Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 B 3/15

Gründe

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I. Der Antragsteller sowie seine im Verfahren 8 B 2/15 MD betroffene Ehefrau sind Polizeivollzugsbeamte im Rang von Polizeikommissaren bei der Antragsgegnerin. Vom zuständigen Träger der Sozialhilfe wurden sie im Jahre 2014 zur Auskunftserteilung und zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen für die Mutter der Antragstellerin im Verfahren 8 B 2/15 MD mehrfach in Anspruch genommen. Im Widerspruchsverfahren wurde der Bescheid später aufgehoben.

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Zuvor – am 21.05.2014 – übersandten die Eheleute ein aus dem Internet vorgefertigtes Scheiben, welche auf die jeweiligen Behörden zugeschnitten werden kann und im Wesentlichen zum Inhalt hat, dass die Bundsrepublik Deutschland nicht hinreichend gegründet sei und insbesondere hoheitliche Akte der Verwaltungsbehörden ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage seien. Nachdem der Landkreis S. das Schreiben der Antragsgegnerin zur Kenntnis brachte, leitete diese gegen die Beamten ein Disziplinarverfahren wegen Zweifeln an der Verfassungstreue ein und enthob sie mit Bescheid vom 21.10.2014 nach „§ 38 Abs. 1 und 2“ [gemeint ist: § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2] Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes. Ihr Verhalten stelle einen Verstoß gegen § 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetzt (BeamtStG) dar und zudem lasse ihr Verhalten nicht erkennen, dass sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Dies stelle ein schweres Dienstvergehen dar. Die Entfernung aus dem Dienst sei wahrscheinlich. Das den Beamten als Polizeivollzugsbeamte vom Dienstherrn und der Öffentlichkeit entgegengebrachte Vertrauen in die ordnungsgemäße und am Rechtsstaat orientierte Handlungsweise sei schwer beeinträchtigt worden. Ein Verbleiben im Dienst sei nicht zu vertreten. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Dienstablaufes sei zu befürchten.

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II.) Der zulässige Antrag ist nach § 61 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) begründet.

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Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).

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Die vorläufige Dienstenthebung stützt die Antragsgegnerin auf § 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DG LSA. Bei der Nennung des § 38 Abs. 2 DG LSA handelt es sich offensichtlich um ein Versehen; gemeint ist - wie später im Text - § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA.

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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

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1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

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a.) Eine auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; Beschl. v. 27.08.2014, 8 B 13/14; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

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Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

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Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

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Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

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a. a.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

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b. b.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht der von der Antragsgegnerin angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass prognostiziert werden kann, bei Fortgang der Ermittlungen ergebe sich, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu seiner Entfernung aus dem Dienst führt.

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Die Antragsgegnerin begründet die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich damit, dass der Antragsteller durch sein Schreiben vom 21.05.2014 sowie die damit nachfolgende im Zusammenhang stehenden Äußerungen und sein Verhalten gegen die ihm obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach §§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (Verfassungstreue) und 34 Satz 3 BeamtStG (Wohlverhaltenspflicht) verstoßen habe.

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Für die disziplinarrechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten Straftatbestände (§§ 130, 189 StGB) erfüllt. Ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG liegt bereits vor, wenn ein Beamter schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Eine Dienstpflichtverletzung kann daher bereits dann gegeben sein, wenn der strafrechtliche Unrechtsgehalt nicht erfüllt wird. Denn das Disziplinarecht ist auf Pflichtenmahnung aufgrund der Besonderheiten des Status als Beamter angelegt (vgl.: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris). Gleichwohl ist der fehlende strafrechtliche Unwert zur disziplinarrechtlichen Bewertung des Lebenssachverhaltes von Bedeutung.

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Das Disziplinargericht lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei der dem Antragsteller vorgehaltenen Verwendung des im Internet in einschlägigen Kreisen bekannten und von diesen herausgegebenen Schreibens um eine beamtenrechtliche Verletzung jedenfalls ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes handelt und bezüglich der Verfassungstreue sein könnte. Dabei mag es sich auch um innerdienstliche Pflichtverletzungen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) handeln. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. Urteil v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, Urteil v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 53.06; alle juris).

