Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 137/12

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Änderung der Zulassung eines bergrechtlichen Sonderbetriebsplans.

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Die Klägerin ist Betreiberin des Kiessandtagebaus W.. Durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde dem damaligen Bergamt C-Stadt am 30.7.1995 ein Sonderbetriebsplan „Verkippung nichtkontaminierter Erdstoffe und unbelasteten Bauschutts im Kiessandtagebau W.“ vom 28.7.1995 vorgelegt. Dieser Sonderbetriebsplan sollte für den gesamten Tagebau die verfahrenstechnischen Regelungen für die Fremdstoff- und Bauschuttverkippung festlegen. Insbesondere war ein Verfüllungsplan enthalten, der unter Punkt 5.5 Vorgaben zur Oberflächengestaltung/Rekultivierung enthielt. Dort wurde festgehalten, dass festgelegtes Ziel der Wiedernutzbarmachung eine teilweise Wiederherstellung des Niveaus der ehemaligen Tagesoberfläche, das heißt auch eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit, ist. Der Sonderbetriebsplan wurde mit Nebenbestimmungen mit Bescheid vom 17.7.1996 durch das Bergamt S. zugelassen. Gegenstand dieser Zulassung war insbesondere auch ein Nachtrag zu dem genannten Sonderbetriebsplan vom 4.9.1995. Dieser enthielt Darstellungen hinsichtlich des vorgesehenen Endzustandes nach der Verfüllung, wobei vorgesehen war, dass die Grube so verfüllt wird, dass in dem ehemals vorhandenen Geländerelief die Verfüllung angepasst wird. Die grundsätzliche Angabe des Ziels der Verfüllung des Tagebaus wurde bereits im Rahmenbetriebsplan vom 30.10.1995 formuliert. Dieser Rahmenbetriebsplan wurde am 13.12.1996 zugelassen.

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Die Zulassung des Sonderbetriebsplanes vom 17.7.1996 genehmigte die Verfüllung der ausgebeuteten Bereiche des Kiessandtagebaus W. von der Basisfläche aus bis maximal 0,5 m unter die vorgesehene Geländeoberfläche mit chemisch und biologisch inerten sowie unbelasteten Abfällen, die die Zuordnungsgrenze Z 1 der Richtlinie für die Entsorgung von Bauabfällen im Land Sachsen-Anhalt einhalten. Ferner empfiehlt die Zulassung unter Ziffer 3.7.5 (sonstige Nebenbestimmungen) die Maßgabe, dass die Verfüllung von der Basisfläche des Tagebaus zu erfolgen hat, schichtweise und hohlraumarm durchzuführen ist und insbesondere dem natürlichen Geländeniveau anzupassen ist. Unter Ziffer 3.10 enthält die Zulassung schließlich einen Widerrufsvorbehalt, der vorsieht, dass der Bescheid jederzeit widerrufen werden kann.

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Durch Änderungsbescheid vom 18.9.1996 wurde durch das Bergamt S. die Nebenbestimmung Ziffer 3.7.16 aufgehoben, die die Verfüllung auf den Grubenbereich im Gebiet des Landkreises W. begrenzte. Durch Änderungsbescheid vom 25.5.2000 hat das Bergamt S. die Auflistung der Abfälle, die nicht eingelagert werden dürfen, unter Verwendung der Abfallschlüssel und Abfallbezeichnung des Europäischen Abfallkataloges (EAK) neugefasst und die Nebenbestimmungen über die jährliche Berichterstattung geändert. Unter dem 13.9.2001 wurde ein Antrag zu einer ersten Ergänzung zum Sonderbetriebsplan „Verkippung“ gestellt. Aus diesem Antrag ergeben sich wiederum Besonderheiten im Hinblick auf die geologischen Verhältnisse. Der Antrag vom 13.9.2001 wurde unter dem 10.9.2003 aktualisiert. Das Verfahren mündete schließlich in der Zulassung des Sonderbetriebsplans vom 4.9.1995 für die Verfüllung des Kiessandtagebaus mit nichtkontaminiertem Erdaushub in Gestalt der Ersten Ergänzung zum Sonderbetriebsplan vom 21.4.2004 durch den Beklagten. Diese Zulassung bildete bis zur jüngsten Änderung die Grundlage für die Verfülltätigkeit der Klägerin. Die dabei zugelassenen Abfallarten waren im Einzelnen aufgeführt. Die für die Verfüllung sowie im Wegebau zugelassenen Abfallarten mussten die Zuordnungswerte bis Z 1.1 (Eluat) der Laga-Richtlinie M 20 „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Rohstoffen/Abfällen – technische Regeln“ vom 6.11.1997 einhalten.

