Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 42/16
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung eines mit der Beigeladenen geschlossenen Krankenhausversorgungsvertrages.
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Die Klägerin, deren Hauptbetriebsräume sich am H.platz in A-Stadt befinden, ist auf dem Gebiet der Krankenhausversorgung tätig. Die Krankenhausversorgung erfolgt dabei über die ausgelagerten Betriebsräume in …, OT I., B.straße ... Der Inhaber der Klägerin verfügt über eine Versandhandelserlaubnis. Die Beigeladene betreibt das Krankenhaus in E-Stadt sowie das Krankenhaus in S., B.straße 1. Bei Letzterem handelt es sich um eine Akutklinik der Basisversorgung mit ca. 210 Betten, darunter sechs intensivmedizinischen Betten und sechs Beatmungsplätzen. Daneben wird in S. rund um die Uhr eine Notaufnahme vorgehalten.
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Die Klägerin versorgte das Krankenhaus S. seit dem 1. Juli 2012 aufgrund eines mit der Beigeladenen geschlossenen und von der Beklagten genehmigten Vertrages mit Arzneimitteln. Diesen Vertrag kündigte die Beigeladene unter dem 10. Dezember 2014 zunächst ordentlich zum 30. Juni 2015, um anschließend eine EU-weite Ausschreibung der Versorgung des Krankenhauses S. mit Arzneimitteln durchzuführen. Mit Schreiben vom 25. März 2015 zog die Beigeladene die vertraglich mit der Klägerin vereinbarte Verlängerungsoption und vereinbarte mit der Klägerin anschließend die (vorzeitige) Aufhebung des Vertrages zum 28. Februar 2016.
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Im Rahmen des anschließenden Ausschreibungsverfahrens schlossen der Inhaber der Klägerin und die Beigeladene am 17./21. Dezember 2015 einen neuen Krankenhausversorgungsvertrag für das Krankenhaus S. für die Zeit ab 1. März 2016 für die Dauer von zwei Jahren. Danach verpflichtete sich die Klägerin, das Krankenhaus in S. mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten zu versorgen sowie durch den Leiter oder einen von ihm beauftragten Apotheker eine persönliche Beratung des Krankenhauspersonals bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich sicherzustellen. Die Lieferung solle nach Bedarf, in der Regel dreimal wöchentlich erfolgen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages). Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringend benötige, seien unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages). Darüber hinaus habe die Klägerin die selten gebrauchten lebenswichtigen Arzneimittel für das Notfalldepot zu liefern (§ 3 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages), welches das Krankenhaus verbrauchsunabhängig für Notfallarzneimittel einrichte (§ 1 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages). Die Klägerin gewährleiste darüber hinaus, dass die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Patienten des Krankenhauses notwendigen Arzneimittel und apothekenpflichtigen Medizinprodukte in ausreichendem Maße vorrätig seien, wobei ein Mindestvorrat, der dem durchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen entspreche, nicht unterschritten werden dürfe (§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Vertrages). Außerdem habe die Klägerin das Notfalldepot des Krankenhauses im Fall von ihr unverzüglich zu meldenden Entnahmen unverzüglich mit den entnommenen Arzneimitteln aufzufüllen (§ 8 Abs. 2 des Vertrages). Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Krankenhausversorgungsvertrag vom 17./21. Dezember 2015 (Bl. 4 ff. d. BA) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 legte die Klägerin der Beklagten diesen Krankenhausversorgungsvertrag mit der Bitte um Genehmigung vor.
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Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, die Genehmigung zu versagen. Hierzu führte sie aus, die Klägerin dürfe aufgrund der Entfernung ihrer Betriebsräume zum Krankenhaus S. und der daraus resultierenden Fahrzeit nicht in der Lage sein, dem Krankenhaus die zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigten Arzneimittel unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer und verschiedener Fachverbände habe die versorgende Apotheke in einer solchen räumlichen Nähe zu dem betreffenden Krankenhaus zu liegen, dass die angeforderten Arzneimittel innerhalb von etwa einer Stunde zur Verfügung gestellt werden könnten. Zur Bestimmung einer angemessenen räumlichen Nähe seien neben der Länge des Transportweges weitere Faktoren wie die Verkehrsanbindung sowie die Beschaffenheit der Verkehrswege einschließlich der Stauanfälligkeit zu berücksichtigen. Die Fahrzeit zwischen den in I. gelegenen Betriebsräumen der Klägerin und dem 93 km hiervon entfernten Krankenhaus S. betrage je nach verwendetem Routenplaner zwischen mindestens 1 Stunde und 15 Minuten und 1 Stunde und 25 Minuten. Folglich sei die für eine Notfallversorgung akzeptable Lieferzeit von einer Stunde weit überschritten, weshalb eine Akutversorgung im Sinne der gesetzlichen Anforderungen nicht gewährleistet sein dürfte. Außerdem sei die im Notfall unverzügliche persönliche Beratung des Krankenhauspersonals durch den Leiter der Klägerin oder den von ihm beauftragten Apotheker nicht sichergestellt. Der Apotheker müsse im Bedarfsfall zeitnah für eine Beratung vor Ort zur Verfügung stehen, wobei ebenfalls ein Zeitrahmen von einer Stunde maßgebend sei.
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Mit Schreiben vom 15. Januar 2016 teilte das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt der Beklagten mit, dass die Klägerin die räumlichen, sächlichen und personellen Anforderungen an eine öffentliche krankenhausversorgende Apotheke erfülle.
