Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 B 193/18
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die (vorläufige) Eintragung in die Handwerksrolle.
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Die am 26.4.1962 in Rumänien geborene Antragstellerin nahm am 11.12.2017 bei der Verbandsgemeinde F. eine Gewebeanmeldung vor für den Handwerksbetrieb "Betreiben einer Kfz-Werkstatt mit mobilem Reparaturservice" in der O. Straße 3 in C-Stadt ab 11.12.2017. Sie beantragte am 4.4.2018 bei der Antragsgegnerin ihre Eintragung in die Handwerksrolle. Es handele sich um ein neu gegründetes Inhaber-Einzelunternehmen "Mobiler Kfz- und Baumaschinen- Meister-Service". Der am 28.11.1949 geborene Geschäftsführer W. J., der 1994 in F. die Kfz-Meisterprüfung abgelegt habe, sei "angestellter Betriebsleiter einer juristischen Person". In seiner Betriebsleitererklärung gab Herr W. J. an, er beziehe Altersruhegeld; seine tägliche Arbeitszeit betrage ca. 4 Stunden zwischen 8-17 Uhr und sein Bruttoverdienst betrage monatlich 450,- €. Ausweislich des von der Antragsgegnerin nachgeforderten und von der Antragstellerin vorgelegten Arbeitsvertrages ist Herr W. J. seit 12.12.2017 mit einer geringfügig entlohnten Beschäftigung bei der Antragstellerin angestellt und verdient für eine regelmäßige Arbeitszeit von 42,5 Stunden im Monat (Arbeitszeit nach Absprache) eine "maximal monatliche Vergütung in Höhe von 450,- € brutto".
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Mit Bescheid vom 18.5.2018 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Eintragung in die Handwerksrolle ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, das gem. § 7 HwO bestehende Erfordernis der Ausübung der fachtechnischen Betriebsleitung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk durch einen mit einem Meister- oder vergleichbaren Abschluss im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk besonders qualifizierten Mitarbeiter sei nicht glaubhaft belegt. Aus den zur Anstellung des Herrn J. mitgeteilten Umständen könne nicht darauf geschlossen werden, dass dieser tatsächlich für die Antragstellerin innerhalb der üblichen Arbeitszeiten fachlich leitend tätig sei. Denn es sei nur eine geringfügige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 42,5 Stunden je Monat zu einer Vergütung von 450,- € vereinbart worden. Sowohl die Arbeitszeit als auch die geringfügige Vergütung ließen nicht die Schlussfolgerung zu, dass er in fachlicher Hinsicht das Unternehmen anleite, jederzeit lenkend und korrigierend eingreifen könne und auch in Not- und Störfällen zur Verfügung stehe. Zweifel am Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen gingen zu Lasten der Antragstellerin.
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Am 17.6.2018 hat die Antragstellerin Klage erhoben (3 A192/18 MD) und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
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Die Antragstellerin trägt vor: Sie sei die bei Gewerbeanmeldung mittellose Lebenspartnerin ihres Geschäftsführers J.. Dessen Einkünfte (monatliche Rente von 550,- €) reichten nicht zum Leben. Eine Vollzeitbeschäftigung sei für ihn nicht mehr angemessen bzw. zumutbar. Seine fachliche Qualifikation stehe außer Frage. Es habe daher für sie und ihren Lebenspartner nichts näher gelegen, als das vorliegende Geschäftsmodell zu entwerfen, bei dem Selbstkosten und Verfügbarkeit einerseits und andererseits Gewinnabschöpfung durch Berechnung marktüblicher Endkundenpreise dieser Branche optimiert seien. Der gesetzlich festgelegte Mindestlohn sei gewahrt. Es sei unmittelbar plausibel, dass jede Anhebung des vereinbarten Stundenlohns hier kontraproduktiv wäre. Ein steuerliches Umgehungsgeschäft sei nicht erkennbar; im Gegenteil: je geringer die ansetzbaren Selbstkosten der Firma seien, desto höher werde die zu entrichtende Einkommensteuer ausfallen. Sie, die Antragstellerin, habe im Übrigen strikt den Umfang der angenommenen Aufträge mit der verfügbaren qualifizierten Kapazität abzustimmen. Wenn aber schließlich der Geschäftsführer die alleinige Arbeitskraft in diesem Betrieb darstelle, sei auch die Forderung der Antragsgegnerin nach jederzeitiger Überwachungsmöglichkeit abwegig – der Geschäftsführer könne sich nicht selbst überwachen müssen. Es sei der Handwerksordnung nicht zu entnehmen, dass eine solche Konfiguration bei unstreitig gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten unzulässig wäre. Der Ablehnungsbescheid stelle eine unzumutbare Härte dar, welche ihre wirtschaftliche Existenz treffe.
