Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 6 L 978/22
Tenor
1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
- welche Kenntnisse das Ministerium, namentlich Bundesministerin Lambrecht, über die Entstehung eines Fotos im Hubschrauber der Flugbereitschaft vom 13.04.2022 hat, das den Sohn von Bundesministerin Lambrecht zeigt,
- ob Bundesministerin Lambrecht das Foto am 13.04.2022 selbst angefertigt hat,
- ob der Ministerin oder ggf. weiteren Beteiligten aus dem Ministerium bekannt war, dass ein am 13.04.2022 aufgenommenes Foto aus dem Helikopter in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht würde/es beabsichtigt war, ein solches Foto zu veröffentlichen,
- und falls dies nicht bekannt war, wann (Datum) dies dem Ministerium, namentlich Bundesministerin Lambrecht, auf welche Weise bekannt geworden ist.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit, in dem der Antragsteller beantragt,
3der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Auskunft darüber zu erteilen,
4- 5
1. wann (Datum) der Besuch des Bataillons Elektronische Kampfführung 911 (EloKaBtl 911) in Stadum durch Frau Bundesministerin Christine Lambrecht im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) festgelegt wurde und wann (Datum) der Besuch dem EloKaBtl 911 bekannt gemacht wurde,
- 7
2. ob es zutrifft, dass Bundesministerin Lambrecht vorgeschlagen und/oder darauf hingewirkt hat, das EloKaBtl 911 zu besuchen,
- 9
3. falls nein, wer/welche Stelle sonst die Initiative für den Besuch ergriffen hat,
- 11
4. welcher zeitliche Abstand zwischen Buchung des Hotels auf Sylt und Festlegung/Verabredung/Terminierung des Besuchs beim EloKaBtl 911 lag (jeweils Datum)
- 13
5. in welchen Reisemitteln die Weiterfahrt von Bundesministerin Lambrecht nach dem Besuch des EloKaBtl 911 Richtung Sylt erfolgte,
- 15
6. wie die Kosten für die Weiterfahrt von Bundesministerin Lambrecht nach dem Besuch des EloKaBtl 911 Richtung Sylt abgerechnet wurden,
- 17
7. wie ggf. die Begleitung durch den Sohn bei der Weiterfahrt Richtung Sylt abgerechnet wurde,
- 19
8. wann (Datum) die Begleitung der Anreise durch zum EloKaBtl 911 durch den Sohn von Frau Bundesministerin Lambrecht feststand/dem Ministerium erstmals angekündigt wurde,
- 21
9. wann (Datum) für die Begleitung der Reise durch den Sohn von Bundesministerin Lambrecht ein Platz durch die Flugbereitschaft für den Begleitungsflug angefordert/festgelegt wurde,
- 23
10. ob die Anforderung zugleich mit der Anforderung der Flugbereitschaft für Frau Bundesministerin Lambrecht erfolgt ist,
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11. auf welche konkreten Rechtsvorschriften sich Frau Bundesministerin Lambrecht in ihren öffentlichen Angaben bezieht, die Mitnahme des Sohnes sei rechtmäßig erfolgt,
- 27
12. welche konkreten Rechtsgrundlagen und Vorschriften bei der Mitnahme des Sohns von Frau Bundesministerin Lambrecht zur Anwendnung kamen und für die Abrechnung der dadurch fälligen Kosten maßgeblich waren,
- 29
13. welche Kenntnisse das Ministerium, namentlich Bundesministerin Lambrecht, über die Entstehung eines Fotos im Hubschrauber der Flugbereitschaft vom 13.04.202 hat, das den Sohn von Bundesministerin Lambrecht zeigt,
- 31
14. ob Bundesministerin Lambrecht das Foto am 13.04.2022 selbst angefertigt hat,
- 33
15. ob der Ministerin oder ggf. weiteren Beteiligten aus dem Ministerium bekannt war, dass ein am 13.04.2022 aufgenommenes Foto aus dem Helikopter in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht würde/es beabsichtigt war, ein solches Foto zu veröffentlichen,
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16. falls dies nicht bekannt war, wann (Datum) dies dem Ministerium auf welche Weise bekannt geworden ist,
hinsichtlich der Fragen zu 1. bis 3. sowie von 5. bis 12. mit Schriftsätzen vom 12.07.2022 und 01.08.2022 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Insoweit war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Der hinsichtlich der übrigen Fragen aufrecht erhaltene Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
37Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn diese Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Ist der Antrag – wie vorliegend – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, so sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können.