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Mit Schreiben vom 24. Januar 2016 wies die Klägerin darauf hin, dass nur nach der bis zum 20. Juni 2005 geltenden Rechtslage die Versorgung innerhalb desselben Landkreises oder einander angrenzender Landkreise oder kreisfreien Städte habe erfolgen müssen. Mit der Änderung der insoweit einschlägigen Norm habe der Gesetzgeber die mögliche Entfernung zwischen der Apotheke und dem zu versorgenden Krankenhaus erhöhen wollen. Im vorliegenden Fall solle die Versorgung aus einer Großstadt (A-Stadt) bzw. deren unmittelbarer Umgebung (I.) in eine der infrastrukturschwächsten Regionen Deutschlands stattfinden. In A-Stadt seien sowohl ein vollsortierter pharmazeutischer Großhandel als auch ein offizielles Notfalldepot im Universitätsklinikum angesiedelt. Eine derartige Konstellation finde sich im Umkreis von 100 km um S. herum kein weiteres Mal. Es sei gerade die Besonderheit einer Notfallbelieferung, dass nicht vorhersehbar sei, welche Arzneimittel benötigt würden. Jede näher an dem Krankenhaus S. liegende Apotheke müsse ggf. eine Besorgungsfahrt nach A-Stadt einplanen, was die Gesamtfahrzeit deutlich erhöhen würde. Da sie – die Klägerin – mehrere Krankenhäuser und vergleichbare Großkunden versorge, verfüge sie selbst über ein umfangreiches Notfalldepot und ein sehr großes Warenlager, um im Notfall unverzüglich, umfassend und zielgerichtet reagieren zu können. Sie habe bereits einige Jahre Erfahrung mit der Versorgung des Krankenhauses S.. Die Versorgung sei sowohl vom Standort I. als auch vom Standort A-Stadt regelmäßig in unter einer Stunde durchführbar. Im Hinblick auf die Fahrzeit sei zu berücksichtigen, dass unplanmäßige Sonderfahrten üblicherweise am Abend oder am Wochenende stattfänden, also zu Zeiten, zu denen auf der Fahrstrecke eine sehr geringe Verkehrsbelastung auftrete. In den letzten vier Jahren der Versorgung des Krankenhauses S. sei überhaupt nur eine Notsituation aufgetreten, in der ein Medikament tatsächlich unverzüglich benötigt worden sei.
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Mit Bescheid vom 16. Februar 2016 lehnte die Beklagte die Erteilung der Genehmigung für den Versorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen für das Krankenhaus S. ab. Zur Begründung stützte die Beklagte sich auf ihre bereits im Rahmen der Anhörung der Klägerin zu der beabsichtigten Ablehnungsentscheidung geäußerten Erwägungen. Ergänzend führte sie aus, bei der Berechnung der Lieferzeit seien zusätzlich die für die Arzneimittelbereitstellung benötigten Zeiten (sog. Rüstzeit) von mindestens 10 bis 15 Minuten zu berücksichtigen. Damit sei im Fall der Klägerin die für eine Notfallversorgung akzeptable Lieferzeit von etwa einer Stunde weit überschritten und eine Akutversorgung des Krankenhauses S. durch die Klägerin nicht im Sinne der gesetzlichen Mindestanforderungen gewährleistet. Hinzu trete, dass auf der Fahrstrecke von I. nach S. über die Bundesstraße 71 die Gefahr stockenden oder stauenden Verkehrs bestehe, langsamere bzw. Normalgeschwindigkeit fahrende Fahrzeuge aufgrund der Straßenführung dieser Landstraße nicht uneingeschränkt überholt werden und auch die Witterungsverhältnisse eine hohe Fahrgeschwindigkeit nicht zulassen könnten sowie das Tempo bei der Durchfahrt von Ortschaften gedrosselt werden müsse. Benötigte Akutarzneimittel könnten daher nicht verlässlich binnen einer Stunde an die zu versorgende Einrichtung geliefert werden. Dabei müsse die zeitnahe Belieferung auch in nicht vorhersehbaren, im Rahmen der üblichen Arzneimittelbevorratung unkalkulierbaren Bedarfsfällen sichergestellt sein. Ein im Rahmen der üblichen Bevorratung nicht kalkulierbarer Arzneimittelbedarf lasse sich nie von vornherein ausschließen. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen forderten aber gerade, dass die Verfügbarkeit der notwendigen Medikamente jederzeit und für jede Art von Notfall gewährleistet ist. Der Verweis der Klägerin auf das Notfalldepot in der Universitätsklinik A-Stadt gehe fehl, da dieses nur Arzneimittel enthalte, die von Apotheken vorrätig gehalten werden müssten. Diese Notfallpräparate beträfen nur einen sehr kleinen Kreis an Arzneimitteln und seien von ihrer Zielrichtung und ihrem Anwendungsbereich nicht auf die Akutversorgung im Krankenhausbereich zugeschnitten. Anders als die Klägerin meine, habe der Gesetzgeber bei der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Krankenhausversorgung nicht vom Prinzip der räumlichen Nähe zwischen Krankenhaus und Apotheke abrücken wollen.
