Beschluss vom Verwaltungsgericht Mainz (5. Kammer) - 5 L 989/16.MZ
Tenor
Der Beteiligten zu 1) wird vorläufig aufgegeben, der Antragstellerin in Abweichung von dem mit Schreiben vom 26. September 2016 ausgesprochenen Hausverbot montags und freitags sowie für weitere erforderliche Personalratstätigkeiten, die nicht an diesen Tagen erledigt werden können, Zutritt zu den Dienststellen des M. (einschließlich des Personalratszimmers im ersten Obergeschoss des Erweiterungsbaus der Hauptverwaltung in der A.- Straße ... in A.) und an den anderen Standorten in Rheinland-Pfalz zu gewähren.
Hält die Antragstellerin außerhalb der Zeiten montags und freitags eine Personalratstätigkeit und damit ihren Zutritt zu den Dienststellen für erforderlich, so hat sie dies der Beteiligten zu 1) vorher mitzuteilen und den Grund hierfür summarisch anzugeben.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Gründe
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Der auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag, mit dem die Antragstellerin als Vorsitzende des Personalrats entgegen dem ihr gegenüber am 26. September 2016 ausgesprochenen Hausverbot für die erforderlichen Personalratstätigkeiten den Zutritt zu den Dienststellen des M. (Hauptverwaltung in A. und andere Dienststellen in Rheinland-Pfalz) begehrt, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (weitgehend) begründet.
- 2
Gemäß § 121 Abs. 2 Landespersonalvertretungsgesetz – LPersVG – i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten der Erlass einer einstweiligen Verfügung unter entsprechender Anwendung der §§ 935 ff. ZPO zulässig. Der Vorsitzende der für das Landespersonal-vertretungsrecht zuständigen Kammer entscheidet über einen solchen Antrag gemäß § 121 Abs. 2 LPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG, § 937 Abs. 2 und § 944 ZPO wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung.
- 3
Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist sowohl das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes erforderlich. Dabei müssen entsprechend den § 936, § 920 Abs. 2 ZPO Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist jedoch auf vorläufige Regelungen beschränkt. Eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 7.7.2003 – 4 B 11066/03.OVG –). Sie ist nur ausnahmsweise aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht mehr erreichbar wäre und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung der Anordnung zu einem irreparablen Zustand führt.
- 4
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Verfahren der Erlass einer einstweiligen Verfügung angezeigt.
- 5
Der Antragstellerin steht ein Verfügungsanspruch zu. Sie hat als (vorsitzendes) Mitglied des Personalrats ein eigenes materielles Recht auf Zutritt zu der Dienststelle, soweit dieser zur Erledigung der Personalratstätigkeit erforderlich ist (allgemeine Meinung, vgl. nur LAG München, Beschluss vom 28.9.2005 – 9 TaBV 58/05 –, juris, Rn. 49 m.w.N). Dies folgt aus § 67 Abs. 2 Satz 1 und § 6 Satz 1 LPersVG und gilt unabhängig davon, ob der Personalrat als Gremium im Übrigen handlungs- und entscheidungsfähig ist oder die Freistellung eines anderen Personalratsmitglieds zum Ausgleich des mit Hausverbot belegten Kollegen erweitert werden soll. Ein solches Recht besteht grundsätzlich auch während eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung des Personalrats zur außerordentlichen Kündigung des Personalratsmitglieds gemäß § 70 LPersVG (ein solches die Antragstellerin betreffendes Verfahren ist hier seit dem 30. September 2016 unter dem Aktenzeichen 5 K 955/16.MZ anhängig) und eines Verfahrens auf Ausschluss eines Personalratsmitglieds nach § 22 LPersVG (anhängig seit dem 13. Oktober 2016 unter dem Aktenzeichen 5 K 1144/16.MZ). In diesen Fällen bestehen das Arbeitsverhältnis und die Personalratsmitgliedschaft bis zur rechtskräftigen Entscheidung fort. Das Personalratsmitglied hat daher weiterhin grundsätzlich einen Anspruch auf ungestörte Amtsausübung und damit auf den notwendigen Kontakt mit der Dienststelle und ihren Beschäftigten (vgl. zum Ausschlussverfahren BVerwG, Urteil vom 28.4.1967 – VII P 11/66 –, PersV 1968, 110 und juris, Rn. 17). Dazu gehört der Zutritt zu der Dienststelle, in der in erforderlichem Umfang Räume und sachliche Mittel dem Personalrat zur Verfügung zu stellen sind (vgl. § 43 Abs. 2 LPersVG). Soweit Personalratsarbeit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben der Personalvertretung erforderlich ist, ist jedem Personalratsmitglied die Möglichkeit des Zutritts zum Betrieb zu gewährleisten, damit es seine ihm insoweit zustehenden Aufgaben in der Dienststelle vornehmen kann. Daher darf der Dienststellenleiter auch dem gekündigten Personalratsmitglied vor rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens grundsätzlich kein Hausverbot erteilen (h.M., vgl. Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 13. Aufl. 2014, § 47 Rn. 25; Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 7. Aufl. 2011, § 47 Rn. 40; Fürst, GKöD, BPersVG, § 47 Rn. 35; Ruppert/Lautenbach, Personalvertretungsrecht Rheinland-Pfalz, § 70 Rn. 31 f.; LAG München, a.a.O., juris, Rn. 50 f. m.w.N.). Dagegen zur Wehr setzen kann sich das betroffene Personalratsmitglied im Wege einer der einstweiligen Verfügung.
