Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 B 13/14

Gründe

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Die Antragstellerin ist als verbeamtete Verwaltungsleiterin des Zentralen Einsatzdienstes (ZED) im Rang einer Regierungsoberinspektorin bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Unter dem 14.02.2014 leitete die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin ein Disziplinarverfahren ein und enthob sie vorläufig des Dienstes. Mit Verfügung vom 13.05.2014 verfügte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin die Einbehaltung von 17 % ihrer Dienstbezüge. Dem lagen vier disziplinarrechtliche Pflichtenverstöße zugrunde. Nämlich der Verdacht der Vorteilsnahme nach § 331 StGB, weil der Antragstellerin nach einer Falschbetankung eines Dienstfahrzeuges die Kosten für das Kraftstoffablassen in Höhe von 25,00 Euro erlassen worden seien (1.), gegenüber POR Z. und POM T. unwahre Angaben über die bei der Falschbetankung entstandenen Kosten und deren Begleichung gemacht habe (2.), eine Strafanzeige wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges nach § 248 b StGB vorliege (3.) und seit Mai 2013 mehrere Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation der Dienstzeiten der Antragstellerin gegeben seien (4.).

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Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist begründet.

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Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Zudem kann sie nach § 38 Abs. 2 DG LSA mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

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1.) Bei der vorläufigen Dienstenthebung stützt sich die Antragsgegnerin erkennbar (nur) auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

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a.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

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a. a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

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Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

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Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

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Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

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b. b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

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b.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht der von der Antragsgegnerin angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu ihrer Entfernung aus dem Dienst führt.

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a. a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass die Antragstellerin gegen die ihr obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach § 34 Sätze 2 und 3 sowie § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) dadurch verstoßen habe, dass sie entgegen bestehender Weisung regelmäßig dass Zeiterfassungsgerät in der Außenstelle in H… benutzt und sodann ohne dienstliche Veranlassung ein Dienstfahrzeug zu ihrem Dienstort nach C-Stadt genutzt habe. So sei die Fahrzeit von H. nach C-Stadt bzw. die Rückfahrt als Arbeitszeit erfasst und die Fahrtkosten seien der Antragsgegnerin aufgelastet worden. Der sehr lange Zeitraum von acht Monaten (23. Mai 2013 bis zur vorläufigen Dienstenthebung), die sehr hohe Anzahl der in Rede stehenden Fälle (99 falsche Dienstantritte und -beendigungen, 55 unbefugte Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen, ca. 82,5 erschlichene Dienststunden) sowie das gezeigte Maß an fehlendem Unrechtsbewusstsein, rechfertige voraussichtlich die Entfernung.

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Damit wirft die Antragsgegnerin der Beamtin im Kern vor, ihr Amt unter Verstoß gegen dienstliche Weisungen nicht uneigennützig wahrgenommen zu haben und stützt sich dabei sowohl auf bestehende - aber weder in der Disziplinarverfügung noch in ihren gerichtlichen Einlassungen näher bezeichnete - allgemeinen Dienstanweisungen (z. B. zu ZEUS) als auch auf das Gespräch von Herrn POR Z. mit der Antragstellerin am 22.05.2013.

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Auch den Inhalt des Gesprächs vom 22.05.2013, der auch von der Antragstellerin nicht im vollen Umfang bestritten wird, unterstellt, stehen dagegen jedoch die täglichen Gepflogenheiten in dem ZED C-Stadt im Raum. Diese können und dürfen bei der Beurteilung des der Antragstellerin vorgeworfenen Dienstvergehens insbesondere deshalb nicht ausgeblendet werden, weil - sofern es überhaupt ihrem Verhalten entgegenstehende Weisungen gegeben haben sollte - das Verhalten der Beamtin jedenfalls dann davon gedeckt ist, mithin es allein ihr oblag, die dienstlichen Notwendigkeiten des Dienstantritts in H. mit der Folge der Benutzung eines Dienst-Kfz zu beurteilen. Diese Betrachtung würde ein gänzlich anderes Licht insbesondere auf die Schwere des Dienstvergehens werfen.

