Urteil vom Verwaltungsgericht München - M 29 K 17.41409

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist malischer Staatsangehöriger, zugehörig zur Volksgruppe der Bambara, muslimischen Glaubens und stammt aus … Er stellte am 28. April 2016 einen Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12. Dezember 2016 gab der Kläger an, Mali im Juni 2012 verlassen zu haben und im Oktober 2015 auf dem Landweg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Weiter erklärte der Kläger, die Eltern seien verstorben. Er habe in … mit der Familie seines Onkels gelebt. Er habe auch noch eine Schwester, jedoch keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen. Der Kläger habe fünf Jahre die Koranschule besucht, keinen Beruf erlernt und in Mali nicht gearbeitet. Befragt zu seinem Verfolgungsschicksal, gab der Kläger an, Mali wegen dem Krieg verlassen zu haben. Rebellen seien in die Stadt gekommen, hätten ihn festgenommen und mit weiteren Jugendlichen zur Arbeit gezwungen. Sie hätten Waffen laden und entladen müssen. Diese seien dann von ihnen auf einen LKW oder in kleinere Fahrzeuge verteilt worden. In der zweiten Woche sei es ihm trotz Bewachung gelungen, nachts wegzulaufen.

Bei einer Befragung durch die Regierung von Oberbayern am 17. Februar 2017 gab der Kläger u.a. noch an, in Mali ein Jahr lang bei einem Schneider gelernt zu haben. Er habe jedoch kein Geld erhalten.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2017, zugestellt am 18. Mai 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG - nicht vorliegen (Nr. 4). Unter Nr. 5 drohte es die Abschiebung nach Mali oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an. Nr. 6 enthält die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate.

Am … Mai 2017 erhob der Kläger zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 6 des Bescheids des Bundesamts vom 15. Mai 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,

festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung nahm der Kläger auf seine Angaben beim Bundesamt Bezug.

Mit Schriftsatz vom … Juni 2017 zeigten die Bevollmächtigten des Klägers die Vertretung an. Sie führten u.a. noch aus, dass der Kläger sich bisher gut habe integrieren können. Er besuche die städtische Berufsschule für …- und … in … Nach Beendigung seines Deutschkurses werde er mit einer Berufsausbildung beginnen. Dem Kläger sei zumindest der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen. Der Einsatz der UN und Bundeswehrtruppen gelte als einer der gefährlichsten der Welt. Aufgrund der humanitären Bedingungen in Mali bestehe zudem ein Abschiebungsverbot.

Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, aber keinen Antrag gestellt.

Mit Beschluss vom 31. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am 19. Juni 2018 fand mündliche Verhandlung statt. Der Bevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus der Niederschrift vom … Mai 2017.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, insbesondere auf den Sachvortrag des Klägers und die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2018 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist ausweislich der aus der Niederschrift ersichtlichen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden.

Die Regierung von Oberbayern ist gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses (VöI) Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015. Hierin wurde die Beteiligung jedoch auf die Übersendung der jeweiligen End- bzw. Letztentscheidung beschränkt.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der angegriffene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger kann mit Erfolg nicht die mit der Klage angestrebte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus (§ 3 AsylG) oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG begehren. Er hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das dreißigmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht diesbezüglich von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es ergänzt lediglich wie folgt:

„Auch wenn man den Sachvortrag des Klägers zu seinen Fluchtgründen als wahr unterstellt und weiterhin von der Gefahr der Zwangsrekrutierung in … ausgeht, muss sich der Kläger hinreichend gesichert jedenfalls auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG). Hiervon ist auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher als auch staatlicher und nichtstaatlicher Stellen auszugehen. Übereinstimmend mit diesen ist auch dem aktuellen Lagebericht (Stand November 2017) des Auswärtigen Amtes zu entnehmen, dass im Süden des Landes der Staat über die Einhaltung der Grundrechte wacht und hier seiner Schutzaufgabe gerecht wird. In den von bewaffneten Gruppen und islamistischen Terroristen dominierten Gebieten des Nordens besteht hingegen kein Schutz gegen Repressalien. Auch im Zentrum Malis haben die Auseinandersetzungen zugenommen, laut Nichtregierungsorganisationen hat dies auch zu einem Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt. Die Betroffenen können solchen Maßnahmen durch einen Umzug in Gebiete unter staatlicher Kontrolle im Süden Malis entgehen.“

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst im Süden eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger derart in den Fokus einer terroristischen Gruppierung geraten sein könnte, dass er deshalb landesweit und noch heute von dieser gesucht würde und gefunden werden könnte. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass denjenigen, die den Kläger angeblich zwangsrekrutiert haben, die Identität des Klägers bekannt geworden und er außerdem aus ihrem Machtbereich geflohen ist. Entsprechendes dürfte auf eine Vielzahl von in den Jahren 2012 und 2013 im Norden Malis Zwangsrekrutierter zutreffen. Der Kläger ist nach eigenen Angaben schon im Juni 2012 aus Mali ausgereist. Bei einer Rückkehr in den Süden Malis ist nicht erkennbar, anhand welcher Kriterien der Kläger ausfindig gemacht werden könnte. In Mali gibt es kein zuverlässiges Meldewesen. Die vom Kläger behaupteten Ereignisse fanden in seiner Heimatregion … statt.

Trotz der vereinzelten terroristischen Anschläge, die auch den Süden Malis und die Hauptstadt Bamako erreichen, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass deshalb im Süden die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht wäre. Nach den Erkenntnissen des Gerichts gilt jedenfalls im Süden Malis, dass der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt kein so hohes Niveau erreicht, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt wäre (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f., jeweils m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.1.2017 - 13a ZB 16.30182 - juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Diese Einschätzung stimmt auch mit dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: November 2017) überein.

Die Rückkehr des Klägers in den Süden Malis ist ihm auch zumutbar. Das Gericht geht insbesondere auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums und er nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die humanitäre Lage in Mali nach wie vor schlecht ist. Nach wie vor ist das Land auf humanitäre Unterstützung von außen angewiesen, wobei insbesondere der Norden Malis betroffen ist (s. hierzu auch UN, Security Council Report Mali vom 28.9.2017, Rn. 51 ff.). Deshalb kann im Einzelfall besonders schutzbedürftigen Personen eine Rückkehr nach Mali möglicherweise nicht zugemutet werden. Der Kläger gehört nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu diesem Personenkreis. Greifbares, das gegen diese Annahme sprechen würde, ist für den jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger, der nur für sich selbst zu sorgen hat, nicht ersichtlich. Der Kläger ist mit den Gepflogenheiten und Sprachen seines Heimatlandes vertraut und verfügt - wie in der mündlichen Verhandlung aufgeklärt werden konnte - nicht nur über Kenntnisse aus einer einjährigen Ausbildung in Mali im Schneiderhandwerk, sondern auch über Arbeitserfahrungen aus einfachen Tätigkeiten auf Baustellen in Algerien und Libyen sowie einem Praktikum im Malerhandwerk in Deutschland. Nachdem dem Kläger es sogar auf der Flucht gelungen ist, Arbeitsgelegenheiten zu finden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm seine nach dem Anschein in der mündlichen Verhandlung eher zurückhaltende Art im eigenen Heimatland größere Schwierigkeiten bei der Wiederansiedlung machen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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