Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (4. Kammer) - 4 A 573/15

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

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Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und reiste nach eigenen Angaben am 31. August 2012 mit ihren Kindern M. A. und Y. A., beide ebenfalls türkische Staatsangehörige, ohne Visum in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein.

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Am 05. September 2012 stellte sie für sich und ihre Kinder einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Az. 5570123-163). Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 2 AsylVfG a. F. abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG a. F. lagen nach der Begründung des Bescheides nicht vor. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. nicht vorliegen. Am 15. Oktober 2013 wurde der Bescheid des Bundesamtes bestandskräftig. Seitdem wurde die Klägerin geduldet. Letztmalig wurde die Duldung bis zum 17. Juli 2016 verlängert.

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Ebenfalls im Jahr 2012 wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen unerlaubter Einreise in die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Dieses Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO eingestellt.

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Am 05. Oktober 2012 gebar die Klägerin ihren Sohn Ö. S.. Herr M. S. erkannte die Vaterschaft für Ö. S. am 19. Februar 2013 an. Aufgrund der Vaterschaftsanerkennung hat das Kind Ö. S. die deutsche Staatsbürgerschaft nach § 4 Abs. 3 StAG erworben.

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Unter dem 03. Mai 2013 beantragte der damals bevollmächtigte Rechtsanwalt der Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Sohnes Ö. S..

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In der Folgezeit wurde die Klägerin durch die Beklagte mehrmals aufgefordert, verschiedene Unterlagen vorzulegen, die sie für die Prüfung ihres Antrages benötige.

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Unter dem 09. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtigte, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Der damals Bevollmächtigte der Klägerin bat mit Schriftsatz vom 17. August 2015 um Fristverlängerung zur Stellungnahme bis zum 28. August 2015.

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Am 17. August 2015 hat die Klägerin, vertreten durch den nunmehr Bevollmächtigten, Klage erhoben.

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Mit Bescheid vom 10. September 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Die Klägerin habe aufgrund ihres deutschen Kindes keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, da die Vaterschaftsanerkennung ausschließlich zu dem Zweck erfolgt wäre, der Klägerin einen Nachzug ins Bundesgebiet zu ermöglichen. Da keine sozial-familiäre Bindung zwischen Vater und Kind bestehe, regele sich die aufenthaltsrechtliche Position der Klägerin nach § 60a Abs. 2 Satz 3 bzw. § 25 Abs. 5 AufenthG. Daneben erfülle die Klägerin nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Sie sei nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist. Auch liege bei der Klägerin keine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Ausreise vor.

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Gegen den Bescheid erhob die Klägerin unter dem 25. September 2015 Widerspruch. Durch die Vaterschaftsanerkennung sei kein Verwandtschaftsverhältnis nach § 27 Abs. 1a AufenthG begründet worden. Dieses bestehe vielmehr zwischen der Klägerin als Mutter und ihrem Kind. Die Geburt eines Kindes werde aber nicht zu einem bestimmten Zweck begründet, sondern bestehe durch den natürlichen Vorgang der Geburt. Daneben setze der Ausschlusstatbestand des § 27 Abs. 1a AufenthG voraus, dass durch die Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses die Einreise ins und der Aufenthalts im Bundesgebiet ermöglicht werde. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen. Die Vaterschaftsanerkennung erfolgte aber erst ca. drei Monate nach der Einreise der Klägerin ins Bundesgebiet und habe der Klägerin die Einreise damit schon nicht ermöglicht. Daneben komme es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf eine biologische Vaterschaft an, sondern allein um die rechtliche.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Aufenthaltserlaubnis komme lediglich nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht, da keine sozial-familiäre Bindung zwischen dem Vater und dem deutschen Kind bestehe. Die Klägerin erfülle schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht. Es liege keine unverschuldete Unmöglichkeit der Ausreise vor. Diese könnte sich zwar aus der Verwandtschaft mit einem deutschen Kind ergeben, jedoch sei die Vaterschaftsanerkennung rechtsmissbräuchlich erfolgt, sodass die Unmöglichkeit durch die Klägerin selbst verursacht worden sei. Die Klägerin erfülle weiter nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Die Klägerin sei nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist und sei auch nicht von der Visumspflicht befreit. Von dieser Voraussetzung könne auch nicht abgesehen werden, da die Klägerin eben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Hiervon könne nur im Ermessenwege abgesehen werden.