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Mit Schreiben des Beklagten vom 3.4.2007 wurde die Klägerin darüber informiert, dass der Beklagte eine technische Verfügung zur Wiederverfüllung von Tagebauen des Steine-/Erdenbergbaues im Rahmen der Wiedernutzbarmachung in Kraft gesetzt hatte. Danach sollten künftig durch das beklagte Amt bei der Zulassung von Betriebsplänen und bei Überprüfung bestehender Betriebsplanzulassungen, die die Verwertung mineralischer Abfälle im Rahmen der Wiedernutzbarmachung von Tagebauen regeln, neben dem Bundesbodenschutzgesetz und der Bundesbodenschutzverordnung die Anforderungen der Laga-Mitteilung Nr. 20 in der jeweils geltenden Fassung zugrunde gelegt werden.

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Mit Schreiben vom 18.3.2008 wurde durch den Beklagten unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 3.4.2007 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Zulassung des Sonderbetriebsplanes „Verfüllung“ der aktuellen Rechtslage anzupassen. Dieses Schreiben enthielt zunächst eine Beschränkung der zulässigen Abfallarten für die Verfüllung und die Festlegung weiterer Maßnahmen. Der Klägerin wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Mit Schreiben vom 1.4.2008 äußerte sich die Klägerin im Rahmen der Anhörung. Sie brachte insbesondere vor, dass die Einlagerung entsprechend der erteilten Zulassungen erfolge und in jedem Fall den qualitativen Grenzwerten und dem zugelassenen Material entspreche. Bezüglich der vorgesehenen Änderung wurde vorgetragen, dass es sich bei der Laga-Mitteilung Nr. 20 nicht um eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift handelte und diese damit weder für die Behörde noch das Gericht verbindliche Geltung beanspruchen könne. Es wurde ferner eingewandt, dass der pauschale Ausschluss bestimmter Abfallarten unzulässig sei. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass das Bodenschutzrecht nur Vorsorgewerte und keine Abfallart regele. Schließlich wies die Klägerin darauf hin, dass im Rahmen der Verfüllung bislang keine Beeinträchtigung von Umweltschutzgütern aufgetreten sei.

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Mit Schreiben vom 3.3.2009 wurde durch den Beklagten nochmals mitgeteilt, in welcher Weise die Zulassung des Sonderbetriebsplanes künftig geändert werden sollte. Gleichzeitig wurde Gelegenheit zur weiteren Äußerung gegeben. Die Klägerin äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 1.4.2009 und wandte sich insbesondere gegen die angekündigte Festlegung des Zuordnungswertes Z 0 der Laga M 20 sowie die Beschränkung des zu verwendenden Materials. Es wurde darauf hingewiesen, dass die vorgesehenen Änderungen für das Unternehmen der Klägerin wirtschaftlich nicht vertretbar seien. Insbesondere wurde mitgeteilt, dass das Unternehmen auf eine langfristig sichere Einlagerung von bereits genehmigten Materialien entsprechend der Baumaßnahmen angewiesen sei, um insbesondere auch die erforderlichen Verträge mit den Bauunternehmen abschließen zu können. Der Abschluss dieser Verträge erfolge im Vertrauen auf die Erteilung der Zulassung. Weiterhin führte die Klägerin aus, dass die vorgesehenen Einschränkungen nicht nur eine Nichteinhaltung bereits abgeschlossener Verträge nach sich ziehen würde, sondern auch einen erheblichen Einschnitt für das Unternehmen der Klägerin darstelle, da der Haupterwerb des Unternehmens entfallen würde. In rechtlicher Hinsicht wandte die Klägerin ein, dass sie die Änderung als nach § 56 Bundesberggesetz unzulässig ansehe und dass die Bezugnahme auf die Laga M 20 nicht schlüssig sei.

