden, also direkt nach dem Jahr, in welchem die Mutter des Klägers ihre Nationalität in Deutsch hat ändern lassen, was sie zunächst verschwiegen hat. Die im Laufe des Verfahrens vorgelegte Geburtsbescheinigung Nr. 1496 vom 06.09.2021 sowie die Geburtsurkunde vom 25.09.2001 sind ebenfalls nicht beweisgeeignet. Sie sollen bezeugen, das im Standesamtsregister über die Geburt des Klägers am 18.03.1980 die Eintragung des Klägers unter der Nr. 000 mit den dort aufgeführten Inhalten gemacht wurde. Die Mutter des Klägers ist dort mit deutscher Volkszugehörigkeit aufgeführt. Dies ist nachweislich falsch, da sie nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes erst 1996 die Änderung ihrer Nationalität erwirkte. Selbst wenn man die Verwandtschaft mit der Mutter annehmen sollte, genügt dies allein nicht für den Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. Denn die vermeintliche Mutter selbst ist keine deutsche Volkszugehörige im Sinne des BVFG. Insoweit wird auf das parallele Gerichtsverfahren 7 K 745/19 und den dort ergangenen Bescheid der Beklagten verwiesen.
45Der Kläger kann sich auch nicht auf seine Abstammung von dem Großvater berufen.
46Zwar ist es zulässig, hinsichtlich der Abstammungsperson und deren deutscher Volkszugehörigkeit Generationen zu „überspringen“. Eine geschlossene Kette deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit ist insoweit nicht erforderlich.
47Vgl. BVerwG , Urteil vom 29. Oktober 2019 – 1 C 43/18 – Rn 12 f. juris.
48Allerdings ist auch hierfür der Nachweis der biologischen Abstammung von seiner Mutter erforderlich. Und auch die biologische Verwandtschaft der Mutter des Klägers zu dem Großvater, dem 00.00.1935 geborenen L1. L. , ist nicht dargetan. Denn als alleinigen Nachweis hierfür hat der Kläger nur eine im Jahr 1996 ausgestellte Geburtsurkunde der am 00.00.1959 geborenen Mutter M. T. , die Eheschließungsbescheinigung aus dem Jahr 2017 sowie eine Geburtsbescheinigung aus dem Jahr 2021 vorgelegt. Hinsichtlich letzter ergibt sich eine Divergenz zu der Geburtsurkunde aus dem Jahr 2001, wonach die Eintragung in das standesamtliche Register am 00.00.1959 unter der Nummer 0000 gemacht worden sein soll. Denn nach der Bescheinigung aus dem Jahr 2021 ist die Eintragung unter der Nummer 0000 am 00.00.1959 erfolgt. Eine authentische Urkunde aus dem Jahr der Geburt fehlen ebenso wie die Erklärung, warum deren Vorlage nicht möglich war. Die fehlende Vorlage authentischer Urkunden in ihrer Gesamtheit wirft auch deswegen Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen der neueren Urkunden auf, weil aus dem Parallelverfahren der vermeintlichen Mutter M. T. bekannt ist, dass diese bis 1996 mit der Eintragung russischer Nationalität geführt wurde. Da auch der Vater des Klägers russischer Nationalität ist, ist anzunehmen, dass der Kläger bis 1996 ebenfalls als Russe geführt wurde. Der Wehrpass des Klägers, in welcher die deutsche Nationalität eingetragen ist, datiert aus dem Jahr 1998.
49Die danach verbleibenden durchgreifenden Zweifel gehen zu Lasten des Klägers, da es sich bei der Frage der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen oder deutschen Staatsangehörigen um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, für die er die Darlegungs- und Beweislast trägt. Auch im Vertriebenenrecht darf selbst im Falle der Beweisnot des Antragstellers eine anspruchsbegründende Tatsache nur festgestellt werden, wenn die entscheidende Stelle anhand des schlüssigen Vortrags die Überzeugung gewonnen hat, dass sie vorliegt.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1999 – 5 B 102.99 – juris Rn 6; OVG NRW, Urteil vom 08.04.2010 – 12 A 2782/07 – juris Rn 71.
51Auf die Frage, ob ein Bekenntnis des vermeintlichen Großvaters als frühgeborener Bekenntnisunfähiger oder der Urgroßeltern vorliegt sowie auf den Nachweis der Verwandtschaft zwischen dem Großvater und den Urgroßeltern kommt es demnach nicht mehr an.
52Ob der Kläger sich zum deutschen Volkstum bekannt hat, kann ebenfalls offen bleiben.
53Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
54Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
55Rechtsmittelbelehrung
56Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
57- 58
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
64Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
65Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
66Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
67Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
68Beschluss
69Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
705.000,00 €
71festgesetzt.
72Gründe
73Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
74Rechtsmittelbelehrung
75Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
76Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
77Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
78Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
79Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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