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Am 23. Februar 2016 hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, sie beliefere das Krankenhaus S. ca. 150 mal pro Jahr, und zwar wöchentlich montags, mittwochs und freitags. Falle ein Liefertag auf einen Feiertag, finde die Lieferung in Absprache mit dem Krankenhaus in der Regel einen Tag früher statt. Hinzu kämen 10 bis 20 Sonderfahrten jährlich. Hierbei handele es sich jedoch in der Regel nicht um eilige Fälle, sondern um geplante Zustellungen zu einem bestimmten Datum. Eine Sonderfahrt, die unverzüglich zu erfolgen habe, gebe es ungefähr einmal jährlich. Dieser Fall sei bereits dann gegeben, wenn ein Arzneimittel aus dem Notfalldepot des Krankenhauses für die Versorgung eines Patienten entnommen worden sei. Die Sonderfahrt diene hier lediglich dem Auffüllen des Notfalldepots. Seit 2012 habe es lediglich vier Sonderfahrten gegeben, die unverzüglich erfolgt seien. Nur in einem Fall habe überhaupt eine Notsituation bestanden, in dem das Arzneimittel tatsächlich unverzüglich benötigt worden sei. Dieses Arzneimittel koste pro Patient bei stationärer Behandlung bis zu 100.000,00 Euro und sei nur begrenzt haltbar, weshalb es regelmäßig in Apotheken und Krankenhäusern nicht vorrätig sei. Das Mittel sei vom Notfalldepot der Universität A-Stadt bezogen worden. In ihrem unmittelbaren Umfeld befänden sich zudem zwei vollsortierte pharmazeutische Großhändler, und zwar in 80 m Entfernung in I. selbst sowie in 8 km Entfernung in A-Stadt. Die Versorgung des Krankenhauses erfolge direkt vom Standort I. aus. Dort seien neben dem diensthabenden Apotheker oder dessen Vertreter auch Fahrer anwesend, die im Notfall die Fahrt nach S. übernähmen. Eine im Notfall erforderliche Beratung vor Ort – was in 15 Jahren nie vorgekommen sei – erfolge ebenfalls durch ihren Inhaber oder dessen Vertreter, außerhalb der Öffnungszeiten der Apotheke in I. vom Standort A-Stadt aus. Dessen ungeachtet könne eine Notfallberatung ohne Weiteres aus der Ferne erfolgen. Der dienstbereite Apotheker sei technisch so ausgerüstet, dass er Zugriff auf alle notwendigen Datenbanken und das Bestellsystem des Krankenhauses habe. Hiermit ließen sich in der Regel alle Fragestellungen, die im Rahmen der Notfallberatung auftreten, sehr schnell beantworten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Februar 2016 zu verpflichten, den Versorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vom 17./21. Dezember 2015 für das Krankenhaus S. zu genehmigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tritt der Klage ergänzend zu ihren Ausführungen im Bescheid vom 16. Februar 2016 mit der Begründung entgegen, dass zur Bestimmung des Zeitraums, den eine Arzneimittellieferung in Anspruch nehmen dürfe, um noch als unverzüglich zu gelten, zwar nicht von einer "starren" Stundengrenze ausgegangen werden dürfe. Im Fall der Klägerin seien die Lieferzeiten aber erheblich länger als eine Stunde und damit in Anbetracht möglicher schwerwiegender Folgen bei einer nicht unverzüglichen Arzneimittellieferung für den betroffenen Patienten nicht hinnehmbar. Unter der erforderlichen Berücksichtigung sog. Rüstzeiten von 15 bis 30 Minuten, die der Apotheker brauche, um im Notfall Informationen entgegenzunehmen, die jeweiligen Arzneimittel zu beschaffen, in das Fahrzeug zu verbringen und loszufahren, sei im günstigsten Fall davon auszugehen, dass ein Apotheker der Klägerin eine Stunde und 43 Minuten benötige, um das Krankenhaus in S. von A-Stadt aus über I. zu erreichen. Im ungünstigsten Fall dauere es zwei Stunden und 20 Minuten. Der Durchschnittswert liege also bei 2 Stunden. Für den Fall, dass der Apotheker direkt von A-Stadt nach S. fahre, würden im günstigsten Fall inklusive Rüstzeiten eine Stunde und 36 Minuten vergehen, im ungünstigsten Fall zwei Stunden und acht Minuten, im Durchschnitt also eine Stunde und 52 Minuten. Dies sei etwa außerhalb der Öffnungszeiten der Apotheke in I. notwendig. Da es sich bei der von der Klägerin zur Durchführung von Lieferungsfahrten benutzten Bundesstraße 71 um eine im landesweiten Vergleich besonders stauanfällige Strecke handele, müsse zumindest der Durchschnittswert zugrunde gelegt werden. Die von der Klägerin angeführte örtliche Nähe zu zwei pharmazeutischen Großhändlern versetze diese nicht in die Lage, Arzneimittel schneller nach S. zu liefern als eine andere, näher an S. gelegene Apotheke. Die Großhandelsbetriebe lieferten die Arzneimittel selbst an die jeweiligen Apotheken aus. Es würden mithin keine "Doppelfahrten" erforderlich. In Ausnahmefällen sei eine direkte Abholung beim Großhändler durch einen ortsansässigen Boten realisierbar. Im Übrigen seien die Bezugsmöglichkeiten über den Großhandel wochentags ab 20 Uhr und am Wochenende für alle Apotheken nur eingeschränkt möglich. Die örtliche Nähe der Klägerin zu den Großhändlern verschaffe dieser somit keinen Vorteil. Dies gelte auch in Bezug auf das Notfalldepot in A-Stadt. Üblicherweise würden aus dem Notfalldepot benötigte Arzneimittel per Boten an außerhalb Magdeburgs ansässige Apotheken geliefert. Der Umstand, dass