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Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
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im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die sofortige, vorläufige Genehmigung zur Gewerbeausübung anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin erwidert: Ein Anordnungsgrund sei nicht zu erkennen. Davon abgesehen habe die Antragstellerin nicht den Nachweis erbracht, dass die vereinbarte Betriebsleitung letztlich ernst gemeint sei. Es ergebe sich für den Betriebsleiter ein Stundenlohn von 10,58 €. Damit bestehe offensichtlich ein wirtschaftliches Missverhältnis. Dies lasse einen berechtigten Rückschluss auf die nicht uneingeschränkte Verfügbarkeit der Person des Betriebsleiters im Unternehmen der Antragstellerin zu. Die Betriebsleitung setze die jederzeitige persönliche Eingriffsmöglichkeit voraus. Dies sei hier nicht erkennbar.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind von der Antragstellerin gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen.
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Die vorläufige Eintragung in die Handwerksrolle kann nicht durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO erstritten werden, da es eine vorläufige Eintragung in die Handwerksrolle nicht gibt. Nach § 1 HwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Eine - von der Antragstellerin hier begehrte - vorläufige Eintragung hätte während der Dauer ihres Bestandes denselben Inhalt, die gleiche Rechtsnatur und die gleiche Wirkung wie die endgültige Eintragung in die Handwerksrolle, die der Handwerksbetrieb erst im Hauptverfahren erstreiten könnte (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 10.10.2012 - W 6 E 12.778 -, zit. nach juris; VG Freiburg, Beschl. v. 22.1.1981, GewArch 1981, 223). Dafür, dass ohne eine Vorwegnahme der Hauptsache schwere und schlechthin unzumutbare Nachteile vorlägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.11.2013 - 6 VR 3.13 -, zit. nach juris, Rn. 5 m.w.N.), hat die Antragstellerin nichts Erhebliches vorgetragen.
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Dessen ungeachtet hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund, die besondere Dringlichkeit, nicht glaubhaft gemacht. Sie hat nicht substantiiert vorgetragen, dass der Erlass der erstrebten einstweiligen Anordnung zur Abwehr ihr drohender wesentlicher Nachteile erforderlich ist, oder dass aus anderen Gründen eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden könne (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Das bloße Zurverfügunghalten einer Betriebsstätte und die vorgetragene Erforderlichkeit der Erzielung gewerblicher Einnahmen aus dem Handwerk zum Lebensunterhalt können insoweit die Dringlichkeit nicht begründen. Derartige Geschäftsplanungen, bevor alle rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme der Tätigkeit geklärt sind, unternimmt die Antragstellerin auf eigenes wirtschaftliches Risiko. Im Regelfall kann eine einstweilige Zulassung der Antragstellerin nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ohne gründliche Prüfung der Voraussetzungen erfolgen, deren Vorliegen erst im Hauptsacheverfahren geklärt wird (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 10.10.2012 - W 6 E 12.778 -, zit. nach juris, Rn. 27; Honig/Knörr, Handwerksordnung, Kommentar, 4. Aufl. 2008, § 8 HwO, Rn. 57 f., 74 m.w.N.).
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Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht auch kein Anordnungsanspruch. Das von der Antragstellerin beabsichtigte Kfz-Service-Gewerbe unterliegt der Anlage I zu § 1 Abs. 2 HwO (Ziff. 20, Kraftfahrzeugtechniker) und darf daher erst nach Eintragung in das Verzeichnis der Inhaber zulassungspflichtiger Handwerke begonnen werden.
