Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (2. Kammer) - 2 A 27/12
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Auskunft von der C. über die Höhe des Rabattes des Originalarzneimittel D. forte 40 mg 20 Dragees.
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Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, die Arzneimittel – u. a. das Vorgenannte - aus dem Gebiet der Europäischen Union in die Bundesrepublik Deutschland importiert und hier vertreibt.
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Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse, die der Aufsicht des Landes Sachsen-Anhalt untersteht.
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Mit Schreiben vom 25.01.2011 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zunächst Unterlassungsansprüche in Bezug auf den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossene Rabattvertrag geltend. Sie begehrte, dass die Beklagte es unterlassen soll, die vorrangige Abgabe rabattierter Arzneimittel in der so genannten Lauer-Taxe (Verzeichnis aller Daten der bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten gemeldeten Fertigarzneimittel Medizinprodukte und in Deutschland zugelassener apothekenüblicher Waren – IFA - ) vorzuschreiben, soweit die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Letztere seien in Bezug auf das von der Beigeladenen gelieferte und in der Lauer-Taxe verzeichnete Arzneimittel D. forte 40 mg 20 Dragees nicht gegeben, weil die Klägerin dieses zu einem niedrigeren Preis, als dem Apothekenverkaufspreis der Beigeladenen anbiete.
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Die Beklagte lehnte dies mit ihrem Schreiben vom 08.02.2011 ab, worauf die Klägerin nunmehr mit Schreiben vom 10.02.2011 u. a. um Auskunft über die Rabatthöhe im Hinblick für das Arzneimittel D. forte 40 mg 20 Dragees unter Berufung auf § 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bat.
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Mit ihrem Schreiben vom 24.02.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Informationszugang ab mit der Begründung, dass dieser ein solcher Anspruch nicht zustehe. Denn die begehrte Information sei geeignet, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Außerdem müsse die Einwilligung des Rabattvertragspartners vorliegen, was hier nicht der Fall sei.
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Mit ihrem o. a. Unterlassungsbegehren hat die Klägerin am 04.03.2011 Klage beim Sozialgericht für das Saarland (Az.: S 1 KR 343/11) erhoben. Hierüber ist bislang nicht entschieden worden.
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Am 09.08.2011 legte die Klägerin Widerspruch bei der Beklagten gegen die Ablehnung ihres Informationszugangsantrages ein.
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Die Beklagte informierte darauf am 30.08.2011 die D. darüber, dass die Klägerin die Information über die Rabatthöhe zu dem o. g. Arzneimittel begehrt und fragte an, ob diese in den Informationszugang einwillige. Letzteres lehnte die Beigeladene per E-Mail vom 05.09.2011 ab.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin zurück. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
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Am 18.11.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Informationszugang gegenüber der Beklagten habe. Das Bekanntwerden der Rabatthöhe beeinträchtige nicht die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen. Auch sei eine Einwilligung des Rabattvertragspartners nicht erforderlich, da es sich bei der streitgegenständlichen Information um kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis handele. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen zur Klagebegründung verwiesen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihre Rechtsansicht. Es handele sich bei der Auskunft der Rabatthöhe nicht um eine amtliche Information. Auch wenn von einer amtlichen Information auszugehen wäre, läge ein Versagungsgrund vor. Denn die begehrte Information wäre geeignet, die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung zu beeinträchtigen. Letzteres soll § 3 Abs. 1 Nr. 6 IZG LSA verhindern. Zudem stehe dem Anspruch entgegen, dass die begehrte Information nachteilige Auswirkungen auf den parallel zwischen den Beteiligten geführte Rechtsstreit vor dem Sozialgericht für das Saarland haben könnte. Außerdem betreffe das klägerische Begehren Daten Dritter, welche als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu werten und zu schützen seien.
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Mit Beschluss vom 19.07.2012, zugestellt am 23.07.2012, wurde die D. zum Verfahren beigeladen.
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Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
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Mit Schreiben vom 17.07.2013 teilte die Beklagte mit, dass sie den Rabattvertrag mit Wirkung zum 30.04.2013 gekündigt habe. Der Rechtsstreit habe sich hierdurch möglicherweise erledigt. Letzterem ist die Klägerin mit Schreiben vom 31.07.2013 entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von ihnen im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze, den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 25.05.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 erweisen sich als rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war dem Klageantrag gemäß zu verpflichten, weil der Klägerin der geltend gemachte Informationszugangsanspruch zusteht und die Sache spruchreif ist, § 130 Abs. 5 VwGO.
