Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (7. Kammer) - 7 A 15/12
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen Abfallgebühren, die Abfall betreffen, der von unbekannten Personen auf innerstädtischen Straßen abgelagert worden war, von der Klägerin angeliefert worden ist und von dem Beklagten unter Zugrundelegung des Abfallschlüssels der europarechtlichen Abfallverzeichnungsverordnung (AVV AS: 20 03 07) als Sperrmüll bezeichnet und entsorgt worden ist.
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Die Klägerin, die A. ist Grundstückseigentümerin, Straßenbaulastträgerin (§ 42 Abs. 1 Satz 3 StrG LSA) und straßenreinigungspflichtig (§ 47 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA). Der Beklagte ist die Körperschaft, die nach den §§ 13 und 15 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes des Bundes – KrW-/AbfG – in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Abfallgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – AbfG LSA – für die umweltverträgliche Abfallentsorgung (Abfallverwertung und Abfallbeseitigung) zuständig ist.
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Die Klägerin, die das System der Sperrmüllabfuhr des Beklagten mit der Behauptung kritisiert, es provoziere die illegale Abfallablagerung, teilte dem Umweltamt des Beklagten im August 2011 mit, dass sechs bis acht Kubikmeter Abfall (Sperrmüll?) von unbekannten Personen auf dem innerstädtischen Grünstreifen des A.-D. in der Höhe der Einmündung des B. …wegs abgelagert worden sei.
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Der Beklagte ging diesem Hinweis nach und stellte fest, dass für das „erweiterte Umfeld des Ablagerungsortes keine Anmeldung zur Sperrmüllentsorgung mittels Abrufkarte“ vorliege und kein Verursacher ermittelt werden könne. Dieses „Ermittlungsergebnis“ teilte der Beklagte der Klägerin mit. Gleichzeitig forderte der Beklagte die Klägerin „zur Beräumung des Abfalls“ auf. Unter dem 26. September 2011 wiederholte der Beklagte seine Auffassung, dass auf innerstädtischen Straßen widerrechtlich abgelagerter Abfall von der Klägerin „beseitigt“ werden müsse.
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Am 7. Oktober 2011 sammelten Mitarbeiter des Bauhofs der Klägerin den in Rede stehenden Abfall ein, luden ihn auf Lastkraftwagen und fuhren ihn zu der von dem Beklagten als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger vorgehaltenen „Abfallannahme- und Umladestation B-Stadt“, wo die Übernahme stattfand.
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Der Beklagte übernahm insgesamt 3,48 Tonnen Abfall, den er nach dem Abfallschlüssel der Abfallverzeichnungsverordnung (AS AVV) als gemischten Siedlungsabfall aus privatem Haushalt (0,14 Tonnen) und als „Sperrmüll“ (3,34 Tonnen) einstufte; eine Einstufung, die von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen worden ist.
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Mit dem von der „ALS Dienstleistungsgesellschaft mbH“ erstellten und im Namen und im Auftrag des Beklagten erlassenen Gebührenbescheid vom 18. Oktober 2011 wurde die Klägerin zur Zahlung von Abfallgebühren in Höhe von 19,18 Euro für die sogenannten Siedlungsabfälle und in Höhe von 457,58 Euro für den sogenannten Sperrmüll herangezogen.
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Unter dem 01. November 2011 machte die Klägerin den Beklagten auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2009 (7 CN 2.08) aufmerksam, in welchem – nach Auffassung der Klägerin – zum Ausdruck gebracht worden sei, dass der Träger der Straßenbaulast nur die Kosten des Einsammelns und der Anlieferung zu tragen habe, aber nicht die Kosten der Entsorgung (Deponierung).