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Mit Bescheid vom 3.4.2012 wurde die Zulassung des Sonderbetriebsplanes vom 28.7.1995, zuletzt geändert durch Zulassung der Ersten Ergänzung des Sonderbetriebsplans mit Bescheid vom 21.4.2004, erneut geändert. Unter Ziffer 1.1 wurden dabei Materialien aufgeführt, die zugelassen wurden. Unter Ziffer 1.2 wurde die Einhaltung bestimmter Zuordnungswerte Z 0 im Feststoff und Eluat nach den „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen, Teil 2 technische Regeln für die Verwertung (TR Boden)“ festgeschrieben. Unter Ziffer 1.3 wurden für genau definierte technische Maßnahmen (z. B. Wegebaumaßnahmen) bestimmte Materialien genannt, die eingesetzt werden konnten. Diese Materialien sollten die Zuordnungswerte Z 1.1 im Feststoff und im Eluat entsprechend der Laga M 20 in der Fassung vom 6.1.1997 einhalten. An weiteren relevanten Bestimmungen sei hier die Ziffer 1.6.7 genannt, in der ausgeführt wurde, dass dann, wenn die Parameter der angelieferten Materialien die maximal zulässigen Schadstoffkonzentrationen, die sich aus den Ziffern 1.2 und 1.3.2 des Tenors ergeben würden, überschreiten, eine Verfüllung im Tagebau bzw. der Einsatz von technischen Maßnahmen auszuschließen sei. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass Rechtsgrundlage u.a. für die getroffenen Regelungen § 56 Abs. 1 Satz 2 Bundesberggesetz i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Abs. 2 Satz 1 Bundesberggesetz sei. Der Ausschluss der aufgeführten Abfallarten und die Beschränkung des zulässigen Schadstoffinventars der zugelassenen Abfälle könnten auf diese Vorschriften gestützt werden und auch unter Berücksichtigung abfallrechtlicher, bodenschutzrechtlicher und naturschutzrechtlicher Bestimmungen und wasserhaushaltsrechtlicher Bestimmungen erfolgen.

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Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Darstellung des streitbefangenen Bescheides verwiesen. Der Beklagte führte insoweit auch aus, dass die Erforderlichkeit der Regelungen gegeben sei. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit als Voraussetzung für die Änderung des Sonderbetriebsplanes vom 17.7.1996 mittels nachträglicher Beifügung von Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Bundesberggesetz sei erfüllt (S. 16 des Bescheides). Der Beklagte führte in diesem Zusammenhang aus, dass es bei der Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit umstritten sei, unter welchen Voraussetzungen die Hinzufügung einer Auflage zulässig sei. So sei fraglich, ob die Erfüllung für den Unternehmer subjektiv und zugleich auch auf gleiche Art bei der Einrichtung anderer Betriebe objektiv wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Es sei fraglich, ob kumulativ oder alternativ bei dem betroffenen Unternehmer oder einem Durchschnittsunternehmer die wirtschaftliche Unvertretbarkeit gegeben sein müsste. Hier sei eine wirtschaftliche Unvertretbarkeit nicht anzunehmen, da der vorliegende Bescheid in keiner Weise den Gewinnungsbetrieb berühren würde, sondern nur den Verfüllbetrieb zum Gegenstand habe. Auf die Wirtschaftlichkeit allein des Verfüllbetriebes komme es dagegen nicht an. Im Übrigen sei es auch in der Vergangenheit nie zu einer Überschreitung der Grenzwerte gekommen, so dass nicht davon auszugehen sei, dass schädliche Abfälle der vorgenannten Abfallart für die Verfüllung eingesetzt worden seien. Im Übrigen seien auch die nachträglich aufgenommenen Beschränkungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ohne Weiteres erfüllbar und die Aufnahme nachträglicher Auflagen stehe, wie der Beklagte im Einzelnen ausführte, im Ermessen der Behörde.

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Nachdem der Bescheid der Klägerin am 19.04.2012 zugestellt worden ist, hat diese am 16.5.2012 Klage erhoben. Sie hat ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 23.8.2012 durch die Antragstellung und die Bezugnahme auf bestimmte Punkte präzisiert.