im Krankenhaus S. ein Notfalldepot eingerichtet sei, könne die fehlende räumliche Nähe zu der Klägerin nicht kompensieren. Soweit die Klägerin darauf verweise, es sei in der Vergangenheit kein Notfall eingetreten, könne daraus nicht darauf geschlossen werden, dass dies zukünftig so bleiben werde. Diesbezüglich dürfe zudem nicht außer Betracht bleiben, dass die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen gerade auch Vorsorge für unwahrscheinliche Notfälle treffen wollten. So könne es insbesondere bei bestimmten Unglücksfällen mit zahlreichen Schwerverletzten zu einem plötzlichen übermäßigen Mehrbedarf an üblichen Arzneimitteln kommen. In diesen Fällen wären die im Krankenhaus bevorrateten Medikamente sofort aufgebraucht. Die Klägerin müsse dann sofort den Mehrbedarf decken, was ihr aufgrund der räumlichen Entfernung zum Krankenhaus in S. jedoch nicht möglich sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ihr – der Beklagten – bezüglich der Frage, wann die Versorgung eines Krankenhauses durch eine Apotheke als unverzüglich angesehen werden könne, ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt sei.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Die Kammer hat die Beklagte mit Beschluss vom 27. April 2016 (Az. 3 B 48/16 MD) im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Versorgung des Krankenhauses S. der Beigeladenen durch die Klägerin einstweilig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu dulden.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens, die beigezogenen Gerichtsakten des Verfahrens 3 B 48/16 MD sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung des mit der Beigeladenen geschlossenen Versorgungsvertrages vom 17./21. Dezember 2015 für das Krankenhaus Salzwedel (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die begehrte Genehmigung ist § 14 Abs. 5 Sätze 1 und 2 ApoG. Danach bedarf ein nach § 14 Abs. 3 oder 4 ApoG geschlossener Vertrag – hier der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 17./21. Dezember 2015 geschlossene Krankenhausversorgungsvertrag – zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass das Krankenhaus mit einer Apotheke nach Absatz 3 oder 4 einen Vertrag über die Arzneimittelversorgung des Krankenhauses durch diese Apotheke geschlossen hat, der folgende Voraussetzungen erfüllt: 1. die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ist gewährleistet; 2. die Apotheke liefert dem Krankenhaus die von diesem bestellten Arzneimittel direkt oder im Falle des Versandes im Einklang mit den Anforderungen nach § 11a; 3. die Apotheke stellt Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt, unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung; 4. eine persönliche Beratung des Personals des Krankenhauses durch den Leiter der Apotheke nach Absatz 3 oder 4 oder den von ihm beauftragten Apotheker der versorgenden Apotheke erfolgt bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich; 5. die versorgende Apotheke gewährleistet, dass das Personal des Krankenhauses im Hinblick auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie von ihr kontinuierlich beraten wird; 6. der Leiter der versorgenden Apotheke nach Absatz 3 oder 4 oder der von ihm beauftragte Apotheker ist Mitglied der Arzneimittelkommission des Krankenhauses.
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der von der Klägerin und der Beigeladenen am 17./21. Dezember 2015 geschlossene Krankenhausversorgungsvertrag ist genehmigungsfähig.
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Insbesondere gewährleistet der Vertrag eine unverzügliche Arzneimittelversorgung im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG.
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Bei dem Begriff der „Unverzüglichkeit“ handelt es entgegen der Auffassung der Beklagten um einen der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff. Mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verbindet sich die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig und uneingeschränkt nachzuprüfen. Beruht die angefochtene Entscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so ist deren verbindliche Konkretisierung Sache der Gerichte. Ausnahmen hiervon, in denen der Verwaltung Beurteilungsspielräume und damit von Gerichten nicht oder nur eingeschränkt überprüfbare Letztentscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, dürfen der vollziehenden Gewalt nur aufgrund eines Gesetzes eingeräumt werden. Ob ein Spielraum besteht, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Wegen der mit ihm verbundenen Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf es zudem stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8. November 2016 - 3 B 11/16 -, juris). So werden der Verwaltung Beurteilungsspielräume dort zuerkannt, wo die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig ist, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts, etwa aufgrund unübersichtlicher und sich häufig ändernder Verhältnisse, zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 25. August 2016 - 5 C 54/15 -, juris [m.w.N.]).