- 6
Es sind nach den Umständen des vorliegenden Falls auch keine konkreten, ausreichend gewichtigen Gesichtspunkte gegeben, die es ausnahmsweise als untragbar erscheinen lassen, der zur fristlosen Entlassung vorgesehenen Personalratsvorsitzenden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens Zutritt zur Dienststelle zu gewähren. Zwar können insoweit der Kündigungsvorwurf, die Art und Schwere der dem Personalratsmitglied angelasteten Pflichtenverletzung und die dadurch beeinträchtigten Interessen der Dienststelle im Rahmen der Interessenabwägung nicht von vornherein ausgeklammert und in das Zustimmungsersetzungsverfahren verwiesen werden (vgl. LAG München, Beschluss vom 19.3.2003 – 7 TaBV 65/02 –, NZA-RR 2003, 641 und juris, Rn. 7). Der hier gegenüber der Antragstellerin erhobene Vorwurf – dienstliche Mitarbeiterunterlagen zu dem betrieblichen Eingliederungsmanagement aus dem Büro eines nach fristloser Kündigung freigestellten Beschäftigten regelwidrig entnommen zu haben, um sie diesem außerhalb der Dienststelle zukommen zu lassen – ist nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten im vorliegenden Verfahren und in dem Zustimmungs-ersetzungsverfahren jedoch bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zweifelsfrei und bedarf ferner unter den rechtlichen Gesichtspunkten des § 70 LPersVG einer näheren Betrachtung. Ohne die Bedeutung des von der Antragstellerin ggfls. begangenen Pflichtenverstoßes herabsetzen zu wollen, so handelt es sich bei dem in Rede stehenden Sachverhalt jedoch um eine bereits vom Anlass her besonders gelagerte Pflichtenverletzung, mit deren Wiederholung unter anderen Umständen nicht von vornherein zu rechnen ist. Hierbei ist auch zu sehen, dass die Antragstellerin in der 35 Jahren währenden Beschäftigung bei der Dienststelle – bis auf zuletzt 2 Abmahnungen in anderen Zusammenhängen – ohne konkrete Beanstandungen seitens des Arbeitgebers geblieben ist. Es bedarf einer genauen Feststellung und Würdigung des der Kündigung zugrunde gelegten Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, um mit der Beteiligten zu 1) zu dem Ergebnis gelangen zu können, die Antragstellerin weise im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Personalratsmitglied ein erhebliches Fehlverständnis von datenschutzrechtlichen Belangen auf. Es stehen der Dienststelle Möglichkeiten offen, befürchteten Problemlagen bei einem weiteren Zugang der Antragstellerin zu den Dienststellen durch entsprechende dienstliche Anordnungen (ohne Behinderung der Arbeit der Personalvertretung) vorsorgend entgegenzuwirken. Aufgrund der (widerruflichen) Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung dürfte namentlich für eine die Dateninteressen der Beschäftigten vernachlässigende Vermischung von Dienstangelegenheiten (als Leiterin Organisation) und Personalratstätigkeiten durch die Antragstellerin jedoch kein Raum mehr sein (vgl. auch unten zur Aufrechterhaltung des Hausverbots bezüglich ihres Dienstzimmers 001). Es bestehen auch sonst trotz der sich derzeit anscheinend schwierig gestaltenden Verhältnisse in der Dienststelle keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass durch die Anwesenheit des gewählten Personalratsmitglieds in der Dienststelle der Dienstbetrieb und der Frieden dort unmittelbar gefährdet sind und deshalb ausnahmsweise das Hausverbot gerechtfertigt sein könnte (vgl. Fürst, a.a.O. § 47 Rn. 35; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 22.2.1977 – 11 TaBV 7/77 –, juris; LAG München, Beschluss vom 28.9.2005 – 9 TaBV 58/05 –, juris, Rn. 65 f.).
