Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 7 L 246/20
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3„die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage“,
4mit dem sich der Antragsteller auf die zum Aktenzeichen des erkennenden Gerichts 7 K 782/20 erhobene Klage bezieht, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist, unabhängig von der Zulässigkeit, jedenfalls unbegründet.
5A) Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen, weil nicht der Antrag auf Wiederherstellung (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO), sondern auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft ist. Hinsichtlich der Regelungen der in der Hauptsache angefochtene Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin über die Anordnung weiterer kontaktreduzierender Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 18. März 2020 (im Folgenden: AV, veröffentlicht im Amtsblatt des Kreises M. und seiner Städte und Gemeinden Nr. 29 - 18. März 2020, S. 440 ff.) entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage nämlich kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 16 Abs. 8, 28 Abs. 3 IfSG).
6Will man den ausdrücklichen Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung darüber hinaus auch als statthaften Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verstehen, ist dieser Antrag im Übrigen zulässig.
7Bezüglich eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkungen seiner in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage mit dem Antrag, die AV aufzuheben, soweit sie sich gegen das Eiscafé E. (jetzt Eiscafé H1. ) richtet, ist der Antragsteller antragsbefugt, da er insoweit auch in der Hauptsache klagebefugt ist (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Klage und Antrag wenden sich danach nur gegen die AV, soweit diese den Antragsteller als Betreiber des genannten Eiscafés, L2. Str. 0, 00000 I. , trifft. Namentlich ist dies durch Nr. 4 Spiegelstrich 1 AV der Fall, wonach unter anderem Cafés zu schließen sind, zunächst bis zum 19. April 2020 (vgl. S. 441 des Amtsblattes). Insoweit ist die AV jedenfalls auch an den Antragsteller als Betreiber eines in I. gelegenen Eiscafés adressiert, mit der Möglichkeit, dass er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Soweit der Antragsteller in seiner Antragsschrift darüber hinaus die Rechtmäßigkeit anderer Anordnungen der AV rügt, sollen diese nach ausdrücklichem Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers nicht angegriffen werden. Nr. 1, 5, 6 und 7 mit ihren Regelungen zu Veranstaltungen, Restaurants/Speisegaststätten, Dienstleistungen, Handwerk und Einzelhandel betreffen den Betrieb eines Eiscafés nicht, unabhängig davon, ob diese Regelungen weiterhin gelten. Im Übrigen hat der Antragsteller nicht vorgetragen, von diesen Regelung betroffen zu sein, weshalb keine möglichen Rechtsverletzungen und damit keine Antrags-bzw. Klagebefugnis ersichtlich ist.
8Dem Antragsteller fehlt bei einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage in der Hauptsache. Insbesondere hat sich die AV hinsichtlich der hier maßgeblichen Anordnung noch nicht erledigt.
9Die Anordnung in Nr. 4 Spiegelstrich 1 AV zur (vollständigen) Schließung aller in I. gelegenen Cafés gilt weiterhin. Dem steht § 13 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO NRW) nicht entgegen. Danach gehen die Bestimmungen der CoronaSchVO NRW widersprechenden und inhaltsgleichen Allgemeinverfügungen der nach § 3 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (ZVO-IfSG) zuständigen Behörden vor (Satz 1). Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich darin verfügter weitergehender Schutzmaßnahmen, bleiben bereits erfolgte oder zukünftige Anordnungen der nach § 3 ZVO-IfSG zuständigen Behörden unberührt (Satz 2).
10atzLinks">Bei der Anordnung hinsichtlich der Schließung von Cafés in Nr. 4 Spiegelstrich 1 AV handelt es sich um eine weitergehende Schutzmaßnahme im Sinne von § 13 Satz 2 CoronaSchVO NRW, da sie in ihrer Eingriffsintensität über das hinausgeht, was die CoronaSchVO NRW im Hinblick auf Cafés regelt. § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO NRW bestimmt zwar grundsätzlich, dass der Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Imbissen, Mensen, Kantinen, Kneipen, Cafés und anderen gastronomischen Einrichtungen untersagt ist. Jedoch ermöglicht § 9 Abs. 2 CoronaSchVO NRW, dass abweichend von Absatz 1 die Belieferung mit Speisen und Getränken sowie der Außer-Haus-Verkauf durch Restaurants, Gaststätten, Imbisse, Mensen, Cafés und Kantinen zulässig sind, wenn die zum Schutz vor Infektionen erforderlichen Abstände eingehalten werden (Satz 1). Der Verzehr ist in einem Umkreis von 50 Metern um die gastronomische Einrichtung untersagt (Satz 2). Eine den Regelungen des § 9 Abs. 2 CoronaSchVO NRW vergleichbare Rückausnahme bezüglich des (eingeschränkten) Betriebs vom Cafés enthält die AV nicht.