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Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind die Bestimmungen des Informationszugangsgesetzes Sachsen-Anhalt (IZG LSA) vom 19.06.2008 (GVBl. LSA S. 242-245), denn die Beklagte ist eine der Aufsicht des Landes Sachsen-Anhalt unterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts i. S. v. § 1 Abs. 1 c) IZG LSA. Die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes (des Bundes) scheidet daher aus.
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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 c) IZG LSA hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden und der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Der Informationszugangsanspruch besitzt damit die Qualität eines formalen subjektiv-öffentlichen Rechts, der sich dadurch auszeichnet, dass dem Anspruch keine materielle Rechtsposition oder eine wie auch immer geartete Betroffenheit zugrunde liegen muss (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (des Bundes), 1. Auflage, § 1 Rn. 16 ff). Unter der Berücksichtigung der Einschränkungen „dieses Gesetzes“ im Sinne von § 8 Abs. 1 IZG LSA ist der Informationsanspruch daher materiell- rechtlich voraussetzungslos. Ziel des Gesetzes ist die Schaffung von mehr Transparenz und bürgerschaftlicher Kontrolle der Verwaltung (vgl. Gesetzentwurf LReG., LT-DRS.5/748, S. 9). Ausgehend hiervon kommt es auf das Gewicht des Informationsinteresses des Einzelnen nur an, wenn es um die Abwägung mit dem Geheimhaltungsinteressen von Dritten, etwa zum Schutz personenbezogener Daten im Sinne von § 5 Abs. 1 IZG-LSA geht.
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Die Rabatthöhe ist eine amtliche Information im Sinne des § 2 Nr. 1 IZG LSA. Nach dieser Vorschrift ist eine amtliche Information jede einem amtlichen Zweck dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die Information dient einem amtlichen Zweck, wenn sie ein Amt betrifft oder in einem Zusammenhang zu einer amtlichen Tätigkeit steht. Informationen sind in dienstlichem Zusammenhang erlangt, wenn sie der öffentlichen Stelle im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zugegangen sind.
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Vom Begriff der amtlichen Information sind lediglich abzugrenzen private Informationen von Dritten oder über Dritte, wenn sie nicht mit der amtlichen Tätigkeit zusammenhängen, d. h. i. Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 IZG LSA nicht amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen. Letzteres trifft auf den zwischen der Beigeladenen und der Beklagten geschlossenen Rabattvertrag nach § 130 a Abs. 8 SGB V nicht zu. Sie sind vielmehr ein spezifisches Mittel zur Aufgabenerfüllung der gesetzlichen Krankenkassen, denn solche Rabattverträge sollen Ausgabensenkung der gesetzlichen Krankengkassen dienen mit dem Ziel, das Beitragssatzniveau zu stabilisieren (vgl. Jahn/Freudenberg SGB V, § 130 a, Rz. 2).
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Dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen vorgehen, denn solche sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere entfalten die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB hier keine Sperrwirkung, denn das Vergabeverfahren ist spätestens seit dem Vertragsabschluss im Jahre 2008 abgeschlossen (vgl. Schoch, a. a. O. § 1 Rz. 189). Außerdem hat die Beklagte ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung zufolge keine Ausschreibung gemäß den vergaberechtlichen Bestimmungen durchgeführt. Weiterhin In Betracht zu ziehende sozial(verfahrens)rechtliche Bestimmungen, wie §§ 15 SGB I, 25 SGB X bewirken ebenfalls keinen Ausschluss der Anwendbarkeit des IZG LSA, denn der sozialrechtliche Aktenseinsichts- und Auskunftsanspruch besteht neben dem Anspruch nach § IZG LSA (zu § 25 SGB X vgl. OVG NRW, Beschl. v. 31.05.2005 – 21 E 1487/04 – DÖV 2005, 832 f.). Hinzu kommt, dass der sozialrechtliche Auskunftsanspruch nach § 15 SGB I vorrangig den Leistungsberechtigten zustehen soll, seinen Ursprung also im Sozialleistungsverhältnis zwischen Versichertem, Krankenkasse und Leistungsträger hat, vgl. § 15 Abs. 2 SGB I. Zum Kreis der Sozialleistungsberechtigten gehört die Klägerin gerade nicht. Ein Vorrang anderer Rechtsvorschriften i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA setzt indes eine Identität der Anspruchsberechtigten voraus. Andernfalls geht der Vorrang anderer Rechtsvorschriften ins Leere.