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b. b.) Dem Disziplinargericht erscheint es vor diesem Hintergrund nach augenblicklichem Kenntnisstand nicht nachvollziehbar, dass diese Art und Weise des täglichen Dienstantritts und dessen Beendigung ohne Kenntnis des unmittelbaren Dienstvorgesetzten bzw. der Behördenleitung geschehen konnten. Denn wie die Antragsgegnerin ausführt, handelt es sich um einen Zeitraum von 8 Monaten mit 99 falschen Dienstantritten und -beendigungen und 55 unbefugten Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen mit ca. 82,8 „erschlichenen“ Dienststunden. Derartiges Verhalten kann nicht unbemerkt von Kollegen und Vorgesetzten geschehen, zumal der Antragstellerin nicht vorgehalten wird, dass sie quasi im Geheimen gehandelt und ihre Dienstantritte verschleiert habe. Es ist unverständlich, wie die praktische Umsetzung dieses Verhalten unbemerkt erfolgen sollte, wenn dies doch die tägliche Verfügbarkeit von Dienstkraftfahrzeugen und die Bedienung der Zeiterfassung ohne jedwede Kontrolle voraussetzt.

20

So führt die Antragstellerin aus, dass dem POR Z. seit seiner Übernahme der Leitung des ZED ihr Dienstantritt in H. und die Dienstwagenfahrten nach C-Stadt bekannt gewesen seien. Die Antragstellerin sei ausdrücklich für das Zeiterfassungssystem in H. freigeschaltet gewesen. Erst am 13.01.2014 habe Herr Z. die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass wegen eines vergleichbaren Falles das Dienstverhalten einzustellen sei. Dem sei die Antragstellerin sofort nachgekommen und habe seitdem keine Dienstfahrzeuge mehr benutzt. Die Antragstellerin ist auch in der Lage, den Vorhaltungen zur unbefugten Benutzung eines Dienst-Kfz substantiiert entgegen zu treten und hat durchaus schlüssige Erklärungen für ihr Verhalten und die Notwendigkeit des Transportes von Dienstgütern durch sie mittels eines Dienstfahrzeuges außerhalb der normalen behördlichen Kurierfahrten. Ebenso wird ihr Verhalten nicht in der aktuellen und durchgängig mit der Note „B“ bewerteten dienstlichen Beurteilung aus dem Jahre 2012 bemerkt. Noch deutlicher werden die Besonderheiten, wenn in dem Bescheid zur vorläufigen Dienstenthebung geäußert wird, dass ab dem Jahr 2009 durch die unbefugte Benutzung von Dienstfahrzeugen dem Land ein Schaden in Höhe von ca. 5.400,00 Euro und eine als Dienstzeit angerechnete Fahrtzeit in Höhe von ca. 630 Stunden entstanden sei, wobei unklar ist, ob dies der Antragstellerin vorgehalten wird.

21

Dabei darf das Disziplinargericht an dieser Stelle die Antragsgegnerin darauf hinweisen, dass die disziplinarrechtlichen Vorwürfe hinreichend konkret und substantiiert gehalten sein müssen, damit der Beamte wie auch das Disziplinargericht in die Lage der Überprüfung gesetzt werden können (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 04.06.2014, 8 A 16/13; juris gemeldet; Urteil v. 14.01.2014, 8 A 12/13 mit Verweis auf BVerwG, Urteil v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; alle juris). In den disziplinarrechtlichen Verfügungen der Antragsgegnerin ist wiederholt festzustellen, dass die vorgehaltenen Pflichtenverstöße nicht hinreichend substantiiert im Sinne eines Anklagesatzes formuliert werden, sondern im Sachverhalt gestreut sind.