11B) Unabhängig von der Frage, ob der ausdrückliche Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung darüber hinaus auch als (statthafter und auch im Übrigen zulässiger) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verstanden werden kann, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.
12Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn wie hier die aufschiebende Wirkung der Klage kraft Gesetzes entfällt. Hierbei hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüberzustellen, wobei hinsichtlich § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO die gesetzgeberische Wertung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung der Klage zu beachten ist. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist eine – im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und ist deshalb die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt nach der gesetzgeberischen Wertung das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung zu treffen.
13Die vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabw228;gung geht zulasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der in der Hauptsache angefochtenen AV überwiegt das Interesse des Antragstellers, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Nach summarischer Pr52;fung der Sach- und Rechtslage spricht vieles für die Rechtmäßigkeit der hier maßgeblichen Anordnung der AV (I.). Jedenfalls geht aber die von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus (II.).
14I. Es spricht vieles dafür, dass die den Betrieb des Eiscafés H1.   betreffende Schließungsanordnung in Nr. 4 Spiegelstrich 1 AV rechtmäßig ist.
15Die AV i.S.v. § 35 Satz 2 VwVfG NRW beruht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde – hier gemäß § 3 ZVO-IfSG die Antragsgegnerin – die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde insbesondere Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 IfSG).
16Da bereits in ganz Deutschland, insbesondere auch im Kreis M. , an COVID-19 (offizielle Bezeichnung der Erkrankung durch das neuartige Coronavirus SARS‑CoV‑2) erkrankte Personen festgestellt wurden,
17vgl. COVID-19-Dashboard des Robert-Koch-Instituts, abrufbar unter https://corona.rki.de,
18und zu befürchten ist, dass sich unerkannt weitere Personen infiziert haben, die sich noch nicht in Quarantäne befinden, liegen die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung vor. Durch die vorgenannten Umstände ist eine an einer übertragbaren Krankheit (§ 2 Nr. 3 IfSG) erkrankte Person und damit ein Kranker im Sinne von § 2 Nr. 4 IfSG festgestellt worden.
19Vgl. VG Minden, Beschluss vom 12. März 2020 - 7 L 212/20 -, juris Rn. 10.
20Demzufolge war die Antragsgegnerin zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – "wie" des Eingreifens – ist der Behörde allerdings Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um "notwendige Schutzmaßnahmen" handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, jurs Rn. 23.
22Die Verpflichtung zur Schließung des Eiscafés H1. begegnet nach diesen Maßstäben zur Rechtsfolgenseite bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Notwendige Maßnahme i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG kann auch die Schließung von Betrieben sein – wie dem Eiscafé des Antragstellers. Diese Maßnahme ist zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit COVID-19 erforderlich.
23Das Robert-Koch-Institut führt in seinem aktuellen täglichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 26. März 2020,
24vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-03-26-de.pdf?__blob=publicationFile
25zur Risikobewertung aus:
26„Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kommen vor. Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Diese Gefährdung variiert von Region zu Region. Die Belastung des Gesundheitswesens hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, soziale Distanzierung) ab und kann örtlich sehr hoch sein. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.“
27An anderer Stelle führt das Robert-Koch-Institut aus, die größte Herausforderung bestehe prinzipiell in der Gefahr, dass eine sehr große Zahl von Menschen gleichzeitig erkranken könnte und damit die verfügbaren Kapazitäten unseres Gesundheitssystems sehr deutlich übertroffen würden. In diesem Zusammenhang betont es die derzeitige Notwendigkeit allgemeiner kontaktreduzierender Maßnahmen durch eine Beschränkung der täglichen Anzahl an Kontakten auf ein absolutes Minimum. In den nächsten Wochen seien maximale Anstrengungen erforderlich, um die COVID-19-Epidemie in Deutschland zu verlangsamen, abzuflachen und letztlich die Zahl der Hospitalisierungen, intensivpflichtigen Patienten und Todesfälle zu minimieren.
28Vgl. an der Heiden/Buchholz: Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland, S. 9 f., abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Modellierung_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile.
29Dem Robert-Koch-Institut kommt im Rahmen der Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten eine besondere Sachkompetenz zu. Denn es hat nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG die gesetzliche Aufgabe, Konzeptionen zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen zu entwickeln, was die Entwicklung und Durchführung epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten einschließt.
30Unter diesen Gesichtspunkten ist die Annahme der Antragsgegnerin, die Vermeidung nicht lebensnotwendiger Sozialkontakte – etwa durch das Aufsuchen eines Eiscafés – sei eine notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19, nicht zu beanstanden.
31Vom Gericht überprüfbare Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die vom Antragsteller geltend gemachten wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Betriebe erkannt und berücksichtigt (vgl. S. 442 des Amtsblattes).