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Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016 zu verpflichten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf den streitgegenständlichen Bescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer kann durch die Einzelrichterin entscheiden, weil der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Beschluss vom 01.03.2016 auf die bestellte Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurde.

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Das Gericht kann zudem gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung schriftsätzlich verzichtet haben.

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Die Ablehnung des durch die Klägerin gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Gemäß § 10 Abs. 3 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des AufenthG erteilt werden, es sei denn der Ausländer hat einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.

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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Danach ist einem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Klägerin ist ausländische Mutter des deutschen Kindes Ö. S. und zur Personensorge berechtigt (vgl. Bl. 38 f. der Beiakte A).

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Der Familiennachzug ist auch nicht nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Danach wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Vorliegend wurde kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Klägerin als Nachziehenden und ihrem Kind begründet, um der Klägerin die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Vielmehr besteht das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Mutter und Kind ohne jede Zweckbindung oder weitere Voraussetzungen gesetzlich nach § 1591 BGB.

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Die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt durch einen Ausländer mit unbefristeten Aufenthaltsrecht – mit der Wirkung, dass das Kind deutscher Staatsangehöriger wird – findet in der Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Erwähnung. Die Bestimmung befasst sich nach ihrem Wortlaut nicht mit jedwedem aufenthaltsrechtlichen Missbrauch von Familienrechtsinstituten, sondern betrifft Ehen und Verwandtschaftsverhältnisse, durch die Nachziehenden grundsätzlich die Einreise in das und der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird. Sie regelt Ausnahmefälle, in denen der Nachzug nicht erlaubt wird. Vorliegend wird der Nachziehenden (der Klägerin) der Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch nicht durch eine Ehe und auch nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – durch die Anerkennung ihres Kindes seitens eines Ausländers mit unbefristeten Aufenthaltsrecht ermöglicht, sondern durch die Tatsache der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes, deren aufenthaltsrechtliche Wirkungen – anders als es bei den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen von Ehe und Verwandtschaft der Fall ist – vom Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft o. ä. nicht abhängen. Der vorliegende Sachverhalt wird somit von der Bestimmung nicht erfasst. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970, mit Wirkung vom 28.8.2007) bestätigt, durch das der Absatz 1a in die Bestimmung des § 27 AufenthG eingefügt worden ist. Die Entwurfsbegründung erwähnt lediglich die Zweckehe und die Zweckadoption als Ziel der Neuregelung, nicht aber eine „Zweckanerkennung“ (BT-Drs. 16/5065 S. 170).

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Die Beklagte stützt ihre gegenteilige Auffassung auf entsprechende Ausführungen im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 06.03.2008 (Az. 7 A 11276/07, juris), welche Bezug nehmen auf die Hinweise des Bundesministerium des Inneren vom 02.10.2007 zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 (BMI-Hinweise). Diese gehen zwar davon aus, die Neuregelung erfasse auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen (S. 47/48 Rn. 183), begründen diese Auffassung jedoch nicht anhand des Gesetzes. Den Ausführungen unter Rn. 184 der BMI-Hinweise ist zu entnehmen, dass die in Rn. 183 geäußerte Auffassung in Zusammenhang mit dem Umstand steht, dass sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur behördlichen Anfechtung von Scheinvaterschaften bereits im Gesetzgebungsverfahren befunden hat (Gesetz v. 13.3.2008, BGBl I S. 313). Diese Überschneidung rechtfertigt jedoch keine Auslegung des § 27 Abs. 1a AufenthG über den klaren Wortlaut hinaus. Sie spricht eher gegen eine solche erweiternde Auslegung, weil es bei deren Richtigkeit nicht erforderlich gewesen wäre, eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft zu ermöglichen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.08.2012 – 18 A 537/11 –, juris). Der genannte Zusammenhang besteht jedoch nicht mehr, sodass es nunmehr an jeglicher Grundlage für die in Rn. 183 der BMI-Hinweise geäußerte Auffassung fehlt. Die am 01.06.2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB betreffend eine behördliche Anfechtung von Vaterschaften ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 (1 BvL 6/10 – BGBl 2014 I S. 110) für nichtig erklärt worden (zum Ganzen: BayVGH, Beschl. v. 20.10.2015 – 19 C 15.820 –, juris).