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a. a. a.) Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, U. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, B. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urteil v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

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b. b. b.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Demgegenüber stellt das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte.

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Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Bestrebungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Diese Annahme ist ohne Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unschuldsvermutung dann möglich, wenn das „den bösen Schein“ begründende Verhalten geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns zu beeinträchtigen (vgl. VG Berlin, B. v. 25.10.2006, 7 A 79.06 zum Fall der Verbreitung einer rechtsradikalen Musik-CD; juris). Pflichtwidrig handelt also auch der, der kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Anschein hervorruft (BVerwG, B. v. 17.05.2001, 1 DB 15.01; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43.06; beide juris).

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c. c. c.) Für die danach hier einschlägigen Dienstpflichtverletzungen gibt es keine disziplinare Regelrechtsprechung, welche die Annahme der Entfernung aus dem Dienst prognostiziert. Denn die Handlungsbreite, in der Verletzungen der Pflicht zur Verfassungstreue und/oder eine Ansehensschädigung denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden könnten. Dabei muss aber auch bemerkt werden, dass es sich bei Verstößen gegen die Verfassungstreue überwiegend um solche politisch motivierten handelt, die eine Nähe zum Nationalsozialismus und damit eine rechte oder rechtsradikale Gesinnung bedeuten. Zu betrachten sind daher stets die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte (VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43/06; juris).

24

So hat das Verwaltungsgericht Magdeburg bezüglich eines beamtenrechtlichen Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte wegen der Äußerung eines Justizvollzugsbeamten: „Die kann man nicht mehr behandeln, die kann man nur noch vergasen“, eine Ansehensschädigung des Justizvollzugsdienstes und des gesamten Berufsbeamtentums angenommen (B. v. 16.11.2009, 5 B 279/09 MD, bestätigt durch OVG LSA, B. v. 22.12.2009, 1 M 87/09; beide juris). In seinem Urteil vom 01.12.2011 (8 A 18/10 MD; juris) stellt die Disziplinarkammer fest, dass auch ein Nichteinschreiten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters gegen eine in seinem Beisein vorgenommene Handlung des Straftatbestandes der Volksverhetzung (Sommersonnenwendfeier, Bücherverbrennung) eine beamtenrechtliche Pflichtenverletzung hinsichtlich des Wohlverhaltens darstellen kann, jedoch wegen der Besonderheiten im Einzelfall keine Entfernung ausgesprochen. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat in einem Urteil vom 15.04.2010 (10 L 4/09; n. v.) hinsichtlich eines Polizeivollzugsbeamten, welcher zu einem Angelausflug unter der Überschrift „Operation Weserübung“ (Tarnname für den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Norwegen), eingeladen hat die vom erkennenden Disziplinargericht (Urteil v. 10.11.2009, 8 A 11/09 MD; n. v.) festgestellte Ansehensschädigung bestätigt, die ausgesprochene Degradierung aber in eine Gehaltskürzung abgemildert. Die Äußerung eines Polizeibeamten „halte die Hand wie beim bösen Adolf“ bei der erkennungsdienstlichen Behandlung hat das Disziplinargericht wegen der damit bezweckten Assoziation zum Hitlergruß als Ansehensschädigung des Berufs der Polizeibeamten gewürdigt und den Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht mit einer Geldbuße geahndet (VG Magdeburg, Urteil v. 23.01.2013, 8 A 21/12; juris). Zuletzt hat die Kammer die Suspendierung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters bestätigt, weil dieser wegen nachhaltiger und dauerhafter Äußerungen und Handlungen den Anschein erweckte, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder mit solchen Kräften zu identifizieren, die dem Vorschub leisten (Beschluss v. 26.08.2013, 8 B 13/13; juris).