38Vgl. VG Köln, Beschlüsse vom 25.04.2018 – 6 L 4777/17 –, juris, Rn. 12 m. w. N.; vom 09.02.2017 – 6 L 2426/16 –, juris, Rn. 5 m. w. N.; vom 28.08.2009 – 6 L 918/09 –, juris, Rn. 9; VG Berlin, Beschluss vom 23.10.2019 – 27 L 98.19 –, juris, Rn. 69.
39Der Antragsteller hat jedenfalls in Bezug auf die Fragen zu 13. bis 16. einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
40Mangels einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers verleiht das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Presseangehörigen, zu denen der Antragsteller als rechtspolitischer Korrespondent einer überregionalen Tageszeitung gehört, einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden, soweit die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf sie nicht anwendbar sind. Diese Voraussetzungen treffen auf die gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachten Auskunftsansprüche zu, da die Anspruchsgrundlage des § 4 Abs. 1 LPresseG NRW gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung nicht zur Anwendung gelangt; der Behördenbegriff des § 4 Abs. 1 LPresseG NRW erfasst nur Behörden im Sinne des Landesrechts. Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs wird maßgeblich durch die Funktionen bestimmt, die die Presse in der freiheitlichen Demokratie erfüllt. Ihr kommt neben einer Informations- insbesondere eine Kontrollfunktion zu. Eine effektive, funktionsgemäße Pressetätigkeit setzt voraus, dass Journalisten in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit gegenläufigen schutzwürdigen Interessen, wobei allerdings eine Bewertung und Gewichtung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen; aus Art. 10 EMRK ergibt sich insoweit nichts anderes.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.03.2016 – 6 C 65.14 –, juris, Rn. 17 ff., und vom 30.01.2020 – 10 C 18.19 –, juris, Rn. 27 ff., sowie Beschlüsse vom 23.03.2021 – 6 VR 1.21 –, juris, Rn. 17, und vom 20.03.2018 – 6 VR 3.17 –, juris, Rn. 15 f. jeweils m. w. N.
42Den im hiesigen Fall allein in Streit stehenden privaten Interessen – sicherheitsrechtliche Bedenken macht die Antragsgegnerin von vornherein nicht geltend –, können bei der im Rahmen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse gegenüber Bundesbehörden durchzuführenden Abwägung Vorrang vor dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informationsinteresse der Presse zuzubilligen sein. Private Interessen können sich insbesondere aus den Grundrechten Dritter ergeben. Dies entspricht der zu den Auskunftsansprüchen nach den Landespressegesetzen geübten Rechtspraxis. Die praktische Konkordanz zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen der Presse und der privaten Dritten, die im Anwendungsbereich der Landespressegesetze auf einfachgesetzlicher Grundlage hergestellt werden kann, muss bei Auskunftsbegehren der Presse gegenüber Bundesbehörden mangels einer Regelung des einfachen Bundesgesetzgebers im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergestellt werden. Setzt sich der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch im Rahmen der durchzuführenden Abwägung durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen. In Gestalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG selbst besteht dann eine hinreichende Ermächtigung für die mit der Auskunftserteilung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte Dritter.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.09.2019 – 6 A 7.18 –, juris, Rn. 21f.
44Der im vorstehend beschriebenen Umfang durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang beschränkt sich allerdings auf die bei der informationspflichtigen Stelle, hier dem Ministerium, tatsächlich vorhandenen Informationen. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 6 A 2.12 – , juris, Rn. 30.
46Unter die vorhandenen Informationen fallen solche, die elektronisch gespeichert oder verschriftlicht in Akten oder Vorgängen vorhanden sind. Zu den bei der Behörde vorhandenen Informationen gehören aber auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die zwar nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden, aber in Form präsenten dienstlichen Wissens der Beschäftigten der auskunftspflichtigen Stelle bei dieser Stelle vorliegen und ggf. abzufragen sind.
47Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.06.2022 – 6 B 1/21 –, juris, Rn. 47. Ferner OVG Bremen, Urteil vom 30.10.2019 – 1 LB 118/19 –, juris, Rn. 90, nachfolgend BVerwG, Urteil vom 26.04.2021 – 10 C 1.20 –, juris, Rn. 25.
