Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 19 L 840/22
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, ihn zu einem Anteil von 60% auf die Leitstelle 371/12 umzusetzen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch – d.h. ein subjektiv-öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln – und einen Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit – glaubhaft gemacht hat, §§ 123 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO. Wird mit dem Antrag – wie hier – die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, kommt diese im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem muss der Antragsteller - im Rahmen des Anordnungsgrundes - glaubhaft machen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
6St. Rspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.09.2017 – 1 WDS-VR 4.17 –, juris Rn. 15.
7Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch gegeben, denn die Frage der Vorwegnahme der Hauptsache bezieht sich auf die Verwirklichung des mit dem Antrag geltend gemachten Begehrens und nicht darauf, ob die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Maßnahme auch zu einem späteren Zeitpunkt umsetzen kann.
8Auf dieser Grundlage hat der Antragsteller schon einen Anordnungsanspruch für die begehrte Untersagung seiner Umsetzung nicht glaubhaft gemacht.
9Die Umsetzungsverfügung vom 24.08.2022 ist weder offensichtlich formell noch offensichtlich materiell rechtswidrig.
10Die Umsetzungsverfügung ist offensichtlich formell rechtmäßig. Die Gleichstellungsbeauftragte wurde nach § 18 LGG NRW beteiligt. Auch der Personalrat hat der Umsetzung am 24.08.2022 gemäß §§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 66 LPVG NRW zugestimmt.
11Die Umsetzung ist auch nicht offensichtlich materiell rechtswidrig.
12Die Umsetzung eines Beamten ist die das statusrechtliche und das funktionelle Amt im abstrakten Sinn unberührt lassende Zuweisung eines anderen Dienstpostens (funktionelles Amt im konkreten Sinn) innerhalb der Behörde. Die darin liegende Organisationsentscheidung des Dienstherrn hat der Beamte auf Grund seiner allgemeinen Gehorsamspflicht (vgl. § 35 Satz 2 BeamtStG, § 58 LBG NRW) zu befolgen.
13OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2013 – 1 B 1373/12 –, juris Rn. 10 m. w. N.
14Gegen die Entziehung dienstlicher Aufgaben bzw. des innegehabten Dienstpostens ist der Beamte in erheblich geringerem Maße rechtlich geschützt als gegen die Entziehung des Amtes im statusrechtlichen Sinne (etwa durch Beendigung des Beamtenverhältnisses) und auch des funktionellen Amtes im abstrakten Sinn (etwa durch Versetzung). Er hat zwar Anspruch auf Übertragung eines seinem Amt im statusrechtlichen Sinn entsprechenden funktionellen Amtes, eines „amtsgemäßen Aufgabenbereichs“. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG umfassen jedoch nicht ein Recht des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen Dienstpostens. Der Beamte muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinn hinnehmen.
15OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2013 – 1 B 1373/12 –, juris Rn. 12 f. m. w. N.
16Danach kann der Dienstherr aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich des Beamten ändern, solange diesem ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt. Besonderheiten des bisherigen Amtes, wie z.B. eine Vorgesetztenfunktion, Leitungsbefugnisse, Beförderungsmöglichkeiten oder ein etwaiges gesellschaftliches Ansehen, haben dabei keine das Ermessen des Dienstherrn bei der Änderung des Aufgabenbereichs einschränkende Wirkung. Die Ermessenserwägungen des Dienstherrn können daher verwaltungsgerichtlich im Allgemeinen nur daraufhin überprüft werden, ob sie durch Ermessensmissbrauch maßgebend geprägt sind. Danach bleibt die Prüfung grundsätzlich darauf beschränkt, ob die Gründe des Dienstherrn seiner tatsächlichen Einschätzung entsprachen und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit allein und maßgebend auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen, oder ob sie aus anderen Gründen willkürlich sind. Eine Einengung des Ermessens ist auf besonders gelagerte Verhältnisse beschränkt.
17OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2013 – 1 B 1373/12 –, juris Rn. 14 f. m. w. N.
18Für den Rechtsschutz gegen eine (rechtswidrige) Umsetzung ist zu unterscheiden, in welcher Hinsicht die Umsetzung fehlerbehaftet ist; (nur) insoweit kann der Beamte beanspruchen, dass der ihn belastende Fehler ausgeräumt wird. So kann der Entzug des bisherigen Dienstpostens fehlerhaft sein und deshalb einen Anspruch auf Rückübertragung dieses Dienstpostens auslösen, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der Umsetzung im Übrigen ankäme. Es kann aber auch die Entbindung von den bisherigen Dienstaufgaben rechtsfehlerfrei sein und (nur) die Übertragung des neuen Dienstpostens schützenswerte Rechte des Beamten, insbesondere seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung, verletzen; sein Anspruch beschränkt sich dann auf eine neue ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen dienstlichen Einsatz.
19OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2019 – 6 B 1459/18 –, juris Rn. 11 f. m.w.N.
20Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist die Umsetzungsentscheidung rechtsfehlerfrei.