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Gemessen daran unterliegt die gerichtliche Kontrolle der Auslegung und Anwendung des Begriffs der „Unverzüglichkeit“ in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG keinen Einschränkungen. Die Feststellung, wann und ob eine Apotheke einem Krankenhaus die zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigten Arzneimittel "unverzüglich" zur Verfügung stellt, ist weder von hoher Komplexität noch von einer besonderen Dynamik gekennzeichnet. Sie setzt auch keine fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen bedingenden Wertungen voraus, sondern stellt sich als reine Rechtsanwendungsfrage dar. Auch sonst ist nicht ersichtlich, aus welchem gewichtigen Sachgrund diesbezüglich der Verwaltung ein der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zugestanden werden sollte.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt Unverzüglichkeit im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG, dass die benötigten Medikamente im Eilfall zeitnah und ohne vermeidbare Verzögerungen im Krankenhaus bereitstehen müssen. Im Hinblick auf den Normzweck, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Patienten auch in dringlichen Bedarfssituationen zu gewährleisten, kommt es nicht darauf an, dass das Medikament von der Apotheke im Sinne von § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" zur Anlieferung bereit gestellt und auf den Weg gebracht wird. Erforderlich ist vielmehr, dass das benötigte Arzneimittel in möglichst kurzer Frist im Krankenhaus zur Verfügung steht. Das bedingt, dass die Apotheke in räumlicher Nähe zum Krankenhaus liegen muss. Dabei hat die Länge des Transportweges einen unmittelbaren und bestimmenden Einfluss auf die Transportdauer, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel benutzt wird. Neben die Entfernung treten weitere Faktoren wie die Verkehrsanbindung und die Beschaffenheit der Verkehrswege einschließlich der Stauanfälligkeit. Wegen dieser Zusammenhänge ist der Begriff der Unverzüglichkeit in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG eng verknüpft mit einer räumlichen Komponente und setzt voraus, dass sich die Apotheke in angemessener Nähe zum Krankenhaus befindet. Die dem Krankenhausträger nach § 14 ApoG eingeräumte Möglichkeit, auf den Betrieb einer eigenen Apotheke zu verzichten und das Krankenhaus stattdessen von einer externen Apotheke versorgen zu lassen, lässt zwar erkennen, dass der Gesetzgeber eine gewisse räumliche Entfernung von Apotheke und Krankenhaus für vertretbar hält. Gleichwohl hat die externe Apotheke nicht anders als die interne Krankenhausapotheke insbesondere dafür zu sorgen, dass die bestellten Arzneimittel bedarfsgerecht bereitgestellt und besonders dringlich benötigte Medikamente unverzüglich zur Verfügung gestellt werden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ApBetrO). Dementsprechend darf sich die externe Apothekenversorgung eines Krankenhauses (auch) in Bezug auf die Schnelligkeit der Arzneimittelversorgung nicht wesentlich von der Versorgung durch eine krankenhauseigene Apotheke unterscheiden. Das ist aber nur sichergestellt, wenn die externe Apotheke in räumlicher Nähe zum Krankenhaus liegt (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 14 ff.).
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Für die Bestimmung des Zeitraums, den die Arzneimittellieferung im Höchstfall in Anspruch nehmen darf, um noch als unverzüglich gelten zu können, bieten die Einschätzungen von Fachkreisen einen praktikablen Anhaltspunkt (BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 19). Nach Empfehlungen etwa der Bundesapothekerkammer soll die Apotheke in einer räumlichen Nähe zum Krankenhaus liegen, die es ermöglicht, im Rahmen der Notfallversorgung die angeforderten Arzneimittel innerhalb einer Stunde zur Verfügung zu stellen (vgl. Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung: Versorgung der Krankenhauspatienten durch Apotheken, Stand: 15. Mai 2014, S. 7 unter III-2.1). Hierbei handelt es sich indes (lediglich) um einen Orientierungswert (vgl. BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 19). Mithin kommt es für die Beantwortung der Frage, ob eine Arzneimittelversorgung unverzüglich im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG ist, auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 26. Oktober 2016 - 22 ZB 16.491 u.a. -, juris Rz. 24). Es ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Versorgungsvertrag im Einzelfall auch dann den Anforderungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG noch genügen kann, wenn die räumliche Entfernung zwischen der Apotheke und dem zu versorgenden Krankenhaus so groß ist, dass die Lieferung von Medikamenten mehr als eine Stunde in Anspruch nehmen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 19; BayVGH, Beschl. v. 26. Oktober 2016 - 22 ZB 16.491 u.a. -, juris Rz. 24).
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§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG fordert nicht die Einrichtung der bestmöglichen Versorgungsstruktur, die unzweifelhaft gegeben wäre, wenn sich die Apotheke, die das jeweilige Krankenhaus mit Medikamenten versorgt, in direkter Nachbarschaft befindet und in der unmittelbaren Umgebung des Krankenhauses etwa ein pharmazeutischer Großhändler oder ein zentrales Notfalldepot angesiedelt ist, von dem im Einzelfall üblicherweise nicht im Krankenhaus oder der versorgenden Apotheke vorgehaltene (seltene) Medikamente ohne jeglichen Zeitverzug besorgt werden können. Entscheidend ist vielmehr, dass nach der konkreten Ausgestaltung der Arzneimittelversorgung die zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigten Medikamente in jedem Einzelfall so zur Verfügung gestellt werden können, dass Leben und Gesundheit der Patienten nicht gefährdet werden. Wie dies im Einzelnen sichergestellt werden kann, gibt § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG gerade nicht vor. Insbesondere fordert § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG zumindest nicht explizit eine räumlichen Nähe zwischen der die Versorgung übernehmenden Apotheke und dem zu versorgenden Krankenhaus. Bei der Auslegung des Begriffs "unverzüglich" ist vielmehr bereits nach dem Wortsinn der zeitliche Aspekt der Arzneimittelversorgung von tragender Bedeutung. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass dieser zeitliche Gesichtspunkt regelmäßig faktisch eine gewisse räumliche Nähe zwischen der Apotheke und dem Krankenhaus bedingt. Die räumliche Nähe ist allerdings nicht das einzige Kriterium zur Bestimmung der Unverzüglichkeit der Arzneimittellieferung im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG. Entstehen bei der Arzneimittelversorgung dadurch Lieferzeiten, dass sich das Krankenhaus und die die Arzneimittelversorgung übernehmende Apotheke nicht in demselben Ort befinden, kann auch durch eine entsprechende organisatorische Ausgestaltung der Medikamentenbevorratung und -bereitstellung dafür Sorge getragen werden, dass die zur akuten medizinischen Versorgung dringend benötigten Arzneimittel entweder bereits im Krankenhaus vorhanden sind oder in der für eine Patientenversorgung nicht gefährdenden Zeit beschafft werden können. In letztgenannter Hinsicht sind etwa die infrastrukturellen Bedingungen und das in der Region, in der sich das Krankenhaus befindet, vorhandene Netz der Versorgungsverbindungen insbesondere zum pharmazeutischen Großhandel von Bedeutung. Auch die Fachkreise, deren Einschätzung bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs "Unverzüglichkeit" herangezogen werden kann, erkennen die Notwendigkeit an, ihre Empfehlungen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sowie den Anforderungen des Qualitätsmanagementsystems des einzelnen Krankenhauses anzupassen (vgl. Präambel der Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung: Versorgung der Krankenhauspatienten durch Apotheken, Stand: 15. Mai 2014, S. 4).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossene Krankenhausversorgungsvertrag mit den Anforderungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG vereinbar.