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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Klage in allen Punkten zulässig sei, auch wenn möglicherweise durch den Bescheid bereits bestehende Änderungen wiederholt würden. Es sei Sache des unternehmerischen Ansinnens der Klägerin, auch gegen neue Festlegungen bzw. neue Formulierungen in dem jetzt angefochtenen Bescheid vorzugehen, und zwar unabhängig davon, um welche Regelungen es sich handele. Sie ist insbesondere hinsichtlich der Begründetheit der Klage der Auffassung, dass es für die angefochtenen Regelungen an einer hinreichenden Rechtsgrundlage fehle. Insbesondere sei der Tatbestand des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht erfüllt, da die Bestimmungen im Einzelnen zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 BBergG nicht erforderlich seien und es zudem an der wirtschaftlichen Vertretbarkeit fehle. Schließlich leide der Bescheid im Hinblick auf die angegriffenen Bestimmungen an Ermessensfehlern und Verstößen gegen das höherrangige Recht. Diese Aussagen führt die Klägerin im Einzelnen in ihrem Schriftsatz vom 23. August 2012, auf den vollinhaltlich zur Darstellung des Tatbestandes Bezug genommen wird, aus. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, dass es bezüglich der Ziff. 1.1 des Bescheides keine Rechtsgrundlage für die Ausführungen gebe. Insbesondere könne auch das Bundesbodenschutzgesetz nicht herangezogen werden. Konkrete Vorgaben, insbesondere eine Beschränkung im Hinblick auf bestimmte Materialien ließen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Das Gesetz orientiere sich nicht am Einbau bestimmter Materialien, sondern an der Einwirkung auf das angrenzende Umweltmedium. Auch die Bundesbodenschutzverordnung ergebe keine hinreichende Rechtsgrundlage für die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung der genannten Auflage. Die Bundesbodenschutzverordnung stelle auf mögliche nachteilige Auswirkungen ab, der aber gerade keine Festsetzungen bezüglich der Art des Materials zugrunde zu legen sei.

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Auch das Regelwerk der Laga M 20 biete keine ausreichende rechtliche Grundlage, zumal es sich nicht um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder um eine maßgebliche Rechtsnorm handele. Es handele sich bei der Laga M 20 um eine aktuelle Empfehlung ohne Rechtsverbindlichkeit nach außen. Außerdem gingen die vorgenannten Regelwerke von fehlerhaften rechtlichen Prämissen aus. Weder das aktuelle Bodenschutzgesetz noch die aktuelle Bodenschutzverordnung enthielten ausdrückliche Regelungen für das Aufbringen und Erbringen von Material unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht. Es sei keine Beschränkung der Verfüllung auf die ausschließliche Verwertung von Bodenmaterial anzunehmen. Auch sei zu beachten, dass die Laga M 20 lediglich eine Empfehlung eines sachkundigen Gremiums sei, keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift darstelle und damit weder für die Behörden noch für die Gerichte verbindliche Geltung beanspruchen könne. Nach einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen bodenschutzrechtlichen Regelungen sei zu bemerken, dass nicht nur eine Verfüllung mit Boden erfolge, sondern auch mit anderem Material zulässig sei. Dafür bzw. für die kategoriale Beschränkung der Materialarten für die Verfüllung bestehe keine Rechtsgrundlage. Diese Argumentation gelte für alle hier angegriffenen Regelungen. Insbesondere sei auch eine generelle Zulässigkeit der Verwertung von Fremdmaterial, insbesondere von Bauschutt allgemein, gegeben.

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Insgesamt sei die Frage der Zulässigkeit des Einbaus anhand der Zusammensetzung des Materials zu beantworten und nicht auf die abstrakte Art des einzubringenden Materials abzustellen. Der Bescheid vom 03.04.2012 enthalte abstrakte Beschränkungen der Verfüllung auf bestimmte Materialien, wofür keine rechtliche Grundlage bestehe. Im Übrigen sei aufgrund der Besonderheiten der geologischen Lage des Tagebaus auch keine Erforderlichkeit der Materialbeschränkung im Einzelfall gegeben. Insbesondere sei die Anordnung der verschärften Zuordnungswerte für die zur Verfüllung zugelassenen Materialien rechtswidrig. Konkrete Vorgaben, insbesondere konkrete Vorsorgewerte, ließen sich gesetzlich nicht feststellen. Es sei in jedem Fall eine Einzelfallprüfung erforderlich, die nicht durch eine rechtsfehlerhaft angenommene Bindung an Zuordnungswerte ersetzt werden könne. Auch Vorschriften des Abfallrechts bzw. des Wasserrechts würden keine geeignete Rechtsgrundlage bilden. Im Übrigen enthielten auch die Vorsorgewerte des Anhangs 2 Nr. 4 Bundesbodenschutzverordnung keine Anforderung an die stoffliche Beschaffenheit des Verfüllmaterials. Den Vorsorgewerten der Bundesbodenschutzverordnung komme überdies keine Verbindlichkeit und unmittelbare Anwendbarkeit zu. Es bedürfe stets einer behördlichen Konkretisierung der Vorsorgewerte und damit einer Entscheidung im Einzelfall, um diesen Geltung zu verschaffen. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung sowie der maßgeblichen rechtlichen Ausgangslage sei eine solche unmittelbare Anwendbarkeit und Verbindlichkeit der Vorsorgewerte der Bundesbodenschutzverordnung nicht gegeben.