48Der Auskunftsanspruch erfasst dabei nur das in der auskunftspflichtigen Behörde zuständigkeitshalber erlangte Wissen, nicht aber persönliche Kenntnisse von Behördenmitgliedern, die außerhalb der dienstlichen Tätigkeit erworben wurden. Der Auskunftsanspruch begründet demnach kein allgemeines Fragerecht gegenüber Behördenleitern. Denn insoweit handelt es sich nicht um Wissen, das im Rahmen einer Tätigkeit für die auskunftspflichtige Stelle dienstlich erlangt worden ist.
49Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.07.2022 – 6 S 36/22 –, juris, Rn. 18.
50Hinsichtlich der Frage zu 4., mit der Auskunft über den zeitlichen Buchungsabstand der Buchung des Hotels auf Sylt und der Festlegung/Terminierung des Truppenbesuchs begehrt wird, fehlt der Antragsgegnerin insoweit die Passivlegitimation. Denn die Hotelbuchung als solche ist ein Vorgang, der einzig in den Wirkungskreis der Ministerin als Privatperson fällt. Es ist nicht ersichtlich, dass es bezogen auf den Hotelbuchungsvorgangs aktenkundige Informationen gibt, die dem Bundesministerium der Verteidigung als Behörde zuzuordnen wären. Es handelt sich bei der Hotelbuchung vielmehr um einen Vorgang aus dem rein privaten Umfeld der Ministerin. Entsprechend stellt das die Hotelbuchung betreffende Wissen kein dienstliches Wissen dar, über das die Antragsgegnerin Auskunft erteilen könnte. Mithin fällt auch die Beantwortung der Frage, welcher zeitliche Abstand zwischen der Hotelbuchung und dem (dienstlichen) Besuch beim EloKaBtl liegt, in die Privatsphäre der Ministerin, weil die entsprechende Auskunft nur erteilt werden kann, wenn auf das rein private Wissen der Ministerin über den Zeitpunkt der Hotelbuchung abgestellt würde. Dem privaten Charakter der Hotelbuchung steht hier auch nicht entgegen, dass ggf. der persönliche Referent der Bundesverteidigungsministerin in die Buchungsvorgänge eingebunden war. Denn sofern es sich um die unverzichtbare Einschaltung dienstlicher Stellen zu dem Zwecke der Gewährleistung der persönlichen Sicherheit der Ministerin handelt, derer es auch während eines privaten Urlaubsaufenthalts bedarf, steht dies dem rein privaten Charakter der Unternehmung nicht entgegen. Für die Annahme des Antragstellers, dass der Hotelbuchungsvorgang als solcher unter Zuhilfenahme ministerieller Ressourcen erfolgt ist, die grundsätzlich verzichtbar gewesen wären, bestehen nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte.
51Anders verhält es sich bei den Fragen zu 13. bis 16. Denn die für deren Beantwortung erforderlichen Informationen hat die Ministerin jedenfalls auch dienstlich erlangt. Es handelt sich nicht um rein privates Wissen. Zwar vertritt die Antragsgegnerin die Ansicht, diese Fragen beträfen keine Vorgänge dienstlicher Natur, sondern seien in der Privatsphäre der handelnden Personen zu verorten, weil es gerade nicht Teil der Aufgabenwahrnehmung als Ministerin sei, welche Inhalte und Fotos ihr Sohn auf seinem privaten Instagram-Account poste. Dem kann aus Sicht der beschließenden Kammer jedoch nicht gefolgt werden. Denn aus der Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls ergibt sich ein hinreichender Bezug zum Amt als Bundesverteidigungsministerin.
