Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 34/16

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2015, mit welchem der Asylantrag wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde. Er beantragt

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den Bescheid vom 20.04.2015 aufzuheben

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verweist auf den streitbefangenen Bescheid.

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Mit Beschluss vom 21.12.2015 (5 B 241/15) ordnete das Gericht im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung wegen der Minderjährigkeit des Klägers an.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§ 87 Abs. 2, 3 VwGO) entschieden werden konnte, hat Erfolg.

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Hinsichtlich der Zulässigkeit hat das Gericht bereits in dem Beschluss vom 21.12.2015 (5 B 241/15) ausgeführt:

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" […] Die Zustellung des Bescheides unter der Anschrift Schönburger Straße 41, 06618 Naumburg, am 23. April 2015 durch Übergabe an eine Frau Schubert muss der Antragsteller nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht gegen sich gelten lassen, weil der Antragsgegnerin von der zuständigen Ausländerbehörde bereits am 17. März 2015 mitgeteilt worden war, dass der Antragsteller seit dem 12. März 2015 einer Gemeinschaftsunterkunft in Zeitz zugewiesen worden war (Bl. 38 der Beiakte)."

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Die Klage ist begründet. Der streitbefangene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Ablehnung des in Deutschland gestellten Asylantrages ist § 27a AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist vorliegend Italien. Gleichwohl fehlt es an dieser Zuständigkeit Italiens im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht hat im Beschluss vom 21.12.2015 (5 B 241/15) dazu bereits ausgeführt:

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"Die Abschiebungsanordnung wird sich im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen. Nach dem Sachstand im Eilverfahren ist die Antragsgegnerin zu Unrecht davon ausgegangen, dass Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Zwar haben die italienischen Behörden auf ein Wiederaufnahmegesuch der Antragsgegnerin nicht binnen zwei Wochen geantwortet (vgl. Art. 25 Abs. 2 Dublin III VO). Indes ist die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 4 Dublin III VO zuständig. Danach ist bei Abwesenheit eines Familienangehörigen oder eines Verwandten der Mitgliedstaat zuständig, in dem der unbegleitete minderjährige Flüchtling seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten zur Feststellung des Alters des Antragstellers von Prof. Dr. Graw vom 26. November 2015 ist zwar auszuschließen, dass der Antragsteller - wie er geltend macht - am 25. Oktober 1998 geboren und damit im Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages minderjährig gewesen ist. Dem Gutachten ist indes weiter zu entnehmen, dass der Antragsteller mindestens 17,5 Jahre alt ist. Das Geburtsdatum 25. Oktober 1997 sei nicht sicher auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Das Geburtsdatum 21. Dezember 1996 sei mit allen Befunden vereinbar. Auch ein höheres Lebensalter über 21. Jahre stehe durchaus im Raume. Bestehen demnach auch unter Berücksichtigung des Feststellungen in dem Gutachten weiter Zweifel bezüglich des Alters des Antragstellers im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Gewährung internationalen Schutzes in der Bundesrepublik Deutlichland, so ist gemäß Art 25 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) davon auszugehen, dass er minderjährig gewesen ist."

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Dem schließt sich das Gericht vorliegend an. Denn weitere Erkenntnisse liegen nicht vor und erschließen sich nicht. Insbesondere ist eine weitere ärztliche Altersbestimmung nicht erfolgversprechend und dem Kläger nicht zumutbar. Die ärztliche Untersuchung ist durchgeführt worden und die Zweifel bezüglich des Alters gelten fort, so dass der Mitgliedstaat Deutschland davon ausgehen muss, dass der Kläger minderjährig ist. Die Regelung ist eindeutig, dient gerade der Verfahrensbeschleunigung und bezweckt gerade nicht, dass der Altersbestimmungsprozess bis zur Gewissheit fortgesetzt wird. Der Kläger kann sich auch auf die "Garantie für Minderjährige" (Art. 6 VO) als Ausprägung des Kindeswohls berufen (VG Dresden, Urteil v. 16.12.2015, 7 K 818/15.A; juris).

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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