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Allgemein sei darüber hinaus zu bemerken, dass eine Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Maßnahmen, wie sie durch den Bescheid festgelegt worden seien, nicht gegeben sei. Es bestehe keine Gefährdung der gefahrlosen Abfallverwertung durch die bisher zugelassenen Materialien. Dies sei auch in der Vergangenheit stets der Fall gewesen und die Besorgnis schädlicher Bodenveränderungen sei insbesondere aufgrund der hydrogeologischen Lage nicht zu erwarten. Der Beklagte habe auch zu Unrecht eine fehlende wirtschaftliche Vertretbarkeit angenommen. Man könne nicht allein anhand des Gewinnungsbetriebes das Unternehmen beurteilen. Es seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmers maßgebend, wenn dieser sich gegen Auflagen wehre. Sowohl für den konkreten Unternehmer als auch für ein vergleichbares Durchschnittsunternehmen müsse die Schaffung von Auflagen wirtschaftlich vertretbar sein. Der Beklagte habe in seinem Bescheid lediglich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, nicht aber auf diejenigen eines vergleichbaren Durchschnittsunternehmens abgestellt. Eine Ermittlung und Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen vergleichbarer Durchschnittsunternehmen sei unterblieben. Der gesamte Umstand habe sich auch in ermessensfehlerhafter Weise auf die Schaffung von Auflagen ausgewirkt, da ein Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensnichtgebrauchs auch dann vorliege, wenn die Behörde bei Erlass ihrer Entscheidung von unzutreffenden, in ihrer rechtlichen Tragweite nicht erfassten rechtlichen Voraussetzungen ausgehe. Auch seien die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers nicht nur nachgeordnet zu berücksichtigen. Richtigerweise hätte auch im Rahmen der Ermessensausübung eine Auseinandersetzung mit den konkreten wirtschaftlichen Interessen und Verhältnissen erfolgen müssen. Dies sei nicht geschehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne auch nicht der Erlass von verschärften Auflagen auf den Widerrufsvorbehalt gestützt werden, da dieser zu unbestimmt sei und auch als nichtig anzusehen sei.

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Die Klägerin beantragt,

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die Änderung der Zulassung des bergrechtlichen Sonderbetriebsplans zur Verkippung nicht kontaminierter Erdstoffe und unbelasteten Bauschutts im Kieslandtagebau W. vom 28.07.1995 durch Bescheid des Beklagten vom 03.04.2012 hinsichtlich der Bestimmungen Nr. 1.1, 1.2, 1.3.1, 1.3.2, 1.6.7 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt dem Vorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen und führt dabei insbesondere aus, dass die Klage zum Teil unzulässig sei, im Übrigen aber unbegründet. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage führt er aus, dass etwa die in Ziffer 1.3.2 des Bescheides vom 03.04.2012 getroffene Regelung identisch mit der bisherigen Regelung in Ziff. 2.3 der 1. Ergänzung vom 21.04.2004 sei und es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehle. Auch die Regelung in Ziff. 1.6.7 enthalte keine neue Regelung. Käme man zu dem Ergebnis, dass die Regelungen in den Ziffern 1.2 und 1.3.2 rechtswidrig und deshalb aufzuheben seien, wäre die wiederholende Regelung in Ziff. 1.6.7 automatisch gegenstandslos. Auch sei fraglich, ob hinsichtlich der Abfallarten AVV010413, 191209 und 191302, die nach Ziff. 1.1 des Bescheides nicht mehr zur Verfüllung zugelassen seien, die aber in W. schon gar nicht mehr verfüllt worden seien, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe. Die gleiche Frage stelle sich bezüglich der Ziffern 1.2 des Bescheides hinsichtlich der Zuordnungswerte.