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Zwar beträgt die Lieferzeit aufgrund der Fahrstrecke zwischen den Betriebsräumen der Klägerin in I., von denen aus die Versorgung des Krankenhauses in S. erfolgt, und dem Krankenhaus in S. deutlich mehr als der Orientierungswert von einer Stunde, bis zu dem nach den genannten Maßstäben in jedem Fall von der Unverzüglichkeit der Arzneimittelbereitstellung im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG ausgegangen werden kann. Ausgehend von den Berechnungen verschiedener Routenplaner sind zwischen den Betriebsräumen der Klägerin in I. und dem Krankenhaus S. zwischen 93,4 km und 98 km bei einer Fahrzeit zwischen einer Stunde und zehn Minuten und einer Stunde und 28 Minuten (www.google.maps.de, maps.here.com und www.bing.com/mapspreview) zurückzulegen. Dabei durfte die Option "schnellste Route" – hier über die Bundesstraße 71 – gewählt werden (vgl. BayVGH, Beschl. v. 26. Oktober 2016 - 22 ZB 16.491 u.a. -, juris Rz. 21). Zu der reinen Fahrtzeit kommt zudem noch die Verladungs- und sonstige Beschaffungsdauer (sog. Rüstzeit).
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Auch unter Berücksichtigung dieser zeitlichen und räumlichen Entfernung der Betriebsräume der Klägerin zum Krankenhaus S. ist die gebotene zeitnahe Arzneimittelversorgung im vorliegenden Fall aber noch gewährleistet. Die Klägerin und die Beigeladene haben die Organisation der Arzneimittelversorgung durch die Klägerin vertraglich so ausgestaltet, dass dem Krankenhaus in S. bei Umsetzung des Vertrages die zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigten Arzneimittel prinzipiell unverzüglich und bedarfsgerecht im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 ApoG zur Verfügung stehen. Die Klägerin nimmt in der Regel dreimal wöchentlich Arzneimittellieferungen vor (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages). Dass es sich bei diesen Medikamenten um solche handelt, deren Bedarf regelmäßig kalkulierbar ist, wird daran deutlich, dass sich die Klägerin neben der turnusmäßigen Belieferung verpflichtet hat, zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigte Arzneimittel unverzüglich zu liefern (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Krankenhaus S. ein verbrauchsstellenunabhängiges Depot für selten gebrauchte lebenswichtige Notfallarzneimittel unterhält, welches die Klägerin ebenfalls beliefert (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 2, § 4 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages). Damit sind besonders lebenswichtige Medikamente, deren Lieferung im Bedarfsfall keinerlei zeitlichen Aufschub duldet, vor Ort vorhanden. Nach dem unwidersprochen gebliebenen – und auch plausiblen – Vortrag der Klägerin werden diese Notfallarzneimittel unverzüglich wieder von ihr aufgefüllt, wenn ihr eine Entnahme angezeigt worden ist (vgl. § 8 Abs. 2 des Vertrages). Die Ausgestaltung des Versorgungsvertrages lässt erkennen, dass der räumlichen Entfernung zwischen der Klägerin und dem Krankenhaus S. und dem damit verbundenen Gesichtspunkt der Lieferzeiten lediglich in den Fällen eine eigenständige Bedeutung für die Frage der unverzüglichen und bedarfsgerechten Versorgung mit Arzneimitteln zukommt, in denen die betreffenden Arzneimittel weder vom Krankenhaus selbst noch von der Klägerin vorgehalten werden, z. B. aufgrund einer begrenzten Lagerfähigkeit, oder ein Bedarf über den Rahmen der üblichen Bevorratung hinaus plötzlich und unvorhersehbar auftritt.
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Zwar zielt § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG gerade auch darauf ab, jederzeit und für jede Art von Notfall die Verfügbarkeit der erforderlichen Medikamente im Krankenhaus zu gewährleisten. Das kann ein Notfalldepot eines Krankenhauses nicht vergleichbar leisten, weil damit nicht allen denkbaren Situationen eines dringlichen Arzneimittelbedarfs Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 22). Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst als zweifelhaft, ob die Klägerin auch in gänzlich unvorhersehbaren Fällen eine unverzügliche Arzneimittelbereitstellung gewährleisten kann, wenn man allein auf die deutlich über dem Orientierungswert von einer Stunde liegende Zeit abstellt, welche die Lieferung von nicht bereits im Krankenhaus S. vorrätigen, aber dringend benötigten Arzneimitteln durch die Klägerin in Anspruch nehmen würde.
