Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 6 K 931/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 31.01.1977 geborene Kläger bestand am 20.07.2012 die Gesellenprüfung im Augenoptikerhandwerk.
3Am 13.06.2013 beantragte er beim Beklagten die Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG – für eine Fortbildungsmaßnahme zum Augen-optikermeister an der Fachakademie für Augenoptik in I. . Die Fort-bildungsmaßnahme sollte von September 2013 bis Dezember 2014 in Teilzeitform durchgeführt werden.
4Mit Bescheid vom 29.08.2013 gewährte der Beklagte dem Kläger für die vorgenannte Fortbildungsmaßnahme Förderleistungen in Form eines Maßnahmebeitrages (Zuschuss 2.701,82 €, Darlehen 6.156,59 €).
5Am 07.01.2014 kündigte der Kläger das Ausbildungsverhältnis gegenüber dem Ausbildungsträger; den Unterricht hatte er zuletzt am 02.12.2013 besucht.
6Am 14.01.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten die Förderung für eine Fortbildungsmaßnahme zum Augenoptikermeister in Vollzeit am Norddeutschen Optik Colleg in T. für den Meistervorbereitungslehrgang Teil I und Teil II von Februar 2014 bis August 2014. Zur Begründung führte er an, er habe den Teilzeitkurs abgebrochen, weil er bemerkt habe, dass das Modell des Teilzeitkurses mit der nebenberuflichen Tätigkeit nicht zum gewünschten Erfolg geführt habe. Natürlich hätten ihn die gesundheitlichen Nebenwirkungen zusätzlich in seiner Entscheidung beeinflusst. Diese Probleme könne er mit dem jetzigen Vollzeitkurs umgehen, da er sich tagtäglich auf sein Ziel, nämlich den Erwerb des Meisterbriefes, konzentrieren könne.
7Mit Bescheid vom 14.03.2014 lehnte der Beklagte den Förderungsantrag des Klägers ab: Nach dem Abbruch einer Fortbildungsmaßnahme – wie hier – komme eine Weiterförderung nur dann in Betracht, wenn eine Fortbildungsmaßnahme mit demselben Fortbildungsziel wieder aufgenommen worden sei und für den Abbruch der vorherigen Fortbildungsmaßnahme ein wichtiger Grund vorgelegen habe (§ 7 Abs. 2 AFBG). Einen wichtigen Grund i.S.d. § 7 Abs. 2 AFBG habe der Kläger aber in seinem Schreiben vom 01.03.2014 nicht dargetan.
8Am 11.04.2014 hat der Kläger Klage erhoben.
9Zur Begründung macht er geltend, er wolle selbstverständlich die für die abgebrochene Teilzeitausbildung erhaltenen Fördermittel zurückzahlen, sodass sein Antrag vom 14.01.2014 wie ein Erstantrag zu behandeln sei. Im Übrigen liege auch ein wichtiger Grund für den Abbruch der Teilzeitausbildung vor. Die Teilzeitausbildung habe ihn gesundheitlich beeinträchtigt. Die doppelte Belastung aus einer Fortbildung in Teilzeit und der weiteren Berufstätigkeit habe er nicht vertragen. Dies beruhe darauf, dass er an Morbus Bechterew erkrankt sei, wobei es sich um eine chronische Erkrankung handele. Unter Stress verstärkten sich die Krankheitssymptome.
10Der Kläger beantragt,
11den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14.03.2014 zu verpflichten, ihm antragsgemäß Aufstiegsfortbildungsförderung für die Fortbildungsmaßnahme zum Meister im Augenoptikerhandwerk am Norddeutschen Optik Colleg in T. (Meistervorbereitungslehrgang Teile I und II) zu gewähren.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
15Die Kammer hat mit Beschluss vom 24.11.2014 den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg.
18Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seine Fortbildung zum Augenoptikermeister am Norddeutschen Optik Colleg in T. nach den Vorschriften des AFBG fördert. Der ablehnende Bescheid der Bezirksregierung L. vom 14.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
19Die begonnene Fortbildungsmaßnahme zum Augenoptikermeister am Norddeutschen Optik Colleg in T. stellt unstreitig eine nach § 2 AFBG förderungsfähige Maßnahme dar; der Kläger erfüllt auch die notwendigen persönlichen Voraussetzungen i.S.v. §§ 8, 9 AFBG. Der Anspruch auf Gewährung von Förderungsleistungen scheitert jedoch daran, dass der Kläger die vorherige Teilzeitausbildung zum Augenoptikermeister an der Fachakademie für Augenoptik in I. ohne wichtigen Grund i.S.v. § 7 Abs. 2 AFBG abgebrochen hat.
20§ 7 Abs. 2 AFBG regelt, unter welchen Voraussetzungen die Förderung einer Fortbildungsmaßnahme nach einer vom Teilnehmer nicht zu vertretenden vorzeitigen Beendigung einer Ausbildung wieder aufgenommen werden kann. Nach dieser Vorschrift wird ein Teilnehmer erneut gefördert, wenn nach einem Abbruch aus wichtigem Grund oder nach einer Kündigung des Trägers, die der Teilnehmer nicht zu vertreten hat, eine Maßnahme mit demselben Fortbildungsziel unverzüglich nach Wegfall des wichtigen Grundes oder der Beendigung der Maßnahme infolge der Kündigung wieder aufgenommen wird.
21Der Kläger hat die nach dem AFBG geförderte Fortbildungsmaßnahme an der Fachakademie für Augenoptik in I. i.S.v. § 7 Abs. 2 AFBG abgebrochen und am Norddeutschen Optik Colleg in T. eine Fortbildungsmaßnahme mit demselben Fortbildungsziel wieder aufgenommen. Dies ist zwischen den Beteiligten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch unstreitig.