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Mit Schreiben vom 10. November 2011 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 18. Oktober 2011 ein, soweit der Gebührenbescheid den Betrag von 19,18 Euro übersteigt. Die Klägerin führte zur Begründung aus, der Widerspruch richte sich ausschließlich gegen die 3,34 Tonnen Abfall, die von unbekannten Personen verbotswidrig abgelagert worden waren und von der Klägerin zur Abfallannahme- und Umladestation B-Stadt gebracht wurden. Es sei davon auszugehen, dass der Träger der Straßenbaulast lediglich für das Einsammeln und die Anlieferung der vorstehend benannten Abfälle aufkommen müsse, während der Beklagte diese Abfälle übernehmen und entsorgen müsse. Aus § 11a AbfG LSA ergebe sich nichts Gegenteiliges. Diese Vorschrift enthalte keine Kostenverteilungsregel; sie bestimme lediglich, dass verbotswidrig abgelagerter Abfall dem Entsorgungsträger „überlassen“ werden müsse. In welcher Art und Weise die Übergabe stattfinde, dürfe zwar durch Satzung konkretisiert werden; für die – nach der Übergabe – durchzuführende Entsorgung dürfe aber von der Klägerin keine Gebühr verlangt werden. Wenn der Träger der Straßenbaulast verpflichtet sei, seine Verkehrs- oder Verkehrsnebenflächen für das Einsammeln von Sperrmüll zur Verfügung zu stellen, dürfe er nicht noch zusätzlich für die Beseitigung der „Sperrmüllreste“ verantwortlich gemacht werden, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht mitgenommen habe.
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Am 08. Dezember 2011 fand eine mündliche Anhörung statt, die keine Einigung brachte. Vielmehr bekräftigte der Beklagte seine Auffassung, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2009 nur die Überlassungs- und Entsorgungspflichten betreffe, aber nicht die Gebührenpflicht. Für die Verteilung der sei das Landesrecht und damit das Urteil der Vorinstanz (Urteil des 2. Senats des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. April 2008, 2 K 160/07) maßgeblich.
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Mit Bescheid vom 13. Januar 2012 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Verbotswidrig abgelagerter Abfall auf „anderen Grundstücken“ im Sinne des § 11a AbfG LSA sei dem Beklagten gebührenpflichtig zu überlassen. Das ergebe sich aus § 4 Abs. 8 Satz 1 der Abfallentsorgungssatzung – AbfEntS – in Verbindung mit der Anlage 1 der Abfallgebührensatzung – AbfGebS. In der Anlage 1 der Abfallgebührensatzung seien die – nach Abfallart und Abfallmenge differenzierten – Gebührensätze für die „Selbstanlieferung“ von Abfall an der Abfallannahme- und Umladestation B-Stadt aufgelistet. Danach sei Sperrmüll, der drei Kubikmeter bzw. 500 Kilogramm übersteige, mit 137,00 Euro pro Tonne zu berechnen. Aus diesem Gebührensatz errechne sich der streitbefangene Betrag in Höhe von 457,58 Euro.
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Am 08. Februar 2012 hat die Klägerin Klage erhoben – aus Versehen in vollem Umfang. In der mündlichen Verhandlung hat sie die Klage in Höhe von 19,18 Euro zurückgenommen. Zur aufrecht erhaltenen Klage führt die Klägerin aus, dass sie sich nicht gegen die Verpflichtung zum Einsammeln und Bereitstellen des von unbekannten Personen verbotswidrig abgelagerten Abfalls wende, sondern nur gegen die Gebührenpflicht für die sich an die Überlassung anschließende Entsorgung der genannten Abfälle. Das vom Beklagten praktizierte Sperrmüllabfuhrsystem mittels Anmeldekarte „provoziere“ die über die Anmeldung hinausgehende, verbotswidrige Ablagerung von Abfall. Im Bereich von Großwohnanlagen entstünden – im Schutze der Anonymität – durch das unerlaubte Hinzustellen nicht angemeldeten Sperrmülls immer wieder „wilde Müllkippen“, die ein Ärgernis für die Anlieger und eine Gefahr für den Verkehr darstellten und vom Beklagten nicht mitgenommen würden. Wenn es schon die Aufgabe der Klägerin sei, diese Abfälle (vermeintliche oder tatsächliche Sperrmüllreste) einzusammeln und zur Deponie zu bringen, dann dürfe sie aber nicht noch mit den Kosten der Deponierung belastet werden. Vor diesem Hintergrund diene die Klage auch dazu, den Beklagten zu veranlassen, keine „Sperrmüllreste“ liegen zu lassen.
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Die Klägerin, die die Klage in der mündlichen Verhandlung in Höhe von 19,18 Euro zurückgenommen hat, beantragt,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2012 aufzuheben, soweit er den Betrag von 19,18 Euro übersteigt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie erwidert, der von der Klägerin angelieferte Abfall stehe in keinem Zusammenhang mit einer bei dem Beklagten angemeldeten Sperrmüllabholung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe
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Da die Klägerin die Klage in Höhe von 19,18 Euro zurückgenommen hat, ist das Verfahren diesbezüglich kostenpflichtig einzustellen.