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Wie bereits ausgeführt, dürfen bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs "Unverzüglichkeit" im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG aber nicht die örtlichen Gegebenheiten außer Acht gelassen werden. Im Hinblick auf den von der Beklagten erwähnten theoretisch möglichen Unglücksfall mit sehr vielen dringend zu versorgenden Verletzten ergeben sich die Grenzen der Patientenversorgung im Krankenhaus in S. nicht erst durch die bestehenden Zeiten für die Lieferung von mengenmäßig nicht bevorrateten Arzneimitteln durch die Klägerin, sondern vielmehr bereits durch die Aufnahmekapazität des Krankenhauses selbst. Bereits aufgrund der begrenzten Anzahl an Patientenbetten, ärztlichem Personal und Operationssälen könnten womöglich nicht sämtliche Betroffenen in S. versorgt werden, sondern müssten – wie dies bei größeren Unglücksfällen regelmäßig der Fall sein dürfte – auf andere Krankenhäuser verteilt werden. Die vorhandenen Aufnahme- bzw. Behandlungskapazitäten im Krankenhaus in S. sind aber auch maßgeblich für den Umfang der Medikamentenbevorratung. Anders gewendet wäre es weder ökonomisch sinnvoll noch zur Sicherstellung einer unverzüglichen Arzneimittelversorgung geboten, Medikamente in einem Umfang zu bevorraten, der die Kapazität einer aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen möglichen Patientenversorgung übersteigt. Dessen ungeachtet besteht ausnahmsweise auch die Möglichkeit, Arzneimittel von anderen Apotheken zu bestellen, wenn die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich ist und das Arzneimittel nicht rechtzeitig bezogen oder hergestellt werden kann (vgl. § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 5 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken – Apothekenverordnung, ApBetrO – vom 1. Juli 1987 in der Fassung vom 26. September 1995, BGBl. I S. 1195, zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. März 2015, BGBl. I S. 278).
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Im vorliegenden Einzelfall bestehen vor allem aber auch Besonderheiten, die sich aus der pharmazeutischen Versorgungsstruktur um das Krankenhaus S. herum ergeben. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Klägerin, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, befinden sich die dem Krankenhaus S. am nächsten gelegenen pharmazeutischen Großhändler in I. und in A-Stadt. Dort ist auch das Notfalldepot der Universitätsklinik A-Stadt gelegen. Da im unmittelbaren Umkreis des Krankenhauses S. kein pharmazeutischer Großhändler angesiedelt ist, wäre in Fällen, in denen ein Medikament benötigt wird, welches nach Art und/oder Menge von Krankenhäusern wie dem in S. oder von Apotheken üblicherweise nicht bevorratetet wird, jedenfalls erst einmal dessen Beschaffung aus I. oder A-Stadt erforderlich. Anders gewendet müsste auch eine näher am Krankenhaus S. gelegene Apotheke sich das Medikament von dort besorgen. Die Klägerin sitzt aber bereits in A-Stadt bzw. mit ihren Betriebsräumen in I. in der Nähe von A-Stadt und kann die Besorgung und die Lieferung des Medikaments sogleich ohne weitere zeitliche Verzögerung angehen. Soweit die Beklagte darauf verweist, eine näher am Krankenhaus S. gelegene Apotheke müsse nicht erst einen Mitarbeiter nach A-Stadt schicken, sondern könne sich eines Botendienstes bedienen, welcher das betreffende Medikament direkt von A-Stadt nach S. bringe, führt dies nicht zu einer besseren Versorgung als durch die Klägerin, die bereits vor Ort ansässig ist. Die Fahrzeit zum Klinikum S., deren Dauer die Beklagte der Klägerin vorhält, verkürzt sich in diesen – selten auftretenden – Fällen gerade nicht. Die Klägerin ist aufgrund ihrer Ortsnähe zu den Großhändlern in I. und A-Stadt sowie zum Notfalldepot der Universitätsklinik A-Stadt im Zweifel eher – jedenfalls nicht schlechter – in der Lage, die benötigten Arzneimittel zeitnäher für das Krankenhaus in S. bereitzustellen als ortsansässige Apotheken, die in diesen Fällen den Transport des Medikaments vom Großhändler oder Notfalldepot nach S. erst noch organisieren müssten.
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Soweit die Beklagte auf die begrenzten Öffnungszeiten der pharmazeutischen Großhändler verweist, die sich in der Nähe der Klägerin befinden, betrifft dies sämtliche Apotheken gleichermaßen, welche die Arzneimittelversorgung des Krankenhauses Salzwedel theoretisch übernehmen könnten. Insoweit mag sich kein Vorteil der Klägerin gegenüber anderen Apotheken ergeben. Aus diesem Umstand folgt aber ebenso wenig, dass die unverzügliche Versorgung des Krankenhauses S. mit im Notfall erforderlichen, von Krankenhäusern wie dem in S. oder Apotheken nach Art und/oder Menge üblicherweise nicht bevorrateten Medikamenten durch eine andere Apotheke als die Klägerin besser gewährleistet wäre. Vor diesem Hintergrund veranlasst auch der Hinweis der Beklagten, dass sich die Fahrzeit der Klägerin durch Witterungsbedingungen, Verkehrsunfälle oder anderen Beeinträchtigungen verlängern könne, keine andere rechtliche Bewertung. Diese Risiken bestehen gleichermaßen in den – hier unter dem Gesichtspunkt der Fahrzeit allein – relevanten Fällen, in denen eine andere Apotheke die Versorgung des Krankenhauses S. mit weder dort noch in der Apotheke selbst vorrätigen und daher über einen der Großhändler in I. oder A-Stadt bzw. das Notfalldepot in A-Stadt zu besorgenden Arzneimitteln durchführen würde.