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Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HwO wird als Inhaber eines Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, wenn der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem zu betreibenden Handwerk oder einem mit diesem verwandten Handwerk erfüllt. Da die Antragstellerin unstreitig nicht Kfz-Meisterin ist, kommt es darauf an, ob der von ihr angestellte Herr J. die Anforderungen an die Betriebsleiter-Eigenschaft erfüllen kann. Zwar ist er aufgrund der vorgelegten Bescheinigung der Handwerkskammer F. vom 7.5.2018 Meister im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk. Jedoch entspricht er nach seinem Arbeitsvertrag vom 12.12.2017, der auf eine "geringfügig entlohnte Beschäftigung als Kfz-Meister" lautet und eine Betriebsleiterstellung nicht erwähnt, nicht dem Leitbild eines Betriebsleiters eines Handwerksbetriebes. Der Betriebsleiter hat verantwortlich dafür zu sorgen, dass die handwerklichen Arbeiten "meisterhaft" ausgeführt werden. Hierfür muss er die rechtliche Befugnis im Unternehmen innehaben und auch tatsächlich in der Lage sein, persönlich den Arbeitsablauf jederzeit zu steuern, zu betreuen und zu überwachen. Er darf sich nicht lediglich auf die Kontrolle des Arbeitsergebnisses beschränken. Seine Tätigkeit im Betrieb muss so angelegt sein, dass sie die handwerkliche Güte der Arbeiten gewährleistet (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1991, GewArch 1991, 353).
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Dies dürfte bereits aufgrund der geringen Arbeitszeit (nach Absprache ca. 42,5 Std. im Monat) des Herrn J. und seiner geringfügigen Vergütung (laut Vertrag maximal 450,- € im Monat) nicht gewährleistet sein. Diese Bedingungen stehen in einem krassen wirtschaftlichen Missverhältnis zur Verantwortung und zum üblichen Gehalt eines Meisters (vgl. Kraftfahrzeug-Handwerk, Meistergehälter, Sachsen-Anhalt, gültig ab 1.7.2017: 2.991,- € bis 3.485,- € in Vergütungsgruppe VII/VIII). Die leistungs- und statusgerechte Vergütung dient auch der Motivation, meisterhafte Arbeiten zu gewährleisten. Sie ist auch erforderlich, um im Rahmen des § 7 HwO die Gewähr dafür zu bieten, dass sich der Betriebsleiter seinen Aufgaben tatsächlich mit dem erforderlichen Einsatz und der Bereitschaft zu uneingeschränkter Verantwortungsübernahme für die Qualität der Handwerksarbeit widmet (vgl. OVG Nds., Urt. v. 30.8.1994, GewArch 1995, 74, 75). Daran dürfte es bei einer 450,- €-Entlohnung fehlen. Eine Vergütung, die - wie hier - weit unter dem Marktdurchschnitt liegt, kann auch in besonderem Maße Grund für den Verdacht sein, die Betriebsleiterstellung werde lediglich vorgetäuscht, um die Eintragung in die Handwerksrolle zu erwirken und das Handwerk in Wahrheit durch Personen auszuüben, die den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1991 - 1 C 50/88 -, zit. nach juris, Rn. 13).
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Darüber hinaus muss der Betriebsleiter nach seiner vertraglichen Stellung in der Lage sein, bestimmenden Einfluss auf den handwerklichen Betrieb zu nehmen und tatsächlich die Leitungsaufgaben wahrzunehmen. In fachlicher Hinsicht gilt dies sogar gegenüber dem Betriebsinhaber selbst (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.1991, a.a.O.; OVG Nds., Urt. v. 30.8.1994, GewArch 1995, 74, 75). Auch hieran fehlt es nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag. Denn die dominierende Stellung verbleibt nach den dort geschlossenen Regelungen der Antragstellerin als Arbeitgeberin, die im Innenverhältnis das volle Weisungsrecht bezüglich der Art der auszuführenden Arbeiten (§ 1 des Vertrages) und der Arbeitszeit (§ 3 des Vertrages) hat. Es bestehen nach alldem berechtigte Zweifel, dass Herr J. ernsthaft seiner Verantwortung als Betriebsleiter nachkommen kann (vgl. BAG, Urt. v. 18.3.2009 - 5 AZR 355/08 -, Gew Arch 2009, 456 zur Nichtigkeit eines derartigen Vertrages zur Umgehung der Erfordernisse des § 7 HwO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Der im Hauptsacheverfahren anzunehmende Mindeststreitwert von 15.000,- € in handwerksrechtlichen Verfahren (Ziff. 54.3.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 19. Aufl., Anh. § 164) wird nach dem Ermessen der Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert (Ziff. 1.5 S. 2 des Streitwertkataloges).
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Referenzen
- HwO § 1 2x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 5x
- 1 C 50/88 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 355/08 1x (nicht zugeordnet)
- HwO § 8 1x
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- HwO § 7 4x
- §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)