22Allerdings erfolgte der Abbruch der vorhergehenden Teilzeit-Fortbildungsmaßnahme nicht aus einem wichtigen Grund i.S.v. § 7 Abs. 2 AFBG. Das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes bildet einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher bei seiner Anwendung einer entsprechenden Auslegung und Beurteilung durch die Behörde bedarf, die einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Das AFBG definiert das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes nicht. Die Anforderung findet sich jedoch auch in § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG –), wonach Förderungsleistungen für eine andere Ausbildung gewährt werden, wenn der Auszubildende die Ausbildung aus wichtigem Grund abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat. Trotz vorhandener Unterschiede bei den beiden gesetzlichen Förderungszielen ist es zur Frage des wichtigen Grundes für den Abbruch gerechtfertigt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des BAföG als Auslegungshilfe im Rahmen der Aufstiegsfortbildungsförderung heranzuziehen.
23Vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Auflage, Stand: Mai 2014, Rdnr. 2.1 zu § 7.
24Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung
25vgl. Rothe/Blanke, a.a.O., Rdnr. 42 zu § 7 mit entsprechenden Nachweisen
26ist ein wichtiger Grund für die Aufgabe einer Ausbildung dann gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil und unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Förderung berührten Interessen nicht mehr zugemutet werden kann. Bei der Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung einer Ausbildung sind Sachverhalte zu berücksichtigen, die sich auf Eignung, Neigung und Leistung beziehen, darüber hinaus auch solche, die den Lebensbereich des Auszubildenden betreffen, soweit sie mit der Ausbildung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Das Ausbildungsverhältnis wird nicht allein durch eine Fachrichtung bzw. seine grundsätzlichen Lehrinhalte gekennzeichnet, sondern auch durch die Anforderungen, die es an die ordnungsgemäße Durchführung der Ausbildung stellt, um das Ausbildungsziel – hier einen aufstiegs- bzw. fortbildungsqualifizierenden Abschluss – zu erreichen. Ein solcher Abschluss wird in der Regel nur erfolgreich zu erlangen sein, wenn der Auszubildende in der Lage ist, an den in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen bestimmten Ausbildungsveranstaltungen teilzunehmen, diese vor- und nachzubereiten sowie eine ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung vorzunehmen. Ist er hieran durch in seinem persönlichen, familiären oder – bezogen auf die hier gegebene Besonderheit einer teilzeit-berufsbegleitenden Maßnahme – beruflichen Lebensbereich liegenden Umstände gehindert, so bildet dies beim Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit, in der ursprünglich gewählten Fortbildungsmaßnahme zu verbleiben, einen wichtigen Grund für deren Aufgabe.
27Vgl. hierzu z.B. VG Augsburg, Urteil vom 28.04.2009 – Au 3 K 08.1143 –, juris.
28Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger schon nicht schlüssig dargetan, geschweige denn nachgewiesen, dass ihm die Fortsetzung der vorherigen Teilzeitausbildung zum Meister im Augenoptikerhandwerk nicht zumutbar war. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass er sich in einem Vollzeitkurs besser auf das Erreichen des Fortbildungsziels konzentrieren könne als bei einem Teilzeitkurs mit der zusätzlichen Belastung einer beruflichen Tätigkeit. Allein ein „Besser-konzentrierenkönnen“ reicht für die Annahme eines wichtigen Grundes allerdings nicht aus; dies könnte gegebenenfalls angenommen werden, wenn durch die Doppelbelastung von Beruf und Ausbildung das Erreichen des Fortbildungsziels ernsthaft infrage gestellt würde. Tragfähige Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger aber nicht benannt.
29Soweit der Kläger geltend macht, gesundheitliche Nebenwirkungen aus der Doppelbelastung hätten ihn zum Abbruch der Teilzeitausbildung bewogen, hat er schon nicht dargetan, um welche es sich dabei überhaupt handeln soll. Es ist schon nicht erkennbar, für welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Doppelbelastung als Auslöser in Betracht käme und schon erst recht nicht nachvollziehbar, warum deshalb die Grenze der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Teilzeitausbildung überschritten sein könnte. Das vom Kläger in diesem Zusammenhang vorgelegte ärztliche Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. med. Michael D. vom 25.04.2014 ist nicht aussagekräftig, denn es verhält sich weder konkret zu Art und Schwere einer vorliegenden Erkrankung noch zu der Frage, welche Stressfaktoren sich in welcher Weise auf welche Symptome auswirken sollen.
30Im Übrigen hat der Umstand, dass der Kläger an einem Morbus Bechterew leidet, zwar für die Belastbarkeit des Klägers im allgemeinen Bedeutung, sagt aber allein nichts zu einer eventuellen Unzumutbarkeit einer Fortsetzung der Teilzeitausbildung etwas aus.
31Im Ergebnis fehlt es daher an tragfähigen Anhaltspunkten für die Annahme einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Teilzeitfortbildungsmaßnahme und damit an einem wichtigen Grund i.S.v. § 7 Abs. 2 AFBG.
32Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- VwGO § 6 1x
- VwGO § 188 1x
- AFBG § 9 Vorqualifikation der Teilnehmer und Teilnehmerinnen 1x
- VwGO § 42 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- AFBG § 2 Anforderungen an förderfähige Maßnahmen beruflicher Aufstiegsfortbildungen 1x
- AFBG § 7 Kündigung, Abbruch, Unterbrechung und Wiederholung 7x
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- AFBG § 8 Staatsangehörigkeit 1x