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Würden die im vorliegenden Einzelfall gegebenen – insbesondere örtlichen – Besonderheiten bei der Auslegung und Anwendung des Begriffs "Unverzüglich" im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG gänzlich außer Betracht gelassen, wäre die Sicherstellung der Patientenversorgung in der Region, in dem das Krankenhaus der Beigeladenen liegt, welches die Klägerin mit Arzneimitteln versorgen soll, insgesamt in Zweifel gezogen. Die Beklagte hat, ohne dass es im vorliegenden Fall entscheidend darauf ankommt, keine Apotheke benannt, die besser in der Lage als die Klägerin wäre, die Arzneimittelversorgung des Krankenhauses S. gerade in den unvorhersehbaren Notfällen durchzuführen, in denen die zur Patientenversorgung dringend benötigten Arzneimittel nicht vorrätig sind. Auch wenn § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG die Schnelligkeit und stete Zuverlässigkeit der Arzneimittelversorgung sicherzustellen zum Ziel hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 17 f.), dürfen im besonderen Einzelfall bestehende und auch nicht ohne Weiteres – auch für andere Apotheken als die Klägerin – überwindbare strukturelle Probleme bei der Rechtsanwendung nicht unberücksichtigt bleiben.
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Darüber hinaus erfüllt der Versorgungsvertrag die Genehmigungsvoraussetzungen des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG.
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Hiernach muss sichergestellt sein, dass eine persönliche Beratung des Personals des Krankenhauses durch den Leiter der externen Apotheke oder den von ihm beauftragten Apotheker der versorgenden Apotheke bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich erfolgt. Persönliche Beratung im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG meint eine pharmazeutische Information und Beratung durch den Apothekenleiter selbst (oder den beauftragten Apotheker); eine Beratung durch andere Personen des pharmazeutischen Personals (vgl. § 1a Abs. 2 ApBetrO) genügt nicht (siehe auch § 20 Abs. 4, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a ApBetrO). Eine vergleichbare Regelung trifft § 7 ApoG, wonach die Leitung einer Apotheke dem Apotheker persönlich obliegt. Ob der Begriff der persönlichen Beratung darüber hinaus im Sinne einer persönlichen Anwesenheit zu verstehen ist, das heißt der Apotheker die Beratungsleistung vor Ort im Krankenhaus erbringen muss, ist zweifelhaft. Die Entstehungsgeschichte der Norm gibt darüber keinen eindeutigen Aufschluss. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG-E als Genehmigungserfordernis vor, dass jederzeit ein Apotheker das Personal des Krankenhauses, auch auf telefonischem oder elektronischem Weg, im Hinblick auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie beraten kann. Nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 ApoG-E musste sichergestellt sein, dass eine persönliche Beratung des Krankenhauspersonals durch einen Apotheker regelmäßig mindestens einmal monatlich und in Eilfällen innerhalb von 24 Stunden erfolgen kann (BT-Drs. 15/4293, S. 5 und 8). Diese Unterscheidung legt nahe, dass mit persönlicher Beratung nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 ApoG-E eine Beratung vor Ort gemeint war. Ob dieser Rückschluss indes auch für § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG zu ziehen ist, erscheint mit Rücksicht auf die im Vergleich zum Entwurf geänderte Fassung der Genehmigungstatbestände in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 und 5 ApoG fraglich. Ungeachtet dessen verlangt § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG jedoch im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung, dass der Apotheker für eine Beratung vor Ort im Krankenhaus zur Verfügung steht, wenn das nach den Notwendigkeiten im Krankenhaus geboten ist. Das leitet sich aus dem Begriff der bedarfsgerechten Beratung ab. § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG zielt darauf ab, dass der Apotheker das Krankenhauspersonal im Hinblick auf eine sichere Arzneimitteltherapie und Anwendung der Medikamente berät. Es spricht zwar nichts dagegen, dass sich der Apotheker zur Wahrnehmung seiner Beratungsaufgabe auch technischer Kommunikationsmittel bedienen kann. Eine Beratung auf telefonischem oder elektronischem Weg erfüllt die Anforderungen an eine bedarfsgerechte Beratung aber nur dann, wenn die Situation keine Beratung unmittelbar vor Ort erfordert. Indes ist nicht auszuschließen, dass sich ein pharmazeutischer Beratungsbedarf im Krankenhaus ergibt, der die Anwesenheit des Apothekers erforderlich macht. Daraus folgt für die nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG vorausgesetzte unverzügliche Beratung im Notfall, dass der Apotheker im Bedarfsfall zeitnah für eine pharmazeutische Beratung im Krankenhaus zur Verfügung stehen muss (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 24 ff.).
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Diese Anforderungen nimmt der Versorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen hinreichend in den Blick. Die Klägerin hat sich in § 10 Abs. 1 des Vertrages verpflichtet, eine persönliche Beratung bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich sicherzustellen. Dass sie hierzu trotz der Entfernung zwischen ihr und dem zu versorgendem Krankenhaus in der Lage ist, wurde bereits ausgeführt. Dabei kann der Begriff der "Unverzüglichkeit" nicht anders verstanden werden als in § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG (BVerwG, Urt. v. 30. August 2012 - 3 C 24/11 -, juris Rz. 27). Hiervon ausgehend muss den im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG angeführten strukturellen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls auch im Rahmen der Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG Rechnung getragen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht auf der Grundlage von § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit ihrerseits nicht das Risiko eingegangen ist, im Falle eines Unterliegens gemäß § 154 Abs. 3 VwGO Kosten zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
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Referenzen
- § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a ApBetrO 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 121 Anfechtungsfrist 1x
- ApoG § 7 1x
- 5 C 54/15 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 B 48/16 2x
- § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ApBetrO 1x (nicht zugeordnet)
- 3 C 24/11 8x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- ApoG § 14 29x
- § 1a Abs. 2 ApBetrO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- 3 B 11/16 1x (nicht zugeordnet)