25

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Fall eines Lehrers (Urteil v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; juris), nachdem er bereits wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus disziplinarrechtlich mit einer Degradierung belastet war, aufgrund seiner Vorbelastung des Wiederholungsfalls und nach Feststellung völliger Uneinsichtigkeit die Entfernung aus dem Dienst verhängt. Hinsichtlich der Berufsgruppe der Polizeibeamten sind vorwiegend disziplinarrechtliche Entscheidungen mit dem Disziplinarmaß der Zurückstufung bzw. Degradierung unter Berücksichtigung des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen zu finden (vgl. Bay. VGH, Urteil v. 11.07.2007, 16 a D 06.2094 mit Bestätigung des VG München, Urteil v. 26.06.2006, M 19 D 06.1360; beide juris).

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Das Bundesverwaltungsgericht hob die vorläufige Dienstenthebung eines BGS-Beamten (Beschluss vom 17.05.2001, 1 DB 15/01; juris) auf, weil eine Entfernung aus dem Dienst allein wegen des Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nicht in Betracht kommt.

27

Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in dem Beschluss vom 18.11.2003 (2 WDB 2.03; juris) die vorläufige Dienstenthebung wegen des Einbringens zahlreichen NS-Propagandamaterials in dienstliche Einrichtungen und Unterkünfte aufrechterhalten.

28

Das Verwaltungsgericht Münster beschäftigte sich im Urteil vom 19.02.2013 (13 K 1160/12.0; juris) mit der beamtenrechtlichen Verfassungstreuepflicht und der Wohlverhaltenspflicht bei der Teilnahme an der „Rechten Szene“ zuzuordnenden Veranstaltungen und verweist auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Beamten, was bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen ist.

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Auch das VG Berlin sah in dem Beschluss vom 05.04.2007 (80 D n 43/06; juris) aufgrund des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen bei einem Polizeibeamten trotz des disziplinarrechtlichen Pflichtenverstoßes Milderungsgründe, die den Ausspruch der Höchstmaßnahme nicht erwarten ließen, so dass die vorläufige Dienstenthebung aufgehoben wurde.

30

Jüngst entschied das OVG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 01.04.2014, OVG 81 D 2.12, juris), dass bei einem Kriminalkommissar der an zwei Veranstaltungen der rechten und rechtsextremen Szene teilnahm, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bei der Annahme, dass keine greifbaren Hinwiese für eine rechte oder rechtsextreme Gesinnung und keine Vorbelastung vorliegen, das Dienstvergehen mit einem Verweis zu ahnden ist.

31

d. d. d.) Unter Berücksichtigung dieser in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen und der hier im Einzelfall erforderlichen Abwägung sieht das Disziplinargericht die nach § 61 Abs. 2 DG LSA zur Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung führenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit für gegeben. Denn die von der Antragsgegnerin getroffene Prognose der späteren - im Übrigen vom Disziplinargericht auszusprechenden - Dienstentfernung begegnet ernstlichen Zweifeln und hält der gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

32

Die Suspendierungsverfügung setzt sich bereits und gerade nicht mit der dargestellten Problematik und Rechtsprechung sowie der notwendigen Bewertung des Einzelfalls auseinander, sondern argumentiert nur pauschal mit dem möglichen Verstoß gegen die Verfassungstreue und Wohlverhaltenspflicht, also generell der Disziplinarwürdigkeit eines solchen Verhaltens und zieht den fehlerhaften Schluss, dass dies stets zur Entfernung führen müsse. Mit der zutreffenden Feststellung der bloßen Disziplinarwürdigkeit ist aber zwangsläufig noch nicht das Disziplinarmaß bestimmt. Wie ausgeführt, sieht auch das Disziplinargericht ohne Zweifel die Disziplinarwürdigkeit des Verhaltens der Beamten. Diese Annahme der bloßen Disziplinarwürdigkeit allein reicht gerade nicht als notwendige Entscheidungsgrundlage für die anzustellende Prognose darüber, ob das vorgehaltene Verhalten bei Abschluss der Ermittlungen und unter Berücksichtigung der individuellen Beweggründe im Sinne der – stets zu prüfenden – Milderungsgründe, tatsächlich den Ausspruch der Höchstmaßnahme rechtfertigt. Insoweit ist auch zu prüfen und zu ermitteln, wieweit den Beamten die Tragweite ihres Handels aufgrund der Umstände des Einzelfalls bewusst war oder ob sie sich im Bereich eines Irrtums befanden (vgl.: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 01.04.2014, OVG 81 D 2.12, juris).