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Der dem Personalratsmitglied zu gewährende Zutritt zu den Dienststellen ist auch in zeitlicher Hinsicht auf den für die Personalratstätigkeit notwendigen Umfang zu beschränken. Mit Blick darauf, dass die Freistellung der Antragstellerin von der dienstlichen Tätigkeit nach § 40 LPersVG auf die Montage und Freitage bezogen ist, besteht an diesen Tagen ein Zutrittsrecht der Personalratsvorsitzenden zu den Dienststellen. Dabei spielt keine ausschlaggebende Rolle, dass freitags Homeoffice vereinbart worden ist. Dies dürfte die Antragstellerin auch bisher nicht daran gehindert haben, die Dienststelle an diesem Wochentag aufzusuchen, wenn sie es für sachgerecht gehalten hat. Darüber hinaus ist auch für die an den beiden Wochentagen nicht zu bewerkstelligende erforderliche Personalratstätigkeit eine Zutrittsmöglichkeit einzuräumen. In der Freistellungszeit kann üblicherweise nicht in allen Fällen sämtliche Personalratstätigkeit erfolgen. Es gibt Aufgaben eines Personalrats, die nur gelegentlich anfallen und eine im Voraus nicht bestimmbare Zeit in Anspruch nehmen (z.B. Sitzungen des Personalratsvorstands) und deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz Freistellung unter Umständen zusätzliche Dienstbefreiungen im Einzelfall rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.4.1987 – 6 P 29/84 –, PersR 1987, 191 und juris, Rn. 23 m.w.N.; BAG Urteil vom 21.5.1974 – 1 AZR 477/73 –, DB 1974, 561 und juris, Rn. 13 ff.). In einigen Fällen sind ferner kurze Fristen von der Personalvertretung zu beachten (vgl. nur § 70 Abs. 2 LPersVG), die durch eine Anwesenheit der Antragstellerin in der Dienststelle allein montags und freitags nicht abgedeckt sein könnten. Im Hinblick darauf, dass sich nach den vorgetragenen Geschehnissen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten derzeit schwierig gestaltet, erscheint eine Regelung zum ordnungsgemäßen Ablauf des Zutritts indes soweit erforderlich, als er an den Wochentagen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag notwendig werden sollte. Zur Vermeidung weiterer Konflikte insoweit und zur Kontrolle des im Übrigen weiterbestehenden Hausverbots durch die Dienststellenleitung hat die Antragstellerin zeitlich vorher den beabsichtigten Aufenthalt in der Dienststelle mitzuteilen und den Grund hierfür anzugeben; hierbei ist es ausreichend, wenn sie den Grund summarisch bezeichnet. Die bloße Benennung „Personalratstätigkeit“ ist somit nicht ausreichend; es genügt aber die stichwortartige Umschreibung der beabsichtigten Personalratstätigkeit unter Angabe der voraussichtlichen Dauer dieser Tätigkeit (vgl. LAG München, Beschluss vom 28.9.2005 – 9 TaBV 58/05 –, juris, Rn. 61). Die Gewährleistung eines Zutrittsrechts zur Bewältigung der Personalratsarbeit bedarf entgegen der Ansicht der Antragstellerin indes nicht des Zutritts zu ihrem bisherigen Dienstzimmer 001 im Erdgeschoss der Hauptverwaltung. Auch zur Gewährleistung einer Trennung der dienstlichen Tätigkeiten (von denen die Antragstellerin widerruflich freigestellt ist) von den Personalratsaufgaben ist es sachgerecht und im Übrigen auch angemessen, wenn die Antragstellerin das dem Personalrat für seine Tätigkeit zugewiesene Büro im ersten Obergeschoss des Erweiterungsbaus der Hauptdienststelle für sich selbst und alle weiteren Belange der Personalratstätigkeit nutzen kann. Die bisher in dem Dienstzimmer der Antragsteller gelagerten Personalratsunterlagen können dorthin verbracht und aufbewahrt werden. Es versteht sich von selbst, dass das Zutrittsrecht der Antragstellerin zu den Dienststellen nur im zeitlichen Rahmen der üblichen Dienstzeiten gelten kann.
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Für die einstweilige Verfügung besteht auch ein Verfügungsgrund. Mit ihr wird die Hauptsache zumindest teilweise vorweggenommen. Eine einstweilige Verfügung, die dem Antragsteller eine Befriedigung wie in der Hauptsache verschafft und im Gegenzug dem Gegner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt, darf nur ergehen, wenn die Interessen des Antragstellers eindeutig überwiegen. Hierbei ist die objektive materielle Rechtslage zu berücksichtigen, also der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens. Danach wäre das Zutrittsrecht der Antragstellerin in dem Rahmen der erforderlichen Personalratstätigkeit nach Vorstehendem jedenfalls grundsätzlich gegeben, so dass von einem (zumindest teilweisen) Obsiegen auch im Hauptsacheverfahren auszugehen wäre. Ein Verfügungsgrund liegt damit ebenfalls vor (vgl. LAG München, Beschluss vom 28.9.2005 – 9 TaBV 58/05 –, juris, Rn. 68).
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Eine Kostenentscheidung entfällt, weil nach § 121 Abs. 2 LPersVG i.V.m. § 80 Abs. 1, § 2 a ArbGG und § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden und in dem objektiv ausgestalteten Beschlussverfahren für den Ersatz der außergerichtlichen Kosten entsprechend dem Umkehrschluss aus § 12 a ArbGG kein Raum ist.
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