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Die aufrechterhaltende Klage ist zulässig und begründet.
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Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2012 ist - soweit er (noch) angefochten wird - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er unterliegt deshalb in dem genannten Umfang der Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der angefochtene Teil des Gebührenbescheids des Beklagten vom 18. Oktober 2011 ist rechtswidrig, weil er durch keine wirksame Rechtsgrundlage gedeckt ist. Der angefochtene Teil des Gebührenbescheids kann nicht auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz des Bundes gestützt werden (1.). Er lässt sich auch nicht auf das Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (AbfG LSA) stützen (2). Er ist auch nicht durch § 4 Abs. 8 Satz 1 der Abfallentsorgungssatzung des Beklagten gedeckt (3.). Ebenso wenig lässt er sich auf die §§ 2 und 4 der Abfallgebührensatzung des Beklagten stützen (4.), die zwar die Selbstanlieferung des eigenen Sperrmülls erfassen, aber keine Mengen-, Leistungs- oder Leerungsgebühr für die Ablieferung der von der Klägerin eingesammelten Abfälle vorsehen, die unbekannte Personen auf innerstädtischen Straßen abgelagert haben.
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1.) Auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz des Bundes (KrW-/AbfG) kann der angefochtene Teil des Gebührenbescheids nicht gestützt werden, weil das Bundesrecht die Finanzierungsfrage nur rudimentär (§ 36d KrW-/AbfG), aber keineswegs abschließend regelt. Das KrW-/AbfG normiert keine Gebührentatbestände. Es regelt – verbindlich und abschließend – die Rechte und Pflichten der Abfallerzeuger, Abfallbesitzer und der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, soweit es den Vorgang der Abfallentsorgung (Abfallverwertung und Abfallbeseitigung) betrifft. Vor diesem Hintergrund ist – was die Beteiligten wissen – höchstrichterlich geklärt ist (Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2009, 7 CN 2/08, veröffentlicht in juris), dass eine Gemeinde überlassungspflichtige Besitzerin der Abfälle wird, die nach Durchführung der Sperrmüllabfuhr am Rande der Ortsstraße oder auf dem Gehweg verbotswidrig abgelagert zurückbleiben.
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Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz des Bundes regelt die Finanzierung der (von ihm vorgeschriebenen) unweltverträglichen Abfallentsorgung nicht. Es bestimmt in seinem § 36d KrW-/AbfG lediglich, dass die „vom Betreiber für die Ablagerung von Abfällen in Rechnung zu stellenden privatrechtlichen Entgelte ... alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Deponie ... abdecken“ müssen. Von wem aber die Entgelte erhoben werden, regelt das Bundesrecht nicht. Die Kostenverteilung überlässt das Bundesrecht dem Landesgesetzgeber bzw. dem Satzungsgeber (Urteil des 4. Senats des OVG LSA vom 02. Dezember 2009, 4 L 321/07 Rdnr. 33, veröffentlicht in juris).
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2.) Das Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt enthält in seinen §§ 4 und 6 AbfG LSA Satzungsermächtigungen, aber – von § 11 AbfG LSA) einmal abgesehen – keine unmittelbar geltenden Kostenverteilungsregeln, insbesondere keine ausformulierten Gebührentatbestände.
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§ 4 AbfG LSA ermächtigt den nach § 3 Abs. 1 AbfG LSA zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zum Erlass von Abfallentsorgungssatzungen (AbfEntS), die – unter Beachtung der bundesrechtlichen Vorgaben – „das Nähere“, insbesondere die Art und Weise der Abfallentsorgung wie zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Hol- und Bringsystem regeln.
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§ 6 AbfG LSA ermächtigt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zum Erlass von Abfallgebührensatzungen (AbfGebS), die dazu dienen, die umweltverträgliche Aufgabenerfüllung kostendeckend sicherzustellen.
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Eine – dem Satzungsrecht übergeordnete – landesrechtliche Kostentragungsregel trifft § 11 AbfG LSA, der – an bundesrechtliche Vorgaben anknüpfend – bestimmt, in welchen Fällen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den zum Beispiel in der frei zugänglichen Landschaft verbotswidrig abgelagerten Abfall unentgeltlich einsammeln, transportieren und entsorgen (verwerten oder beseitigen) muss.