33

Denn vorliegend ist nicht auszuschließen, dass den Eheleuten die Tragweite und Konsequenz des von ihnen verursachten Geschehensablaufs in dienst- und disziplinarrechtlicher Hinsicht gar nicht bewusst war. Vordringlich wollten sie das „Formular“ als Druckmittel gegen das Sozialamt einsetzen, weil dieses – nach ihrer Rechtsauffassung – rechtswidrig gehandelt und sich in jeder Hinsicht ihrer Argumentation verschlossen habe. Dass die Rechtsverteidigung der Ehegattin notwendig war, ergibt sich aus der nachfolgenden Aufhebung des Bescheides. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann aus der Verwendung des 5-seitigen „Vordrucks“ jedoch nicht geschlossen werden, die Eheleute hätten sich „intensiv und sehr detailliert mit den abseitigen Auffassungen zur Gültigkeit des Grundgesetzes, zur Existenz des Staates Bundesrepublik und zur Rechtmäßigkeit der Verwaltungsbehörde beschäftigt.“ Dies dürfte bei der Verwendung dieses Vordrucks gerade nicht der Fall sein. Denn ein solcher dient der Vereinfachung und der Verwender scheut gerade die eigene Formulierung und Ausgestaltung eines Schriftstückes. Gleichwohl macht er sich damit die Ausführungen formell zu Eigen, was vorwerfbar ist. Vorliegend erscheinen aber die in dem „Vordruck“ verwandten Formulierungen und „Überschriften“ sowie die Aufstellung von „allgemeinen Geschäftsbedingungen“ in dem vorliegenden “Sozialhilfefall“ als derart offensichtlich abwegig und gerade nicht als Ausdruck eigenen Gedankengutes, so dass der laienhaft und ganz offensichtlich nicht rechtsverbindliche Charakter für den Adressaten - aber auch für den Verwender - zweifellos zu erkennen ist. Was bleibt, ist die behauptete Nichtgeltung des Grundgesetzes mit all den sich daraus ergebenden Folgen für die Staatsorganisation; eine Wertung, die einem (Polizei)Beamten zweifellos nicht zusteht. Die Beamten haben sich mit der Verwendung des Vordrucks nicht nur im „Ton“ vergriffen. Sie haben sich einer für einen Beamten in keine Weise zu akzeptierenden Art und Weise der Auseinandersetzung mit einer Behörde bedient, die deren Autorität mehr als in Frage stellt; im Übrigen eine Autorität, auf die gerade auch die Beamtin dann zurückgreifen muss, wenn ihre demokratische Legitimation in Frage gestellt wird.