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In materiell-rechtlicher Hinsicht sei der Bescheid nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin gebe es hinreichende Rechtsgrundlagen, da z. B. der Rückgriff auf außerbergrechtliche Regelungen zulässig sei und somit auch unter bodenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ein Rückgriff auf das Bodenschutzgesetz und die Bodenschutzverordnung und die Festlegung in der Laga nicht zu beanstanden sei. Auch insbesondere abfallrechtliche und wasserrechtliche Gesichtspunkte würden die materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für die erlassenen Forderungen beinhalten. Hinsichtlich der Erforderlichkeit sei darauf zu verweisen, dass auch die Besonderheiten des Einzelfalls aufgrund einer geringen Schluffdichte hier ein Einschreiten erforderten. Wirtschaftlich vertretbar seien die geforderten Maßnahmen bzw. der Maßnahmenkatalog auch, da nach den vorliegenden Erkenntnissen des Beklagten auch für einen durchschnittlichen Unternehmer die Maßnahmen ohne Weiteres zu erfüllen seien. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die entsprechenden ähnlich geänderten Sonderbetriebsplanzulassungen nur teilweise zur Hälfte angefochten worden seien; die andere Hälfte der Bescheide sei bestandskräftig geworden. Auch bei dem klägerischen Verfüllungsbetrieb sei es so, dass es auf die Vorteile, die mit dem Verfüllbetrieb bisher erzielt worden seien, nicht ankomme, weil der Kies und Sand abbauende Unternehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen keineswegs in jedem Fall zur Verfüllung von Restlöchern herangezogen werden könne und ihm die Art und Weise der Wiedernutzbarmachung auch nicht durch ein bergrechtliches Entscheidungsverlangen auferlegt worden sei.

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Insbesondere komme es auch auf die Frage, ob eine nachträglich angeordnete Regelung, die nicht der Gewinnung, sondern der abschließenden Wiedernutzbarmachung in Form der Verfüllung des Tagebaus zugrunde zu legen sei, im vorliegenden Fall nicht an. In der Vergangenheit habe die Klägerin die jetzt verlangten Zuordnungswerte nie überschritten. Angesichts dieser Umstände könne die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Einschränkung der verfüllbaren Abfälle für den Tagebaubetrieb der Klägerin nicht wirtschaftlich unvertretbar sein.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den beigezogenen Verwaltungsvorgang und das Gerichtsprotokoll Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Sie ist zulässig. Gegen die (fristgemäße) Einreichung der Klage bestehen keine Zulässigkeitsbedenken. Im Einzelnen hat die Klägerin auch ausgeführt, dass bezüglich der Anfechtbarkeit einzelner Nebenbestimmungen des streitgegenständlichen Bescheides keine Zulässigkeitsbedenken bestehen (Blatt 302 ff. GA). Diesen Ausführungen folgt das Gericht. Im Übrigen stellt das Gericht folgendes fest:

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Die feststellende Wirkung der angegriffenen Nebenbestimmungen liegt darin, dass die Materialien bei Überschreitung der Parameter, wie sie sich aus den Nrn. 1.2 und 1.3.2 ergeben, nicht im Rahmen der Verfüllung bzw. des Einsatzes für technische Maßnahmen eingesetzt werden dürfen. Damit wird durch die Nebenbestimmungen verbindlich die Rechtsfolge bei Überschreitung der entsprechenden Werte vorgegeben.

26

Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfällt auch nicht deshalb, weil diese bislang ausschließlich solche Materialien im Rahmen der Verfüllung eingesetzt hat, die nunmehr die vorgesehenen Zuordnungswerte einhalten. Denn insoweit war es ausschließlich Sache der Klägerin, künftig im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit auch höher belastete Materialien zum Einsatz zu bringen, soweit dies rechtlich zulässig ist.

27

Zusammenfassend sind keine Zulässigkeitsbedenken gegeben, wobei man auf die Gesamtsituation abstellen muss. Denn durch die Neuregelung der Auflagen des Sonderbetriebsplanes ist eine neue Situation jetzt abschließend zumindest aufrecht erhalten worden. Die Rechtsschutzmöglichkeit ist dadurch eröffnet.