22

Demnach könnte vorliegend entscheidend sein und müsste im laufenden Disziplinarverfahren geprüft werden, inwieweit das Verhalten der Beamtin den Dienstvorgesetzten und der Behördenleitung bekannt war und geduldet wurde. Denselben Ermittlungsansatz hat nämlich der Oberstaatsanwalt T. in dem Ermittlungsverfahren wegen der missbräuchlichen Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen geäußert, indem er darum bat, den Sachverhalt zunächst weiter aufzuklären, insbesondere dahingehend unter welchen Umständen die Beschuldigte die Dienstfahrzeuge zur Nutzung erhalten habe, ob jemand die Fahrten genehmigt und aufgrund welcher Informationen ggf. die Genehmigung erfolgt sei. Von erheblicher Bedeutung sei auch, ob und welche Prüfung nach Durchführung der Fahrten erfolgt sei, wer hier Prüfungen durchgeführt habe und was entscheiden worden sei (Ermittlungsakte der StA MD 141 Js 10750/14; zitiert nach Vortrag der Antragstellerin). Dieses Verfahren ist im Übrigen laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 18.08.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Diese Ermittlungsergebnisse werden ebenso wie die Modalitäten der Benutzung des Zeiterfassungssystems ZEUS in das dazu zu Recht ausgesetzte Disziplinarverfahren einfließen müssen.

23

Ebenso müssen die weiteren von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.07.2014 zitierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu dem Vorwurf der Vorteilnahme (642 Js 6797/14) einbezogen werden. Bei dem Verweis der Antragsgegnerin auf einen disziplinarrechtlichen Überhangs, gilt es die Unterschiede bei der Einstellung der Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO und nach § 153 ff StPO zu beachten.

24

Demnach bestehen augenblicklich ernstliche Zweifel daran, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens tatsächlich die Entfernung als Höchstmaßnahme ansteht. Dabei betont die Disziplinarkammer aber, dass die der Antragstellerin vorgehaltenen Pflichtenverstöße in ihrer Gesamtheit aber auch im Einzelnen dem Grunde nach durchaus geeignet sein können, ein schwerwiegendes Dienstvergehen anzunehmen. Aufgrund der oben dargestellten Besonderheiten des Einzelfalls, überwiegen aber – jedenfalls zum augenblicklichen Prüfungszeitpunkt – die Zweifel daran, dass tatsächlich auf eine Entfernung erkannt werden wird. Im Übrigen kann die Antragsgegnerin dem laufende Ermittlungen in jedem Stadium durch erneute Entscheidungen nach § 38 DG LSA nachkommen.

25

2.) Ist demnach – augenblicklich – nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ergebnis des Disziplinarverfahrens prognostisch den Ausspruch der Höchstmaßnahme rechtfertigt, ist auch der nach § 38 Abs. 2 DG LSA verfügte Einbehalt der Dienstbezüge nach § 61 Abs. 2 DG LSA aufzuheben. Dabei fällt auch hier auf, dass die Verfügung vom 13.05.2014 keinerlei Ausführungen und Prüfungen zu den vorgehaltenen Pflichtenverstößen enthält, sondern nur ausführt, dass der Beamtin „derart schwerwiegende Pflichtverletzungen vorgeworfen {werden}, dass es bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen wird.“ Dies stellt nur eine Behauptung auf, ohne die Dienstpflichtverletzungen auch nur zu nennen. Sodann beschäftigt sich die Verfügung nur mit der Prüfung des Einbehaltungssatzes, ohne aber die Voraussetzung für den Einbehalt nach § 38 Abs. 2 DG LSA, nämlich die voraussichtliche Entfernung, zu prüfen. Mag diese Tatbestandsvoraussetzung und die Prüfung derselben auch aus der zeitlich zuvor ergangenen Verfügung vom 14.02.2014, welche mit einer Anhörung zu der beabsichtigten Einbehaltung schließt, auch für die Antragstellerin ersichtlich sein, so fehlt in der Einbehaltungsverfügung jedenfalls jedweder Verweis auf diese Verfügung, was sie rechtlich angreifbar erscheinen lässt.

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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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