21Sie erfolgte nicht aus sachwidrigen Gründen, denn ein sachlicher, dienstlicher Grund für die Umsetzung liegt in der desolaten Personalsituation bei der Leitstelle 371/12, die die Sicherstellung des gesetzlich erforderlichen Leitstellenbetriebs (§ 7 RettG NRW, § 28 BHKG NRW) gefährdet.
22Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen auch im Übrigen nicht missbräuchlich ausgeübt. Soweit der Antragsteller vorträgt, mit der Umsetzung werde ihm die Möglichkeit genommen sich auf Beförderungsmöglichkeiten als Löschbootführer zu bewerben, dringt er damit nicht durch, denn Beförderungsmöglichkeiten schränken das Ermessen der Beklagten bei der Umsetzung von vorneherein nicht ein.
23Ohne Erfolg wendet der Antragsteller in diesem Zusammenhang auch ein, der „Entzug“ der Möglichkeit des Erlangens des Löschbootpatentes sei an dem Leistungsgrundsatz zu messen. Mit der Zulassung zur Ausbildung zum Löschbootführer bzw. der Umsetzung zur Feuerwache 00 hat der Antragsteller keine schutzwürdige Rechtsposition erlangt, die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen wäre. Der Antragsteller wurde zur Ableistung der Ausbildung gleichwertig zur Feuerwache 00 umgesetzt. Nach Erlangung des Patents kann er sich zwar auf höherwertige Stellen als Löschbootführer bewerben. Die Auswahlentscheidung für ein höherwertiges Amt wird aber erst zu diesem Zeitpunkt getroffen und ist damit nicht „vorverlagert“.
24Die Antragsgegnerin hat den Umstand, dass der Antragsteller sich noch in der Ausbildung zur Erlangung des Löschbootpatents befindet, im Übrigen hinreichend in ihrer Entscheidung berücksichtigt. Sie hat sich über die Anforderung an die Ableistung der erforderlichen praktischen Ausübung der Binnenschifffahrt bei der zuständigen Behörde informiert und dementsprechend den Antragsteller mit 40 % seiner Arbeitskraft auf seinem alten Dienstposten bei der Feuerwache 00 belassen. Sie hat die Interessen des Antragstellers damit ausreichend in ihre Erwägungen miteingestellt. Selbst wenn der Antragsteller das Löschbootpatent aber erst nach längerer Zeit erwerben oder gegebenenfalls gar nicht erlangen könnte, würde dies die Umsetzungsentscheidung nicht rechtsfehlerhaft machen. Der Antragsteller hat keinen unbedingten Anspruch darauf, dass er die Ausbildung zum Löschbootführer beenden kann. Die Antragsgegnerin kann vielmehr anderen Belangen im Rahmen ihres Ermessens den Vorzug geben. Danach kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller mit einem Stellenanteil von 40 % die praktische Ausübung der Binnenschifffahrt für das Löschbootpatent in der vorgegebenen Zeit ableisten kann. Davon unabhängig dürfte die praktische Ausbildung des Antragstellers nicht die von ihm geschilderte Maximalzeit von 7,5 Jahren dauern, da er seine Ausbildung bereits im Mai 2020 begonnen hat und daher nur für den ab dem 17.09.2022 bestehenden Ausbildungsteil die praktische Ausbildung strecken muss.
25Der Antragsteller dringt auch nicht damit durch, die Antragsgegnerin habe den Bedarf an der Ausbildung von Löschbootführern zur Deckung des diesbezüglichen Personalbedarfs nicht in ihre Abwägung miteingestellt. Auf diesen im öffentlichen Interesse bestehenden Belang kann der Antragsteller sich bereits nicht berufen.
26Auch ein Anordnungsgrund ist zu verneinen. Bei Umsetzungsverfügungen ist zunächst grundsätzlich zu berücksichtigen, dass diese jederzeit rückgängig gemacht werden bzw. abgeändert werden können. Ein endgültiger Rechtsverlust kann insofern bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens grundsätzlich nicht eintreten.
27OVG NRW, Beschluss vom 14.01.2009 – 1 B 1286/08 –, juris Rn. 17.
28Eine andere Bewertung ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass der Antragsteller dadurch gegebenenfalls die begonnene Ausbildung zum Löschbootführer nicht abschließen kann. Dies stellt keinen schweren und unzumutbaren Nachteil dar. Der Abbruch der Ausbildung ist dem Antragsteller nicht unzumutbar. Er kann die Ausbildung bei der auch von der Antragsgegnerin angestrebten Rückumsetzung nach Ablauf von drei Jahren wieder aufnehmen und auf dem bereits erworbenen Wissen aufbauen.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antragsteller mit seinem Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, hat die Kammer von einer Reduzierung des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes abgesehen.
31Rechtsmittelbelehrung
32Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
33Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
34Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
35Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
36Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
37Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
38Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
39Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
40Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- 6 B 1459/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 18 LGG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- § 7 RettG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1286/08 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1373/12 3x (nicht zugeordnet)
- §§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 66 LPVG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 123 2x
- ZPO § 123 Kostenerstattung 1x
- LBG § 58 1x
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x
- BeamtStG § 35 Weisungsgebundenheit 1x
- § 28 BHKG 1x (nicht zugeordnet)