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Die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 e), Nr. 6 und § 6 IZG LSA sind nicht gegeben.
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Der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 e) IZG LSA liegt hier nicht vor. § 3 Abs. 1 Nr. 1 e) IZG LSA schützt die Durchführung eines anhängigen, d.h. laufenden Gerichtsverfahrens, wenn das Bekanntwerden der begehrten Information nachteilige Auswirkungen haben kann. Das Bekanntwerden der Rabatthöhe eignet sich nicht, um das gerichtliche Verfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (Az.: S 1 KR 343/11) nachteilig zu beeinflussen. Zwar setzt § 3 Abs. 1 Nr. 1 e) IZG LSA nur die Möglichkeit der nachteiligen Beeinflussung voraus, allerdings ist Streitgegenstand des geführten Rechtsstreites vor dem Sozialgericht für das Saarland die Auslegung der Vorschrift des § 129 Abs. 1 S. 7 SGB V. Hiernach können Rahmenverträge zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutscher Apothekenverband e.V. nach § 129 Abs. 2 SGB V vereinbart werden, in welchen Fällen Arzneimittel nicht nach § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) ersetzt werden dürfen. Grundsätzlich sind die Apotheken verpflichtet, die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorzunehmen, für das eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Wirkung für die Krankenkasse besteht, soweit hierzu in Verträgen nach § 129 Abs. 5 SGB V nichts anderes vereinbart ist. Besteht keine entsprechende Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V, hat die Apotheke die Ersetzung durch ein preisgünstigeres Arzneimittel nach Maßgabe des Rahmenvertrages vorzunehmen (vgl. § 129 Abs. 1 S. 3 und 4). Das hat in der Praxis zur Folge, dass der Patient ein Rezept mit entsprechendem Vermerk des Arztes erhält. In der Apotheke wird ihm dann nicht mehr das Medikament von dem Hersteller, der auf dem Rezept benannt ist, sondern ein Medikament von einem Hersteller, der einen Rabattvertrag mit der Krankenkasse des Patienten geschlossen habt, ausgehändigt. Solange ein Rabattvertrag zwischen der Krankenkasse und dem pharmazeutischen Unternehmen besteht, wird dieser bevorzugt. Hiergegen geht die Klägerin in dem gerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland vor. Inwieweit die Kenntnis des tatsächlich zwischen der Beigeladenen und der Beklagten vereinbarten Rabatthöhe als Teil des Preises die Entscheidung des Sozialgerichts zu beeinflussen vermag, ist für das Verwaltungsgericht weder ersichtlich, noch haben die Beklagte oder die Beigeladene dergleichen hinreichend dargelegt.
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Auch der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 IZG LSA liegt nicht vor. Nach vorgenannter Bestimmung besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen der in § 1 Abs. 1 S. 1 IZG LSA genannten Stellen im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. Denn wenn der Staat als Marktteilnehmer am Privatrechtsverkehr und am Wirtschaftsleben teilnimmt, sind seine wirtschaftlichen Informationen ebenso schutzwürdig wie diejenigen Privater. Vorliegend ist indes nicht ersichtlich, inwieweit das Bekanntwerden der Rabatthöhe die wirtschaftlichen Interessen der beklagten Sozialversicherung insbesondere an einer kostengünstigen Arzneimittelversorgung beeinträchtigt, etwa weil die Folge ein zukünftig geringerer Rabatt wäre. Eine solche Beeinträchtigung muss mindestens hinreichend wahrscheinlich sein (vgl. OVG NW, Urteil v. 19.03.2013 – 8 A 1172/11 – zit. n. juris).