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Ein nicht mehr bestehendes Eintreten für die freiheitlich- demokratische Grundordnung dürfte darin allerdings allein – ohne Hinzutreten weiterer Umstände - noch nicht zu erblicken sein; jedenfalls nicht in einem solchen Umfang, die bereits jetzt - ohne weitere Aufklärung-, die Prognose der Entfernung rechtfertigen würde. Insoweit zeichnet den Rechtsstaat im Gegensatz zum totalitären Regime gerade die zutreffende und unterscheidbare Wertung vorhaltbarer Handlungen aus. Auch die Möglichkeit eines (vermeidbaren) Verbotsirrtums muss daher berücksichtigt werden. Dies auch deswegen, weil über die bloße Verwendung des „Formular“ keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Eheleute etwa in den Kreisen, welche die Internetseiten betreiben, verkehren oder sich mit diesen gemein machen. Es ist nicht bekannt und wird auch nicht von der Antragsgegnerin behauptet, die Eheleute würden das dort vertriebene Gedankengut etwa Kollegen gegenüber vortragen oder gar verteidigen, im oder außerhalb des Dienstes infiltrieren oder die Dienstauffassung und –moral der Kollegen unterwandern, in entsprechenden Foren oder Blocks oder sonst wie in Erscheinung treten. Auch Wiederholungshandlungen sind nicht bekannt, so dass es sich um einen einmaligen Vorgang handeln dürfte. Ebenso sind keine Anhaltspunkte für solche (partei-)politische Aktivitäten der Beamten erkennbar, welche weitere Rückschlüsse auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung zuließen. Inwieweit das nunmehr im Rechtsstreit als „zurückrudern“ zu bezeichnende Nachtatverhalten mildernd zu berücksichtigen ist, muss ebenfalls geklärt und gewürdigt werden. Den Beamten kann nicht vorgehalten werden, dass sie in dem am 04.09.2014 stattgefundenen Dienstgespräch nicht die Möglichkeit genutzt haben, „der dem Schreiben innewohnenden Aussage entgegen zu treten, dass [die Beamten] gesinnungsmäßig die Verfassungsordnung ablehnen.“ Denn elementarer Grundsatz in einem rechtsstaatlichen Verfahren ist es, dass sich ein Beschuldigter nicht zum Sachverhalt äußern muss, worüber die Beamten auch zutreffend belehrt wurden. Dies als vorwerfbares „Nachtatverhalten“ zu werten, welches erkennen lasse, „dass keine Distanzierung von [den] schriftlichen Ausführungen erfolgt und auch nicht mehr zu erwarten ist“, ja „[die Beamten] durch Einsichtigkeit [hätten] klar erklären können, keine Verfassungsfeind[in] zu sein“ verbietet sich und müsste einer Polizeibehörde bekannt sein. Wie differenziert Handlungen zu bewerten sind, mach deutlich, dass die Antragsgegnerin den Beamten vehement die Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland allein wegen des verwendeten „Formulars“ vorhält, diese dann aber selbst als „BRD“ bezeichnet. Schließlich handelt es sich dabei um eine verwandte Begrifflichkeit, die in der Bundesrepublik Deutschland gerade aus verfassungsrechtlichen Gründen durch Erlass nicht benutzt wurde und heute noch in extremistischen Kreisen und auch bei den sogenannten „Reichsbürgern“ („BRD-GmbH“) Verwendung findet. Also in Kreisen, deren Gedankengut den Eheleuten gerade vorgeworfen wird. Die Antragsgegnerin wird daher im Fortgang des Disziplinarverfahrens, das Tatgeschehen sorgfältig primär unter dem Blickwinkel der Pflichtverletzung des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht zu prüfen haben.

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b.) Die ebenso auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützte Suspendierung hält der Überprüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA gleichfalls nicht stand. Auch insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind nicht geeignet zu verdeutlichen, dass durch ein Verbleiben der Beamten im Dienst der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtig wäre, zumal die Maßnahme mit Blick auf die Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis stehen darf. Die pauschale Begründung, die Dienstenthebung rechtfertige sich aus der zu erwartenden Höchstmaßnahme oder eine Weiterbeschäftigung komme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht in Betracht, um eine Gefährdung oder Störung dienstlicher Belange zu vermeiden, genügt nicht. Es bedarf der Darlegung der besonderen Umstände für die Störung des Dienstbetriebes. Die vorläufige Dienstenthebung erweist sich dann als ermessensgerecht und verhältnismäßig, wenn ohne diesen Eingriff der Dienstbetrieb oder die ordnungsgemäße Tätigkeit der Verwaltung durch die Anwesenheit des Beamten empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.2000, 1 DB 16.00; Beschl. v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 4; zuletzt: VG Magdeburg, Beschluss v. 11.02.2015, 8 B 19/14; juris gemeldet).