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§ 11 a AbfG LSA trifft für andere als die in § 11 Abfallgesetz LSA genannten Grundstücke keine (vergleichbare) Kostentragungspflicht. § 11a Abs. 2 AbfG LSA verweist lediglich auf die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 AbfG LSA, aber nicht auf die Rechtsfolgen, die in § 11 Abs. 1 bis 3 AbfG LSA formuliert sind.
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§ 11a AbfG LSA ist für die auf „anderen Grundstücken“ verbotswidrig abgelagerten Abfälle „kostenverteilungsneutral“. § 11a AbfG LSA schreibt für den (unfreiwilligen) Abfallbesitzer keine Kostentragungspflicht vor; er verbietet sie aber auch nicht. § 11a AbfG LSA „schweigt“ und überantwortet die Finanzierungsfrage dem zuständigen Satzungsgeber, dem es aber – wie noch gezeigt werden wird – nicht gelungen ist, für verbotswidrig abgelagerten Abfall auf innerstädtischen Straßen eine eindeutige, vollständige, widerspruchsfreie Kostenverteilungsregel zu treffen.
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3.) Auf § 4 Abs. 8 der Abfallentsorgungssatzung des Beklagten vom 19.11.2009 lässt sich der angefochtene Teil des Gebührenbescheids nicht stützen. § 4 Abs. 8 AbfEntS hat folgenden Wortlaut:
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„Verbotswidrig abgelagerte Abfälle auf anderen Grundstücken als im Wald oder in der übrigen freien Landschaft (§ 11a AbfG LSA), sind dem Landkreis entsprechend den Gebührensätzen nach Anlage 1 der Abfallgebührensatzung zu überlassen. Die Gebührenpflicht gilt nicht für auf öffentlich gewidmeten und frei zugänglichen Flächen innerhalb geschlossener Ortschaften verbotswidrig entsorgte Abfälle, mit Ausnahme von öffentlichen Straßen (§ 2 StrG LSA) und in Sammelbehältnissen der Kommune, bspw. Papierkörben, befindliche Abfälle.“
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Die vorstehend zitierte Vorschrift, die an einer verfehlten Begrifflichkeit („verbotswidrig entsorgte Abfälle“) leidet, ist keine Vorschrift, auf die der angefochtene Teil des Gebührenbescheids gestützt werden kann. § 4 Abs. 8 AbfEntS regelt das Minimum nicht, das gemäß § 6 Abs.1Satz 1 AbfG LSA in Verbindung mit den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes erforderlich ist. § 4 Abs.8 Satz 1 AbfEntS regelt nicht, wer der Gebührenschuldner ist und was zum gebührenpflichtigen Tatbestand gehört.
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§ 4 Abs. 8 Satz 1 AbfEntS lässt offen, warum die „Überlassung“ gebührenpflichtig ist und ob nur die „Überlassung“ im Sinne der Übergabe gebührenpflichtig ist oder auch die sich daran anschließende „Entsorgung“. Durch die Verweisung auf die Anlage 1 der Abfallgebührensatzung werden diese Defizite weder geheilt noch behoben; denn die Anlage 1 normiert – was sich aus ihrer Überschrift ergibt – nur „Gebührensätze für die Selbstanlieferung von Abfallmengen an der Abfallannahme- und Umladestation B-Stadt“, ohne den Gebührentatbestand zu benennen und den Begriff der „Selbstanlieferung“ von Abfallmengen zu definieren.
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Die zuletzt genannte Definition ist erforderlich, weil zwischen der Selbstanlieferung des eigenen Sperrmülls und der Ablieferung von Abfall, den unbekannte Dritte dem (unfreiwilligen) Abfallbesitzer verbotswidrig aufgedrängt haben, unterschieden werden muss, zumal der Abfallbesitzer, dem dieser Abfall von unbekannten Personen aufgedrängt worden ist, kraft Landesrechts nur zur Überlassung, also nur zum Einsammeln und Bereitstellen verpflichtet ist, aber nicht zur Anlieferung. Eine Bringschuld des Abfallbesitzers ist nicht vorgeschrieben, auch nicht in der Abfallentsorgungssatzung des Beklagten.