52Hinsichtlich der Fragen zu 13. und 14. geht es um etwaige Kenntnisse des Ministeriums bzw. der Ministerin zur Entstehung des Fotos des Sohnes der Ministerin im Hubschrauber der Flugbereitschaft vom 13.04.2022. Bei dem streitgegenständlichen, im Internet frei zugänglichen Bild,
53abrufbar etwa unter https://www1.wdr.de/lambrecht-sohn-flug-100.html (zuletzt abgerufen am 22.08.2022),
54handelt es sich um eine Ablichtung, die im Innenraum des Fluggeräts angefertigt wurde. Das Beförderungsmittel ist augenscheinlich der Hubschrauber, der für die dienstliche Beförderung zum EloKaBtl 911 genutzt wurde. Auf dem Foto ist der Innenbereich des Hubschraubers, insbesondere das Cockpit, deutlich erkennbar. Aus dem Gesamtkontext der Ablichtung ergibt sich ein unmittelbarer Bezug zur Bundeswehr. Weiterhin besteht ein zeitlicher Zusammenhang zur Wahrnehmung der Amtsaufgaben als Bundesministerin. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat die Ministerin den Hubschrauber gerade nicht für den Weiterflug nach Sylt in Anspruch genommen. Daher kann die Ablichtung nicht während des privaten Urlaubsaufenthalts gefertigt worden, sondern muss zwangsläufig im Vorhinein entstanden sein; in diesem Zeitraum fand jedoch der dienstliche Besuch des EloKatBtl statt. Es handelt sich bei den begehrten Informationen insoweit jedenfalls nicht um rein privates Wissen, weil nicht erkennbar ist, dass das Bild in einem Rahmen angefertigt wurde, der vollständig außerhalb der dienstlichen Aufgabenwahrnehmung der Ministerin lag. Dies ergibt sich bereits aus der oben beschriebenen Situation, die die Aufnahme zeigt. Die Anreise der Ministerin zu einem Truppenbesuch unter Inanspruchnahme eines Bundeswehrhubschraubers bildet den – ohne Zweifel – dienstlichen Rahmen, innerhalb dessen das Bild entstanden sein dürfte, wobei es für die Beantwortbarkeit der Fragen zu 13. und 14. nicht darauf ankommt, ob die Ministerin zum Zeitpunkt der Entstehung des Fotos überhaupt schon an Bord des Hubschraubers war oder die Anfertigung der Aufnahme wahrgenommen hat. Ein Bezug zur Antragsgegnerin besteht zudem vor dem Hintergrund, dass ausweislich der Erläuterungen der Antragsgegnerin bei der Regierungspressekonferenz vom 11.05.2022 der Dienststellenleiter oder der Kommandant des Militärgeräts aus Sicherheitsgründen festlegt, wie es sich vor Ort mit der Erlaubnis zum Fotografieren verhält. Eine der Antragsgegnerin angehörige Stelle muss festlegen, ob es überhaupt zu entsprechenden Ablichtungen kommen darf. Die Antragsgegnerin ist damit automatisch in das „Ob“ der Entstehung eines Fotos eingebunden. Sich daraus ableitende weitere Fragestellungen zum „Wie“ der Entstehung haben damit ebenfalls einen dienstlichen Bezug. Diese Situation ist gerade nicht mit einem rein privaten „Schnappschuss“ zu vergleichen. Weiterhin ist die Entstehung des Fotos erst durch die Inanspruchnahme von Ressourcen der Antragsgegnerin ermöglicht worden: Nach der Presseauskunft vom 11.05.2022 kann ein Anforderungsberechtigter bestimmen, welchen Personen ein Mitflug gestattet ist. Diese Anforderungsberechtigung kommt der Ministerin hier nicht als Privatperson zu, sondern als Behördenleiterin. Auch die Abrechnung der Mitnahme des Sohnes erfolgte entsprechend der (dienstlichen) Vorgaben der Richtlinien für die Nutzung von Dienstfahrzeugen in der Bundesverwaltung. Konnte mithin die auf dem Foto abgebildete Situation nur durch das der Ministerin übertragene Amt und der damit eingeräumten Befugnisse zustande kommen, kann von einem rein privaten Vorgang, über den schon keine dienstlich erlangten Kenntnisse bei der Antragsgegnerin vorhanden sein können, keine Rede sein.
55Hinsichtlich der Frage zu 15. ist ein Auskunftsanspruch ebenfalls nicht per se mangels Passivlegitimation ausgeschlossen. Denn die Frage, ob der Ministerin oder weiteren Beteiligten aus dem Ministerium bekannt war, dass ein am 13.04.2022 aufgenommenes Foto aus dem Helikopter auf den sozialen Medien veröffentlicht werden sollte, ist eine Information, die gleichermaßen jedenfalls nicht rein privater Natur ist. Da die Erlaubnis zur Anfertigung von Bildern durch dienstliche Stellen erteilt wird, ist nicht denkbar, dass dies nicht erst recht auch für die Verbreitung von Bildern in der Öffentlichkeit gilt. Da auf dem Foto ein Bezug zur Bundeswehr offenbar wird, besteht aus Sicht der beschließenden Kammer ein hinreichender Bezug zur Aufgabenwahrnehmung der Antragsgegnerin. Dies betrifft auch die Modalitäten einer (beabsichtigten) Veröffentlichung. Denn der Bezug zur Bundeswehr entfaltet durch die Veröffentlichung Außenwirkung und kann entsprechend nicht ausschließlich der privaten Lebensführung der handelnden Personen zugeordnet werden. Bei der begehrten Information (Ja/Nein) handelt es sich auch um eine auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Information, über die die Antragsgegnerin ggf. nach Abfrage des präsenten dienstlichen Wissens der Ministerin oder anderer zuständiger Mitarbeiter Auskunft erteilen kann.