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Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und herunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann. Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind auch zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13, juris). So wäre für ein darauf zu stützendes notwendiges Fernhalten der Beamten vom Dienst von Belang, ob sie mit dem dienstlichen Inventar oder aus den dienstlichen Räumen heraus die vorgehaltenen Pflichtverletzungen begangen haben. Gleiches gilt, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte im Dienst aufgrund der ihm dienstlich zur Verfügung stehenden Mittel erneut auffällig wird.

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Vorliegend macht die Antragsgegnerin unter Nennung des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA zwar Ausführungen; gleichwohl tragen diese zur Überzeugung des Gerichts nicht. Denn die Antragsgegnerin argumentiert auch hier nur pauschal, dass „auf Grund der mit der Verletzung gewichtiger dienstrechtlicher Pflichten schwerwiegende Beeinträchtigungen des Dienstablaufes eintreten würden und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit polizeilichen Handelns sowohl dienstintern als auch in der Öffentlichkeit gefährdet wäre.“ Dies genügt nicht.

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Die Antragsgegnerin geht insoweit von dem Idealfall aus, dass die disziplinarrechtlich relevante Schwere der Taten feststeht ist damit zur Stigmatisierung der Behörde führt. Sie berücksichtigt nicht, dass jedwede bekanntgewordenen straf- oder disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen einen Beamten die Gefahr bedeuten, dass diese Tatsachen negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb auch und gerade einer Polizeibehörde haben. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass es Fälle gibt, in denen aufgrund der Natur und des Gewichts des vorgeworfenen Dienstvergehens sowie des vom Beamten bekleideten Amtes zugleich ohne Weiteres eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes eintreten können. Diese allgemeine abstrakte Befürchtung ist aber mit dem Tatbestand des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA regelmäßig nicht gemeint. Denn ansonsten würden jedwede (strafrechtliche) Ermittlungen die Suspendierung rechtfertigen. Diese Argumentation der Antragsgegnerin zielt darauf, sich vor einem Ansehensverlustes zu schützen, was aber nicht mit der „Störung des Dienstbetriebes“ ohne weiteres gleichzusetzen ist. Die Antragsgegnerin trägt nicht vor, dass sich etwa Kollegen weigern, mit den Eheleuten zusammen zu arbeiten oder sonst wie das Verhalten der Beamten auf der Dienststelle besonders, das hießt in einer für den Dienstbetrieb unerträglichen Art und Weise diskutiert werden würde. Auch soweit die Antragstellerin im Verfahren 8 B 2/15 MD in ihrem Schreiben an das Gericht vom 16.02.2015 selbst von Problemen mit einzelnen Kollegen und von Mobbingattacken ihr gegenüber spricht, ist nicht erkennbar, dass dies auf die hier relevanten Vorfälle zurück zu führen ist. Im Übrigen äußert die Ehegattin, dass ihr vorgehalten werde, sie würde sich zur Zusammenarbeit weigern, also in soweit der umgekehrte Fall. Auch das Gericht vermag unabhängig vom Vortrag der Beteiligten keine solchen Umstände erkennen, die eine Dienstausübung der Beamten entgegen stehen würden.

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In einem gewissen Maße müssen auch Behörden mit „solchen Fällen“ leben. Nicht zuletzt aus der Fürsorgepflicht heraus gilt es dann, die Beamten, die von Gesetzes wegen nach § 38 Abs. 2 Satz 1 DG LSA nicht vorläufig des Dienstes enthoben werden dürfen und die durch die Fortsetzung des Dienstes den Dienstbetrieb nicht wesentlich beeinträchtigen, insbesondere gegenüber Vorverurteilungen zu schützen und daraus von innen oder außen gezogene Rückschlüsse auf „alle Beamten“ entgegenzutreten.

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2.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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