32Nach summarischer Prüfung erweist sich die Anordnung zur (zeitweisen) vollständigen Schließung des Eiscafés auch als verhältnismäßig. Mildere, aber gleich geeignete Mittel zur effektiven Vermeidung einer Weiterverbreitung des Virus sind zurzeit nicht ersichtlich. Insbesondere bestünde bei einer weiter erlaubten eingeschränkten Öffnung des Eiscafé;s – beispielsweise durch Außer-Haus-Verkauf (vgl. § 9 Abs. 2 CoronaSchV NRW) – weiterhin die erhebliche Gefahr, dass durch die Bildung von Warteschlagen vor dem Café eine Weiterverbreitung des Virus begünstigt wird. Unter Abwägung der aufgezeigten drohenden Gefahren für die Allgemeinheit und der wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers ist auch von der Angemessenheit der zunächst bis zum 19. April 2020 befristeten Maßnahme auszugehen. Mit den zu erwartenden Gesundheitsgefahren durch die Krankheit selbst, aber auch durch eine Überlastung des Gesundheitssystems, steht den wirtschaftlichen Interessen mit der menschlichen Gesundheit ein besonderes hochwertiges Schutzgut gegenüber. Zudem würde der Betrieb des Eiscafés die Verbreitung des Virus und die damit einhergehenden Gesundheitsgefahren in erheblichen Maße begünstigen. Bei einem betriebenen Eiscafé – sei es nur über den Thekenverkauf – ist zu erwarten, dass es grade bei wärmer werdendem Frühlingswetter zu vermehrter Kundenansammlung kommen würde. Zu Gunsten der Schließung wirkt ebenfalls, dass es sich bei den vom Antragsteller angebotenen Kaffeespezialitäten und Eiskreationen nicht um lebenswichtige Güter zur Versorgung der Bevölkerung, sondern lediglich um – verzichtbare – Genussmittel handelt. Daher kann sich der Antragsteller auch nicht auf eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gastronomiebetrieben berufen, die noch eingeschränkt betrieben werden können. Insoweit sei angemerkt, dass Nr. 5 der AV, der unter Einhaltung bestimmter Hygienemaßnahmen und begrenzter Öffnungszeiten einen eingeschränkten Betrieb von u.a. Mensen, Restaurants und Speisegaststätten sowie Hotels für die Bewirtung von Übernachtungsgästen erlaubte, gemäß § 13 Satz 1 CoronaSchV NRW nicht mehr gilt, da diese Vorschrift insoweit § 9 CoronaSchV NRW widerspricht. Aber auch eine Ungleichbehandlung durch den Umstand, dass Restaurants und Speisegaststätten gemäß § 9 Abs. 2 CoronaSchV NRW eingeschränkt betrieben werden können, ist jedenfalls gerechtfertigt. Die Unterscheidung ist sachgerecht und auch angemessen, weil solche Betriebe – im Gegensatz zum Eiscafé des Antragstellers – Teil der Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln sind und es damit auch ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines eingeschränkten Betriebes gibt.
33Vgl. zur Angemessenheit der Untersagung einer Großveranstaltung im Zuge der Ausbreitung von COVID-19 VG Minden, Beschluss vom 12. März 2020 - 7 L 212/20 -, juris Rn. 16.
34II. Selbst wenn man nach alledem von offenen Erfolgsaussichten der Klage gegen die AV ausgehen wollte – eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ist jedenfalls nicht gegeben –, führt die Interessenabwägung zu einem klaren Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Würde der Vollzug der streitgegenständlichen Verfügungen ausgesetzt, erwiese sich diese aber im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig, so könnten in der Zwischenzeit schwerwiegende und erhebliche Schädigungen eines überragenden Schutzgutes – der menschlichen Gesundheit – eintreten. Bleiben die Anordnungen dagegen sofort vollziehbar, erweisen sie sich aber im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig, entstehen dem Antragsteller zwar möglicherweise erhebliche wirtschaftliche Einbußen. Das Schutzgut der menschlichen Gesundheit ist demgegenüber – jedenfalls im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes – aber ohne Zweifel als höherrangig einzustufen. Dies gilt insbesondere vor der Möglichkeit, die Antragsgegnerin in Regress zu nehmen, sollte sich die Anordnung als rechtswidrig erweisen. Die zu befürchtenden Gesundheitsschädigungen sind dagegen möglicherweise nicht reversibel.
35Vgl. zu dieser Bewertung VG München, Beschluss vom 21. Juli 2014 - M 18 S 14.2 -, juris Rn 69 f. sowie VG Minden, Beschlüsse vom 11. März 2020 - 7 L 44/20 - und -7 L 45/20-, sowie vom 12. März 2020 - 7 L 21/20 -, juris Rn. 18.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
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