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Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen der Beklagten wurde nicht glaubhaft gemacht. Die Krankenkassen stehen im Wettbewerb um eine hochwertige und wirtschaftliche medizinische Versorgung ihrer Versicherten. Selbst wenn das Bekanntwerden der zuletzt zwischen der Beigeladenen und der Beklagten vereinbarten Rabatthöhe, also eines Preisabschlages, Einfluss auf zukünftig von anderen gesetzlichen Krankenkassen zu vereinbarende Rabatte haben sollte, kann dies allenfalls einen mittelbaren Einfluss auf zukünftig von der Beklagten abzuschließende Rabattverträge haben. Die entsprechende Vermutung der Beklagten berücksichtigt nicht, dass bei einer zukünftig erforderlichen Ausschreibung des Rabattvertragabschlusses in der Regel mehrere Pharmaunternehmen ein Medikament mit demselben Wirkstoff anbieten und sich um den Vertragsabschluss bewerben. Selbst dann, wenn das Bekanntwerden des zuletzt vereinbarten Rabatts das zukünftige Bieterverhalten beeinflussen würde, kann auf Grund der Tatsache, dass der inzwischen beendete Rabattvertrag entgegen § 97 GWB nicht im Ergebnis eines transparenten Vergabeverfahrens abgeschlossen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschl. v. 11.01.2012 – VII-Verg. 58/11 -, zit, n. juris) nicht geschlossen werden, dass die Beigeladene bei Vertragsabschluss im Jahre 2008 das denkbar wirtschaftlichste Angebot i. S. v. § 97 Abs. 5 GWB abgegeben hatte. Die seinerzeit vereinbarte Rabatthöhe ist somit als Vergleichsgröße nur eingeschränkt verwertbar.
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Dass ihr Bekanntwerden außerdem – wie die Beklagte meint - den Inhalt von Rabattverträgen anderer Krankenkassen beeinflussen könnte, ist zwar möglich, aber in erheblichem Maße von weiteren variablen Faktoren, die in die Preisbildung einfließen abhängig, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten beeinträchtigendes zukünftiges Bieterverhalten nicht angenommen werden kann.
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Schließlich ist es ebenso denkbar, dass die Beklagte die von ihr befürchteten wirtschaftlichen Nachteile dadurch kompensiert, dass sie zukünftig gem. § 130 a Abs. 8 Satz 7 SGB V in der seit 01.01.2011 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 22.12.2010 (BGBl. I S.2262) der Vielfalt der Anbieter Rechnung trägt und dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erteilt.
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Der Ausschlussgrund nach § 6 S. 2 IZG LSA ist ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift darf nur Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gewähret werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
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Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden allgemein alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge bezeichnet, die nicht offenkundig, sondern nur einen begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Inhaber ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der Informationen fehlt, wenn deren Offenlegung nicht geeignet ist, exklusives, technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, U. v. 28.05.2009 - BVerwG 7 C 18.08 -, zitiert nach Juris).
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Ob durch die Bekanntgabe einer Information ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zugänglich gemacht wird, kann im Einzelfall nur aufgrund von plausiblen und nachvollziehbaren Darlegungen des Betroffenen beurteilt werden. Dabei müssen die behördlichen Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen des Ausschlussgrundes geprüft werden kann. Dass es bei § 6 S. 2 IZG LSA um einen materiell-rechtlichen Geheimhaltungsgrund geht, ändert an diesen Anforderungen zum Sachvortrag nichts. Auch in diesem Fall genügt es regelmäßig nicht, wenn lediglich das Vorliegen des Geheimhaltungsgrundes behauptet wird, vielmehr müssen auch insoweit Tatsachen dargelegt werden, die die Annahme des Geheimhaltungsgrundes rechtfertigen können.
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Die Beklagte hat nicht hinreichend konkret darlegen können, dass das Bekanntwerden der Rabatthöhe geeignet ist, die Wettbewerbsposition der Beigeladenen nachteilig zu beeinflussen. Sie beruft sich lediglich auf die vertraglich vereinbarte Geheimhaltung hinsichtlich des Inhalts der Vereinbarung und der Rabatthöhe und darauf, dass Vertragsärzte oder Patienten ebenfalls nicht über die Rabatthöhe informiert werden. Die Beigeladene hat weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren Erklärungen dazu abgegeben, weshalb sie ihre Einwilligung in die Bekanntgabe der Rabatthöhe versagt hat.
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Schließlich ist es für das Gericht nicht offensichtlich, dass die Rabatthöhe exklusives kaufmännisches Wissen der Beigeladenen darstellt, dessen Offenbarung ihre Wettbewerbssituation nachhaltig beeinträchtigen wird.
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Zudem ist nicht ersichtlich, dass das Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der bei Abschluss des Rabattvertrages ausbedungenen oder vereinbarten Vertraulichkeit i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 7 IZG LSA noch fortbesteht, obwohl der Vertrag zum 30.04.2013 unwirksam geworden ist. Denn der Rabattvertrag war in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von der Beklagten bereits mit Wirkung zum 30.04.2013 beendet worden ist. Dass die Beteiligten des Rabattvertrages Verschwiegenheit über die Beendigung des Vertrages hinaus vereinbart hätten, wurde von ihnen weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 Satz 1, 163 Abs. 3 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gem. § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
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