56Die sodann hinsichtlich der Fragen zu 13. bis 16. vorzunehmende Abwägung der konfligierenden Rechte unter Berücksichtigung aller nach Aktenlage ersichtlichen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Ministerin hinter dem presserechtlichen Auskunftsanspruch zurücktreten muss. Der Beantwortung der Fragen zu 13. bis 16. stehen keine schutzwürdigen privaten Vertraulichkeitsinteressen der Bundesministerin entgegen.
57Durch die Beantwortung der Fragen wird seitens des Antragstellers zwar in das Grundrecht der betroffenen Ministerin auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen.
58Die Bundesministerin kann sich als Privatperson auf die Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen: Zwar bekleidet sie das Amt der Bundesverteidigungsministerin, gleichzeitig ist sie jedoch auch Privatperson, sodass für sie jedenfalls als Letztere der persönliche Anwendungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet ist.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 – 7 C 5.17 –, juris, Rn. 18.
60Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.
61Vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a. –, juris, Rn. 146, 149.
62Bei der Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist zudem danach zu unterscheiden, ob der Eingriff der Intim-, der Privat- oder der Sozialsphäre des Grundrechtsträgers zuzuordnen ist. In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe. Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, sodass der Persönlichkeitsschutz weniger weit reicht als in den Fällen der Betroffenheit der Intim- und Privatsphäre. Die Sozialsphäre umfasst die gesamte Teilnahme am öffentlichen Leben, also die Gegebenheiten, in denen der Einzelne in Kontakt mit anderen tritt.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 – 7 C 5.17 –, juris, Rn. 33.
64Die Privatsphäre erfasst dagegen den engeren persönlichen Lebensbereich, insbesondere innerhalb der Familie. Die Persönlichkeitssphäre schützt im Sinne einer Rückzugsmöglichkeit für das Individuum einen Raum, in dem der Einzelne unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen verkehren kann.
65Vgl. Lang, in: BeckOK Grundgesetz, 51. Edition, Stand 15.05.2022, Art. 2 GG Rn. 41 m. w. N.
66Darüber hinaus ist bei der Würdigung der Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen insbesondere die Art der in Rede stehenden personenbezogenen Angaben zu berücksichtigen.
67Vgl. OVG Berlin Brandenburg, Urteil vom 20.03.2012 – OVG 12 B 27.11 –, juris, Rn. 25.
68Dem sind jedoch die Interessen des Antragsstellers gegenüberzustellen. Dieser nimmt durch seine Recherchen in Ausübung der Informations- und Kontrollfunktion der Presse das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 geschützte Informationsinteresse wahr, welches sich auf die Ablichtung des Sohnes der Bundesverteidigungsministerin Lambrecht in einem Helikopter der Bundeswehr bezieht. Der Antragsteller hat unter Bezugnahme auf seine journalistische Tätigkeit und die bereits erfolgte Berichterstattung, die er hinsichtlich der Umstände der Entstehung des Fotos auszuweiten beabsichtigt, ein berechtigtes Interesse an der Informationsübermittlung dargelegt, dessen Bewertung sich angesichts der Eigenständigkeit der Presse und des Verbots einer Relevanzprüfung verbietet. Namentlich ist es der journalistischen Aufbereitung nach der hier begehrten Auskunftserteilung vorbehalten, inwieweit und ggf. welche Rückschlüsse sich auf die Einstellung der Ministerin im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Privilegien ziehen lassen, die mit der Wahrnehmung der ihr übertragenen Dienstgeschäfte verbunden sind.