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Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3.4.2012 ist hinsichtlich der Bestimmungen Nr. 1.1, 1.2, 1.3.1, 1.3.2, 1.6.7 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Entscheidungserheblich ist im vorliegenden Fall, ob hinreichend in den Mittelpunkt der Erörterung gerückt worden ist, ob hier das Kriterium der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ nach § 56 Bundesberggesetz erfüllt ist. Auch unter Berücksichtigung der später vorgetragenen Argumente des Beklagten (vgl. § 45 Verwaltungsverfahrensgesetz i.V.m. § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz) ist hier das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nicht hinreichend dargelegt worden. Die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ist von dem Beklagten zwar gesehen und kurz erörtert worden. Dies geschah aber nicht in ausreichendem Maße. Auf die Frage der wirtschaftlichen Unvertretbarkeit ist im Vorfeld von der Klägerin deutlich hingewiesen worden (Bl. 156 der Beiakte). Wenn in diesem Zusammenhang in dem angefochtenen Bescheid die Problematik erwähnt wird, ob bei dem betroffenen Unternehmer und einem Durchschnittsunternehmer die wirtschaftliche Unvertretbarkeit kumulativ gegeben sein muss, so führt dies hier nicht weiter. In dem streitbefangenen Bescheid ist darauf abgestellt worden, dass die Frage, welche Auswirkungen die Situation auf den Verfüllbetrieb hat, keine Rolle spielt. Die Aussage, dass es auf die Wirtschaftlichkeit des Verfüllbetriebes nicht ankomme, hat nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass hier ein Sonderbetriebsplan vorliegt und neben dem Kiesabbau auch die Verfüllung geregelt wird. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung ist bei der Frage des Gewinns auch zu ergründen, in welcher Weise sich die Maßnahmen auf den Verfüllbetrieb auswirken und damit den zu erwartenden Gewinn schmälern. Unter Hinweis auf die Aussagen in dem laufenden Gerichtsverfahren, dass die Hälfte der Bescheide bestandskräftig geworden ist und es auch auf den Verfüllbetrieb nicht ankommt, wird nicht in hinreichendem Maße die wirtschaftliche Vertretbarkeit dargelegt. Es ist nicht festgestellt, dass hier eine wirtschaftliche Vertretbarkeit gegeben ist, wobei sich die Betrachtungen auf den Gesamtkomplex zu beziehen haben und somit alle Regelungen zu beachten sind und nicht bezüglich einzelner Maßnahmen zu differenzieren ist. Nach Auffassung des Gerichts besteht hier im Hinblick auf die Vorschrift des § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz die Situation, dass der Beklagte angesichts des klägerischen Einwandes der fehlenden wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Amts wegen verpflichtet war, der Situation näher nachzugehen, und nicht von der klägerischen Seite die Einzelheiten ohne weitere Aufforderung näher dargelegt werden musste. Das Gericht sieht die Situation so, dass sich bezüglich des Punktes der wirtschaftlichen Vertretbarkeit die bisher mangelhafte Darlegung durch die Klägerin als ein Mangel aufdrängen musste, so dass die Notwendigkeit einer Nachfrage bestanden hätte (vgl. insoweit auch Kopp/Ramsauer, § 25 VwVfG, Rdnr. 12). Diese nähere Aufklärungsarbeit ist durch den Beklagten nicht erfolgt. Es besteht aber nach Auffassung des Gerichts hier die Sondersituation, dass von Seiten des Beklagten die wirtschaftliche Vertretbarkeit näher dargelegt werden muss und die Behörde insoweit die Voraussetzungen für ein Einschreiten durch eine nachträgliche Auflage belegen muss (vgl. Piens/Schulte/Vitzthum, Bundesberggesetz, § 56 Rdnr. 3).

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Zusammenfassend weist das Gericht darauf hin, dass unabhängig von allen anderen Fragen der Anwendbarkeit des Bundesbodenschutzgesetzes, der Bundesbodenschutzverordnung oder anderer gesetzlicher Vorschriften hier schon die nach § 56 Bundesberggesetz erforderliche wirtschaftliche Vertretbarkeit nicht durch die Behörde belegt ist und dies auch nicht im Gerichtsverfahren nachgeholt worden ist. Die Tatsache, dass die Hälfte der Regelungen in anderen Betrieben bestandskräftig geworden ist, lässt sich nicht als Indiz für die wirtschaftliche Vertretbarkeit konkret bei dem klägerischen Unternehmen heranziehen und bedarf näherer zahlenmäßiger Belegung, wobei auch nicht isoliert auf die Frage des Verfüllbetriebes abzustellen ist.

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Angesichts des Fehlens des Nachweises des Merkmals „wirtschaftliche Vertretbarkeit“ war dem klägerischen Antrag zu entsprechen mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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