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Sofern der VGH Baden-Württemberg – wie von der Beklagten zitiert – mit Beschluss vom 04.11.2014 (Az. 11 S 1886/14, juris) zu dem Ergebnis kommt, dass auch sog. Scheinvaterschaften von § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG erfasst werden, ist diese Rechtsprechung nach dem oben ausgeführten auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da die Vaterschaftsanerkennung – wie ausgeführt – kein unmittelbares Verwandtschaftsverhältnis gegenüber der Klägerin vermittelt. Es besteht vielmehr eigenständig nach § 1591 BGB, also unabhängig von einer etwaigen Vaterschaftsanerkennung.

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Schließlich wäre die Bestimmung des § 27 Abs. 1a AufenthG vorliegend selbst dann unanwendbar, wenn sie die von der Beklagten angenommene Bedeutung hätte. Das deutsche Kind der Klägerin ist aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen Ausländer mit unbefristetem Aufenthaltsrecht deutscher Staatsangehöriger nach § 4 Abs. 3 StAG. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 08.03.2011 in der Sache „Zambrano“ (Az. C-34/09) erwächst den drittstaatsangehörigen Eltern eines minderjährigen Kindes, das – wie im Falle eines deutschen Kindes – Unionsbürger ist, aus dessen Unionsbürgerschaft ein Aufenthaltsrecht (ohne dass vom Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht worden sein muss), weil im Falle der Verweigerung eines solchen Aufenthaltsrechts im Wohnsitzmitgliedstaat des Kindes dem Kind der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt würde. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil die Klägerin Inhaberin der Personensorge für das Kind ist und zwischen diesem und dem Vater, wie von der Beklagten selbst festgestellt wurde, keine familiären Beziehungen bestehen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die Sorge und Betreuung durch die Mutter zu ersetzen und dadurch den faktischen Zwang zur Ausreise (auch) des Kindes zu beseitigen.

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Vorliegend erfüllt die Klägerin auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Lebensunterhalt der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist. Neben den übrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG, die sämtlich in der Person der Klägerin erfüllt sind, besteht auch kein Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist. Die Klägerin hat keinen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister der Klägerin enthält keine Eintragungen (Bl. 56 der Beiakte A). Die Klägerin ist zwar nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist, da sie den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besaß, jedoch wurde diese nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbewehrte vereinzelte Tat wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO durch die Staatsanwaltschaft nicht zur Anklage gebracht, sondern das Ermittlungsverfahren eingestellt (Bl. 57 der Beiakte A). Eine vorsätzlich begangene Straftat ist zwar grundsätzlich nicht geringfügig i. S. d. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Allerdings kann es auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten unter engen Voraussetzungen Ausnahmefälle geben, in denen der Rechtsverstoß des Ausländers als geringfügig zu bewerten ist. Das kann trotz der gebotenen ordnungsrechtlichen Beurteilung etwa dann in Betracht kommen, wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (BVerwG, Urt. v. 24.09.1996 – 1 C 9/94 –, BVerwGE 102, 63; BayVGH, Beschl. v. 15.12.2003 – 10 B 03.1725, juris). Es erscheint vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung sachgerecht, die strafprozessuale Entscheidung über eine geringwertige Tat auch im ausländerrechtlichen Verfahren zu beachten. Die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden sind insoweit sachnäher an der rechtlichen Beurteilung darüber, ob eine Straftat als geringwertig anzusehen ist. Auch in Ziffer 55.2.2.2 der AufenthG-VwV des Bundesministerium des Innern vom 26.10.2009 heißt es, dass Straftaten, die zu einer Einstellung wegen Geringfügigkeit geführt haben, als geringwertig i. S. d. AufenthG anzusehen sind.

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Letztlich steht auch § 5 Abs. 2 AufenthG dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Danach müsste die Klägerin mit dem erforderlichen Visum eingereist sein. Dies ist wie bereits festgestellt nicht gegeben. Jedoch ist die Klägerin nach § 39 Nr. 5 AufenthV privilegiert. Danach kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Die Abschiebung der Klägerin ist nach § 60a AufenthG ausgesetzt. Wie bereits festgestellt hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Geburt ihres deutschen Kindes im Bundesgebiet.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Ziffer 8.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderung.


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