69Insoweit ist bei den Fragen zu 13. und 14., die auf die Kenntnisse hinsichtlich der bzw. Involvierung in die Entstehung des Bildes des Sohnes abzielen, zwar die Privatsphäre der Ministerin betroffen, die entscheiden darf, welche Handlungen sie vornimmt und ob sowie in welchem Maße diese in die Öffentlichkeit gelangen. Allerdings ist hierbei abermals beachtlich, dass das Foto in der dienstlichen Sphäre der Ministerin aufgenommen wurde, sodass die Entstehung der Fotos ihres Sohnes einen engen Bezug zu ihrer Tätigkeit als Behördenleiterin des Bundesverteidigungsministeriums hat. Die erbetenen Informationen sind dabei nicht dem Kernbereich der Privatsphäre zuzuordnen, sondern liegen nach der Gesamtschau aller Umstände im Grenzbereich zwischen Privat- und Sozialsphäre. Nach dem oben Gesagten konnte das Foto erst durch die Inanspruchnahme ministerieller Ressourcen und auf Grundlage besonderer behördlicher Anforderungsrechte entstehen. Da das Bild nicht in einem besonders geschützten privaten Rahmen entstanden ist, ist insoweit der Anspruch auf Privatsphäre hinsichtlich der Preisgabe von Informationen zur Entstehung und zur späteren Veröffentlichung des Bildes eingeschränkt. Es kann ferner dahinstehen, ob es der Ministerin zurechenbar ist, dass ihr Sohn das Bild selbst auf seinem damals öffentlich zugänglichen Instagram-Profil veröffentlicht hat, und er sich in Bezug auf seine Person des besonderen Schutzes seiner Privatsphäre begeben hat (sog. Selbstöffnung). Zwar wendet die Antragsgegnerin ein, es sei allein die Privatsphäre der Ministerin betroffen und ihr könne nicht zugerechnet werden, wenn sich ihr Sohn seiner Privatsphäre begeben habe. Allerdings gilt insoweit zu berücksichtigen, dass die Fragen nach der Kenntnis über die Entstehung des Bildes (Fragen zu 13. und 14.) sowie über die Kenntnisse über die entsprechende Veröffentlichung (Fragen 15. bis 16.) bei objektiver Betrachtung keine erheblichen und in besonderem Maße schutzwürdigen Belange der Ministerin darstellen. Wegen des offenkundigen Dienstbezugs handelt es sich nicht um besonders schutzwürdige private Belange. Die Fragen zielen bei objektiver Betrachtung nicht auf eine Informationsgewinnung zu besonders kritischen Bereiche der Privatsphäre. Selbst wenn der Sohn der Ministerin die entsprechenden Daten nicht in die Öffentlichkeit getragen hätte, sind mit der Preisgabe der erbetenen Informationen über die Entstehung und Veröffentlichung des Bildes keine derart schutzwürdigen privaten Belange betroffen, die den grundgesetzlich verbürgten presserechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers ausschlössen. Der Offenbarung der personenbezogenen Daten der Ministerin kommt im hiesigen Einzelfall kein besonderes Gewicht zu. Denn inwieweit die private Lebensgestaltung der Ministerin durch die Preisgabe der begehrten Informationen in erheblichem Maße beeinträchtigt würde, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Zudem muss sich die Ministerin entgegenhalten lassen, dass sie selbst durch die Mitnahme ihres Sohnes in einem Hubschrauber der Antragsgegnerin aus freien Stücken ihre privaten Belange mit der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte verwoben hat.
70II. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands entspricht es hier billigem Ermessen, insoweit die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Denn die Antragsgegnerin hat diese begehrten Auskünfte erst im gerichtlichen Verfahren erteilt, obwohl sie mit Blick auf den Zeitraum zwischen den erstmaligen Anfragen (12.05.2022, 13.05.2022, 16.05.2022, 18.05.2022) und Nachsuchen um gerichtlichen Eilrechtsschutz (23.05.2022, zunächst beim örtlich unzuständigen Verwaltungsgericht Berlin) hinreichend Zeit hatte, dem Auskunftsersuchen zu entsprechen. Insoweit hat sie Veranlassung zur Beschreitung des Rechtswegs gegeben. Hinsichtlich des streitigen Teils unterliegt der Antragsteller zwar teilweise. Allerdings hält es die Kammer im Rahmen der zu treffenden einheitlichen Kostenentscheidung für gerechtfertigt, der Antragsgegnerin entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen, nachdem von den 16 der Antragsgegnerin unterbreiteten Fragen des Antragstellers nur eine Frage unbeantwortet geblieben ist bzw. bleibt.
71III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht davon abgesehen, den Streitwert zu reduzieren.
72Rechtsmittelbelehrung
73Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
74Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
75Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
76Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
77Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
78Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
79Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
80Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
81Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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