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In Fällen der vorliegenden Art ist der Begriff „Selbstanlieferung“ irreführend, weil der (unfreiwillige) Abfallbesitzer eine – auch dem öffentlichen Recht anerkannte – Geschäftsführung ohne Auftrag betreibt.
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4.) Ebenso wenig lässt sich der angefochtene Teil des Gebührenbescheids auf die §§ 2 Abs. 4 und 4 Abs. 1 Nr.10 AbfGebS stützen. Es trifft zwar zu, dass § 2 Abs. 4 Satz 1 AbfGebS bestimmt, dass „bei Selbstanlieferung an der Abfallannahme- und Umladestation ... der Anlieferer“ gebührenpflichtig ist. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der „Anlieferer“ auch dann gebührenpflichtig ist, wenn der „Anlieferer“ mit der Anlieferung kein eigenes, sondern ein fremdes Geschäft betreibt, nämlich dem Beklagten die Abholung abnimmt.
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Diese Fallkonstellation wird auch nicht durch § 2 Abs. 4 Satz 2 AbfGebS erfasst; denn in den Fällen des § 2 Abs.4 Satz 2 AbfGebS ist der „Anlieferer“ nur die „Geheißperson“ des Anlieferungspflichtigen.
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Letztlich kann die Problematik, ob § 2 Abs. 4 AbfGebS den vorliegenden Fall erfasst, dahingestellt bleiben, weil der angefochtene Teil des Gebührenbescheids rechtswidrig ist, weil er im Widerspruch zu den §§ 3 Abs. 1 Ziffer 9 und 3 Abs. 2 Ziffer 1 AbfGebS steht.
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§ 3 Abs. 1 Ziffer 9 AbfGebS hat – auszugsweise zitiert – folgenden Wortlaut:
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„Die Fixkosten folgender Leistungen sind durch die Grundgebühr (§ 4 Abs. 1 Ziff. 1) gedeckt. ... Entsorgung von Abfällen gemäß §§ 11, 11 a Abfallgesetz LSA (AbfG LSA)“.
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Da es sich – was unstreitig ist – bei dem von der Klägerin angelieferten Abfall um Abfall gehandelt hat, der von unbekannten Personen auf innerstädtischen Straßen verbotswidrig abgelagert wurde, sind die „Fixkosten“ der Entsorgung dieser Abfälle durch die Grundgebühr gedeckt.
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Eine Mengen-, Leistungs- oder Leerungsgebühr, die zur Deckung der „variablen Kosten“ der Entsorgung verbotswidrig abgelagerter Abfälle bestimmt ist, ist, was sich aus § 3 Abs. 2 AbfGebS erschließt, in der Abfallgebührensatzung des Beklagten für die Entsorgung des verbotswidrig abgelagerten Abfalls im Sinne der §§ 11, 11a Abfallgesetz LSA nicht vorgesehen. § 3 Abs. 2 Nr. 1 AbfGebS bestimmt lediglich, dass die Mengen-, Leistungs- oder Leerungsgebühr der Deckung der variablen Kosten dient, die im Zusammenhang mit der Abholung und Entsorgung von Sperrabfall entstehen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Beklagte hat keinen Sperrmüll der Klägerin abgeholt.
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Eine Mengen-, Leistungs- oder Leerungsgebühr für verbotswidrig abgelagerte Abfälle lässt sich auch nicht mit der Tatsache begründen, dass, was vom Einzelfall abhängt, verbotswidrig abgelagerter Abfall nach dem Abfallschlüssel der Abfallverzeichnisverordnung als Sperrabfall in haushaltsüblicher Art und Menge klassifiziert werden kann.
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Im Ergebnis steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass – nach dem geltenden Satzungsrecht des Beklagten – verbotswidrig abgelagerter Abfall auf innerstädtischen Straßen von der Klägerin auf eigene Kosten einzusammeln und bereitzustellen ist, während die Abholung und Entsorgung verbotswidrig abgelagerter Abfälle, die in den aufgedrängten Besitz der Klägerin gelangt sind, von den Beklagten abgeholt und entsorgt werden müssen, der die damit verbundenen (Fix-)Kosten über die Grundgebühren abrechnen darf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten wird auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO gestützt.
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Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 52 Abs. 3 GKG.
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